Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 05.07.2013, Az.: 6 A 186/11

Einbürgerung; Doppelstaatigkeit; Serbien; Entlassungsverfahren; Zumutbarkeit; Kosovoalbaner

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
05.07.2013
Aktenzeichen
6 A 186/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64289
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger einzubürgern.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt seine Einbürgerung.

Er reiste im Jahr 1998 ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Dabei gab er an er sei am 30.8.1977 in Peje geboren, albanischer Volkszugehörigkeit moslemischen Glaubens und Staatsangehöriger (Rest-) Jugoslawiens. Hierzu legte er einen jugoslawischen Personalausweis (CP09522238) mit dem Gültigkeitszeitraum 24.8.1995 bis 24.8.2005 vor.

Er bat darum, ihn nach Greven (bei Münster) zuzuweisen, weil dort seine Schwester und sein Bruder leben würden. Seine Schwester I. M. und deren Mann B. M. erklärten, den Kläger bei sich wohnen lassen und für sämtliche Kosten aufkommen zu wollen. Diese beiden Personen wurden antragsgemäß als Beistände des Klägers im Asylverfahren beteiligt.

Bei seiner Anhörung am 29.7.1998 machte der Kläger insbesondere geltend, er habe sich als Angehöriger der albanischen Volksgruppe der Einberufung zur serbischen Armee entziehen müssen. Auch sei sein Bruder Mitglied der LDK und sei durch die serbische Polizei verfolgt worden. Ihre gesamte Familie sei wie der Bruder politisch tätig gewesen. Die Kommunikation mit dem Kläger erfolgte im Asylverfahren unter Beiziehung von Dolmetschern in albanischer Sprache.

Mit Bescheid vom 18.11.1998 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge seine Anerkennung ab. Nach dem Bescheid ist der Kläger als jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit eingereist, ohne dass die Anerkennungsvoraussetzungen vorgelegen hätten. Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, die Regelungen der BR Jugoslawien zur Wehrpflicht ließen die Annahme einer politischen Verfolgung ausschließlich wegen Heranziehung zum Wehrdienst nicht zu. Einberufungen ethnischer Albaner zum Wehrdienst fänden nur gelegentlich statt. Die Zahl der dienenden Albaner werde auf weit weniger als zehn Prozent der Wehrpflichtigen eines Jahrgangs geschätzt. Ethnische Albaner würden im Vergleich zu Serben/Montenegriners nur zu einem äußerst geringen Anteil zum Wehrdienst einberufen. Einzelfälle der Einberufung zielten eher darauf ab, den Auswanderungsdruck auf die Albaner zu erhöhen. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Streitkräfte der „Bundesrepublik Jugoslawien“ kein Interesse daran hätten, in größerem Umfang separatistischer Tendenzen verdächtige Albaner einzuziehen und an der Waffe auszubilden.

Im Rahmen des anschließenden Verwaltungsstreitverfahrens hat der Kläger Anfang 1999 geltend gemacht, er sei jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit und stamme aus dem Kosovo. In Auseinandersetzung mit der Bescheidbegründung hat er sein Vorbringen zur Sache dabei weiter verfolgt. Die jüngste Entwicklung der Ereignisse, die sich auch nach seiner Flucht weiter drastisch verschärft hätten, führe dazu, dass er als politisch Verfolgter anzuerkennen sei.

