Verwaltungsgericht Osnabrück
Beschl. v. 11.07.2013, Az.: 6 B 34/13

Betreuung; Prozessfähigkeit; Rechtsmittelverzicht; Fahrerlaubnis; Gutachten; finanzielle Mittel

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
11.07.2013
Aktenzeichen
6 B 34/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 64344
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Rechtsmittelverzicht eines Betreuten steht einer vom Betreuer innerhalb seines gerichtlich bestimmten Aufgabenkreises erhobenen Klage nicht entgegen.
Zur Wirksamkeit eines dem Betreuten von der Führerscheinbehörde zur "Kostenersparnis" abgenommenden Rechsmittelverzichts bei Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge im Straßenverkehr.
Der Hinweis auf fehlende finanzielle Mittel stellt für sich genommen keine Weigerung zur Vorlage eines geforderten Gutachtens dar.

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung wird bezüglich des Bescheids des Antragsgegners vom 21.3.2013 wiederhergestellt.

Die aufschiebende Wirkung entfällt, wenn der Antragsteller nicht binnen Monatsfrist ab Zustellung dieses Beschlusses Klage gegen diesen Bescheid erhebt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1.250 € festgesetzt.

Dem Antragsteller wird für das Verfahren im ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts B., A-Stadt, bewilligt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen und Fahrzeugen aller Art.

Sein Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis vom 22.9.2008 wurde vom seinerzeit zuständigen Landkreis Osnabrück am 1.7.2009 abschlägig beschieden, nachdem sein Betreuer mit Schreiben vom 26.2.2009 unter Beifügung seiner Betreuerbestellung mitgeteilt hatte, dass der Antragsteller wegen fehlender finanzieller Mittel ein von ihm gefordertes Gutachten nicht beibringen könne. Ausweislich der zu den Verwaltungsvorgängen genommenen Betreuerbestellung umfasst der Aufgabenkreis des Betreuers insbesondere die Vermögenssorge sowie Rechts- / Antrags- und Behördenangelegenheiten und der Betreuer vertritt den Antragsteller im Rahmen seines Aufgabenkreises gerichtlich und außergerichtlich.

Durch polizeiliche Mitteilung erhielt der Antragsgegner Kenntnis davon, dass der Antragsteller am 10.5.2010 mit einem Fahrrad am Straßenverkehr teilgenommen hatte, obwohl er einen Atemalkoholwert von 1,84 ‰ und ausweislich eines seit dem 28.7.2010 rechtskräftigen Strafbefehls einen Blutalkoholwert von mindestens 2,33 ‰ aufwies.

Am 21.3.2013 untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller mit sofortiger Wirkung das „Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen (z.B. Mofa) und Fahrzeugen aller Art (z.B. Fahrrad)“ gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. §§ 11, 13 FeV, weil er „die zum Führen von solchen Kraftfahrzeugen erforderliche Eignung“ nicht besitze. Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist dem Schreiben nicht beigefügt. Der Antragsgegner ließ den Antragsteller dabei die nachfolgende Erklärung unterzeichnen:

„Mit der Untersagung erkläre ich mich einverstanden. Auf die Zustellung eines formellen Bescheids und auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichte ich aus Kostengründen. Ich bin nicht mehr berechtigt fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge und Fahrzeuge aller Art im Straßenverkehr zu führen.“

Mit Schreiben vom 12.4.2013 hat der Bevollmächtigte des Antragstellers gegen diese Untersagung Widerspruch erhoben und die Einverständniserklärung des Antragstellers angefochten.

