Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 17.07.2018, Az.: 13 UF 71/18
Wirksamkeit eines Unterhaltsvergleichs zu Lasten eines Versorgungsträgers
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 17.07.2018
- Aktenzeichen
- 13 UF 71/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 39870
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Oldenburg - 21.08.2018 - AZ: 13 UF 71/18
Rechtsgrundlagen
- VersAusglG § 33 Abs. 1
- VersAusglG § 34 Abs. 6 S. 2
- BGB § 1579 Nr. 2
Fundstellen
- FamRZ 2019, 284
- NJW-Spezial 2018, 710
Amtlicher Leitsatz
Ein Versorgungsträger braucht im Rahmen von §§ 33, 34 VersAusglG einen zwischen den geschiedenen Eheleuten geschlossenen Unterhaltsvergleich nicht hinzunehmen, wenn diese Regelung ihm gegenüber einen materiellrechtlich nicht gerechtfertigten Nachteil darstellt. Auf eine subjektive Komponente, mithin die Frage, ob die geschiedenen Eheleute bei dem Vergleichsschluss in der Absicht gehandelt haben, den Versorgungsträger zu benachteiligen, kommt es insofern nicht an.
Tenor:
1. Der Senat beabsichtigt, auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne mündliche Verhandlung den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nordhorn vom 4. Juni 2018 zu ändern und auf den Antrag der Beteiligten zu 1. vom 5. April 2018 die durch Beschluss des Senats vom 30. April 2012 (13 UF 131/11) ausgesprochene Aussetzung der Kürzung der vom Beteiligten zu 2. bei der Beteiligten zu 1. bezogenen Versorgung (DII.C.430....: 7/..., Kenn-Nr.: 34/...) in Höhe von monatlich 650,00 Euro mit Wirkung vom 1. Mai 2018 aufzuheben.
2. Es besteht Gelegenheit, zu diesem Hinweisbeschluss binnen zwei Wochen nach Zustellung Stellung zu nehmen.
Gründe
Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:
Eine mündliche Verhandlung hat in erster Instanz nicht stattgefunden. Weitere Erkenntnisse sind durch eine mündliche Verhandlung in zweiter Instanz nicht zu erwarten.
Durch den hinsichtlich der Ehescheidung seit 12. Juli 2011 rechtskräftigen Scheidungsverbundbeschluss vom 6. Juni 2011 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Nordhorn den Versorgungsausgleich durchgeführt und zu Lasten der Anwartschaften des Beteiligten zu 2. bei der seinerzeitigen Wehrbereichsverwaltung West (jetzt Beteiligte zu 1.) ein Anrecht in Höhe von 865,77 Euro übertragen. Zu Lasten der Anwartschaften der Beteiligten zu 3. in der gesetzlichen Rentenversicherung hat es 2,7431 Entgeltpunkte übertragen, was zum Ende der Ehezeit einer monatlichen Rente von 74,61 Euro entsprach.
Durch Vergleich vom 6. Juni 2011 im gesonderten Verfahren vor dem Amtsgericht zur Geschäftsnr. 11 F 40/11 haben die Beteiligten zu 2. und 3. die Zahlung einer monatlichen Unterhaltsrente in Höhe von 650,00 Euro zu Gunsten der Beteiligten zu 3. vereinbart, wobei dieser Betrag bis zum 31. Dezember 2011 gezahlt werden sollte. Für die folgende Zeit sollte der Unterhalt neu berechnet und möglichst einvernehmlich vereinbart werden. Mit Antrag vom 29. Juni 2011 hat der Beteiligte zu 2., der seinerzeit bereits eine Versorgung der seinerzeitigen Wehrbereichsverwaltung West und jetzigen Beteiligten zu 1. bezog, beantragt, die Kürzung seiner Versorgungsbezüge um den vereinbarten Unterhaltsbetrag zunächst bis zum 31. Dezember 2011 auszusetzen. Die seinerzeit nicht im Rentenbezug befindliche Beteiligte zu 3. hat sich dem angeschlossen. Mit später durch den Senat geändertem Beschluss vom 27. Juli 2011 (11 F 574/11) hat das Amtsgericht die im Scheidungsbeschluss angeordnete Durchführung des Versorgungsausgleichs hinsichtlich der Übertragung von Anwartschaften des Beteiligten zu 2. ausgesetzt.
Mit durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nordhorn vom 20. September 2011 gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 278 Abs. 6 ZPO festgestelltem Vergleich haben die Beteiligten zu 2. und 3. hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts folgende Regelung getroffen:
Der Antragsgegner zahlt an die Antragstellerin einen Geschiedenenunterhalt von 650,00 €/Monat, zahlbar ab Januar 2012, zahlbar jeweils zum 5. eines jeden Monats im Voraus.
Dieser Unterhalt ist befristet bis zum 31.12.2023. Der Unterhaltsbetrag ist auch unabänderbar mit folgender Ausnahme. Wenn sich der Lebenshaltungskostenindex gegenüber dem 01.01.2012 um 10% nach oben oder nach unten verändert, so kann jeder der Beteiligten eine Anpassung verlangen. Verändert sich der Lebenshaltungskostenindex im Vergleich zum letzten Anpassungszeitpunkt erneut um 10%, so kann wiederum eine entsprechende Anpassung verlangt werden. § 1586 Abs. 1 BGB gilt nicht. Auch das Bestehen einer eheähnlichen Lebens- und Haushaltsgemeinschaft bei der Antragstellerin berechtigt nicht zur Abänderung oder Aussetzung des Unterhalts. Die Antragstellerin ist zu Hinzuverdiensten uneingeschränkt berechtigt.
Der Unterhaltsanspruch endet vor dem 01.01.2024, wenn die Antragstellerin vorher in Rentenbezug tritt (dann endet der Unterhalt mit Beginn des Rentenbezugs), wenn die Antragstellerin erneut heiratet oder wenn einer der Beteiligten stirbt. Bei Tod eines der Beteiligten ist der Unterhalt dann letztmals für den Monat voll zu zahlen, in welchen der Todestag fällt.
Durch Beschluss vom 30. April 2012 (13 UF 131/11) hat der Senat auf die Beschwerde der seinerzeitigen Wehrbereichsverwaltung West den vorgenannten Beschluss des Amtsgerichts vom 27. Juli 2011 unter Zurückweisung des weiteren Rechtsmittels teilweise geändert und die Kürzung der von dem Beteiligten zu 2. bei der seinerzeitigen Wehrbereichsverwaltung West und jetzigen Beteiligten zu 1. bezogenen Versorgung ab dem 1. August 2011 in Höhe von monatlich 650,00 Euro ausgesetzt.
Durch vollinhaltlich in Bezug genommenen Beschluss vom 4. Juni 2018 hat das Amtsgericht den Antrag der Beteiligten zu 1. vom 5. April 2018 zurückgewiesen, die vorgenannte Aussetzung gemäß § 34 Abs. 6 Satz 2 VersAusglG aufgrund des Umstandes zu beenden, dass die Beteiligte zu 3. seit mehr als drei Jahren in einer verfestigten Lebensgemeinschaft mit Herrn S. lebt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Unterhaltsanspruch der Beteiligten zu 3. aufgrund des durch Beschluss des Amtsgerichts vom 20. September 2011 festgestellten Vergleichs sei bis zum 31. Dezember 2023 befristet und unabänderbar. Auch habe der Senat im Beschluss vom 30. April 2012 keine Bedenken hinsichtlich der Unabänderbarkeit und der Befristung geäußert.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1. mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und auch im Übrigen zulässigen Beschwerde, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der Senat habe in seinem vorgenannten Beschluss ausgeführt, dass die Vereinbarung der früheren Eheleute nicht hinzunehmen ist, wenn der Vergleich zu erheblichen Benachteiligungen des beteiligten Versorgungsträgers führt.
Das Rechtsmittel ist begründet.
Nach § 34 Abs. 6 Satz 2 VersAusglG hat das Familiengericht über die Beendigung der nach § 33 Abs. 1 VersAusglG erfolgten Aussetzung aufgrund des Wegfalls oder von Änderungen der Unterhaltszahlungen der ausgleichspflichtigen Person zu entscheiden. Hierunter fällt auch das Entfallen eines Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt nach § 1579 Nr. 2 BGB, d.h. wenn der Unterhaltsberechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Entscheidend ist im Rahmen dieses Verwirkungstatbestandes darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte (frühere) Ehegatte eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt (vgl. BGH FamRZ 2011, 1498-1503). Allerdings kann eine unterhaltsverwirkende "Abkehr" aus der Ehe allenfalls und erst dann angenommen werden kann, wenn die neue Beziehung einen gewissen Grad der Verfestigung erreicht hat (vgl. OLG Oldenburg NJW 2012, 2450-2452 [OLG Oldenburg 19.03.2012 - 13 UF 155/11]). Aufgrund der Angaben der Beteiligten zu 3. im Schreiben vom 11. Mai 2018 ist davon auszugehen, dass diese in einer derart verfestigten Lebensgemeinschaft mit Herrn S. lebt.