Ausweislich der Niederschrift vom 23.11.1999 erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, er gehöre zur Volksgruppe der Ashkali. Dies heiße nicht, dass er Angehöriger der Volksgruppe der Roma sei, er befürchte aber, dass er wegen seiner dunklen Hautfarbe im Kosovo einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Mit Urteil vom gleichen Tag - 5 A 890/98 - wies das Verwaltungsgericht die Klage u.a. mit der Begründung ab, dem Kläger drohe wegen seiner behaupteten albanischen Volkszugehörigkeit bei einer Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt nicht (mehr) die Gefahr politischer Verfolgung, denn die politischen Verhältnisse hätten sich im Kosovo seit Mitte Juni 1999 entscheidend verändert. Seit diesem Zeitpunkt sei eine „internationale Sicherheitspräsenz“ (KFOR) unter maßgeblicher Beteiligung starker NATO-Kräfte in das Kosovo eingerückt. Die serbische und die serbisch dominierte jugoslawische Regierung hätten infolge dessen keine Gebietsgewalt mehr im Kosovo. Damit bestehe für albanische Volkszugehörige eine sichere Rückkehrmöglichkeit in den Kosovo. Wenn der Kläger nunmehr vortrage, er sei Angehöriger der Volksgruppe der Ashkali, so führe bereits dies zur Unglaubwürdigkeit seines Vortrags. Der Kammer dränge sich der Eindruck auf, dass der Kläger versuche, durch Wechsel in den Angaben der Volkszugehörigkeit durch jeweils an die aktuellen Verhältnisse angepassten Vortrag sich ein Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland zu verschaffen.

Mit Asylfolgeantrag vom 3.5.2000 machte der Kläger erneut geltend, er gehöre der Volksgruppe der Ashkali an. Diese Volksgruppe bilde innerhalb des überwiegend von Albanern bevölkerten Kosovo eine ethnische Minderheit, die bereits in der Vergangenheit von den Kosovoalbanern nicht anerkannt worden sei.

Mit Bescheid vom 17.5.2000 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab. Zur Begründung führt es aus, dass der Kläger aufgrund seiner albanischen Volkszugehörigkeit eine politische Verfolgung nicht zu befürchten habe. Bereits das Verwaltungsgericht habe seinen Sachvortrag, nicht wie zunächst behauptet albanischer Volkszugehöriger, sondern Ashkali zu sein, als unglaubhaft eingestuft. Dabei bleibe es, denn er habe auch keine weiteren substantiierten Angaben vorgetragen, die seine Behauptung, der Volksgruppe der Ashkali anzugehören, stützen würden. Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage legte der Kläger u.a. eine Bestätigung des Schalomdiakon Nicolaus v. Holtey vom 11.7.2000 vor, wonach dieser zum Monatswechsel Mai/Juni zum dritten Mal bei Ashkali-Gemeinden im Kosovo gewesen sei. Aufgrund eines persönlichen Gesprächs mit dem Kläger vom 11.7.2000 könne er bestätigen, dass der Kläger Angehöriger der Bevölkerungsgruppe im Kosovo ist, die jetzt, nach dem Krieg um Kosovo, von Albanern nicht mehr als Albaner anerkannt, sondern als „Zigeuner“ massiv verfolgt würden. Diese Bevölkerungsgruppe werde „Ashkali“ genannt. Der Kläger sei von dunklem Teint mit den für Ashkalija charakteristischen Gesichtszügen. Er kenne die Traditionen der Ashkalija und ihre Musik gut. Er berichte glaubhaft von seinem Leben in Klina, seinem Wohnsitz, und erkenne sponan Ashkali auf Fotos und kenne deren familiären Zusammenhänge. Albaner im Kosovo würden in ihm sofort den „Zigeuner“ sehen. Das Verwaltungsgericht wies mit Urteil vom 23.1.2001 - 5 A 307/00 - unter Bezugnahme auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid zurück.

Am 21.4.2001 versuchte der Kläger unter Verwendung von einem gefälschten griechischen Reisepasses und Mitführung eines entsprechenden Führerscheins nach Pristina (Kosovo) auszureisen.

Mit Antrag vom 12.7.2001 machte der Kläger erneut geltend, er stamme aus dem Volk der Ashkali. Hierzu legt er eine Bescheinigung des Schalomdiakon Nicolaus v. Holtey als Beauftragten für die Beratung von Roma und Ashkalija der Bistumsstelle Freiburg von pax christi datierend vom 22.2.2001 vor.