Am 24.5.2013 hat der Antragsteller die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und von Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung macht sein Bevollmächtigter geltend, die Untersagungsverfügung sei nicht bestandskräftig Eine Rechtsbehelfsbelehrung fehle. Die Jahresfrist für die Klageerhebung sei nicht abgelaufen. Die Erklärung des unter Betreuung stehenden Antragstellers sei nicht wirksam. Der Antragsteller habe die Reichweite der ihm vom Antragsgegner abverlangten Erklärung nicht absehen können. Ihm sei nicht bewusst gewesen, das mit der Erklärung ein Rechtsmittelverzicht verbunden gewesen sei. Ihm sei lediglich vermittelt worden, dass er Kosten sparen würde, wenn er die Erklärung unterschreibe. Auch werden Einwände gegen ein Verlangen nach einem medizinisch-psychologischen Gutachten wie auch gegen einen Schluss auf eine fehlende Eignung bei Nichtvorlage eines geforderten Gutachtens erhoben; hierauf wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Insbesondere wird geltend gemacht, dass dem Einwand des Antragstellers, er verfüge nicht über die notwendigen finanziellen Mittel, nicht in gleicher Weise begegnet werden könne, wie bei einem Inhaber einer Fahrerlaubnis, bei dem der Gesetzgeber daran anknüpfen könne, dass das Halten und Führen von Kraftfahrzeugen eine gewisse finanzielle Leistungsfähigkeit voraussetze. Damit sei die Situation eines Fahrradfahrers wie dem Antragsteller nicht vergleichbar.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung seiner noch zu erhebenden Klage wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er macht geltend, der Antrag sei unzulässig, denn nicht Widerspruch sondern Klage sei der gebotene Rechtsbehelf. Seine Untersagungsverfügung sei infolge des Rechtsmittelverzichts unanfechtbar geworden. Dieser sei nicht durchgreifend angefochten worden. Die Anfechtung sei nicht unverzüglich erfolgt und ein Anfechtungsgrund liege nicht vor. Auch materiell sei die Untersagungsverfügung rechtmäßig. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV könne vom Antragsteller die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangt werden und gemäß § 11 Abs. 8 FeV dürfe bei Weigerung oder Nichtvorlage auf seine fehlende Fahreignung geschlossen werden.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage auf Antrag anordnen oder wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Klageerhebung zulässig (§ 80 Abs. 5 S. 2 VwGO). Die gerichtliche Entscheidung erfolgt aufgrund einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung einerseits und dem Interesse des Rechtsschutzsuchenden an der vorläufigen Aussetzung des angefochtenen Verwaltungsakts andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. Bei offensichtlicher Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, während bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts regelmäßig dem Aussetzungsinteresse des Rechtsschutzsuchenden Vorrang einzuräumen ist. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze überwiegt vorliegend das private Interesse des Antragstellers, weil der angefochtene Bescheid voraussichtlich rechtswidrig ist.

