Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.02.1995, Az.: VIII 460/93
Durchgangszimmer als häusliches Arbeitszimmer; Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit; Betriebsausgaben als Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind; Aufwendungen für die eigene Wohnung als Betriebsausgaben ; Private Mitbenutzung eines häuslichen Arbeitszimmers
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 14.02.1995
- Aktenzeichen
- VIII 460/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 19534
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:0214.VIII460.93.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 4 EStG
- § 12 Nr. 1 EStG
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1986 bis 1990
Der VIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 14. Februar 1995,
an der mitgewirkt haben:
1. Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtlicher Richter ...
5. ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer des Klägers.
Streitjahre sind die Jahre 1986 bis 1990.
Der Kläger ist Dipl.-Psychologe und erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger und selbständiger (freiberuflicher) Tätigkeit. Im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit als Gutachter hat der Kläger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in den Streitjahren geltend gemacht, die der Beklagte (das Finanzamt -FA-) auch zunächst anerkannte. Die Veranlagungen ergingen jedoch gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Nach einer Außenprüfung für die Jahre 1988 bis 1990 erkannte das FA diese Aufwendungen mit der Begründung nicht mehr an, es handele sich bei dem als Arbeitszimmer bezeichneten Raum um ein Durchgangszimmer zu privaten Wohnräumen. Das Zimmer werde mithin jedenfalls zum Zwecke des Durchgangs privat mitgenutzt, was wegen des Aufteilungs- und Abzugsverbotes (§ 12 EStG) einem Betriebsausgabenabzug entgegenstehe.
Aus diesem Grund änderte das FA die Veranlagungen nicht nur für den Prüfungszeitraum 1988 bis 1990, sondern darüber hinaus auch für die weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Veranlagungen für die Jahre 1986 und 1987. In der Folgezeit ergingen entsprechende Änderungsbescheide.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen diese Änderungsbescheide haben die Kläger gegen die Entscheidung des FA Klage erhoben.
Die Kläger meinen, die Rechtsauffassung des FA zur steuerlichen Behandlung des häuslichen Arbeitszimmers sei fehlerhaft. Sie entspreche nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Arbeitszimmer. Aufwendungen für ein häuslich genutztes Arbeitszimmer seien jedenfalls dann Werbungskosten, wenn dieses Zimmer nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt werde, wobei es ausreichend sei, wenn die berufliche Nutzung eine geringe private Mitbenutzung bei weitem übersteige. Danach sei also eine ganz untergeordnete private Mitbenutzung bei steuerlicher Beurteilung als Arbeitszimmer unschädlich. So habe auch der BFH entschieden, daß Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer jedenfalls dann abzugsfähig seien, wenn dieses durchquert werden müsse, um z.B. in ein Schlafzimmer zu gelangen. Im vorliegenden Fall befinde sich hinter dem Arbeitszimmer lediglich das Wohnzimmer, nicht aber eine Vielzahl anderer privat genutzter Räume.
Im übrigen führe der Kläger in dem Arbeitszimmer psychologische Untersuchungen durch. Diese Arbeiten würden vom Kläger nach Dienstschluß in den Abendstunden durchgeführt. Während dieser Zeit sei das Arbeitszimmer für den Durchgang "gesperrt". Die Klägerin habe im übrigen einen ausgebauten Raum im Keller, in dem sie sich in dieser Zeit aufhalten könne.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 18. August 1993 und Änderung der Einkommensteuerbescheide vom 26. November 1992 die Einkommensteuer mit der Maßgabe herabzusetzen, daß die Einkünfte aus selbständiger Arbeit um folgende Beträge gemindert werden:
1986 | 2.630,00 DM, |
---|---|
1987 | 2.319,00 DM, |
1988 | 2.294,00 DM, |
1989 | 2.383,00 DM, |
1990 | 2.609,00 DM. |
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA verweist zur Begründung auf seinen Einspruchsbescheid, in dem es dargelegt hatte, daß nach der BFH-Rechtsprechung ein Durchqueren des Arbeitszimmers, um in das Wohnzimmer zu gelangen, nicht mehr als Umstand angesehen werden könne, der von untergeordneter Bedeutung sei. Ein Abzug als Betriebsausgaben komme demnach im Streitfall nicht in Betracht.
Die Kläger haben im Klageverfahren eine Wohnungsskizze eingereicht (Blatt 32 der Gerichtsakte). Auf diese wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Zutreffend hat das FA die Aufwendungen der Kläger für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers nicht als Betriebsausgaben bei seinen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit berücksichtigt.
Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 EStG Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind.
Aufwendungen für die eigene Wohnung können dabei grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, weil es sich bei diesen Ausgaben regelmäßig um solche der privaten Lebensführung handelt, die nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbar sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Aufwendungen ausnahmsweise nahezu ausschließlich betrieblich veranlaßt sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21.07.1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 119, BStBl II 1982, 37). Aufwendungen für ein Arbeitszimmer sind daher als Betriebsausgaben nur dann zu berücksichtigen, wenn dieser Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt wird. Eine private Mitbenutzung ist mithin dann unschädlich, wenn sie von untergeordneter Bedeutung ist. Ist letzteres nicht der Fall, steht die Vorschrift des § 12 Nr. 1 EStG der Abziehbarkeit der gesamten Aufwendungen entgegen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18.10.1983 VI R 180/82, BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110 m.W.N.).