Bei seiner in albanischer Sprache geführten Anhörung am 9.8.2001 erläutert der Kläger im Einzelnen seine Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe; hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen. Er gibt an, in dem Landkreis, wo er gewohnt habe, sei ihm gesagt worden, dass er Albaner sei. Er habe sich dann an die Bistumsstelle gewandt. Der dort beschäftigte Nicolaus von Holthey sei schon im Kosovo gewesen und habe feststellen können, dass er aus Klina komme und Ashkali sei. Dieser habe ihm bestimmte Fragen gestellt und sei auch schon einige Male im Kosovo gewesen und habe dort Verwandte des Klägers getroffen. In Klina lebe ein Pädagoge, der sei Ashkali und kenne fast alle Ashkali, die dort leben und in der Gegend wohnen; dieser heiße Mosil Ferizaj. Der Kläger erklärte, seine Familie habe in dem Dorf Drenovshiq der Gemeinde Klina gelebt. Dieses Dort habe er am 30.6.1998 verlassen, zwei Wochen in Peje gelebt und sei dann nach Deutschland gereist.
Eine hierzu vom „ICMPD - IOM Kosovo Information Project“ eingeholte Stellungnahme vom 21.9.2001 bestätigte aufgrund einer unbenannten örtlichen Auskunftsquelle in Klina, dass die Familie Dukolaj im Dorf Drenovshiq lebte, dort noch weitere Familienmitglieder leben und der Vaters des Klägers Ägypter sei sowie, dass ein Pädagoge Mosil Ferizaj als Lehrer in Klina arbeite.

Mit Bescheid vom 18.6.2002 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers, der jugoslawischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der Volksgruppe der Ashkali aus dem Kosovo sei, ab. Die derzeitige allgemeine Situation der Roma, Ashkali und Ägypter im Kosovo stelle nach überwiegender Rechtsprechung keine extreme konkrete Gefährdung für den Einzelnen dar. Laut Bericht der UNHCR und der OSCE habe sich die allgemeine Sicherheitslage der ethnischen Minderheiten im Kosovo merklich stabilisiert.

Am 2.8.2002 heiratete der Kläger die deutsche Staatsangehörige Lumturi Berisa. Ihm wurden zunächst befristete Aufenthaltstitel und seit dem 23.8.2002 eine unbefristete Arbeitserlaubnis erteilt. Mit Wirkung vom 24.11.2005 erhielt er eine Niederlassungserlaubnis. Sein Sohn Noar wurde am 29.4.2007, seine Tochter Dafina am 13.7.2009 geboren.

Am 21.6.2010 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Seine derzeitige Staatsangehörigkeit gab er dabei als „serbisch/jugoslawisch“ an. Dies sei belegt durch einen Pass. Er verfüge über einen Reisepass, der am 30.4.2002 in Peje ausgestellt und bis zum 30.4.2012 gültig sei. Weiter gab er u.a. an, er sei 1977 in Peje als jüngstes Kind geboren worden und habe noch vier Brüder und zwei Schwestern. Seine Mutter sei gestorben als er 11 Jahre alt gewesen sei. Er habe von 1984 bis 1992 in Klina bzw. Peje die 1. - 8. Klasse der Volksschule besucht. Von 1993 bis 1997 habe er bis zum Ausbruch des Krieges in 1998 diverse Jobs im Gastronomiebereich gehabt und als Kellner im Restaurant gearbeitet. Er habe ein halbes Jahr in Angst und Unsicherheit gelebt und sei schließlich nach Deutschland geflüchtet, wo bereits alle seine Geschwister gelebt hätten.