Dem steht nicht bereits entgegen, dass die mit sofortiger Wirkung versehene Untersagungsverfügung infolge eines Rechtsmittelverzichts des Antragstellers in Bestandskraft erwachsen wäre. Zwar ist der unter Betreuung stehende Antragsteller grundsätzlich in seiner Geschäftsfähigkeit nicht beschränkt und auch prozessfähig (§ 62 Abs. 1 VwGO), denn die Bestellung seiner Betreuerin weist keinen Einwilligungsvorbehalt aus (§§ 1896, 1901 Abs. 1, 1902, 1903 Abs. 1 BGB), doch begibt sich ein Betreuter durch einen „Rechtmittelverzicht“ der Möglichkeit, eine dem prozessualen Verfahrensrecht zuzuordnende und deshalb in der jeweiligen Prozessrechtsmaterie des einzuschlagenden Rechtswegs geregelte Prozesshandlung, nämlich den Rechtsbehelf der Klageerhebung vorzunehmen. Insoweit treffen die Prozessordnungen Sonderregelungen. Vorliegend einschlägig ist § 62 Abs. 4 VwGO i.V.m. § 53 ZPO, wonach eine prozessfähige Person, die durch einen Betreuer vertreten wird, für den Rechtsstreit einer nicht prozessfähigen Person gleichsteht. Rechtsfolge dieser Bestimmungen ist es, dass dem Betreuer eine Prozesshandlungen des Betreuten derogierende Kompetenz zur Prozesshandlung und damit zum Führen des Prozesses zusteht, die von Prozesserklärungen wie auch einem - im Übrigen bedeutsamen - Verzicht des Betreuten auf ein Rechtsmittel unberührt bleibt. Deshalb steht der Antragstellung und Klageerhebung im Namen des Antragstellers durch seine Betreuerin der vom Betreuten gegenüber dem Antragsgegner erklärte „Rechtsmittelverzicht“ nicht entgegen, so dass die Frage der Wirksamkeit der dem Betreuten vom Antragsgegner abgenommenen Erklärung im Übrigen dahingestellt bleiben kann. Ob dies auch für das dem Prozessrecht zugeordnete verwaltungsgerichtliche Vorverfahren nach §§ 68 ff VwGO, mithin für den Widerspruch, in gleicher Weise gilt, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da gegen die Untersagungsverfügung kein Vorverfahren durchzuführen, sondern unmittelbar Klage zu erheben war, wie der Beklagte zu Recht geltend gemacht hat. Vorliegend erstreckte sich die Betreuung ausweislich der Betreuerbestellung unmittelbar auf „Rechts- / Antrags- und Behördenangelegenheiten“, wozu nach § 1902 BGB - wie auch die Betreuerbestellung ausweist - insbesondere die gerichtliche Vertretung des Betreuten gehört. In diesen Aufgabenkreis fällt unzweifelhaft die Vertretung des Antragstellers gegenüber dem Beklagten im vorliegenden straßenverkehrsrechtlichen Untersagungsverfahren.

