Landgericht Aurich
Urt. v. 11.02.2023, Az.: 12 Ns 520 Js 5124/21 (67/22)
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 11.02.2023
- Aktenzeichen
- 12 Ns 520 Js 5124/21 (67/22)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 14476
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGAURIC:2023:0211.12NS520JS5124.21.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Emden - 08.03.2022 - AZ: 6 Ls 31/21
Rechtsgrundlagen
- StGB §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 308 Abs. 1, 25 Abs. 2, 52, 73
In der Strafsache
gegen
1. R. J.,
geboren am 1989 in E.,
wohnhaft D.straße, E.,
ledig, Staatsangehörigkeit: deutsch,
Verteidigerin:
Rechtsanwältin S. W., F.straße, E.
2. D. R.,
geboren am 1995 in E.,
wohnhaft V.straße, N.,
ledig, Staatsangehörigkeit: deutsch,
Verteidigerin:
Rechtsanwältin S. R., B.kamp, N.
wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u. a.
hat das Landgericht Aurich - 1. Kleine Strafkammer (BSG) - in der öffentlichen Sitzung vom 11.01.2023, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Landgericht B.
als Vorsitzende
Frau R. H.
Herr W. H.
als Schöffen
Oberstaatsanwältin H.
als Beamtin der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwältin S. W.
als Verteidigerin
Rechtsanwältin S. R.
als Verteidigerin
Justizangestellte P.
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufungen der Angeklagten J. und D. R. wird das Urteil des Amtsgerichts E. vom 08.03.2022 im Strafausspruch dahin geändert, dass der Angeklagte D. R. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und der Angeklagte J. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt werden, welche jeweils zur Bewährung ausgesetzt werden.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Angeklagten.
Betreffend D. R. wird die Berufungsgebühr um 30 % ermäßigt und 30 % der notwendigen Auslagen im Berufungsverfahren trägt die Staatskasse.
Betreffend R. J. wird die Berufungsgebühr um 40 % ermäßigt und 40 % der notwendigen Auslagen im Berufungsverfahren trägt die Staatskasse.
Gründe
(betreffend R. abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)
I.
Das Schöffengericht in E. hat die Angeklagten und den gesondert verfolgten C. R. am 08.03.2022 wegen "mittäterschaftlichen" Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit "mittäterschaftlichem" Diebstahl verurteilt. Gegen den Angeklagten J. wurde eine Freiheitstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten und gegen den Angeklagten D. R. eine solche von 1 Jahr und 6 Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verhängt. Darüber hinaus wurden die sichergestellten 75 € eingezogen. Alle drei Angeklagten legten form- und fristgerecht Berufung gegen das Urteil ein, der Angeklagte J. vertreten durch seine Verteidigerin unter dem 10.03.2022 (Eingang am 15.03.2022, Bl. 158 f. Bd. I d.A.). Im Hauptverhandlungstermin wurde das Verfahren gegen C. R. abgetrennt, da die Einholung eines Gutachtens zur Unterbringung gem. § 64 StGB zu veranlassen ist. Nach Durchführung der Beweisaufnahme beschränkten die Angeklagten J. und D. R. ihre Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch. Die Rechtsmittel waren im Umfang der Tenorierung teilweise erfolgreich.
II.
1) J.
a)
Der inzwischen 33jährige Angeklagte J. ist ledig und hat eine Tochter im Alter von 4 Jahren, welche bei der Kindesmutter lebt. Er hat nach Erwerb des Hauptschulabschlusses keine Ausbildung abgeschlossen, da er die während des Vollzugs einer Jugendstrafe begonnene Maurerausbildung mit der Entlassung nach der Zwischenprüfung im 2. Lehrjahr nicht außerhalb des Vollzugs fortsetzen konnte, weil er keine Anschlusslehrstelle fand. Jedoch arbeitet er bereits seit mehreren Jahren durchgehend bei verschiedenen Firmen und hat inzwischen eine Festanstellung als Techniker wobei er monatlich ca. 1.700 € netto verdient. Er zahlt Unterhalt für seine Tochter in Höhe von 174 € und sieht sie regelmäßig an den Wochenenden zum Umgangsrecht.
b)
Der Angeklagte hat in der Vergangenheit erheblichen Drogen- und Alkoholmissbrauch betrieben und ist auch nach Beendigung einer Maßregel an die forensische Institutsambulanz der K.-J.-Klinik, Bad Z. mit regelmäßigen Terminen im Rahmen der Führungsaufsicht angebunden. Seit fast zwei Jahren weist er negative Urinkontrollen betreffend den Konsum von Alkohol und Drogen auf. Ein einmaliger Rückfall mit Cannabis wurde aufgearbeitet und nicht zum Anlass für Folgemaßnahmen genommen. Nunmehr hat der Angeklagte aus Angst vor den Folgen einer erneuten Inhaftierung wieder mit dem Konsum von Cannabis begonnen, beabsichtigt jedoch zeitnah nach dem heutigen Termin eine Entzugsbehandlung aufzunehmen und hat einen Termin noch in dieser Woche einschließlich anschließender Therapie.
c)
Strafrechtlich ist der Angeklagte erheblich in Erscheinung getreten. Die Auskunft des Bundesamts für Justiz enthält folgende Eintragungen:
1. Am 25.08.2003 verhängte das Jugendgericht E. wegen gefährlicher Körperverletzung 2 Freizeiten Jugendarrest und erteilte eine Verwarnung.
2. Am 02.06.2004 erfolgte wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung eine richterliche Weisung neben einer erneuten Verwarnung.