Mit Schreiben vom 22.9.2010 teilte ihm die Beklagte mit, das Einbürgerungsverfahren sei nach Prüfung der Voraussetzungen soweit abgeschlossen, dass seine Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG erfolgen könne. Es bedürfe jedoch noch des Nachweises, dass er aus seiner bisherigen kosovarischen und serbischen Staatsangehörigkeit ausgeschieden sei. Unter Bezugnahme auf zwei beigefügte Einbürgerungszusicherungen forderte die Beklagte den Kläger auf, seine Entlassung aus diesen Staatsangehörigkeiten zu betreiben.

Der Kläger wies im Mai 2011 seine Entlassung aus der Staatsangehörigkeit der Republik Kosovo nach.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 22.6.2011 legte der Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des VG Göttingen vom 24.11.2009 - 4 A 42/09 - dar, weshalb er eine „serbische Staatsangehörigkeit“ nicht besitze. Er sei Staatsangehöriger der „Sozialistischen Republik Serbien“ gewesen. Diese Staatsangehörigkeit sei erloschen. Aus der Asche der Sozialistischen Republik Serbien seien zwei neue Republiken entstanden, die sich nicht gegenseitig ihre Bevölkerung wegenehmen könnten und dürften. Als jemand, der im Kosovo geboren sei, der immer nur dort und niemals in Serbien gelebt habe, gehöre er nur dem Staatsvolk von Kosovo an. Dass er überdies ethnischer Albaner sei, mache den Kohl nicht fetter als er schon sei.

Daraufhin teilte die Beklagte unter dem 20.7.2011 mit, sofern der Kläger „kosovarischer Volkszugehöriger“ wäre, wäre er gemäß Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 3.6.2005 hinsichtlich der serbischen Staatsangehörigkeit wegen unzumutbarer Entlassungsbedingungen unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit einzubürgern. Nach seinen eigenen Angaben gehöre der Kläger jedoch zur Volksgruppe der Ashkali.

Mit seiner zunächst als Untätigkeitsklage erhobenen Klage vom 17.8.2011 begehrte der Kläger unter Weiterverfolgung seines Vorbringens zur Frage einer „serbischen Staatsangehörigkeit“ die Verpflichtung der Beklagten, ihn einzubürgern. Eine nach den Volkszugehörigkeiten „albanisch“ und „Ashkali“ differenzierende Erlasslage verletze Art. 3 Abs. 3 GG. In ihr schwinge eine rassistische Ablehnung mit. Es sei nicht erkennbar, warum er kein ethnischer Albaner sein solle. Vor- wie Zuname seien albanische Namen und er spreche albanisch. Wenn er etwas anderes gesagt habe, dann sei das belanglos, weil es keinen signifikanten Unterschied zwischen Albanern und Ashkali gebe. Für die Serben seien alle Leute, die heute „Ashkali“ sagten und sich davon einen Abschiebestopp erhofften, „Albaner“. Die Serben hätten die Leute nicht unterscheiden können und man könne es tatsächlich nicht. Er beantrage mündlich zu verhandeln und einen Anthropologen zu laden, der sich anhand seiner „Hautfarbe“ und „Gesichtsform“ zur Frage seiner „Rasse“ äußern solle.

Mit Bescheid vom 28.9.2011 lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag ab; hierauf wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 28.9.2011 aufzuheben und sie zu verpflichten, ihn einzubürgern.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, dass die Erlasslage für die Zumutbarkeit der Entlassung aus dem serbischen Staatsverband nach wie vor dem Erlass vom 3.6.2005 entspreche, der weiterhin anzuwenden sei. Deshalb bestehe für serbische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit eine Unzumutbarkeit des Antrags auf Entlassung. Diese Unzumutbarkeit sei jedoch ausdrücklich auf diese Volkszugehörigkeit beschränkt. Dies werde durch einen Erlass vom 14.10.2010 nochmals hervorgehoben. Der Kläger habe Nachweise vorgelegt, wonach er Angehöriger der Volksgruppe der Ashkali, also gerade kein albanischer Volkszugehöriger sei, und habe diese Unterscheidung besonders hervorgehoben. Als Ashkali sei ihm die Durchführung des Entlassungsverfahrens aus dem serbischen Staatenverbund zuzumuten.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter zugestimmt.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann seine Einbürgerung beanspruchen und die Beklagte ist deshalb verpflichtet, ihn einzubürgern.