Die Rechtsmacht des Betreuten, daneben weiterhin uneingeschränkt materiell-rechtliche Verfügungen treffen zu können, spielt im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Eine derartige Rechtshandlung hat der Antragsteller nicht vorgenommen. Eine solche Bedeutung hat das von ihm erklärte Einverständnis mit der Untersagungsverfügung deshalb nicht, weil es sich gerade um eine einseitige, hoheitliche Regelung mit Außenwirkung, nämlich durch Verwaltungsakt und nicht um einen (öffentlich-rechtlichen) Vertrag handelt, so dass einem Einverständnis des Adressaten allein eine verfahrensrechtliche Bedeutung im Sinn eines Verzichts auf einen möglichen Rechtsbehelf zukommt. Die dem Antragsteller vom Antragsgegner abgenommene Erklärung geht in ihrer rechtlichen Wirkung deshalb über einen „Rechtsmittelverzicht“ nicht hinaus.

Die Bestandkraft der Untersagungsverfügung tritt im Übrigen nicht vor Ablauf eines Jahres ein, weil ihr eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt war, worauf der Bevollmächtigte des Antragstellers zutreffend abstellt. Ist demzufolge die Klagefrist noch nicht abgelaufen und eine Klageerhebung durch die Betreuerin im Namen des Antragstellers weiterhin möglich, so ist auch die Antragstellung nach § 80 Abs. 5 VwGO schon vor Klageerhebung (so ausdrücklich Satz 2 der Regelung) zulässig. Dass die Betreuerin für den Antragsteller zuvor einen nach § 68 Abs. 1 VwGO prozessrechtlich nicht gebotenen Widerspruch beim Beklagten erhoben hat, hindert die Antragstellung nicht. Einen solchen Widerspruch kann der Beklagte als Gegenvorstellung werten oder - wie vorliegend - als unzulässig behandeln, ohne dass dies für die Frage der Zulässigkeit prozessualen Rechtsschutzes für sich genommen Bedeutung erlangt.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene Untersagung, im Straßenverkehr fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, lagen im Zeitpunkt der Untersagungsverfügung nicht vor. Zwar könnte sich eine Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens als rechtmäßig erweisen (1.), doch ist eine solche Anordnung bislang vom Beklagten nicht getroffen worden. Hierfür ist den Verwaltungsvorgängen nichts zu entnehmen. Vielmehr hat sich der Beklagte diese Anordnung nach dem Inhalt der Untersagungsverfügung und dem dem Antragsteller abgenommenen „Rechtsmittelverzicht“ aufgrund dessen angenommenen Einverständnisses gespart. Eine Weigerung im Sinn des § 11 Abs. 8 FeV, die indes wohl zunächst jedenfalls im Regelfall eine prüffähige Gutachtenanordnung voraussetzen dürfte, ist in dem Einwand des Antragstellers, er verfüge nicht über die notwendigen finanziellen Mittel, nicht zu sehen (2.)

