Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 16.12.2010, Az.: 13 WF 155/10
Erfallen der Einigungsgebühr bei Vereinbarung eines wechselseitigen Verzichts auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 16.12.2010
- Aktenzeichen
- 13 WF 155/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 32678
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2010:1216.13WF155.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Lingen - AZ: 20 F 1074/10 S
Rechtsgrundlage
- RVG-VV Nr. 1000
Fundstellen
- AGS 2011, 171-172
- AnwBl 2011, 229-230
- FamFR 2011, 163
- FamRZ 2011, 996-997
- JurBüro 2011, 191-192
Amtlicher Leitsatz
Bei einer Vereinbarung über den wechselseitigen Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs fällt die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG auch dann an, wenn zum Zeitpunkt der Vereinbarung noch nicht sämtliche Auskünfte der Versorgungsträger vorliegen.
Tenor:
I. Die Sache wird gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz RVG dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II. Die Beschwerde der Bezirksrevisorin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nordhorn vom 28. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Landeskasse wendet sich mit der zugelassenen Beschwerde gegen die Festsetzung der Einigungsgebühr in einem Scheidungsverfahren, in dem beiden Beteiligten Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden war.
Die Antragstellerin begehrte mit ihrem am 01.04.2010 bei Gericht eingegangenen Antrag die Scheidung der zwischen den Beteiligten am 18.11.2004 geschlossenen Ehe, aus der keine Kinder hervorgegangen sind. Hinsichtlich der Scheidungsfolgen haben sich die Beteiligten unter dem 22.03.2010 (URNr. 36/2010 des Notars ...) dahin geeinigt, dass eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung nicht stattfinden soll. auf die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen wurde beiderseits verzichtet.
Der Antragsgegner, der ebenfalls beantragte, die Ehe zu scheiden, hat hervorgehoben, dass die Beteiligten in ihrem notariellen Vertrag hinsichtlich des Versorgungsausgleichs keine Regelungen getroffen haben, sich allerdings vorbehalten haben, solche zu treffen.
Vorsorglich haben die Beteiligten die entsprechenden Unterlagen zur Durchführung des Versorgungsausgleichs eingereicht. das Amtsgericht hat demgemäß Auskünfte der Versorgungsträger eingeholt.
In der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2010 schlossen die Beteiligten "auf Vorschlag des Gerichts", nachdem sie erklärt hatten, hinsichtlich der noch ausstehenden Auskünfte der Union Investment gehe man davon aus, dass auch dort in etwa gleich hohe Anwartschaften erworben worden seien, zum Versorgungsausgleich einen Vergleich, wonach sie auf die Durchführung des Versorgungsausgleiches verzichteten. In dem Scheidungsbeschluss vom selben Tage stellte der Familienrichter unter Hinweis auf den "gerichtlichen Vergleich" fest, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
Zu diesem Zeitpunkt lagen die Auskünfte bezüglich der von beiden Beteiligten bei der U.. I... S... B.. A... erworbenen Anrechte noch nicht vor. Diese gingen erst am 18. bzw. 19.08.2010 bei Gericht ein. ausweislich dieser Auskünfte betrug das die Antragstellerin - bezogen auf die Ehezeit - betreffende Vertragsvermögen 1.053,76 €, das des Antragsgegners 639,68 €.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat u.a. die Festsetzung einer Einigungsgebühr entsprechend dem vom Familiengericht für den Versorgungsausgleich festgesetzten Streitwert von 1.000, € beantragt.
Die Rechtspflegerin hat diese Einigungsgebühr durch Beschluss vom 24.08.2010 abgesetzt.
Auf die Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin hat der Familienrichter durch den angefochtenen Beschluss vom 28.10.2010 eine Einigungsgebühr zuzüglich Mehrwertsteuer festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Bezirksrevisorin.
II. Das gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG aufgrund der Zulassung durch den Familienrichter statthafte Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Das Familiengericht hat die Einigungsgebühr zu Recht festgesetzt.