Die einschlägige Rechts- und Anspruchsgrundlage ergibt sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StAG.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG liegen auch nach Auffassung beider Beteiligter mit Ausnahme der Frage der Hinnahme einer etwaigen „serbischen Staatsangehörigkeit“ (Nr. 4 der Bestimmung) vor. Hinsichtlich der Hinnahme einer etwaigen doppelten Staatsangehörigkeit sieht sich die Beklagte in Übereinstimmung mit der geübten niedersächsischen Verwaltungspraxis an die geltende Erlasslage gebunden, wonach aus dem Kosovo stammende albanische Volkszugehörige unter Hinnahme einer etwaigen „serbischen Staatsangehörigkeit“ einzubürgern sind, wohingegen dies bei aus dem Kosovo stammenden Angehörigen der sog. Ashkali nicht in Betracht kommen soll, weil für diese die Durchführung eines Entlassungsverfahrens bezüglich einer „serbischen Staatsangehörigkeit“ erfolgversprechend und deshalb ihnen zumutbar sei. Das Gericht teilt die dieser Erlassregelung hinsichtlich der aus dem Kosovo stammenden albanischen Volkszugehörigen zugrunde liegende Rechtsauffassung, dass für diese Menschen das Betreiben eines Entlassungsverfahren aus einer „serbischen Staatsangehörigkeit“ unzumutbar ist und insoweit die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung des § 12 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StAG gegeben sind.. Insoweit macht es sich auch die vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 24.9.2008 - 13 S 1812/07 - (NVwZ-RR 2009, 354 = juris) vertretene Rechtsauffassung zu eigen.

Unter Berücksichtigung der in Übereinstimmung mit der Erlasslage bestehenden Verwaltungsübung hat der Kläger in Ansehung der Rechtswirkungen des Art. 3 GG Anspruch auf Einbürgerung, denn er stammt - unstreitig - aus dem Kosovo und ist zur Überzeugung des Gerichts kein Ashkali, sondern albanischer Volkszugehöriger.

Dies hat der Kläger bereits bei seiner Einreise im Jahr 1998 anlässlich seiner Befragung im Asylverfahren, bei dem er von seiner bereits in Deutschland lebenden Schwester begleitet wurde, geltend gemacht. Hierzu sind seine Angaben zum Geburtsort und Wohnort in der albanisch dominierten Westregion des Kosovo stimmig. Seine Ausreise und sein Asylverfahren standen zu dieser Zeit unter dem Eindruck der bürgerkriegsähnlichen Wirren im Kosovo und den angrenzenden Gebieten. Zu diesem Zeitpunkt erschien die Frage einer Zugehörigkeit zu den Ashkali oder albanischen Volkszugehörigkeit für das Asylverfahren irrelevant und es war nicht absehbar, dass diese Unterscheidung mit Blick auf einen Verbleib des Klägers in Deutschland künftig entscheidungserheblich werden könnte. Gab es indes keinen ersichtlichen Grund für den Kläger insoweit im Rahmen seiner Befragung unrichtige Angaben zu machen, so spricht dies für die Richtigkeit seiner bereits bei seiner Erstbefragung gemachten Angabe, albanischer Volkszugehöriger zu sein. Diese Angabe sahen im Asyl- wie auch im Folgeverfahren sowohl das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als auch das Verwaltungsgericht als zutreffend an und legten sie ihrer Entscheidungsfindung zugrunde.

Erst nachdem sich die Sicherheitslage im Kosovo soweit stabilisiert hatte und damit absehbar geworden war, dass albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo nicht damit rechnen konnten, weiterhin in Deutschland bleiben zu können, änderte der Kläger seinen Vortrag und behauptete nunmehr - unmittelbar vor Abschluss des Asylverfahrens in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht - Ashkali zu sein. Diese Einlassung erfolgte - auch aus der Sicht der im Asylverfahren erkennenden Kammer - ausschließlich mit dem Ziel, Nutznießer zwischenzeitlich praktizierter Abschiebe- und Bleiberechtsregelungen zu sein, die die Gruppe der Ashkali - anders als albanische Volkszugehörige - aufgrund angenommener besonderer Verhältnisse in der Region des Kosovo begünstigte. Wie der Kläger entdeckten in vergleichbarer Weise zielgerichtet zu dieser Zeit auch andere aus dem Kosovo stammende Menschen die in Deutschland mit einer Zugehörigkeit zur Gruppe der Ashkali verbundenen Vorzüge für sich. Vor diesem Hintergrund bewertete das Verwaltungsgericht im Asylverfahren und im Folgeverfahren die Behauptungen nach Überzeugung des im vorliegenden Verfahren erkennenden Gerichts zutreffend als offenkundig unwahren, eingerichteten Vortrag und glaubte dem Kläger kein Wort. Diese Auffassung vertrat auch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Folgeverfahren.

Die vom Kläger im Folgeverfahren und nachfolgenden Wiederaufnahmeverfahren zur Stützung seiner Behauptung, er sei ein Ashkali, vorgetragenen Umstände und beigebrachten Unterlagen waren und sind auch in keiner Weise überzeugend. Danach besteht nach wie vor kein Anhalt, dass der Kläger der Gruppe der Ashkali angehören könnte. Sein eigener Vortrag hierzu ging über die bloße Behauptung, ein Ashkali zu sein, nicht substantiiert hinaus. Er vermochte augenscheinlich aus eigener Erinnerung nichts beizusteuern, was geeignet erschien, seine Familie und ihn von der Bevölkerungsmehrheit albanischer Volkszugehöriger in irgendeiner Weise so abzugrenzen, dass die Annahme, eine Zugehörigkeit zur Gruppe der Ashkali komme in Betracht, stützen könnte. Sein Vortrag bleibt insgesamt detail- und farblos. Eigene Erinnerungen insbesondere an im weitesten Sinn kulturelle Besonderheiten während seiner Sozialisation in Kindheit und Jugend fehlen. Auch hinsichtlich seines Bildungsgangs und der anschließenden Zeit beruflicher Tätigkeit fehlt es an jeglichen Angaben, die einen Bezug zu einer besonderen kulturellen Identität der Ashkali indiziell zu begründen geeignet wären. Es ist auch nicht bekannt, dass sich ein anderer Angehöriger seiner Familie irgendwann zur Gruppe der Ashkali bzw. zu entsprechenden besonderen kulturellen Ausprägungen einer solchen Gruppierung bekannt hätte. Vielmehr beschränkte sich der Kläger ausschließlich darauf, sich auf die Einschätzung des Nicolaus von Holtey zu berufen, die dieser in kurzen schriftlichen Stellungnahmen mit übersichtlicher, knapp gefasster Erläuterung im Sinn einer eher pauschal gehaltenen Zurechnung des Klägers zu den Ashkali abgab, ohne substantiierte und belastbare Angaben hierfür anzuführen. Eine besondere fachliche Qualifikation des Nicolaus von Holtey hinsichtlich der Gruppe der Ashkali im Kosovo und der Einschätzung der Zugehörigkeit von Menschen zu dieser Gruppe ist dabei nicht erkennbar geworden. Die Bezeichnung „Schalomdiakon“ gibt dafür nichts her. Soweit dies anhand von in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Internetpublikationen (www.schalomdiakonat.de/wws/wer_wir_sind.html)) nachvollziehbar ist, wurde diese Bezeichnung den Absolventen von Kursen zugeschrieben, die von einem privatrechtlichen Verein „Oekumenischer Dienst Schalomdiakonat (OdD)“ angeboten und wohl durchgeführt wurden, deren Zielrichtung die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in gewaltfreier Konfliktaustragung, Mediation, Spiritualität der Gewaltfreiheit und Konflikttheorien war. Auch die ebenfalls erörterten, im Internet zugänglichen Berichte des Nicolaus von Holtey von seinen ersten beiden Reisen in den Kosovo im Jahr 1999 (www.bndlg.dde/~wplarre/na000302) lassen keine einschlägige fachliche Kompetenz erkennen. Vielmehr erwecken die Reiseberichte den Eindruck einer Zusammenfassung bei von mehr oder weniger geplanten und ungeplanten Zusammentreffen mit im Kosovo lebenden Menschen erfahrener Einschätzungen, Meinungen und Berichten, ohne dass daraus eine tiefergehende oder fachlich belastbare Bewertung zu den Fragen zu gewinnen wäre, die mit der Einschätzung der Gruppierung der Ashkali und der Zugehörigkeit bestimmter Einzelpersonen zu dieser Gruppe verbunden sind.

Vor diesem Hintergrund ist es plausibel und glaubhaft und für das Gericht überzeugend, wenn der Kläger nunmehr - wenngleich in Verfolgung seines unmittelbaren Einbürgerungsinteresses - in der mündlichen Verhandlung unverblümt einräumt, mit der Behauptung, Ashkali zu sein, gelogen zu haben, um in Deutschland bleiben zu können. Dies gilt auch, soweit er angibt, sein Anwalt habe ihm angesichts der im Lauf des Asylverfahrens veränderten Verhältnisse im Kosovo zu dieser wahrheitswidrigen Angabe geraten, wobei dahinstehen mag, ob die Initiative dazu tatsächlich von seinem Anwalt ausgegangen ist. Auch die Angaben des Klägers dazu, wie er in einem persönlichen Gespräch den Nicolaus von Holtey zu der Annahme bewogen hat, ihn - wahrheitswidrig - einem diesem anlässlich der Reise bekannt gewordenen Personenkreis zuzurechnen und deshalb für einen Ashkali zu halten, ist vor dem Hintergrund der insoweit bekannten schriftlichen Einlassungen des Nicolaus von Holtey stimmig und nachvollziehbar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Reisen des Nicolaus von Holtey in den Kosovo erst im Jahr 1999 begannen, als die mit der Zugehörigkeit zu den Ashkali verbundenen Vor- und Nachteile bereits bekannt waren, so dass etwaige Angaben entsprechend kritisch zu hinterfragen waren. Auch die vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hierzu eingeholte Auskunft des „ICMPD - IOM Kosovo Information Project“ vom 21.9.2001 gibt insoweit keine weitergehenden Anhaltspunkte. Die angeführte Quelle bleibt unbenannt. Den Angaben ist lediglich zu entnehmen, dass bestimmte Personen bzw. Personen bestimmten Namens in der Gemeinde Kilna (noch) wohnhaft waren. Worauf die darin kolportierte Angabe, dass der Vater des Klägers weder albanischer Volkszugehöriger und wohl auch kein Ashkali, sondern vielmehr „Ägypter“ sei, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar. Ebenso wenig wird erkennbar, in welchem Sinn der insoweit schillernde Begriff „Ägypter“ verwendet wurde, da sich dieser sowohl in Abgrenzung zu den Ashkali als auch zur Bezeichnung einer sich wohl serbenfreundicher politischer Ausrichtung verstehender Teilgruppierung von Ashkali verstehen lässt, soweit dies allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden kann. Für eine serbenfreundliche politische Ausrichtung der Familie des Klägers, die überwiegend bereits frühzeitig ausgewandert ist und deren Exodus aus dem Kosovo mit dem Kläger wohl ihren Abschluss fand, gibt es indes keine Anhaltspunkte.