(1.) Zur Frage der Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens hat die Kammer mit Beschluss vom 9.8.2012 - 6 B 59/12 - ausgeführt:

„Gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die fehlende Fahreignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich einer nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Eignungsuntersuchung zu unterziehen oder das von der Behörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die Anordnung einer solchen Untersuchung ihrerseits rechtmäßig war (vgl. BVerwG, U. v. 5.07.2001 - 3 C 13.01 -, NJW 2002, 78 m.w.N.). Dies ist hier entgegen der Auffassung des Antragstellers hinsichtlich der Gutachtenanordnung des Antragsgegners vom 05.05.2012 der Fall. Angesichts der vom Antragsteller am 03.10.2008 unter erheblichem Alkoholeinfluss (Blutalkoholkonzentration: 1,81 ‰) begangenen Trunkenheitsfahrt hat der Antragsgegner zu Recht angenommen, dass Bedenken an der Fahreignung des Antragstellers i.S.d. Ziff. 8.1 der Anlage 4 zur FeV (Alkoholmissbrauch) bestehen, die ihn gemäß § 46 Abs. 3 FeV dazu berechtigten, dieser Frage weiter nachzugehen. In diesem Zusammenhang kommt es rechtlich nicht darauf an, dass der Antragsteller die genannte Trunkenheitsfahrt „lediglich“ mit einem Fahrrad begangen hat (und im vorliegenden gerichtlichen Verfahren allein seine Berechtigung zum Führen von Fahrrädern erstreiten möchte). Denn Ziff. 8.1 der Anlage 4 zur FeV hat insoweit - in Übernahme der zuvor praktizierten ständigen Verwaltungsrechtsprechung (vgl. BVerwG, U. v. 21.05.2008 - 3 C 32.07 -, NJW 2008, 2601; U. v. 27.09.1995 - 11 C 34.94 -, DVBl. 1996, 165; OVG Lüneburg, B. v. 11.07.2008 - 12 ME 136/08 -; VG Oldenburg, B. v. 24.03.2009 - 7 B 457/09 -, jew. www.dbovg.niedersachsen.de, m.w.N.) - eine Klarstellung im Wortlaut dahingehend erfahren, dass der Normgeber nunmehr in Kenntnis des unterschiedlichen Bedeutungsgehalts der Begriffe „Fahrzeug“ und „Kraftfahrzeug“ für die Definition des (eignungsausschließenden) Alkoholmissbrauchs nur noch an das Führen von Fahrzeugen - und nicht wie zuvor Kraftfahrzeugen - anknüpft. Dementsprechend umfasst die der Fahrerlaubnisbehörde durch § 3 Abs. 1 und 2 FeV eröffnete Möglichkeit, ungeeigneten Personen das Führen von Fahrzeugen zu untersagen bzw. im Vorfeld eine Eignungsüberprüfung nach Maßgabe der §§ 11-14 FeV zu verlangen, auch fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge wie z.B. Fahrräder (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 01.04.2008 - 12 ME 35/08 -, juris = NJW 2008, 2059). Zur Klärung der hier in Rede stehenden Eignungsfrage war gemäß § 13 Satz 1 Ziff. 2 c) FeV) die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, weil der Antragsteller bei dem fraglichen Vorfall ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr geführt hatte. Diese vom Verordnungsgeber zwingend vorgesehene Folge kann nicht mit dem vom Antragsteller angeführten Argument umgangen werden, er müsse sich der angeordneten Begutachtung deshalb nicht unterziehen, weil seit dem genannten Vorfall mittlerweile ein Zeitraum von drei Jahren und acht Monaten verstrichen und er während dieser gesamten Zeit in keiner Weise im Straßenverkehr auffällig geworden sei. Vielmehr darf eine solche Gutachtenanordnung bei - wie hier - in das Verkehrszentralregister einzutragenden Verkehrszuwiderhandlungen, auch wenn diese ggf. schon längere Zeit zurückliegen, regelmäßig so lange erfolgen, wie die entsprechenden Eintragungen noch nicht tilgungsreif sind (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 13 FeV Rn. 22 m.w.N.). Letzteres ist hier bezüglich der vom Antragsteller im Oktober 2008 begangenen Trunkenheitsfahrt, für die eine zehnjährige Tilgungsfrist gilt (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG), ersichtlich nicht der Fall. Vor diesem Hintergrund hat das OVG Lüneburg (B. v. 25.04.2007 - 12 ME 142/07 - Blutalkohol 2008, 146) eine entsprechende Gutachtenanordnung daher auch nach einer bereits mehr als 7 Jahre zurückliegenden Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ nicht beanstandet.“