3. Am 07.09.2004 erkannte das Jugendgericht wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeugs erneut auf eine richterliche Weisung und eine Verwarnung.
4. Wegen bis zum 2004 begangenen Diebstahls in zwei Fällen verhängte das Jugendgericht E. am 28.02.2005 eine Woche Jugendarrest und eine Verwarnung.
5. Am 26.09.2005 wurde der Angeklagte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Sachbeschädigung erneut verwarnt und eine richterliche Weisung ausgesprochen. Die Tatzeit lag bis zum 2005.
6. Am 19.12.2005 erkannte das Jugendgericht E. wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Einbeziehung der Entscheidung Nr. 5 auf eine Verwarnung, richterliche Weisung und eine Arbeitsauflage. Die Tat wurde am 2005 begangen.
7. Wegen einer am 2005 begangenen versuchten räuberischen Erpressung erging durch das Jugendschöffengericht E. am 18.01.2006 ein Schuldspruch gem. § 27 JGG unter Einbeziehung der Entscheidungen zu Nr. 5 und 6.
8. Unter Einbeziehung der Entscheidung Nr. 5, 6 und 7 erkannte das Jugendschöffengericht E. am 06.09.2006 - rechtskräftig am selben Tag - auf 1 Jahr und 8 Monate Jugendstrafe wegen vorsätzlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung in 3 Fällen, davon einmal in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung.
Dem lag zugrunde, dass der bei allen vier Taten unter Drogen- und Alkoholeinfluss stehende Angeklagte nach einer Veranstaltung zur Fußball-Weltmeisterschaft am 2006 aufgrund eines Streits um die jetzige Freundin des Geschädigten, dem J. D. ohne rechtfertigenden Grund mit der Faust in das Gesicht schlug, so dass dieser eine Nasenprellung erlitt. Am selben Tag traf er mit zwei Mittätern auf den Geschädigten D. W. und schlug und trat mit den Mittätern gemeinsam auf das Opfer ein, wodurch dieses Hautabschürfungen, Kopfschmerzen und Schmerzen am Oberschenkel erlitt. Am 2006 traf der Angeklagte mit zwei anderen Mittätern auf den Geschädigten P. W., der von den drei Tätern geschlagen wurde, wobei einer der Mittäter ohne Wissen und Wollen des Angeklagten die Geldbörse des Opfers entwendete. Der Geschädigte erlitt Verletzungen im Gesicht und an Ellenbogen und Hand. In derselben Nacht trafen die drei Täter auf den C. S. und dessen Freundin A. H.. Der Angeklagte fragte nach einer Zigarette und verlangte nach Herausgabe nach der ganzen Schachtel, was der Schulze verweigerte. Daraufhin schlugen der Angeklagte und seine Mittäter dem Geschädigten mit der Faust ins Gesicht, um der Forderung Nachdruck zu verleihen. Auch die eingreifende Freundin wurde von den Tätern geschlagen. Da gleichwohl keine Herausgabe erfolgte, ließen sie von den Opfern ab. Die Geschädigten erlitten Hämatome, Kratzspuren und Kopfschmerzen.
In den Gründen zu den Rechtsfolgen hat das Gericht ausgeführt:
"Unter Einbeziehung der genannten Urteile war nunmehr auf eine Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten zu erkennen. Alle bisherigen Verurteilungen und auch der letzte Schuldspruch hätten eine deutliche Warnung für ihn sein müssen. Er hat die entsprechenden Konsequenzen jedoch nicht gezogen. Er hat nach wie vor ein Problem mit dem Alkohol und den Drogen. Außerdem besteht die Gefahr des Rückfalles in die bisherigen Verhaltensweisen, wenn er alsbald in Freiheit in den Kreis seiner Bekannten zurückkehren würde. Mit ihm muss nunmehr eine längere Zeit in geregelten Bahnen gearbeitet werden. Er muss selbst an sich arbeiten und erkennen, dass er von dem Alkohol- und Drogenkonsum loskommen muss. Vor diesen Hintergründen bedurfte es schon aus erzieherischen Gründen der Vollstreckung der Jugendstrafe. Nur so kann zur Überzeugung des Gerichts der Angeklagte zu einer zukünftig straffreien Lebensweise bewegt werden. Ihm ist dringend angeraten worden, die jetzt für ihn möglichen Hilfestellungen auch anzunehmen und auf einen Ausbildungsplatz hinzuarbeiten. Wenn der Angeklagte dies tut und sich auch im Übrigen ordentlich führt, geht das Gericht davon aus, dass er danach zukünftig keine Straftaten mehr begehen wird. Ohne eine Strafvollstreckung besteht diese Aussicht jedoch derzeit nicht."
Die Jugendstrafe wurde bis zum 06.02.2008 vollständig vollstreckt.
9. Am 14.01.2009 - rechtskräftig am selben Tag - erkannte das Jugendschöffengericht E. wegen vorsätzlichen Vollrausches auf 10 Monate Jugendstrafe und setzte diese zur Bewährung aus.
Dem lag zugrunde, dass der Angeklagte am 2008 auf dem Matjesfest in E. unter Alkohol- und Drogeneinfluss stehend zunächst an einem Getränkestand ein Tablett mit Geschirr, ein Glas mit Erdbeeren, Aschenbecher und Biergläser zerschlug, sodann dem Zeugen S. die Brille (Wert 1.500 €) vom Kopf schlug, so dass diese unwiederbringlich im Hafenbecken versank, der Zeugin V. mit dem Tode drohte und schließlich dem B. S. mit dem Fuß in den Bauch trat und ihn und andere als "Nazis, Verbrecher und Wichser" beleidigte. Bei der Rechtsfolgenentscheidung stellte das Gericht darauf ab, der Angeklagte habe nach der Tat von sich aus Kontakt zur Drogenberatung aufgenommen und wolle mit Unterstützung der Mutter und der Jugendgerichtshilfe nunmehr eine Drogentherapie durchführen. Aufgrund der erteilten Therapieauflage könne ihm noch einmal eine Bewährungschance gegeben werden.