Zwar würde dies nach dem Wortlaut von Nr. 2 Satz 7 des mit Beschluss des Amtsgerichts vom 20. September 2011 festgestellten Vergleiches nicht zu einem Entfallen des Unterhaltsanspruchs der Beteiligten zu 3. führen. Entgegen der Sichtweise des Amtsgerichts wirkt der Vergleich aber in dieser Hinsicht nicht gegenüber der Beteiligten zu 1. als Versorgungsträger im vorliegenden Verfahren über die Beendigung der Aussetzung des Versorgungsausgleichs. Wie aus den Gründen des Beschlusses des Senats vom 30. April 2012 ersichtlich, konnte der Senat seinerzeit die Frage, ob und inwieweit das Gericht im Verfahren nach §§ 33, 34 VersAusglG an eine in einem anderen Verfahren erfolgte Unterhaltsfestsetzung gebunden ist, im Ergebnis dahinstehen lassen. Denn eine Unterhaltsberechnung des Senats ergab, dass der im Vergleich festgesetzte monatliche Unterhalt von 650,00 Euro sachgerecht war und seinerzeit nicht zu einer erheblichen Benachteiligung des beteiligten Versorgungsträgers, namentlich der jetzigen Beteiligten zu 1., führte.
Aufgrund der verfestigten Lebensgemeinschaft der Beteiligten zu 3. wäre der Beteiligte zu 2. ihr ohne die Privilegierung in Nr. 2 Satz 7 des Vergleiches bereits zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens nicht mehr zur Zahlung nachehelichen Unterhalts verpflichtet gewesen, so dass die Beteiligte zu 1. bei einer Wirkung des Vergleichs auch ihr gegenüber bis Ende 2023 einen materiellrechtlich nicht gerechtfertigten Nachteil in Höhe des monatlichen Aussetzungsbetrages von 650,00 Euro hinzunehmen hätte. Dies würde jedoch zu einer erheblichen wirtschaftlichen Benachteiligung der Beteiligten zu 1. und damit der Gemeinschaft der Versorgungsempfänger führen, die auf den Abschluss des Vergleichs keinen Einfluss hatte. Dass die Beteiligte zu 1. dies nicht hinzunehmen braucht, folgt bereits aus dem im Beschluss des Senats vom 30. April 2012 beachteten Grundsatz, dass der Versorgungsträger eine Unterhaltsvereinbarung nicht hinnehmen muss, wenn sie für ihn - wie hier - eine erhebliche Benachteiligung darstellt. Auf eine subjektive Komponente, mithin die Frage, ob die Beteiligten zu 2. und 3. bei dem Vergleichsschluss in der Absicht gehandelt haben, den Versorgungsträger zu benachteiligen, kommt es insofern nicht an. Diese Sichtweise trägt auch dem Gesetzeszweck der §§ 34, 35 VersAusglG Rechnung, ungerechtfertigte Belastungen der Versorgungsträger zu vermeiden (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drucksache 16-10144, S. 72 und OLG Frankfurt, Beschluss vom 8. September 2010 - 5 UF 198/10 - juris).
Auch die Ausführungen auf Seite 8 des Beschlusses des Senats vom 30. April 2012, wonach seinerzeit keine Bedenken in Bezug auf die Vereinbarung der Unabänderbarkeit und in Bezug auf die Befristung gemäß § 1578b BGB bestanden, rechtfertigt keine andere Sichtweise. Denn aus dem Kontext ergibt sich, dass der Senat dort nur auf die Frage einer eventuellen Benachteiligung der jetzigen Beteiligten zu 3. abgestellt hat. Die Frage einer Bindungswirkung der Privilegierung der vorgenannten Beteiligten in Nr. 2 Satz 7 des Vergleiches gegenüber der hiesigen Beteiligten zu 1. hat sich seinerzeit nicht gestellt.
Der Zeitpunkt der Aufhebung der Aussetzung ergibt sich aus § 34 Abs. 1 VersAusglG. Mithin war diese ab dem 1. Mai 2018 anzuordnen, dem auf den Monat der Antragstellung (April 2018) folgenden Monat.