Hieran dürfte festzuhalten sein.

(2.) Indes hat die Kammer in diesem Beschluss sodann mit Blick auf den Einwand fehlender finanzieller Mittel des Antragstellers zur Bestreitung der Gutachtenkosten weiter ausgeführt:

„Da sich der Antragsteller der mithin zu Recht geforderten medizinisch-psychologischen Begutachtung bislang unstreitig nicht unterzogen hat, ist der Anwendungsbereich des § 11 Abs. 8 FeV, wonach die Fahrerlaubnisbehörde in solchen Fällen auf die Nichteignung des Betroffenen schließen darf, zwar grundsätzlich eröffnet. Eine Anwendung dieser Vorschrift setzt im konkreten Einzelfall jedoch voraus, dass die Nichtvorlage des Gutachtens ohne ausreichenden Grund erfolgt ist, weil nur dann die in der Vorschrift zum Ausdruck kommende Vermutung berechtigt ist, der Betroffene wolle durch sein Verhalten einen ihm bekannten Eignungsmangel verbergen (vgl. Hentschel/König/Dauer, aaO, § 11 FeV Rn. 22 m.w.N.; VGH München, B. v. 09.02.2005 - 11 CS 04.2438 -, juris). Eine derartige Schlussfolgerung erscheint hier nach dem derzeit überschaubaren Sachverhalt nicht ohne weiteres gerechtfertigt. Der Antragsteller hat zwar auf die Gutachtenanordnung des Antragsgegners vom 05.05.2012 zunächst nicht reagiert, im Rahmen seiner nachfolgenden Anhörung zur Entziehung der Fahrerlaubnis jedoch mit Schreiben vom 04.06.2012 darauf hingewiesen, dass er derzeit nicht in der Lage sei, eine medizinisch-psychologische Begutachtung zu finanzieren; zugleich hat er ausdrücklich seine Bereitschaft erklärt, sich der geforderten Begutachtung zu unterziehen, sobald er dazu finanziell in der Lage sei. Eine derartige Erklärung muss angesichts der Gefahren, die von (möglicherweise) ungeeigneten Fahrzeugführern für andere Verkehrsteilnehmer ausgehen, zwar nicht regelmäßig oder gar zwingend dazu führen, dass die Fahrerlaubnisbehörde von einer Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. dem Verbot des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge absieht. Die Behörde wird eine solche Erklärung aber jedenfalls dann, wenn keine durchgreifenden Zweifel an dem von dem Betroffenen geltend gemachten finanziellen Unvermögen bzw. der Ernsthaftigkeit der erklärten Begutachtungsbereitschaft bestehen, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung zumindest zum Anlass nehmen müssen, Überlegungen dahingehend anzustellen, wie diesem (ggf. nur vorübergehenden) Hinderungsgrund auch unter Berücksichtigung der Belange der Verkehrssicherheit angemessen Rechnung getragen werden kann. Zu den insoweit denkbaren Maßnahmen kann etwa eine Verlängerung der Frist zur Gutachtenvorlage oder eine eingehende Erörterung der finanziellen Situation des Betroffenen - ggf. verbunden mit der Erarbeitung eines Finanzierungsplans oder mit behördlichen Hinweisen auf etwaige Finanzierungsmöglichkeiten durch Sozialleistungen oder sonstige Fremdmittel - gehören (vgl. Hentschel/König/Dauer, aaO, Rn. 22; VGH München, aaO). Derartige Erwägungen finden sich im angefochtenen Bescheid, der bereits einen Tag nach Eingang des genannten Schreibens des Antragstellers erlassen worden ist, nicht; dieser beschränkt sich vielmehr auf den pauschalen Hinweis, „dass das vom Antragsteller geltend gemachte finanzielle Unvermögen keine andere Beurteilung rechtfertige und das von ungeeigneten Fahrzeugführern ausgehende Risiko nicht aus finanziellen Gründen der Allgemeinheit aufgebürdet werden könne“. Dies greift angesichts der konkreten Gesamtumstände des vorliegenden Einzelfalls unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zu kurz, zumal sich weder aus dem Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs noch aus dem Vortrag des Antragsgegners im gerichtlichen Verfahren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich bei der Erklärung des Antragstellers vom 04.06.2012 lediglich um einen vorgeschobenen Einwand handelt. Vielmehr hat der Antragsgegner ausweislich eines in den Akten befindlichen Gesprächsvermerks vom 14.06.2012 wenige Tage nach Erlass des Bescheides die finanzielle Situation des Antragstellers eingehend mit diesem erörtert und in diesem Zusammenhang „angesichts der besonderen Umstände, die sich aus dem Verwaltungsvorgang in diesem Einzelfall ergeben“, selbst signalisiert, ggf. auf die im Verwaltungsverfahren angefallenen Verwaltungsgebühren zu verzichten. Derartige, die aktuelle finanzielle Situation des Antragstellers berücksichtigende Überlegungen wären bereits vor Erlass des angefochtenen Bescheides, der für den Antragsteller weit einschneidendere Folgen als die Belastung mit Verwaltungsgebühren hat, anzustellen gewesen. Demgemäß war dem Begehren auf vorläufigen Rechtsschutz in dem vom Antragsteller beantragten Umfang (§ 88 VwGO) zu entsprechen.“

Auch hieran dürfte festzuhalten sein. Der Antragsgegner hat insoweit keinerlei Mühewaltung entfaltet, vielmehr den Einwand fehlender finanzieller Mittel lediglich zum Anlass genommen, den Antragsteller aus vorgeblichen Kostengründen zu einem Rechtsmittelverzicht zu bewegen. Dies greift indes zu kurz. So war dem Antragsteller jedenfalls Gelegenheit zur Substantiierung seines Vorbringens zu geben und ihm konkret zu benennen, welche Erklärungen und Nachweise insoweit von ihm beizubringen waren.

