Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 14.12.2010, Az.: 13 WF 154/10

Beiordnung eines Rechtsanwalts für den Unterhaltsschuldner im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
14.12.2010
Aktenzeichen
13 WF 154/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 33971
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2010:1214.13WF154.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Papenburg - 24.06.2010 - AZ: 3 FH 14/09 VKH2

Fundstellen

  • AGS 2011, 188-190
  • AnwBl 2011, 103
  • FF 2011, 333
  • FamFR 2011, 36
  • FamRB 2011, 115
  • FamRZ 2011, 917-918
  • NJW 2011, 6
  • NJW-RR 2011, 586-587
  • NJW-Spezial 2011, 189
  • RVGreport 2011, 194-195

Amtlicher Leitsatz

Für einen juristischen Laien, der als Antragsgegner im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger (§§ 249 ff. FamFG) den Einwand eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit (Einwand 'G' im Formular 'Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt') erhebt, ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Sinne von § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Papenburg vom 24. Juni 2010 geändert und wie folgt neu gefasst:

Dem Antragsgegner wird Verfahrenskostenhilfe im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger unter Beiordnung von Rechtsanwältin S..., D..., bewilligt.

Gründe

1

I. Das Antrag stellende Land, vertreten durch den Landkreis Emsland, macht gegen den Antragsgegner aus übergegangenem Recht gemäß § 7 Abs. 1 Unterhaltsvorschussgesetz im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger Ansprüche auf Kindesunterhalt für die beiden Kinder des Antragsgegners geltend.

2

Mit Antrag vom 30. November 2009 ist für das Kind S..., geboren am ... 2003, für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2009 Unterhalt in Höhe von insgesamt 108 €, für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 30. November 2010 in Höhe von monatlich 73 € und für die Zeit ab 1. Dezember 2010 in Höhe von monatlich 66 € verlangt worden. Für das Kind N..., geboren am 2. Dezember 2004, ist für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2009 Unterhalt in Höhe von insgesamt 90 €, für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 30. November 2010 in Höhe von monatlich 60 € und für die Zeit ab 1. Dezember 2010 in Höhe von monatlich 66 € verlangt worden.

3

Der Antragsgegner hat, anwaltlich vertreten, Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt erhoben und Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten beantragt. In dem Formular ´Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt´ ist unter anderem das Kästchen ´G´ (´Ich kann den verlangten Unterhalt ... nicht oder nicht in voller Höhe zahlen ...´) angekreuzt. Im Anschluss an die Auskunft über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Zweiten Abschnitt des Formulars ist im Dritten Abschnitt (´Erklärung bei Einwand G oder H´) angegeben, dass der Antragsteller bereit ist, ab Januar 2010 Unterhalt in Höhe von 35 € monatlich an S... und in Höhe von 29 € monatlich an N... zu zahlen.

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Das Familiengericht hat dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe bewilligt, den Antrag auf Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners jedoch abgelehnt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners.

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II. Das Rechtsmittel ist zulässig und begründet.

6

Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 121 Abs. 2 ZPO liegen entgegen der Ansicht des Familiengerichts vor. § 121 ZPO ist im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger (§§ 249 ff. FamFG) gemäß § 113 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 112 Nr. 1, § 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG anwendbar.

7

1. Die Vorschrift des § 121 Abs. 2 ZPO sieht in Verfahren ohne Anwaltszwang eine Beiordnung vor, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Vorliegend handelt es sich gemäß § 114 Abs. 4 Nr. 6 FamFG in Verbindung mit § 78 Abs. 3 ZPO um ein Verfahren ohne Anwaltszwang, weil gemäß § 257 Satz 1 FamFG im vereinfachten Verfahren die Anträge und Erklärungen vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden können.

8

Die nach § 121 Abs. 2 ZPO notwendige Einzelfallprüfung setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine konkrete, an den objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des konkreten Falles orientierte Notwendigkeitsprüfung voraus. Maßgebend sind neben Umfang und Schwierigkeit der Rechtssache auch die Fähigkeit des Beteiligten, sich mündlich oder schriftlich auszudrücken (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2010 - XII ZB 232/09, FamRZ 2010, 1427, Rn. 22 m.w.N.). Hiernach ist im vorliegenden Fall die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich.

9

Der Antragsgegner ist Maler und Lackierer, also juristischer Laie. Im Formular ´Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt´, dessen sich der Antragsgegner gemäß § 259 Abs. 2 FamFG bedienen muss, heißt es bei dem hier angekreuzten Kästchen ´G´ (Einwand nicht ausreichender Leistungsfähigkeit) unter ´Wichtiger Hinweis´ (vgl. Anlage 2 der KindesunterhaltFormularverordnung in der Fassung der Vierten Verordnung zur Änderung der KindesunterhaltFormularverordnung vom 17. Juli 2009, BGBl. I S. 2134 ff.):

10

´Dieser Einwand ist nur zulässig, wenn Sie

11

...

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- im dritten Abschnitt dieses Formulars erklären, in welcher Höhe Sie zur Unterhaltszahlung bereit sind (ggf. ´0´) und dass Sie sich insoweit verpflichten, den Unterhaltsanspruch zu erfüllen. Bei der Abgabe der Erklärung sollten Sie sich unbedingt rechtlich beraten lassen.´

13

Die Einleitung des Dritten Abschnitts lautet:

14

´Das vereinfachte Verfahren will dem Kind und dem unterhaltsverpflichteten Elternteil Gelegenheit geben, den Unterhalt einvernehmlich rasch und kostengünstig zu regeln, damit die für den Unterhalt verfügbaren Mittel nicht unnötig für einen teueren Prozess beansprucht werden. Zu diesem gesetzlichen Zweck leisten Sie Ihren Beitrag, wenn Sie sich bei Ihren nachstehenden Angaben von einer zur Rechtsberatung zugelassenen Person oder Stelle sorgfältig beraten lassen und Ihre Erklärung gemäß dem Rat dieser Person oder Stelle abgeben. Sollten Sie die Beratungskosten nicht aufbringen können, informieren Sie sich bitte bei Ihrem Amtsgericht oder bei einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin Ihres Vertrauens über die Beratungshilfe.´

15

Im Formulartext, der nahezu identisch auch in der ursprünglichen Fassung enthalten war (vgl. Anlage 2 der KindesunterhaltVordruckverordnung vom 19. Juni 1998, BGBl. I S. 1364), wird der Antragsgegner nicht nur auf die Möglichkeit rechtlicher Beratung hingewiesen, sondern diese wird ihm ausdrücklich empfohlen. Der Verordnungsgeber ist also bei der Abfassung des Formulars davon ausgegangen, dass ein juristischer Laie nicht in der Lage ist, ohne rechtliche Beratung zu ermitteln, in welcher Höhe er Kindesunterhalt zu leisten hat und auf dieser Grundlage die von ihm geforderte Erklärung abzugeben.

16

Diese Beurteilung hält der Senat für zutreffend. Daraus folgt, dass für einen juristischen Laien, der im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger als Antragsgegner den Einwand fehlender oder nicht ausreichender Leistungsfähigkeit (Einwand ´G´ im Formular ´Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt´) die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Sinne von § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich ist. Das steht im Einklang mit der in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum zur alten Fassung des Formulars ´Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt´überwiegend vertretenen Auffassung, nach der das Formular so umfangreich, unübersichtlich und schwer verständlich ist, dass für den juristischen Laien zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung die Inanspruchnahme fachlicher Hilfe geboten erscheint (OLG Zweibrücken, OLGR 2005, 906, zitiert nach juris, Rn. 1. OLG Frankfurt am Main, FamRZ 2008, 420, zitiert nach juris, Rn. 6. Vogel, FF 2009, 285, 297. Zöller/Philippi, ZPO, 28. Aufl., § 250 FamFG Rn. 1 m.w.N.).

17

2. Dieser Beurteilung steht entgegen der Auffassung des Familiengerichts nicht die Möglichkeit entgegen, die Erklärung vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abzugeben (§ 257 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Dies kann - ebenso wie die Einschaltung der Rechtsantragstelle - eine anwaltliche Beratung nicht ohne weiteres ersetzen (vgl. OLG Frankfurt am Main, aaO.).

18

3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der im Formular ausdrücklich erwähnten Möglichkeit, Beratungshilfe zu beantragen. Dieser Hinweis ist nach Auffassung des Senats im Zusammenhang mit der nach dem Formular geforderten Erklärung nicht zutreffend.

19

Nach § 1 Abs. 1 BerHG wird auf Antrag Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gewährt, wenn der Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann, nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen und die Wahrnehmung der Rechte nicht mutwillig ist. Durch das Tatbestandsmerkmal ´außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens´ wird die Beratungshilfe von der Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe abgegrenzt. Beratungshilfe endet grundsätzlich dort, wo Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe beginnt. Damit kommt Beratungshilfe für den Antragsteller in einem FamFGVerfahren nicht mehr in Betracht, weil dieser bereits innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens steht. Dagegen führt die Antragstellung allein nicht automatisch dazu, dass auch der Antragsgegner von der Beratungshilfe ausgeschlossen ist. Entscheidend ist, ob der Antragsgegner sich bereits zum Antrag erklärt hat. Bis zu diesem Zeitpunkt kann er noch Beratungshilfe erlangen (Schoreit/Dehn/Groß, BerH/PKH/VKH, 10. Aufl., § 1 BerHG Rn. 16 - 18 m.w.N.).

20

Der Antragsgegner im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger, der seine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit geltend machen will, ist gemäß § 252 Abs. 2 Satz 1 und 3 FamFG gehalten, Auskunft über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu erteilen sowie eine Erklärung abzugeben, inwieweit er zur Unterhaltsleistung bereit ist und dass er sich insoweit zur Erfüllung des Unterhaltsanspruchs verpflichtet. Erhebt er keine Einwendungen oder sind die Einwendungen unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 252 Abs. 2 FamFG genügen, wird der Unterhalt nach Ablauf der Monatsfrist des § 251 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 FamFG festgesetzt (§ 253 Abs. 1 Satz 1 FamFG).

21

Auf Beratungshilfe könnte der Antragsgegner somit allenfalls hinsichtlich der Frage verwiesen werden, ob er überhaupt Einwendungen erheben soll. Dies setzt aber eine Prüfung insbesondere der Einkommensverhältnisse des Antragsgegners voraus und dürfte als solches bereits eine Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information auslösen (Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG), damit als Wahrnehmung von Rechten innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens anzusehen sein. Führt aber die Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Erhebung von Einwendungen Erfolgsaussichten hat, so muss zwangsläufig konkret erklärt werden, in welcher Höhe der Antragsgegner zur Unterhaltszahlung bereit ist. Dies ist einem juristischen Laien - wie bereits ausgeführt - ohne fachkundigen Beistand nicht möglich. Die auf Abgabe dieser Erklärung gerichtete anwaltliche Tätigkeit findet innerhalb des gerichtlichen Verfahrens statt. Würde man die anwaltliche Tätigkeit als Beratung außerhalb des gerichtlichen Verfahrens und nur die auf dieser Grundlage abgegebene Erklärung des Antragsgegners als eine Handlung innerhalb dieses Verfahrens ansehen, wäre dies nach Auffassung des Senats eine künstliche Aufspaltung eines einheitlichen Vorgangs.