Amtsgericht Neustadt am Rübenberge
Beschl. v. 16.11.2004, Az.: 34 F 116/04 WH

Wiederherstellung der bisher bestehenden Besitzverhältnisse an einer Ehewohnung; Herausgabeanspruch betreffend die Ehewohnung unter Ehegatten; Einräumung des Besitzes unter Miteigentümern

Bibliographie

Gericht
AG Neustadt am Rübenberge
Datum
16.11.2004
Aktenzeichen
34 F 116/04 WH
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 35618
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGNEUST:2004:1116.34F116.04WH.0A

Fundstelle

  • FamRZ 2005, 1253 (Volltext mit amtl. LS)

Tenor:

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, der Antragstellerin den Zutritt zum ehelichen Haus zu verschaffen und der Antragstellerin einen Haustürschlüssel für das eheliche Haus auszuhändigen.

Der Antragstellerin wird gestattet, einen Schlüsseldienst mit dem Öffnen der Haustüren zu beauftragen, wenn der Antragsgegner seiner Pflicht zur Herausgabe des Haustürschlüssels nicht nachkommt.

Die Kosten einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Parteien trägt der Antragsgegner.

Gründe

1

I.

Die Parteien sind Eheleute. Sie haben sich Anfang August 2004 während eines Urlaubs nach einem Streit getrennt. Die Antragstellerin wohnte zunächst bei ihrer Tochter. Der Antragsgegner hat die Schlösser des Hauses, welches den Parteien je zur Hälfte gehört und eine Wohnfläche von rund 150 qm hat, ausgewechselt. Mit einstweiliger Anordnung vom 28.10.2004 wurde ihm aufgegeben, der Antragstellerin wieder Zutritt zu dem Haus zu verschaffen.

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Die Antragstellerin trägt vor, sie sei nicht aus dem Haus ausgezogen und beantragt den Erlass folgenden Beschlusses:

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Dem Antragsgegner wird aufgegeben, der Antragstellerin den sofortigen Zutritt zum ehelichen Haus, zu verschaffen, und der Antragsgegnerin die Haustürschlüssel für das eheliche Haus auszuhändigen, bei Weigerung oder Nichterreichen des Antragsgegners der Antragstellerin zu gestatten, einen Schlüsseldienst mit dem Öffnen der Haustüren zu beauftragen

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und bei Zuwiderhandlung des Antragsgegners gegen diesen ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Zwangsgeld anzuordnen

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und dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

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Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

7

Er ist der Auffassung, die Antragstellerin sei aus dem Haus ausgezogen, zumal sie mehrere Gegenstände mitgenommen habe. Außerdem sei bei der Entscheidung zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin keinen Anspruch nach § 1361b BGB auf Zuweisung der Ehewohnung zur gemeinschaftlichen Nutzung habe. Sie könne sich anderweitig eine Wohnung suchen.

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II.

Der Antrag ist zulässig. Nach §§ 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO ist das Familiengericht zuständig für Verfahren, die die Behandlung der Ehewohnung betreffen. Ein die Ehewohnung betreffendes Verfahren liegt auch vor, wenn ein Ehegatte die Wiederherstellung des bisher bestehenden Besitzverhältnisses verlangt, nachdem der andere ihm den Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen hatte (Zöller/Philippi, 23. Aufl.,§ 621 ZPO Rn. 48 a). Allerdings geht es hier nicht um die verbotene Eigenmacht sondern um die Besitzeinräumung unter Miteigentümern. Auch insoweit liegt jedoch eine Familiensache i. S. von § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO vor. Zumal streitig ist, in welchem Verhältnis die §§ 1361 b und 985, 861 BGB zueinander stehen (vgl. a.a.O) wäre es unsinnig, über Herausgabeansprüche betreffend die Ehewohnung unter Ehegatten je nach Anspruchsgrundlage verschiedene Gerichte entscheiden zu lassen.

9

Der Antrag ist auch begründet. Der Anspruch der Antragstellerin auf Einräumung des Besitzes ergibt sich aus §§ 1011, 985 BGB. Unstreitig sind die Parteien Miteigentümer. Jeder Miteigentümer kann gegenüber dem anderen sein Anteilsrecht geltend machen, z.B. auf Einräumung des Besitzes aus § 985 BGB (Palandt/Bassenge, 63. Aufl., § 1011 BGB Rn. 11). Die Antragstellerin kann daher verlangen, dass ihr Zutritt zu dem den Parteien gemeinschaftlich gehörenden Haus verschafft wird.

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Dem steht nicht entgegen, dass die Parteien Ehegatten sind. Allerdings ist wie ausgeführt streitig, in welchem Verhältnis § 1361 b BGB zu § 985 BGB steht. Das Gericht schließt sich der Auffassung an, wonach beide Ansprüche nebeneinander geltend gemacht werden können, allerdings der Regelungsgehalt des § 1361 b BGB auch bei Geltendmachung anderer Ansprüche zu berücksichtigen ist (OLG Karlsruhe FamRZ 2001, 760).

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Der Regelungsgehalt von § 1361 b BGB spricht hier nicht gegen die Einräumung des Mitbesitzes an der Ehewohnung. Die Berücksichtigung des Regelungsgehaltes bedeutet nämlich nicht ( wie der Antragsgegner offenbar meint), dass dem gestellten Antrag nur entsprochen werden kann, wenn zugleich die Voraussetzungen von § 985 BGB und § 1361 b BGB auf Seiten der Antragstellerin vorliegen. Im Gegenteil ist zu prüfen, ob die Einräumung des Mitbesitzes deshalb nicht gerechtfertigt ist, weil sich der andere Ehegatte (hier der Antragsgegner) auf § 1361 b BGB berufen kann (OLG Karlsruhe a.a.O.).

12

Er stellt für den Antragsgegner keine unbillige Härte dar, wenn er der Antragstellerin den Mitbesitz einräumt. Das Haus hat eine Gesamtfläche von 150 qm. Es gelingt vielen Ehegatten, auf wesentlich engerem Raum innerhalb einer Ehewohnung, die noch dazu von Kindern mitbewohnt wird, getrennt zu leben. Auch angesichts des möglicherweise ungünstigen Zuschnitts des Hauses und seiner in diesem Haus ausgeübten Berufstätgikeit ist es für den Antragsgegner keinesfalls unzumutbar, eine Trennung innerhalb der Ehewohnung vorzunehmen. Ob ein Alleinnutzungsanspruch der Antragstellerin besteht (was angesichts der Vermögensverhältnisse der Parteien ebenfalls sehr fraglich ist) ist hier nicht zu entscheiden, weil sie nur das Haus mitbenutzen will.

13

Die Anordnung, dass die Antragstellerin gegebenenfalls einen Schlüsseldienst beauftragen kann, beruht auf §§ 15, 18 a Hausratsverordnung. Danach soll der Richter in seiner Entscheidung die Anordnungen treffen, die zu ihrer Durchführung nötig sind. Einer Zwangsgeldandrohung bedarf es dagegen nicht, weil die Zugangsgewährung eine unvertretbare Handlung ist, die nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist (OLG Frankfurt, OLGR 1997, 34). § 888 Abs. 2 ZPO sieht die Androhung eines Zwangsgeldes nicht vor, dieses kann gegebenenfalls unmittelbar ohne Androhung verhängt werden.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 HausratsVO .