10. Unter Einbeziehung der Entscheidung Nr. 9 verurteilte ihn das Jugendschöffengericht E. am 02.12.2009 - rechtskräftig am selben Tag - wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Dem lag zugrunde, dass der Angeklagte am 2009 erheblich alkoholisiert mit 1,51 g ? mittags in einen Konflikt mit dem B. W. in und vor der Gaststätte "D." in E. geriet, wobei er den Geschädigten schlug und trat, so dass dieser Schmerzen und Rötungen im Gesicht und an den Armen erlitt. Die wegen der Auseinandersetzung herbeigerufenen Polizeibeamten forderten den Angeklagten auf, die Toilettenanlage zu verlassen, um seine Identität feststellen zu können. Gegen die Maßnahme setzte der Angeklagte sich mit Schlägen zur Wehr und bespuckte und beleidigte die Beamten als "Schweine und Arschlöcher". Nach der Tat absolvierte der Angeklagte im Zeitraum vom 2009 bis 2009 eine stationäre Drogen- und Alkoholentwöhnungstherapie in Erfüllung der Weisung aus dem Bewährungsbeschluss zu Nr. 9 BZR und führte die Therapie ambulant unter Abstinenzkontrolle bis zur Hauptverhandlung fort, weshalb ihm das Jugendschöffengericht erneut Strafaussetzung gewährte.
Nachdem die Bewährungszeit wegen Nachtaten zunächst bis zum 01.12.2013 verlängert worden war, ist die Strafaussetzung widerrufen worden. Nach Teilverbüßung wurde der Strafrest im Jahr 2018 zur Bewährung ausgesetzt bis zum 29.01.2021. Die Bewährungszeit wurde im weiteren Verlauf zweimal verlängert und dauert bis zum 28.01.2023 an.
11. Am 09.10.2010 verurteilte das Amtsgericht E. den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten. Auf die Berufung des Angeklagten erkannte das Landgericht Aurich (rechtskräftig seit dem 03.03.2011), dass die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird.
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der alkoholisierte Angeklagte am 2010 in Höhe des Spielothek "K." auf den L. A. traf und diesem ohne Anlass einen Schlag mit der Faust in das Gesicht versetzte, so dass dieser eine Platzwunde und eine Schiefstellung eines Schneidezahns erlitt.
Im Rahmen der Strafzumessung führte das Amtsgericht aus:
"Im Rahmen der konkreten Strafzumessung sprach für die Angeklagten R. J., dass er bei der Tatbegehung alkoholisiert und entsprechend enthemmt war. Positiv zu werten, war auch der Umstand, dass sich der Angeklagte seiner Probleme zu den Themen "Alkohol, Drogen und Gewalt" annimmt und sie angeht. Zu Lasten des Angeklagten mussten sich hingegen seine zahlreichen, insbesondere einschlägigen Vorstrafen auswirken, zumal die letzte Verurteilung wegen u.a. vorsätzlicher Körperverletzung lediglich 5 1/2 Monate zurücklag. Straferschwerend war zudem zu berücksichtigen, dass er zur Tatzeit wegen der Begehung u.a. dieser einschlägigen Tat unter laufender Bewährung stand. Der Angeklagte musste sich außerdem entgegenhalten lassen, dass er den Geschädigten ohne nachvollziehbaren Anlass angriff und ihm erhebliche Verletzungen zufügte.
Nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erachtete das Gericht daher die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten für tat- und schuldangemessen. Insbesondere aufgrund seiner zahlreichen Vorstrafen und der Tatbegehung während einer taufenden Bewährung war es aus Sicht des Gerichts zur Einwirkung auf die Persönlichkeit des Angeklagten unerlässlich, gegen ihn diese kurze Freiheitsstrafe zu verhängen, § 47 Abs.1 StGB. Das Gericht verkannte dabei nicht, dass es sich bei der hiesigen Verurteilung um die erste Verurteilung des Angeklagten R. J. nach dem allgemeinen Strafrecht handelt.
(...)
Die gegen den Angeklagten R. J. verhängte Freiheitsstrafe konnte nicht gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden.
Dem Angeklagten konnte zum Zeitpunkt der Entscheidung keine positive Sozialprognose gestellt werden. Der Angeklagte ist trotz seines jungen Alters in der Vergangenheit bereits erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten und zwar auch einschlägig. Die letzte, zudem einschlägige Verurteilung lag zum Zeitpunkt der hiesigen Tat nur 5 1/2 Monate zurück. Hinzu kommt, dass die dort verhängte Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde und der Angeklagte mithin bei Tatbegehung unter laufender Bewährung wegen einer einschlägigen Tat stand. Es durfte auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Angeklagte mit dem Thema "Alkohol" trotz seiner bisherigen Bemühungen (u.a. stationäre Alkoholentwöhnungstherapie im Jahr 2009 und anschließende ambulante Betreuung durch die Drogenberatungsstelle DROBS E./L.) noch nicht abgeschlossen hat. Der Angeklagte stand zur Tatzeit wiederum unter dem Einfluss von Alkohol, auch wenn eine starke Alkoholisierung nicht festgestellt werden konnte. Nach der Auffassung des Gerichts ist sich der Angeklagte dieser Problematik nicht hinreichend bewusst. Bei seiner Aussage, er habe nachmittags vor der Tat ca. 3-4 Bier getrunken, zeigte der Angeklagte keinerlei Problembewusstsein. Das Gericht sieht es jedoch als positiv an, dass sich der Angeklagte weiterhin um die Bewältigung seines Alkohol- und Drogenproblems bemüht. Dies gilt auch für seine Anstrengungen, sich mit dem Thema "Gewalttätigkeit/Gewaltbereitschaft" auseinander zu setzen. In diesem Zusammenhang sind aber zunächst die weiteren Entwicklungen abzuwarten. Zum Zeitpunkt der Entscheidung stand die entsprechende Therapie bzw. das Training am Anfang. Darüber hinaus hatte sich der Angeklagte bereits in der Vergangenheit -auch mit professioneller Hilfe- dieses Themas angenommen, ohne dass dies nachhaltigen Erfolg gebracht hätte, wie die hiesige Tatbegehung zeigt.