Durch Beschluss vom 01.07.2010 - 13 WF 90/01 = 11 F 933/09 AG Nordhorn - hat der Senat unter Hinweis auf die nunmehr überwiegende Auffassung (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1463. OLG Stuttgart FamRZ 2008, 1010. OLG Köln FamRZ 2008, 1010 sowie 2009 237. OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 2111. OLG Zweibrücken MDR 2009, 1314. OLG Celle FamRZ 2007, 201. Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., Nr. 1000 VVRVG Rn. 526 jeweils m. w. N.) ausgeführt, dass bei einer Vereinbarung über den wechselseitigen Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG jedenfalls dann anfällt, wenn Auskünfte der Versorgungsträger nicht eingeholt worden sind und die Person des Ausgleichspflichtigen deshalb nicht feststeht.
Gleiches gilt, wenn zum Zeitpunkt der Vereinbarung noch nicht sämtliche Auskünfte der Versorgungsträger vorlagen, wobei dahinstehen kann, ob bei einem wechselseitigen Verzicht hinsichtlich des ansonsten noch durchzuführenden Versorgungsausgleichs stets ein Vergleich i. S. d. Nr. 1000 VV RVG vorliegt (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2010, 922 sowie GöttlichMümmelerRehbergXanke, RVG, "Versorgungsausgleich" Anmerkung 1.2.4).
Voraussetzung für das Entstehen der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG ist "die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht". Der Abschluss eines Prozessvergleiches wird angesichts der weiten Formulierung ebenso wenig gefordert wie ein gegenseitiges Nachgeben (vgl. Beschluss des Senats vom 01.07.2010 m. w. N.). Vorliegend waren zwar die Auskünfte der gesetzlichen Rentenversicherungsträger eingeholt. die der U... I... S... B... A... lagen jedoch noch nicht vor. Deshalb standen auch wenn die Beteiligten von etwa gleich hohen Anwartschaften ausgingen - weder die Ausgleichsrichtung noch die Ausgleichshöhe fest, so dass mit dem wohl auch im Hinblick auf die genannte notarielle Vereinbarung erfolgten Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs vertraglich ein ungewisses Rechtsverhältnis geklärt wurde. Dies gilt vorliegend umso mehr, als sich ausweislich der von der U... I... erteilten Auskünfte ein unterschiedliches Vertragsvermögen ergab.
Deshalb erschöpfte sich die Vereinbarung der Parteien nicht in einem bloßen Verzicht. Nach dem Wortlaut des protokollierten "Vergleichs" (vgl. OLG Saarbrücken FamRZ 2008, 1464 bezüglich einer Zuweisung der Ehewohnung) sowie dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung soll die Bereitschaft zur einvernehmlichen Beilegung eines Rechtsstreits gefördert werden. Deshalb reicht bereits ein geringes Entgegenkommen aus, um das negative Tatbestandsmerkmal der Beschränkung des Vertrages auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht zu beseitigen. Im Übrigen sind sowohl Anerkenntnis wie auch ein Verzicht einseitige Erklärungen. Daran fehlt es, wenn - wie hier - nicht endgültig feststeht, welche Partei tatsächlich verzichtet. Der durch beide Beteiligten erklärte Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleiches kann bei verständiger Würdigung nur dahingehend verstanden werden, dass jede Partei für den Fall, dass sich ein Ausgleichsanspruch zu ihren Gunsten ergäbe, auf einen Ausgleich verzichte, so dass die Wertung als einseitiger Verzicht dieser zweiseitigen Vereinbarung nicht gerecht wird (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1463 ff). Schließlich soll die in den Gesetzeswortlaut aufgenommene Beschränkung, dass der Vertrag nicht ausschließlich ein Anerkenntnis oder einen Verzicht beinhalten darf, nicht den früheren Gebührentatbestand beschneiden, sondern einem - hier nicht ersichtlichen - Missbrauch vorbeugen (vgl. OLG Köln NJW 2009, 237 [OLG Köln 14.05.2008 - 10 WF 90/08]).