Zutreffend vertritt der BFH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Frage, ob ein Raum so gut wie ausschließlich betrieblich genutzt werde, nur anhand von bestimmten Beweisanzeichen zu entscheiden sei (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.10.1983 a.a.O.). Hierzu gehört auch die Prüfung, ob das Arbeitszimmer von den privaten Räumlichkeiten der Steuerpflichtigen getrennt liegt. Ist dies nicht der Fall, so spricht dies dafür, daß eine private Mitbenutzung von nicht nur untergeordneter Bedeutung vorliegt.
Im Streitfall befindet sich der als Arbeitszimmer bezeichnete Raum im Zentrum der Wohnung. Durch einen Flur wird dieses 24 qm große Arbeitszimmer erreicht; vom Flur aus gesehen links neben diesem Raum befindet sich das ebenfalls ca. 24 qm große Wohnzimmer der Kläger, welches lediglich durch eine ca. 1,48 m breite Schiebetür vom Arbeitszimmer getrennt ist. Dieses Wohnzimmer konnte jedenfalls in den Streitjahren nach dem Vorbringen der Kläger nur durch das Arbeitszimmer erreicht werden. Hinter diesem Wohnzimmer befindet sich dann noch das 11,84 qm große Arbeitszimmer der Klägerin. Bei dem als Arbeitszimmer des Klägers bezeichneten Raum handelt es sich also um ein sog. Durchgangszimmer zum Wohnzimmer.
Ein Wohnzimmer wird nach der Lebenserfahrung nicht nur von den Wohnungsinhabern, sondern auch von Besuchern genutzt. Entgegen der Auffassung der Kläger ist es deshalb nicht gerechtfertigt, eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmers von nur untergeordneter Bedeutung anzunehmen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von den Klägern angeführten BFH-Urteil vom 19.08.1988 (VI R 69/85, BFHE 154, 128, BStBl II, 1000). In dieser Entscheidung hat der BFH die Auffassung vertreten, daß das Durchqueren eines Raumes, um in das eheliche Schlafzimmer zu gelangen, in der Regel eine private Mitbenutzung von nur untergeordneter Bedeutung darstelle. Der seinerzeit vom BFH entschiedene Sachverhalt ist mit dem vorliegenden Fall jedoch nicht vergleichbar. Der entscheidende Unterschied zum Streitfall besteht darin, daß in dem vom BFH entschiedenen Fall das Arbeitszimmer durchquert werden mußte, um in das eheliche
Schlafzimmer zu gelangen. Ein Schlafzimmer wird jedoch im Regelfall von den Wohnungsinhabern nicht so häufig aufgesucht werden, wie ein Wohnzimmer. Regelmäßig kann man deshalb davon ausgehen, daß der Durchgang durch das Arbeitszimmer in das Schlafzimmer eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmer von nur untergeordneter Bedeutung darstellen wird. Einem Wohnzimmer kommt demgegenüber ein erheblich höherer Stellenwert zu. Im Regelfall handelt es sich hierbei um das Zentrum der familiären Aktivitäten.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Kläger, der Durchgang zum Arbeitszimmer sei regelmäßig dann "gesperrt", wenn der Kläger im Arbeitszimmer Untersuchungen vornehme. Dieses Vorbringen ist schon deshalb zweifelhaft, weil durch den als Arbeitszimmer bezeichneten Raum nicht nur das Wohnzimmer, sondern auch das dahinter liegende häusliche Arbeitszimmer der Klägerin erreicht werden kann.
Entgegen der Auffassung der Kläger ist es auch nicht möglich, bei einem Arbeitszimmer, das als Durchgangszimmer genutzt wird, die auf das Zimmer entfallenden Aufwendungen in einen betrieblichen und einen privaten Anteil aufzuteilen. Eine solche Aufteilung etwa im Verhältnis der Fläche des Arbeitszimmers zu der Fläche, die für den Durchgang notwendig ist, käme allenfalls dann in Betracht, wenn eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung möglich wäre (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 19.10.1970, GrS 2/70, BFHE 100, S. 309, BStBl II 1971, S. 17). Dies ist hier jedoch schon deshalb ausgeschlossen, weil die Nutzung des Arbeitszimmers als Durchgangszimmer von verschiedenen nicht leicht nachprüfbaren und feststellbaren Merkmalen abhängt. So müßte beispielsweise geprüft werden, ob derjenige, der in das Wohnzimmer gelangen möchte, tatsächlich immer nur den kürzesten Weg zwischen der Tür des Arbeitszimmers und der Wohnzimmertür nimmt; es ist jedoch nicht auszuschließen, daß ein Wohnzimmernutzer auch einmal einen anderen Weg durch das Arbeitszimmer nehmen würde.
Nach alldem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Die steuerliche Behandlung eines Arbeitszimmers, das als Durchgangszimmer genutzt wird, ist vom BFH mehrfach entschieden worden. Von dieser Rechtsprechung des BFH weicht der Senat auch nicht ab. Die Entscheidung hält sich vielmehr im Rahmen des BFH-Urteils vom 18.10.1983 (a.a.O.), in welcher der BFH die Frage des Durchgangs zu einem Wohnzimmer entschieden hatte.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.