Das Gericht hat bei seiner Beurteilung auch nicht verkannt, dass der Angeklagte durch seine Umschulung beruflich auf einem guten Weg zu sein scheint. Nach dem Eindruck des Gerichts ist der Angeklagte jedoch in seiner Persönlichkeit noch nicht derart gefestigt, dass ihm das für eine Strafaussetzung erforderliche Vertrauen entgegengebracht werden kann. Es durfte nicht übersehen werden, dass der Angeklagte, obwohl er in den Jahren 2007/2008 über mehrere Monate den Freiheitsentzug kennenlernte, im Anschluss neben der hiesigen Straftat zwei weitere Straftaten beging, die bereits zu einer Verurteilung führten.
Bei einer umfassenden Gesamtbewertung von Tat und Täterpersönlichkeit hat das Gericht derzeit daher nicht die begründete Erwartung, dass sich der Angeklagte R. J. bereits die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und zukünftig straffrei leben wird."
12. Am 03.02.2011 erkannte das Amtsgericht E. - rechtskräftig am selben Tag - wegen vorsätzlicher Körperverletzung auf eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten und setzte diese zur Bewährung aus.
Dem lag zugrunde, dass der Angeklagte am 2010 grundlos dem Herrn B. vor dem D. mit der Faust ins Gesicht schlug, so dass dieser einen Cut unter dem rechten Auge erlitt. Ausführungen zur Begründung der Strafe oder der Strafaussetzung enthält das abgekürzte Urteil nicht.
13. Am 16.09.2011 bildete das Amtsgericht E. aus den Entscheidungen zu Nr. 11 und 12 nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten mit fünfjähriger Bewährungzeit. Die Strafaussetzung wurde später widerrufen. Am 19.01.2018 setzte die StVK den Strafrest nach Teilverbüßung erneut zur Bewährung aus. Die Bewährungszeit wurde zweimal verlängert und dauert bis zum 29.01.2023 an.
14. Am 20.02.2013 - rechtskräftig seit dem 30.10.2013 verurteilte das Amtsgericht E. den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten.
15. Am 20.06.2013 - rechtskräftig in Verbindung mit dem Berufungsurteil vom 10.03.2015 - verurteilte das Amtsgericht E. den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung des Urteils zu Nr. 14 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten und ordnete die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt an. Tatzeiten waren ausweislich der Urteilsgründe am 2011 und 2012.
Zur Rechtsfolge, auf die das Rechtsmittel beschränkt war führte das Landgericht aus, dass angesichts der Vorstrafensituation und der seit Februar 2014 vollzogenen Jugendstrafe für eine positive Sozialprognose Anhaltspunkte fehlten. Die Unterbringung gem. § 64 StGB stützte die Kammer auf eine kombinierte Drogen- und Alkoholabhängigkeit, welche zu der Tat, welche dem Urteil vom 20.02.2013 zugrunde liege geführt habe und weitere Taten der Körperverletzung erwarten lasse. Die Therapiedauer habe der Sachverständige mit ca. 2 Jahren prognostiziert.
Die Maßregel wurde bis zum 27.01.2018 vollzogen und die Unterbringung mit dem Strafrest zur Bewährung ausgesetzt durch Beschluss der StVK vom 19.01.2018. Auch diese Bewährung wurde parallel zu den beiden anderen Bewährungen (Nr. 13 und Nr. 10 BZR) zweimal um jeweils 1 Jahr verlängert und dauert bis zum 28.01.2023 an.
16. Mit Strafbefehl vom 02.11.2018 - rechtskräftig seit dem 05.02.2019 - erkannte das Amtsgericht E. wegen Hausfriedensbruchs auf eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen gegen den Angeklagten, weil dieser am 2018 sich in den Räumlichkeiten und auf dem Dach des ehemaligen Ü.-W. aufgehalten habe.
17. Mit Strafbefehl gem. § 408a StPO vom 09.11.2020 - rechtskräftig am 18.03.2021 - erkannte das Amtsgericht E. gegen den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs und Besitzes einer Elektroimpulswaffe auf eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen und zog den als Taschenlampe getarnten Elektroschocker, der am 2019 sichergestellt worden war und den der Angeklagte als Abschreckung mit sich führte und am selben Tag zur Drohung eingesetzt hatte, ein.
2) R.
Der inzwischen 27jährige Angeklagte D. R. ist ledig und hat zwei Kinder im Alter von 6 und 9 Jahren, welche jeweils in Pflegefamilien untergebracht sind, nur zu einem hat er regelmäßigen Kontakt. Der Angeklagte hat nach dem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zum Maurer angefangen, jedoch nach dem 2. Lehrjahr abgebrochen. Seine aktuelle Tätigkeit auf N. wurde ihm gekündigt, die Wohnung musste er noch nicht räumen, jedoch hat er aktuell kein Einkommen, da er noch keine Sozialleistungen beantragt hat. Er sucht eine neue Ausbildungsstelle zum Sommer 2023. Auch der Angeklagte R. hat in der Vergangenheit gelegentlich illegale Drogen konsumiert, jedoch nicht in erheblichem Umfang.
Strafrechtlich ist der Angeklagte einmal in Erscheinung getreten:
Mit Strafbefehl vom 11.05.2020 - rechtskräftig am 29.05.2020 - erkannte das Amtsgericht E. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln auf eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30 €.
III.
Infolge der wirksamen Rechtsmittelbeschränkung nach § 318 Satz 1 StPO sind die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zum Schuldspruch, die den Unrechts- und Schuldgehalt der Taten, insbesondere den Schuldumfang zumindest in groben Zügen erkennen lassen und eine hinreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben, in Rechtskraft erwachsen und der Prüfung des Berufungsgerichts entzogen (§ 327 StPO).
Gebunden für das weitere Verfahren ist das Berufungsgericht damit auch an die dem rechtskräftigen Schuldspruch zugrundeliegenden Feststellungen des Amtsgerichts soweit sie das Tatgeschehen, im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs, näher beschreiben, d. h. auch an die geschilderten Umstände, die der Tatausführung das entscheidende Gepräge gegeben haben, wie den Tatablauf, die Beteiligung einzelner Personen und die Entstehung des Tatentschlusses. Der Prüfung unterliegt das Ersturteil nur noch hinsichtlich der Rechtsfolgen.
Somit ist von folgenden Feststellungen auszugehen:
"In der Nacht vom 2021 auf den 2021 trafen sich die Angeklagten in der gemeinsamen Wohnung der Angeklagten R. J. und C. R.. Die Angeklagten feierten dort den Geburtstag des Angeklagten C. R..
Alle Angeklagten konsumierten in dieser Nacht erhebliche Mengen Alkohol und Cannabis, allerdings nicht derart viel, als dass ihre Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB erheblich eingeschränkt gewesen wäre. Jedenfalls die Angeklagten D. R. und J. konsumierten an diesem Abend auch Amphetamin, was sie allerdings ebenso wenig in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich einschränkte. Jedenfalls war dem Angeklagten J. bekannt, dass er unter Drogeneinfluss dazu neigt, Straftaten wie Körperverletzungen und Sachbeschädigungen zu begehen. Der Angeklagte J. befand sich allerdings in einer Trennungsphase und hatte deshalb einen Rückfall in den Konsum von Alkohol und Betäubungsmitteln.
Die Feiernden entschlossen sich gegen 3:00 Uhr nachts weiteren Alkohol zu kaufen. Hierzu begaben sie sich von der Wohnung in der D.straße in E. in Richtung einer Tankstelle in der N. Straße in E.. Der Angeklagte J. war im Besitz eines sogenannten Polenböllers, welchen die Gruppe mitnahm. Die Angeklagten hatten die Absicht, diesen Böller irgendwo im Emder Stadtgebiet zu zünden, ohne den Ort zunächst näher zu spezifizieren.
Auf dem Weg zur Tankstelle passierten die Angeklagten gegen 3:20 Uhr das in der S.straße abgeparkte Fahrzeug des Zeugen H.. Das Kfz des Zeugen ist mit einer sogenannten Dashcam versehen, welche aufgrund von Bewegungsmeldern die Angeklagten Videografierte, als sie am Fahrzeug des Zeugen vorbeiliefen.
An der Straßenecke S.straße und F.straße befindet sich ein Zigarettenautomat des Unternehmens t. Automatengesellschaft mbH & Co. KG. Die Angeklagten verabredeten, den mitgenommenen Polenböller nunmehr im Ausgabefach des Zigarettenautomaten zu zünden. Den Angeklagten kam es hierbei aufgrund ihrer Übereinkunft darauf an, zum einen Vandalismus zu betreiben. Zum anderen erhofften sie sich, den Automaten durch die Sprengkraft zu öffnen, um an dessen Inhalt (Ware und Geld) zu kommen, um den Inhalt an sich zu nehmen und für sich zu verwenden. Zwar waren die Angeklagten keineswegs sicher, dass die Sprengkraft des Polenböllers ausreichend sein werde, um den Automaten zu knacken. Allerdings rechneten sie mit dieser Möglichkeit und erhofften sie sich als gewünschten Nebeneffekt des Vandalismus. Die Angeklagten rechneten jedenfalls damit, dass der Automat durch die Sprengkraft des Polenböllers erheblichen Schaden erleiden werde. Gleichwohl steckte einer der Gruppe, wobei sich nicht klären ließ, welcher der Angeklagten hier handelte, gemäß dem gemeinsamen Tatplan den Böller in das Ausgabefach und zündete diesen gegen 3:21 Uhr.
Die Sprengkraft des Böllers war derart erheblich, dass die gesamte Front des Zigarettenautomaten nach vorne weggerissen wurde, sich der Korpus des Automaten verformte, die Geld- und Warenkassette auf die Straße fiel und sich Zigarettenschachteln über die gesamte Straßenbreite der F.straße verteilten. Passanten waren zu dieser späten Stunde keine in der Nähe und wurden nicht konkret gefährdet. Die Angeklagten waren zwar zunächst von der großen Wucht der Sprengkraft überrascht, realisierten jedoch sehr schnell, dass die von Ihnen erwogene Möglichkeit, den Automaten zu knacken, gelungen war. So begaben sie sich sofort zum Automaten und begannen eine unbekannte Anzahl an Zigarettenschachteln aufzusammeln, wobei jedenfalls der Angeklagte J. mindestens zwei Schachteln an sich nahm. Der Angeklagte D. R. entnahm zudem der Geldkassette einen Bargeldbetrag in Höhe von 75 EUR.
An dem Automaten entstand ein Geräteschaden in Höhe von 2.300 EUR. Zudem ergab sich ein Waren- und Geldverlust in Höhe von 414,50 EUR, zum einen durch die Wegnahme, zum anderen durch Beschädigung von Ware durch die Sprengung. Der geschädigten Gesellschaft entstanden zudem Monteurkosten in Höhe von 500 EUR und Anfahrtskosten in Höhe von 20 EUR.
Durch den lauten Knall der Sprengung wurde der Zeuge H., der gerade in seiner Wohnung am Fernsehen war, aufmerksam. Sofort ging er zum Fenster und sah, wie die Angeklagten Ware aufsammelten. Etwa um 3:22 Uhr alarmierte der Zeuge H. die Polizei über den Notruf. Dann öffnete er ein Fenster und rief zu den Angeklagten auf die Straße hinunter, ob sie Spaß hätten.
Hiervon aufgeschreckt ergriffen die Angeklagten die Flucht, wobei der D. R. das Bargeld mitnahm und insgesamt eine unbekannte Anzahl an Zigarettenschachteln, mindestens jedoch zwei Schachteln durch den Angeklagten J., mitgenommen wurde.
Gegen 3:33 Uhr wurden die Angeklagten, welche der abgegebenen Personenbeschreibung des Zeugen H. entsprachen, im Rahmen der Nahbereichsfahndung durch die Polizeibeamten B. und L. gesichtet. Der Angeklagte C. R. sah die sich nähernde Polizei und konnte unerkannt flüchten. Die Angeklagten J. und D. R. wurden durch die Polizei angehalten, kontrolliert und erkennungsdienstlich behandelt, wobei bei dem Angeklagten D. R. das o.g. Bargeld sichergestellt werden konnte. Der Angeklagte J. entledigte sich zweier Zigarettenschachteln in den D., was durch PK L. beobachtet werden konnte."
IV.
Die Feststellungen zu II. beruhen auf den glaubhaften Angaben der Angeklagten zu ihren persönlichen und sozialen Verhältnissen sowie den verlesenen Auszügen aus dem Bundeszentralregister jeweils vom 23.12.2022 und den mindestens im Umfang der Wiedergabe verlesenen früheren Entscheidungen sie betreffend. Ferner wurde die Bewährungshelferin des Angeklagten J. - Frau L. - gehört, die bekundete, dass der Angeklagte seit Juli 2022 erneut unter ihrer Betreuung stehe. Das Jahr unter Kontakt zur Forensischen I. nach Beendigung der Therapie damals habe zu keinen Auffälligkeiten geführt, jedoch habe der Angeklagte im Vorfeld der heutigen Hauptverhandlung große Angst gehabt und zur Beruhigung erneut zu Cannabis gegriffen. Zur Tatzeit habe der Angeklagte wegen der Trennung von der Freundin (September 2020) große Probleme gehabt und die zuvor entwickelten Bewältigungsstrategien aufgegeben. Im Februar 2021 habe er zwar von der Tat im Rahmen einer Anhörung nicht berichtet, sich aber wegen des geschilderten Rückfalls im Tatzeitraum wieder in eine engere Anbindung in Hilfesysteme begeben und sei in der Folge weiter durch die KJK begleitet worden. Pro Quartal müsse er eine unangekündigte Urinkontrolle über sich ergehen lassen. Die letzte habe er jedoch versäumt, wobei der Angeklagte ihr gegenüber angab, aus Angst vor den Folgen des erwarteten positiven Ergebnisses wegen des Rückfalls nicht hingegangen zu sein.
Die Feststellungen zu III. beruhen auf dem insoweit verlesenen Urteil I. Instanz, welche durch die Einlassung der Angeklagten und die durchgeführte Beweisaufnahme in Form der Vernehmung der Zeugen B. und L. gestützt wurden.
V.
Die Angeklagten haben sich gemeinschaftlich des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Diebstahl gem. §§ 242, 243 Abs. 1, Satz 2 Nr. 2, 308 Abs. 1, 25 Abs. 2, 52 StGB schuldig gemacht. Zugunsten der Angeklagten geht die Kammer mit dem Amtsgericht davon aus, dass bereits beim Entschluss zur Entzündung des Böllers auch der Vorsatz bestand, die Lage zur Mitnahme von Geld und Zigaretten auszunutzen, sollte die Beschädigung dazu ausreichen und folglich aufgrund des einheitlichen Tatentschlusses die Taten zueinander in Tateinheit standen. Beide Angeklagte müssen sich aufgrund des gemeinsamen Tatplans und ihrer Beteiligung an der Tatbeute auch dann die Herbeiführung der Explosion im Rahmen des § 25 Abs. 2 StGB zurechnen lassen, selbst wenn nicht sie selbst, sondern ein anderer der drei beteiligten Täter den vom Angeklagten J. mitgeführten Polenböller im Schacht des Automaten positioniert und entzündet haben sollte. Die Explosion führte zur Zerstörung des Zigarettenautomaten, welcher einen Gesamtwert von mehr als 2.000 € hatte und folglich eine fremde Sache von bedeutendem Wert ist, welche gefährdet und hier sogar zerstört wurde. Beide handelten in Bezug auf die Gefährdung und mindestens erhebliche Beschädigung des Automaten mithilfe der Explosion auch vorsätzlich.
1) J.
Die Strafe für den Angeklagten J. hat die Kammer dem verminderten Strafrahmen des § 308 Abs. 4 StGB entnommen, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 5 Jahren vorsieht und folglich über dem unter Berücksichtigung der Verwirklichung des Regelbeispiels erhöhten Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB liegt.
a)
Für die Annahme einer Strafrahmenverschiebung gem. § 308 Abs. 4 StGB konnten die notwendigen Feststellungen im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung des Falles getroffen werden. Für den Angeklagten sprach insoweit die drogen- und alkoholbedingte Enthemmung und die Tatsache, dass er die Tat auch in erster Instanz dem Grunde nach eingeräumt hatte und spätestens mit der Berufungsbeschränkung in zweiter Instanz die Verantwortung für sein Handeln übernommen hat, was er auch im Rahmen seiner Einlassung selbst zum Ausdruck brachte. Er distanzierte sich deutlich von seinem früheren hier eingeräumten unverantwortlichen Verhalten. Andererseits ist der Angeklagte in der Vergangenheit vielfach mit Gewaltdelikten in Erscheinung getreten und ließ sich auch durch Verurteilungen zu Freiheitsstrafen nicht von weiteren Taten abhalten. Insbesondere war ihm bewusst, dass er unter Alkohol- und Drogeneinfluss zu Straftaten neigt und hat gleichwohl trotz erfolgreich absolvierter Therapie und dauerhafter Abstinenz im Rückfall nicht zu den erlernten Coping-Strategien gegriffen und sich unverzüglich den fortbestehenden Hilfsangeboten zugewandt, sondern weiter konsumiert. Der Angeklagte stand zudem zur Tatzeit aus drei Entscheidungen unter Bewährung. Es ist darüber hinaus ein nicht unerheblicher Gesamtschaden entstanden. Ferner hat es neben der Explosion auch noch die Verwirklichung des Diebstahls unter den Voraussetzungen des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB gegeben, wobei jedoch der Wert der entwendeten Gegenstände mit etwas mehr als 80 € (75 € und 2 Schachteln Zigaretten), nicht sehr hoch ist. Stellt man all diese den Fall prägenden Umstände in die Gesamtwürdigung ein, so stellt sich der Fall so dar, als dass er vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle in so erheblichem Maße nach unten abweicht, dass die Anwendung des geringeren Strafrahmens geboten erscheint.
b)
Für eine weitere Strafmilderung gem. §§ 21, 49 StGB hat die Kammer keine ausreichenden Feststellungen zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund des genossenen Alkohols und der eingenommen Drogen getroffen. Der Angeklagte hat die Einnahme von Drogen in Form von Cannabis und Amphetaminen sowie den Genuss von Alkohol vor der Tat mitgeteilt, aber keine näheren Angaben zu deren Auswirkungen gemacht, die die Annahme einer verminderten Steuerungsfähigkeit oder die Einholung eines Gutachtens begründen könnten, nachdem dem Sachverständigen keine ausreichenden Anknüpfungstatsachen, auch auf der Grundlage der insoweit unergiebigen Angaben der Zeugen B. und L., vorgegeben werden könnten. Insoweit kommt eine weitere Strafrahmenverschiebung unter Berücksichtigung eines vertypten Milderungsgrundes vorliegend nicht in Betracht.
c)
Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat die Kammer neben den im Rahmen der Prüfung des minder schweren Falls bereits benannten und für die Strafzumessung erneut heranzuziehenden für und gegen den Angeklagten sprechenden Umständen auch die lange Verfahrensdauer von ca. zwei Jahren strafmildernd berücksichtigt, auch wenn justizbedingte Verfahrensverzögerungen nicht festgestellt wurden. Prägend für den Angeklagten sprach dabei insbesondere das Geständnis und gegen ihn Angeklagten die Vorstrafen. Nach erneuter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hat die Kammer eine
Freiheitsstrafe von einem Jahr und 6 Monaten
als tat- und schuldangemessen festgesetzt.
d)
Die Freiheitsstrafe ist gem. § 56 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt worden.
Die Kammer hat gem. § 56 Abs. 1 StGB die begründete Erwartung, dass der Angeklagte sich die Verurteilung nunmehr zur Warnung dienen lässt und künftig keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Hierbei ist berücksichtigt worden, dass der Angeklagte nicht weniger als dreifach unter Bewährung stand, als er die Tat beging, jedoch wurden die drei Strafen parallel nach 4 Jahre lang vollzogener Haft- und Maßregelverbüßung (ab Februar 2014) im Januar 2018 zur Bewährung ausgesetzt, so dass der Angeklagte zwar formal dreifach unter Bewährung steht, jedoch inhaltlich eine einheitliche Entscheidung der Strafaussetzung durch die Strafvollstreckungskammer getroffen worden ist. Dies zeigen auch die jeweils parallel wegen der Nachverurteilungen zu Geldstrafen erfolgten Verlängerungen der Bewährungszeiten. Der Angeklagte hat seine Lebensweise geändert und steht in einem sicheren Beschäftigungsverhältnis. Er darf seine 4jährige Tochter regelmäßig sehen und hat damit soziale Bindungen, welche ihm auch wichtig sind. Auch wenn der Angeklagte aus Angst vor erneuter Inhaftierung wieder zu Cannabis gegriffen hat, geht die Kammer davon aus, dass er dies wie auch in der Vergangenheit mit Unterstützung der fortdauernden Anbindung an die Institutsambulanz zu überwinden in der Lage sein wird. Insoweit ist in der Hauptverhandlung sein darauf gerichteter Wille deutlich geworden und er hat ja auch in der Zeit von Februar 2021 nach der Tat über einen längeren Zeitraum mithilfe der professionellen Unterstützer sich wieder fangen können und den Konsum von Alkohol und Drogen eingestellt.
Auch liegen in der Person des Angeklagten und der Tat besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vor, die die Strafaussetzung rechtfertigen. Trotz des hier vorliegenden dritten Versagens während der Bewährungszeit nach den Entscheidungen Nr. 16 und 17 BZR, hat die Kammer in der deutlichen Stabilisierung der Lebensverhältnisse des Angeklagten besondere Umstände erkannt, die die Strafaussetzung rechtfertigen. Hierbei ist insbesondere berücksichtigt worden, dass die ersten beiden Nachverurteilungen nicht nur andere Deliktsfelder betrafen als die früheren Urteile, sondern auch, dass sie jeweils ohne Kontakt des Angeklagten zum Gericht im Strafbefehlswege ergingen und damit die deutliche Warnfunktion, die nur durch die Hauptverhandlung bewirkt werden kann, jeweils entfiel. Letztlich stand der Angeklagte seit der Beendigung des Maßregelvollzugs im Januar 2018 erstmals vor dem Amtsgericht in diesem Verfahren wieder vor Gericht und die Entscheidung hat ihn nachdrücklich beeindruckt.
Insbesondere durch die Weisung die Entzugsbehandlung unmittelbar nach der Hauptverhandlung aufzunehmen und nicht ohne Zustimmung der Behandler abzubrechen wird die Abstinenz des Angeklagten gefördert und die positive Legalprognose gestützt, zumal der Angeklagte sich um den Termin freiwillig und selbständig bemüht hat.
Die Strafvollstreckung ist auch nicht gem. § 56 Abs. 3 StGB zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten. Ein verständiger rechtstreuer Bürger würde ohne Verlust des Vertrauens in die Durchsetzungsfähigkeit der Justiz bei vollständiger Kenntnis der Umstände des konkreten Falles die Strafaussetzungsentscheidung nachvollziehen können, zumal die den offenen Bewährungen zugrunde liegenden Taten bereits 10 bis 14 1/2 Jahre zurückliegen und nicht einschlägig sind.
e)
Die Unterbringung gem. § 64 StGB hat die Kammer erwogen, die Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte die vorangegangene Therapie erfolgreich abgeschlossen hat und nach der Tat erneut über lange Zeit ohne erneute Therapie abstinent bleiben konnte und nur aufgrund des kurzfristigen Rückfalls in den Cannabiskonsum aus Angst vor der Hauptverhandlung besteht nicht die Gefahr, dass er infolge des Hangs erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Vielmehr erwartet die Kammer, dass der Rückfall auch ohne erneute Therapie durch den Angeklagten im vorhandenen Hilfesystem überwunden werden kann und wird, ohne dass es zu erneuten Straftaten kommt.
f)
Von der Einziehung des Werts der durch den Angeklagten erlangten zwei Zigarettenschachteln ist abgesehen worden aufgrund ihres geringen Werts und der Tatsache, dass er diese innerhalb der ersten Minuten nach der Tat bereits in den D. entsorgt hatte.
2) R.
Betreffend den Angeklagten R. hat die Kammer im Rahmen der Strafzumessung ebenfalls den geminderten Strafrahmen des § 308 Abs. 4 StGB zugrunde gelegt, da sich der Fall insgesamt angesichts des Geständnisses, welches spätestens in der Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtfolgenauspruch ergibt und des gegenüber den vom Tatbestand grundsätzlich erfassten erheblichen Sprengwirkungen her im unteren Bereich bewegt.
Für den Angeklagten spricht im Rahmen der konkreten Strafzumessung ferner, dass er nur einmal und zwar nicht einschlägig zuvor in Erscheinung getreten ist und bei der Tat ebenfalls unter Rauschmitteleinfluss stand, was eine erhebliche Enthemmung verursacht hat.
Im eröffneten Strafrahmen hat die Kammer unter Berücksichtigung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte eine
Freiheitsstrafe von 1 Jahr
als tat- und schuldangemessen festgesetzt.
Die verhängte Strafe kann gem. § 56 Abs. 1 und 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Kammer hat die Erwartung, der Angeklagte werde sich schon die drohende Vollstreckung zur Warnung dienen lassen und auch ohne den Vollzug der Strafe künftig keine Straftaten mehr begehen. Zwar ist der Angeklagte aktuell ohne Arbeit und droht auch seine Wohnung zu verlieren. Er ist aber auch noch nicht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden und hinreichend durch die Länge der drohenden Vollstreckung zu beeindrucken. Zudem ist er bestrebt eine neue Ausbildung oder Beschäftigung zu finden. Insgesamt erscheint es verantwortbar die Legalbewährung des Angeklagten zu erproben. Vor dem Hintergrund, dass es sich um die erste Bewährungsstrafe des Angeklagten handelt, gebietet auch die Verteidigung der Rechtsordnung nicht die Vollstreckung der Strafe gem. § 56 Abs. 3 StPO.
Die bei dem Angeklagten R. sichergestellten 75 € unterliegen der Einziehung gem. § 73 Abs. 1 StPO zum Zwecke der Rückgewähr an die Eigentümern und Geschädigte, Firma T..
VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und 4 StGB, nachdem die Rechtsmittel teilweise erfolgreich waren.