Vor diesem Hintergrund erscheint die vom Beklagten - nach eigener Darstellung wohl ständig geübte - Verwaltungspraxis, sich von finanziell minder bemittelten Personen unter Vorgabe von Kostenersparnissen Rechtsmittelverzichtserklärungen unterschreiben zu lassen, in rechtsstaatlicher Hinsicht höchst bedenklich. Dies gilt besonders hinsichtlich solcher Personen, von denen ihm ausweislich der Verwaltungsvorgänge bereits bekannt war, dass eine Betreuung mit einschlägigem Aufgabenkreis bereits gerichtlich angeordnet war. Eine solche Verwaltungspraxis befremdet umso mehr, als mit einem sofortigen Rechtsmittelverzicht keine erkennbaren Kostenersparnisse des Betroffenen verbunden sind. Dem Betroffenen entstehen vielmehr auch bei Ausschöpfung der Rechtsbehelfsfrist keine weiteren Kosten. Solche entstehen vielmehr allenfalls dann, wenn er sich entschließt, einen Rechtsbehelf einzulegen. Für diesen Fall greifen jedoch gerade die gesetzlichen Bestimmungen über die Beratungs- und Prozesskostenhilfe, die es mittellosen Personen ermöglichen sollen, unter Ausschluss bzw. unter Begrenzung des Kostenrisikos ihren Rechtsschutz wahrzunehmen. Die vom Beklagten behaupteten „Kostengründe“, die einen sofortigen Verzicht auf alle Rechtsbehelfe nahelegen könnten, sind auch nicht in den Kosten für ein ggf. zu forderndes Eignungsgutachten zu sehen. Vielmehr kann der Betroffene die ihm für die Beibringung des Gutachtens zu setzende angemessene Frist zur Prüfung der Frage ausschöpfen, ob er sich einer Begutachtung stellen kann und will. Innerhalb dieser Frist kann er sich bemühen, Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, und der Behörde im Sinn vorstehend wiedergegebener Rechtsprechung substantiiert darzulegen, warum er sich allein aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sieht, das Gutachten beizubringen. Selbst wenn er indes die ihm gesetzte Frist ohne Weiteres verstreichen lässt, so bleibt es bei der vom Beklagten sodann zu treffenden Regelung, ohne dass dem Betroffenen daraus höhere Kosten erwachsen würden. Vielmehr zeigt sich, dass die dem Antragsteller abverlangte Erklärung aus seiner objektiv bewerteten Interessenlage keineswegs aus Kostengründen geboten ist. Der Zweck des ihm abverlangten Rechtsmittelverzichts lag vielmehr - so typischerweise - in einer insbesondere der Behörde dienlichen Verwaltungsvereinfachung und einer für den Bürger rechtsschutzverkürzenden Verfahrensbeschleunigung, an der jedoch der Antragsteller kein erkennbares persönliches Interesse haben konnte. So ist dem Verwaltungsvorgang des Antragsgegners kein Anhalt dafür zu entnehmen, dass der in fachlichen Fragen des Verwaltungsverfahrensrechts und materiellen Verwaltungsrechts unbewanderte Antragsteller auch nur in Ansätzen zuvor die notwendige Aufklärung erfahren hätte. Vielmehr legt die Abfassung des Schreibens vom 21.3.2013 und der nachfolgenden Erklärung des Antragstellers nahe, dass sich der Antragsgegner selbst über die zutreffende rechtliche Einschätzung nicht im Klaren gewesen ist und den Antragsteller dementsprechend fehlgeleitet hat. Der allenfalls noch denkbare Einwand, dem Antragsteller seien die Kosten einer „formellen“ Bescheidung oder ggf. einer vorhergehenden Gutachtenanordnung erspart geblieben, wäre nur dann zutreffend, wenn der Beklagte in einem quasivertraglichen Austauschgeschäft rechtswidrigerweise auf die für diese Maßnahmen selbst zu erhebenden Verwaltungsgebühren absehen wollte bzw. abgesehen hat. Eine solche „Vereinbarung“ trüge den Keim der Unwirksamkeit in sich. Aufgrund der vergleichsweise bescheidenen Kostenforderung des Antragsgegners , die insoweit in Rede steht, können aber diese Gebühren mit den „Kostengründen“ in der dem Antragsteller abgenommenen Erklärung auch aufgrund des Kontextes, in dem der „Rechtsmittelverzicht“ stand, nicht gemeint gewesen sein.

Dem Antragsteller, der seine Bedürftigkeit nachgewiesenhat, war aus vorstehenden Gründen Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG.