Landgericht Aurich
Urt. v. 05.06.2023, Az.: 19 KLs 510 Js 12088/22 (6/23)

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
05.06.2023
Aktenzeichen
19 KLs 510 Js 12088/22 (6/23)
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 31571
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGAURIC:2023:0605.19KLS510JS12088.2.00

In der Strafsache
gegen
J. W. L.,
geboren am 1940 in H.,
wohnhaft Z. b. S., E.,
geschieden, Staatsangehörigkeit: deutsch,
Verteidigerin:
Rechtsanwältin A. v. d. P., A. H., .E.
wegen Verbrechen nach § 29 a BtMG
hat die 4. Große Strafkammer des Landgerichts Aurich in der Sitzung vom 05.06.2023, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Landgericht R.-H.
als Vorsitzende
Richterin R.
als beisitzende Richterin
Herr W. N.
Herr F. H. K.
als Schöffen
Staatsanwalt L.
als Beamter der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwältin A. v. d. P.
als Verteidigerin
Justizhauptsekretärin M-
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Angeklagte wird wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 963,00 € wird angeordnet.

Gründe

I.

Die Hauptverhandlung hat zu folgenden Feststellungen geführt:

1. Feststellungen zur Person

Der Angeklagte wurde am 1940 in H. geboren. Nach der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg flüchtete er mit seiner Familie nach W. .Dort besuchte er auch die Schule. Mit 14 Jahren wurde er von seinem Vater zur See geschickt. Dies war der Beginn einer jahrzehntelangen Berufstätigkeit in der Seeschifffahrt.

Nach Beendigung der Lehre auf einem Schiff legte der Angeklagte die Matrosenprüfung ab. Im Verlaufe seiner Karriere war er schließlich sieben Jahre als Kapitän tätig. Insgesamt fuhr der Angeklagte ca. 35 Jahre zur See, wobei etwa zwei Drittel der Fahrtzeiten auf ausländische Schiffe entfielen. Bis kurz vor seiner Rente war der Angeklagte in der Seeschifffahrt tätig. Aufgrund eines Augen- und Ohrenleidens wurde er kurz vor Renteneintritt arbeitslos.

Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit in der Schifffahrt ging der Angeklagte davon aus, eine hinreichende Rente zu erhalten. Die Fahrtzeiten auf ausländischen Schiffen wurden von der Deutschen Rentenversicherung jedoch nicht anerkannt. Dies führte dazu, dass die Rente so gering ausfiel, dass der Angeklagte mit seinem Einkommen seinen Lebensunterhalt nicht vollständig finanzieren konnte.

Der Angeklagte nahm zur Schließung dieser finanziellen Lücke zunächst diverse Gelegenheitsjobs an, etwa im Bereich von Gartenarbeiten und im Winterdienst. Zeitweise sammelte er auch Pfandflaschen. Aufgrund einer Erkrankung an COPD sowie eines Schlaganfalls, den der Angeklagte vor etwa zehn Jahren erlitt, sind ihm solche körperlich anstrengenden Tätigkeiten seit einigen Jahren jedoch nicht mehr möglich. Dem Angeklagten standen zum Tatzeitpunkt keine hinreichenden finanziellen Mittel in Form von Rente oder aus Nebentätigkeiten für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung.

Aktuell bezieht der Angeklagte eine Rente in Höhe von 884,67 €. Er erhält zudem Wohngeld in Höhe von 225,00 € monatlich. Dieses wurde im Jahr 2023 erfolgreich beantragt. Die zu zahlende Miete für die Wohnung in der Emder Innenstadt beträgt 370,00 €. An die Stadtwerke zahlt der Angeklagte monatlich 200,00 €.

Insgesamt war der Angeklagte viermal verheiratet. Aus zwei der Ehen gingen drei bzw. vier Kinder hervor, von denen ein Sohn im Alter von 14 Jahren tödlich verunglückte. Mit einem seiner Söhne sowie zwei Hunden lebt der geschiedene Angeklagte in seiner Wohnung in Emden.

Bis zum Jahr 2011, mithin seinem 71. Lebensjahr, hatte der Angeklagte keinen Kontakt zu Betäubungsmitteln. Im Jahr 2021 hat der Angeklagte aufgrund einer allgemeinen Lebenskrise kurzzeitig Marihuana zu sich genommen. Hiervon ließ er jedoch kurzfristig wieder ab. Seit 1,5 Jahren hat er keine Betäubungsmittel mehr konsumiert.

Der Angeklagte ist in der Vergangenheit bereits erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten. Der Bundeszentralregisterauszug weist insgesamt 24 Eintragungen auf:

1. Am .03.1972 verurteilte das Amtsgericht H. den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 90 DM oder 6 Tagen Freiheitsstrafe.

2. Am .05.1975 verurteilte das Amtsgericht E. den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 40,00 DM.

3. Am .03.1979 verurteilte das Amtsgericht R. den Angeklagten wegen Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 35,00 DM.

4. Am .08.1979 verurteilte das Amtsgericht E. den Angeklagten wegen Gefährdung des Schiffsverkehrs zu einer Geldstrafe von fünf Tagessätzen zu je 80,00 DM.

5. Am .11.1979 verurteilte das Amtsgericht L. den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30,00 DM.

6. Am .01.1980 verurteilte das Amtsgericht B. den Angeklagten wegen fortgesetzten Vergehens gegen das Gesetz über Fernmeldeanlagen zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 50,00 DM.

7. Am .03.1980 erging durch das Amtsgericht L. ein nachträglicher Gesamtstrafenbeschluss, der eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 52 Tagessätzen zu je 35,00 DM zum Gegenstand hatte. Einbezogen wurden die Entscheidungen vom .08.1979 und .11.1979.

8. Am .05.1981 verurteilte das Amtsgericht E. den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Schiffsverkehrs zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 25,00 DM.

9. Am .09.1981 verurteilte das Amtsgericht L. den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25,00 DM.

10. Am .04.1982 verurteilte das Amtsgericht E. den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Schiffsverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt und mit Wirkung vom 26.04.1985 erlassen.

11. Am .09.1984 verurteilte das Amtsgericht L. den Angeklagten wegen Hehlerei, gemeinschaftlich versuchten Diebstahls und zum fortgesetzten versuchten Diebstahls und Vortäuschens zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

12. Am .12.1984 verurteilte das Amtsgericht P. den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten. Die Bewährungszeit betrug drei Jahre. Die Strafaussetzung wurde widerrufen.

13. Am .05.1986 verurteilte das Amtsgericht L. den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

14. Am .09.1986 verurteilte das Amtsgericht P. den Angeklagten wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten.

15. Am .06.1987 erging durch das Amtsgericht P. ein nachträglicher Gesamtstrafenbeschluss, der eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten zum Gegenstand hatte. Einbezogen wurden die Entscheidungen vom .05.1986 und .09.1986. Der Strafrest wurde zur Bewährung ausgesetzt und mit Wirkung vom .02.1991 erlassen.

16. Am .07.1987 erging durch das Amtsgericht P. ein weiterer nachträglicher Gesamtstrafenbeschluss, der eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten zum Gegenstand hatte. Einbezogen wurden die Entscheidungen vom .09.1984 und .12.1984. Der Strafrest wurde zur Bewährung ausgesetzt und mit Wirkung vom .02.1991 erlassen.

17. Am .05.1988 verurteilte das Amtsgericht L. den Angeklagten wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafe wurde mit Wirkung vom .06.1990 erlassen.

18. Am .09.1997 verurteilte das Amtsgericht E. den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20,00 DM.

19. Am .04.2002 verurteilte das Amtsgericht E. den Angeklagten wegen vorsätzlichen Vollrausches zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten. Die Bewährungszeit lief bis zum .04.2005 und wurde bis zum .10.2006 verlängert. Mit Wirkung vom .11.2006 wurde die Strafe erlassen.

20. Am .04.2005 verurteilte das Amtsgericht E. den Angeklagten wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10,00 €.

21. Am .07.2007 verurteilte das Amtsgericht E den Angeklagten wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 €.

22. Am .09.2011 verurteilte das Amtsgericht E. den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde bis zum .12.2016 verlängert und die Strafe mit Wirkung vom .02.2017 erlassen.

23. Am .03.2015 verurteilte das Amtsgericht E. den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafe wurde mit Wirkung vom .03.2018 erlassen.

24. Am .01.2021 - rechtskräftig seit dem .01.2021 - verurteilte das Amtsgericht A. den Angeklagten im Strafbefehlswege wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu 4 Monaten Freiheitsstrafe, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Datum der letzten Tat war der .08.2020. Dem Angeklagten wurde ein Bewährungshelfer bestellt.

Der Angeklagte wurde in dieser Sache aufgrund des Haftbefehls des Landgerichts Aurich vom .03.2023 (Bl. 75 ff. d. A.) am .03.2023 vorläufig festgenommen. Der Vollzug der Untersuchungshaft wurde mit Beschluss des Landgerichts Aurich vom gleichen Tag, dem .03.2023 (Bl. 108 d. A.), ausgesetzt. Gleichsam wurde dem Angeklagten auferlegt, es zu gestatten, dass die Polizei jederzeit anlasslos und unangekündigt seine Wohnung an der Anschrift "Z. b. S." in Emden betreten und nach Betäubungsmitteln und Waffen durchsuchen darf. Die Wohnung des Angeklagten wurde im weiteren Verlauf zweimal von Polizeibeamten aufgesucht. Der Angeklagte gestattete die Durchsuchung beide Male bereitwillig. Betäubungsmittel oder Waffen wurden nicht gefunden.

2. Feststellungen zur Sache

Der zu diesem Zeitpunkt 81-jährige Angeklagte entschloss sich, jedenfalls im hier maßgeblichen Tatzeitraum, seine Rente durch den regelmäßigen Verkauf von Betäubungsmitteln an Dritte aufzustocken. Die Tätigkeit des Angeklagten war darauf ausgerichtet, Marihuana gewinnbringend weiterzuverkaufen, um sich eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Dabei war ihm bewusst, dass er nicht im Besitz der erforderlichen Erlaubnis zum Verkehr mit Betäubungsmitteln war. Der Angeklagte erwarb das Marihuana zu einem Grammpreis von 8,00 € von einem unbekannt gebliebenen Betäubungsmittellieferanten und veräußerte es für 10,00 € pro Gramm weiter. Die Übergabe der Betäubungsmittel erfolgte jeweils in der Wohnung des Angeklagten an der Anschrift "....". Dabei handelt es sich um eine Wohnung im zweiten Stock eines Mehrparteienhauses in der Innenstadt von Emden. Die Taten im Einzelnen:

a) Aus einer ursprünglich erworbenen Menge von 110 g Marihuana verkaufte der Angeklagte an einem nicht näher bestimmbaren Tag Anfang Mai, jedoch vor dem 3. Mai 2022, mindestens 26,41 g Marihuana zu einem Preis von 260,00 € an den gesondert verfolgten ......

Am .05.2022 gegen 21:45 Uhr verkaufte er aus derselben Menge weitere 4,53 g Marihuana an den gesondert verfolgten .... zum Preis von 45,00 €.

Die verbleibenden 79,05 g (netto) Marihuana waren ebenfalls für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Sie wurden zusammen mit einer Feinwaage und einem Vakuumbeutel mit Marihuanaanhaftungen im Rahmen einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am .05.2022 gegen 22:10 Uhr durch die eingesetzten Zollbeamten auf dem Wohnzimmertisch in einer großen Joghurtdose aufgefunden und sichergestellt. Die sichergestellten Betäubungsmittel wiesen einen Wirkstoffgehalt von mindestens 13,1 % auf.

Unter Berücksichtigung des Wirkstoffgehalts der sichergestellten Betäubungsmittel ist im Hinblick auf die Gesamtmenge von 110 g Marihuana von einer Wirkstoffmenge von insgesamt 14,41 g THC auszugehen.

b) Spätestens am .01.2023 hatte der Angeklagte sich erneut in den Besitz von 140 g Marihuana gebracht, das wiederum für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Am .01.2023 verkaufte der Angeklagte davon 1,96 g (netto) Marihuana zu einem Preis von 20,00 € an den gesondert verfolgten .... Weitere 90,25 g (netto) Marihuana wurden im Rahmen einer Durchsuchung am selben Tag gegen 18:00 Uhr durch die eingesetzten Zollbeamten im Badezimmer der Wohnung des Angeklagten, versteckt in einem Lüftungsschacht neben der Toilette, befindlich in einem Wurstglas, sowie in einem Joghurtbecher auf dem 6 m unterhalb des Wohnzimmerfensters befindlichen Vordach des Mehrfamilienhauses aufgefunden und sichergestellt. Die sichergestellten Betäubungsmittel wiesen einen THC-Gehalt von 14,7 % auf. In Bezug auf die Gesamtmenge von 140 g Marihuana betrug die Wirkstoffmenge 20,58 g THC.

In der Wohnung des Angeklagten wurden drei Vakuumbeutel in der Größe 40 cm x 30 cm mit Marihuanaanhaftungen sowie eine Feinwaage aufgefunden. Zudem bewahrte der Angeklagte in seiner Geldbörse 320,00 € Bargeld in szenetypischer Stückelung auf, das aus den Betäubungsmittelgeschäften stammte. Am .01.2023 wurden weiter ein 65 cm langer, mit Klebeband umwickelter Holzknüppel mit Handschlaufe sowie ein Jagdmesser der Marke Browning mit einer Klingenlänge von 7,5 cm im Wohnzimmer des Angeklagten aufgefunden und sichergestellt. Der Knüppel befand sich auf der Fensterbank, das Messer wiederum lag auf dem Wohnzimmertisch in der Nähe der Feinwaage.

Weder Knüppel noch Messer wurden von dem Angeklagten bewusst in die Nähe der Betäubungsmittel gelegt, um während der Geschäfte Zugriff darauf zu haben bzw. den Handel absichern zu können. Die beiden Gegenstände standen für den Angeklagten in keinem Zusammenhang zu dem Drogenhandel. Bei dem Knüppel handelt es sich um einen Gegenstand aus dem Fischereizubehör seines Sohnes, mit dem dieser die Fische betäubte. Dieser hatte den Knüppel auch mit Klebeband umwickelt. Grundsätzlich hängt der Knüppel im Flur an der dort befindlichen Garderobe. Der Angeklagte verwendete ihn jedoch auch, um ein defektes Fenster im Wohnzimmer zu schließen. Dabei machte er sich die Hebelwirkung zunutze, indem er den Knüppel unter den Fensterrahmen schob und das Fenster anhob. Aus diesem Grund lag der Knüppel am .01.2023 auf der Fensterbank im Wohnzimmer. Seit der Sicherstellung des Knüppels öffnet der Angeklagte das betroffene Fenster nicht mehr, da er dieses ohne den Knüppel nicht mehr schließen kann.

Bei dem sichergestellten Messer handelt es sich um eines der wenigen Küchenmesser des Angeklagten, der insgesamt nur wenig Geschirr besitzt. Vor der Durchsuchung am .01.2023 hat der Angeklagte das Messer benutzt, um damit Dosen mit Hundefutter zu öffnen. Die Dosen wollte er zunächst mit der Hand öffnen. Dabei rissen ihm die Laschen zum Öffnen ab, sodass er die Dosen mithilfe des Messers öffnen musste. Das Messer ließ er anschließend auf dem Wohnzimmertisch liegen. Er hat sich dabei keine weiteren Gedanken gemacht und das Messer nicht wegen der Drogen ins Wohnzimmer gelegt.

II.

1. Die Feststellungen zur Person des Angeklagten beruhen auf seinen glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung. Die Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen wurden durch einen aktuellen Kontoauszug, der in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurde, bestätigt. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Vorgeschichte des Angeklagten folgen aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom .05.2023 mit dem oben dargestellten Inhalt.

2. Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der geständigen Einlassung des Angeklagten, die durch die glaubhaften Aussagen der Zollbeamten ZAI R. und ZI G., die an den Durchsuchungen beteiligt waren, bestätigt wurde. Die Angaben des Angeklagten decken sich hinsichtlich der Art der Betäubungsmittel und der Auffindesituation zudem mit den in der Hauptverhandlung verlesenen Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokollen sowie den in Augenschein genommenen Lichtbildern. Die Feststellungen zu den Betäubungsmittelmengen und den Wirkstoffgehalten ergeben sich aus den verlesenen Wiegeprotokollen und den Gutachten des BWZ und des Landeskriminalamtes Niedersachsen.

a) Der Angeklagte hat ein umfassendes Geständnis abgelegt, das über die Vorwürfe in der Anklageschrift hinausgeht. Sämtliche Rückfragen hat er ausführlich beantwortet. Er machte dabei insgesamt einen aufrichtigen Eindruck und versuchte nicht, seine Taten zu beschönigen. Vielmehr hat er eingeräumt, größere Mengen Marihuana als angeklagt besessen zu haben, um diese weiterzuverkaufen.

Er hat ausgeführt, das Marihuana in seiner Wohnung verkauft zu haben, insbesondere auch an A. H. A. und K. L. Dabei hätten die Verkäufe sowohl im Wohnzimmer als auch im Flur, direkt an der Tür, stattgefunden. Er habe die Betäubungsmittel von einem Drogenhändler im E. Stadtgarten erhalten. Dort habe er sich oft aufgehalten und eines Tages sei er zufällig mit diesem Drogenhändler ins Gespräch gekommen, der ihm den Verkauf von Marihuana auf Kommission angeboten habe, was er aufgrund seiner finanziellen Lage angenommen habe. Es habe sich ausschließlich um Marihuana gehandelt. An einem Tag habe er dort 110 g und an einem anderen Tag 140 g Marihuana erworben, um dieses weiter zu veräußern. Der Preis habe 6,00 € pro Gramm betragen bzw. 8,00 € bei Kauf auf Kommission. Er habe auf Kommission gekauft. Es habe sich dann herumgesprochen, dass man in seiner Wohnung Marihuana erwerben könne. Dementsprechend seien die Abnehmer zu ihm nach Hause gekommen, wo die Übergaben erfolgt seien. Telefonischen oder schriftlichen Kontakt zu seinen Abnehmern habe es nicht gegeben. Sie seien vielmehr einfach bei ihm vorbeigekommen mit dem Geld, was ihm auch gereicht habe. Er habe nicht den Wunsch gehabt, durch den Betäubungsmittelhandel groß herauszukommen oder sich zu bereichern. Er habe lediglich so viel Geld hinzuverdienen wollen, dass seine Existenz gesichert wäre. Bei einem Hinzuverdienst von 200,00 € im Monat sei er finanziell gut ausgekommen.

Die 260,00 € von A. H. A. habe er als Anzahlung an den Lieferanten weitergegeben. Mit diesem habe er sich darüber geeinigt, dass er nur den Einkaufspreis von 450,00 € zurückzahlen müsse und nicht die vollen 8,00 € pro Gramm. Bei den im Rahmen der zweiten Durchsuchung sichergestellten 320,00 € handele es sich ebenfalls um "Drogengeld". Das räume er ein.

Am Tag der ersten Durchsuchung seiner Wohnung habe er den Polizeibeamten die Betäubungsmittel sofort gezeigt. Sie hätten im Wohnzimmer auf dem Tisch gestanden. Bei der zweiten Durchsuchung habe er die Polizisten auch auf den Joghurtbecher auf dem Vordach aufmerksam gemacht und erläutert, wie man dieses am besten von außen erreichen könne. Das Vordach sei 6 m unterhalb seines Fensters, sodass man unten um das Haus herumgehen müsse und es nicht, wie die Beamten es versucht hätten, möglich sei, dieses aus dem Fenster zu erreichen. In dem Joghurtbecher habe er Marihuana für den Fall, dass er einmal in Not komme, als "Reserve" aufbewahrt.

Zu dem sichergestellten Knüppel und dem Messer hat sich der Angeklagte ausführlich eingelassen. Es wird inhaltlich insoweit auf die oben ausgeführten Feststellungen zur Sache verwiesen.

Der Angeklagte hat schließlich erklärt, auf die sichergestellten Gegenstände sowie die 320,00 € zu verzichten. Er wolle mit dem Betäubungsmittelhandel nichts mehr zu tun haben. Dementsprechend habe er auch sämtliche potentiellen Abnehmer weggeschickt, die ihn nach dem 31.01.2023 noch aufgesucht hätten. Emotional ersichtlich ergriffen erklärte der Angeklagte, dass er seine Taten bereue. Er bekräftigte, dies nicht wieder zu tun. Er habe zu der Zeit nicht weitergewusst und aus wirtschaftlicher Not heraus gehandelt.

b) Die geständige Einlassung des Angeklagten ist glaubhaft und deckt sich mit den Aussagen der Zollbeamten. Die Zollbeamten ZAI R. und ZI G. haben bezüglich der Durchsuchung am .05.2022 übereinstimmend ausgesagt, dass der Angeklagte kooperativ gewesen sei und die Betäubungsmittel direkt ausgehändigt habe. ZAI R. hat insoweit näher ausgeführt, dass der Angeklagte die Joghurtdose mit den Worten "hier ist das, was ihr sucht" übergeben habe. Er habe keinen Hehl daraus gemacht, dass er mit Betäubungsmitteln handele. Als Begründung habe er angegeben, dass er damit seine Rente aufbessern wolle.

Die Aussagen der Zollbeamten sind glaubhaft, da sie vollständig miteinander im Einklang stehen und mit dem Lichtbild (Bl. 11 d. A.) sowie dem Durchsuchungsprotokoll vom .05.2022 (Bl. 3 f. d. A.) zu vereinbaren sind. Zudem sind die Aussagen widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Die Zeugen waren als Zollbeamte ersichtlich auf die Durchführung der Beweisaufnahme vorbereitet und haben noch einmal Einsicht in die Vorgänge genommen, was von Berufs wegen heranzuziehenden Zeugen auch so erwartet werden kann und die Glaubhaftigkeit ihrer Einlassungen untermauert. Die Zeugen haben die Durchsuchung am .05.2022 deckungsgleich geschildert, wobei sie sich jeweils an unterschiedliche Nebensächlichkeiten erinnert haben. Dies zeigt, dass beide Zeugen dieselbe Situation aus ihrer eigenen Erinnerung heraus geschildert haben. An der zweiten Durchsuchung vom .01.2023 war ausschließlich der Zeuge ZAI R. beteiligt. Seine Aussage diesbezüglich steht im Einklang mit dem Sicherstellungsprotokoll vom .01.2023 (Bl. 15 ff d. FA 1), der Niederschrift über die körperliche Durchsuchung vom .01.2023 (Bl. 17 ff d. FA 1) und dem in Augenschein genommenen Bildbericht (Bl. 27 ff d. FA 1).

Die vom Angeklagten geschilderten Details in Bezug auf die bereitwillige Herausgabe der Betäubungsmittel im Rahmen der Durchsuchungen wurden durch die Zeugenaussagen bestätigt. Auch die Ausführungen des Angeklagten hinsichtlich des Knüppels und des Messers sind in Zusammenschau mit den Aussagen der Zollbeamten glaubhaft.

Die Kammer ist davon überzeugt, dass Knüppel und Messer in keinem Zusammenhang mit dem Marihuanahandel standen, sondern sich aus den vom Angeklagten geschilderten Gründen im Wohnzimmer befanden.

Der Angeklagte hat glaubhaft geschildert, warum der Knüppel und das Messer im Wohnzimmer befindlich waren. An diesen Angaben hat die Kammer keine Zweifel. Die Erklärungen waren jeweils plausibel und nachvollziehbar. Insbesondere die Erklärung hinsichtlich des defekten Fensters war derart ausgefallen und detailreich, dass es abwegig erscheint, dass sich der Angeklagte dies als Schutzbehauptung ausgedacht haben könnte. Zudem schilderte der Angeklagte glaubhaft, dass es während seines Drogenhandels nie zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen sei, so dass er auch keinen Grund dafür gesehen habe, sich zu bewaffnen. Schließlich machte der Angeklagte auch aus gesundheitlichen Gründen schon nicht den Eindruck, als wäre ihm eine körperliche Gegenwehr, selbst unter Zuhilfenahme von Werkzeugen, noch tatsächlich möglich.

In Bezug auf den Knüppel haben die Zeugen ZAI R. und ZI G. übereinstimmend geschildert, dass sich dieser am .05.2022 im Flur der Wohnung des Angeklagten befunden und aus ihrer Sicht keine Gefahr dargestellt habe. Er sei nicht griffbereit gewesen und dort belassen worden. ZAI R. hat diesbezüglich ausgesagt, dass er und seine Kollegen den Knüppel bei der ersten Durchsuchung ausgeblendet hätten. Erst bei der zweiten Durchsuchung am .01.2023 sei der Knüppel sichergestellt worden, wobei er zu diesem Zeitpunkt an einer anderen Stelle gelegen habe. Beide Zeugen erklärten, den Knüppel bei der ersten Durchsuchung am 03.05.2022 zwar wahrgenommen, jedoch nicht sichergestellt zu haben. Die Zollbeamten stuften den Knüppel zunächst also überhaupt nicht als gefährlich ein. Weiter haben beide Zollbeamte übereinstimmend geschildert, dass sich zwei Hunde in der Wohnung des Angeklagten befunden hätten. Dies untermauert die Einlassung des Angeklagten, das Messer zur Öffnung von Hundefutterdosen genutzt zu haben.

Die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand beruhen ebenfalls auf der geständigen Einlassung des Angeklagten. In seiner Einlassung hat er deutlich gemacht, dass es ihm darum ging, sich monatlich etwas zu seiner Rente hinzuzuverdienen, da er anderenfalls in seiner Existenz gefährdet gewesen wäre. Es ist daher glaubhaft belegt, dass der Angeklagte die Absicht hatte, die Betäubungsmittel gewinnbringend weiterzuverkaufen. Dabei nahm er jedenfalls billigend in Kauf, dass die Grenzwerte einer nicht geringen Menge überschritten werden könnten. Aufgrund der Angaben des Angeklagten und der objektiven Umstände der Taten geht die Kammer davon aus, dass er sich der sozialen Folgen seines Handelns bewusst war.

Die Angaben hinsichtlich des Motives des Angeklagten sind ebenfalls glaubhaft. Er hat verständlich erläutert, wie er im Rentenalter in eine finanzielle Notlage geraten ist. Auch die Enttäuschung darüber, dass er sein Leben lang gearbeitet hat und dennoch eine Rente erhält, die nicht zur Existenzsicherung genügt, konnte er nachvollziehbar schildern. Seine Erklärung, den Handel mit Marihuana erst aufgenommen zu haben, als er gesundheitlich nicht mehr dazu in der Lage war, sich auf legalem Weg etwas hinzuzuverdienen, war nachvollziehbar. Die Angaben sind auch mit dem Bundeszentralregisterauszug in Einklang zu bringen, in dem erst ab dem 71. Lebensjahr des Angeklagten Betäubungsmittelstraftaten auftauchen. Seine Altersarmut konnte er schließlich auch plausibel damit begründen, dass Fahrtzeiten unter ausländischer Flagge durch die Deutsche Rentenversicherung nicht anerkannt werden.

c) Soweit Feststellungen zur Menge und zur Beschaffenheit der aufgefundenen Betäubungsmittel getroffen worden sind, beruhen diese auf dem Inhalt der in der Hauptverhandlung verlesenen Wiegeprotokolle vom .05.2022 (Bl. 31 d. SH Ursprungsverfahren), .05.2022 (Bl. 8 d. A.) und .02.2023 (Bl. 26 d. FA 1) sowie dem Untersuchungsantrag vom 23.02.2023 (Bl. 89 d. A.) und den Gutachten des BWZ vom .10.2022 (Bl. 51 d. A.) und des LKA N. vom .05.2023 (Bl. 134 ff d. A.).

III.

Der Angeklagte hat sich wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG strafbar gemacht.

1. Im Hinblick auf die oben unter Ziffer I.2a) beschriebenen Sachverhalte ist gemäß § 52 StGB eine tateinheitliche Begehungsweise anzunehmen, da insoweit eine Bewertungseinheit vorliegt. Sämtliche Betätigungen, die sich auf den Vertrieb derselben, in einem Akt erworbenen Betäubungsmittelmenge beziehen, sind als eine Tat des unerlaubten Handeltreibens anzusehen, weil bereits der Erwerb und der Besitz von Betäubungsmitteln, die zum Zweck gewinnbringender Weiterveräußerung bereitgehalten werden, den Tatbestand des Handeltreibens in Bezug auf die Gesamtmenge erfüllen. Zu dieser Tat gehören als unselbständige Teilakte im Sinne einer Bewertungseinheit auch die späteren Veräußerungsgeschäfte, soweit sie dasselbe Rauschgift betreffen (vgl. BGH, Beschluss vom .12.2000 - 4 StR 503/00).

2. Ein bewaffnetes Handeltreiben im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG konnte hingegen nicht festgestellt werden. Weder Knüppel noch Messer wurden von dem Angeklagten bewusst in die Nähe der Betäubungsmittel gelegt, um während der Betäubungsmittelgeschäfte Zugriff darauf zu haben bzw. die Geschäfte im Zweifel absichern zu können. Knüppel und Messer standen für den Angeklagten in keinem Zusammenhang zu dem Marihuanahandel und waren nicht dazu bestimmt, Personen zu verletzen.

IV.

1. Die Strafe ist dem Strafrahmen des § 29 a Abs. 2 BtMG entnommen worden, welcher Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht. Gesetzlich vertypte Milderungsgründe liegen nicht vor.

Hinsichtlich beider Taten hat die Kammer nach Würdigung der allgemeinen Milderungsgründe in ihrer Gesamtheit jedoch jeweils einen minder schweren Fall angenommen.

Ein minder schwerer Fall ist gegeben, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit bei Gesamtbetrachtung aller wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle in so erheblichem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung sind nicht nur diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die der Tat vorausgehen oder sie begleiten, sondern auch diejenigen, die ihr nachfolgen. Entscheidend ist, dass der Fall, nicht die Tat insgesamt minder schwer wiegt.

Das gesamte Bild der Taten weicht vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle dieser Art so sehr ab, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG unangemessen erscheint. Einzelne gewichtige Milderungsgründe oder ein Bündel derartiger Milderungsgründe können, womit sich der Tatrichter befassen muss, den Fall so deutlich von den Delikten schwerer Kriminalität, die durch § 29?a BtMG erfasst werden sollen, abheben, dass die Anwendung des darin vorgesehenen Strafrahmens unangemessen ist. In diesem Fall ist der Strafrahmen des § 29?a Abs. 2 BtMG anzuwenden (Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, 10. Aufl. 2022, BtMG § 29a Rn. 127).

Es handelt sich bei dem Angeklagten weder um den "klassischen Dealer", welcher aus (luxus-) konsumorientiertem Gewinnstreben handelt, wobei er ein Einkommen in einer Größenordnung erzielt, die ihm auf legalem Wege unmöglich wäre, noch um einen selbst betäubungsmittelabhängigen Konsumenten, welcher den Verkauf zur Finanzierung der eigenen Sucht betreibt. Vielmehr handelte der Angeklagte aus einer finanziellen Notlage heraus und sah im Handel mit Betäubungsmitteln den aufgrund seiner körperlichen Gebrechen einzigen Weg, um die Folgen der Altersarmut abzuschwächen. Es ging ihm nicht darum, seinen Lebensstandard zu erhöhen, indem er Gewinne erwirtschaftete. Der Angeklagte lebt in einfachsten Verhältnissen. Er beabsichtigte vielmehr, gerade so viel hinzuzuverdienen, um über die Runden zu kommen. Das Vorhandensein einer für Motivation und Zielsetzung mitbestimmenden finanziellen Notlage wirkt in der Regel zu Gunsten des Täters (BGH Beschl. v. 12.2010 - 4 StR 610/10). So sieht es die Kammer auch im vorliegenden Fall, in dem die finanzielle Notlage nicht nur mitbestimmend, sondern gemäß den Feststellungen die einzige Motivation des Angeklagten war. Im Übrigen setzt Handeltreiben mit Betäubungsmitteln stets voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt. Dies betrifft also einen bereits zum Tatbestand gehörenden Umstand, der nicht nochmals verwertet werden darf. Eine ausschließlich gewinnorientierte Motivation stellt daher keinen Strafschärfungsgrund dar und ist dem Angeklagten nicht negativ anzulasten (BeckOK BtMG/Schmidt, 18. Ed. .3.2023, BtMG § 29 Vorbemerkungen zu § 29 BtMG Rn. 28).

Der Angeklagte befindet sich nach Einschätzung der Kammer in einem desolaten gesundheitlichen Zustand. Aus Sicht des Angeklagten war bei Begehung der Taten nicht zu erwarten, dass er zukünftig jemals wieder gesundheitlich dazu in der Lage sein würde, einer Arbeit nachzugehen und die finanzielle Lücke dadurch zu überbrücken. Es ist für die Kammer nachvollziehbar, dass der Angeklagte aus Sorge um seine Existenz und aus einer Notlage heraus mit Marihuana handelte. Zu berücksichtigen sind zudem das verhältnismäßig hohe Alter des Angeklagten und die sich daraus für ihn ergebende besondere Härte bei der Vollziehung von Freiheitsstrafe (BGH, Beschluss vom .03.1990 - 4 StR 25/90).

Besonderes Gewicht kommt insbesondere auch dem vollumfänglichen Geständnis zu, welches über den Vorwurf der Anklage hinausgeht. Der Angeklagte zeigte sich insgesamt einsichtig und räumte ein, dass der Betäubungsmittelhandel im Nachhinein "keine gute Idee" gewesen sei. Er zeigte sich auch sichtlich eingeschüchtert durch seinen Betäubungsmittellieferanten, der ihn nach der zweiten Durchsuchung bedroht habe. Im Rahmen der Durchsuchungen hat sich der Angeklagte durchweg kooperativ gezeigt und die Zollbeamten auf die Betäubungsmittel auf dem Vordach hingewiesen. Nach Außervollzugsetzung des Haftbefehls am .03.2023 hat der Angeklagte gemäß der Auflage die unangekündigte Durchsuchung seiner Wohnung nach Drogen und Waffen gestattet. Weder Betäubungsmittel noch Waffen wurden im Rahmen dieser Durchsuchungen aufgefunden. Für den Angeklagten spricht weiterhin der in der Hauptverhandlung erklärte Verzicht auf die Herausgabe der bei ihm sichergestellten Gegenstände sowie des Bargeldes in Höhe von 320,00 €.

Der Annahme von minder schweren Fällen stehen auch nicht das Maß der Überschreitung des Grenzwertes der nicht geringen Menge oder die Wirkstoffmengen entgegen. Im Rahmen der Gesamtabwägung darf die Tatbegehung mit einer "nicht geringen Menge" für sich genommen nicht berücksichtigt werden, weil dies nur die Erfüllung des Qualifikationstatbestands beschreibt (§ 46 Abs. 3 StGB). Jedoch kann das Maß der Überschreitung des Grenzwerts in die Strafzumessung einfließen. Dabei ist zu beachten, dass grundsätzlich nicht jede über dem Grenzwert liegende Wirkstoffmenge als möglicher strafschärfender Umstand gegen die Annahme eines minder schweren Falles spricht (BGH, Beschl. v. .9.2019 - 2 StR 68/19; BGH Urt. v. 1.7.2020 - 2 StR 547/19). Die Wirkstoffmengen von 14,41 g THC bzw. 20,58 g THC betragen das 1,9- bzw. 2,7-fache des Grenzwertes der nicht geringen Menge. Der Wirkstoffgehalt von 13,1 % bzw. 14,7 % ist verhältnismäßig hoch. Die Kammer hat insoweit nicht übersehen, dass die vom Angeklagten zum Weiterverkauf erworbenen Betäubungsmittel objektiv eine hohe Gefährlichkeit aufwiesen. Die übrigen Milderungsgründe wiegen jedoch so schwer, dass das genannte Maß der Überschreitung des Grenzwertes und die Wirkstoffmengen der Annahme eines minder schweren Falles jeweils nicht entgegenstehen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der weit überwiegende Anteil der Betäubungsmittel sichergestellt werden konnte und dadurch nicht mehr in Umlauf gelangt ist. Schließlich ist zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er ausschließlich mit der Weichdroge Marihuana gehandelt hat.

Die Kammer ist sich darüber bewusst, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt strafrechtlich erheblich vorbelastet war und wegen einer einschlägigen Tat unter laufender Bewährung stand. Sie hat sich bei der Gesamtabwägung auch intensiv mit den zahlreichen Vorstrafen des Angeklagten auseinandergesetzt. Dabei kam sie zu der Feststellung, dass bis 2011 keinerlei Taten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln im Vorstrafenregister eingetragen sind. Die Taten ohne Bezug zu Betäubungsmitteln liegen allesamt über 16 Jahre zurück (zuletzt Verurteilung durch das AG E. am .07.2007 wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 €). Der Angeklagte wurde erstmals mit Urteil des Amtsgerichts E. vom .09.2011 wegen einer Betäubungsmittelstraftat verurteilt, mithin in einem Alter von 71 Jahren und damit nach Renteneintritt. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits in die Altersarmut abgerutscht. Zudem hat die Kammer auch in den Blick genommen, dass dem Angeklagten der Widerruf der laufenden Bewährung droht.

Die Kammer hat auch nicht verkannt, dass dem Angeklagten im Zeitpunkt der zweiten Tat durch die Durchsuchung bezüglich der ersten Tat bewusst war, dass gegen ihn ein erneutes Strafverfahren - nunmehr wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln - anhängig ist, was ihn nicht von der weiteren Tatbegehung abgehalten hat. Dies kann auch als erhöhte kriminelle Energie verstanden werden. Die Kammer hat aber auch in den Blick genommen, dass sich die finanzielle Lage des Angeklagten unverändert dargestellt hat und weiter den Anlass für die Fortsetzung der Tatbegehung gegeben hat.

Im Rahmen der Gesamtabwägung wiegen die konkreten Umstände des Einzelfalls hier derart schwer, dass trotz der Vorbelastung und der laufenden einschlägigen Bewährung gleichwohl jeweils von einem minder schweren Fall auszugehen war.

2. Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat die Kammer alle oben aufgeführten für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte erneut gegeneinander abgewogen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

Zugunsten des Angeklagten wurde ganz wesentlich dessen in der Hauptverhandlung abgelegtes Geständnis berücksichtigt. Dieses war - untermauert durch die im Rahmen des letzten Wortes ausgesprochene Entschuldigung - ersichtlich von Reue getragen.

Unter zusammenfassender Würdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hat die Kammer für die Taten folgende Freiheitsstrafen für tat- und schuldangemessen erachtet und auf diese erkannt:

Tat zu Ziff. I.2a)1 Jahr und 2 Monate,
Tat zu Ziff. I.2b)1 Jahr und 4 Monate,

wobei die Menge des jeweils betroffenen Marihuanas bei der Höhe der jeweiligen Einzelstrafen Niederschlag gefunden hat.

Die verfahrensgegenständlichen Einzelstrafen hat die Kammer gemäß §§ 53, 54 StGB unter nochmaliger Berücksichtigung der oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen und unter angemessener Erhöhung der höchsten Einzelfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten auf eine

Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren

zurückgeführt. Bei der Bildung der Gesamtstrafe sind die oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen, auf die verwiesen wird, jeweils berücksichtigt worden. Diese Gesamtstrafe wird dem Gesamtgewicht der begangenen Taten, ihrem Verhältnis zueinander und dem Ausmaß der Verfehlungen des Angeklagten gerecht, wobei nicht die Summe der Einzelstrafen im Vordergrund stand, sondern die Persönlichkeit des Angeklagten sowie die Auswirkungen der Strafe auf sein Leben maßgeblich waren. Insbesondere ist der zeitliche und situative Zusammenhang der Taten berücksichtigt worden.

3. Die verhängte Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden, da die Sozialprognose des Angeklagten günstig ist (§ 56 Abs. 1 StGB) und unter Gesamtwürdigung der Taten und Täterpersönlichkeit besondere Umstände vorliegen (§ 56 Abs. 2 StGB). Die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet die Vollstreckung ebenfalls nicht (§ 56 Abs. 3 StGB).

a) Für eine positive Sozialprognose kommt es auf die Erwartung einer straffreien, d.h. die Strafgesetze allgemein und nicht nur für die Dauer der Bewährungszeit respektierenden, künftigen Lebensführung an. Mithin darauf, ob der Angeklagte auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs künftig keine Straftaten mehr begehen und sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird, sei es auch erst mithilfe von Auflagen oder Weisungen. Die Prognose muss sich auf die Persönlichkeit des Täters beziehen und dessen Vorleben einbeziehen, insbesondere die Vorstrafen, sowie die äußeren und inneren Tatumstände, Beweggründe, Ziele und das Verhalten nach der Tat. Schließlich sind die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für den Täter zu erwarten sind. Maßgeblicher Prognosezeitpunkt ist der der tatrichterlichen Entscheidung.

Die Kammer verkennt nicht, dass der Angeklagte erheblich vorbestraft ist und die Taten während einer laufenden Bewährungszeit begangen hat. Die frühere Prognose hat sich somit als falsch herausgestellt, es handelt sich um einen Bewährungsversager. Dies schließt dennoch nicht aus, dass erneut eine positive Prognose gestellt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom .7. 2010 - 5 StR 204/10). Dies gilt vor allem dann, wenn günstige Veränderungen in den Lebensverhältnissen des Angeklagten festgestellt werden, die geeignet sind, die Annahme künftigen Wohlverhaltens zu tragen, und diese Veränderungen zeitlich der Tatbegehung nachfolgten (OLG Bamberg Urt. v. .8.2016 - 3 OLG 8 Ss 58/16; OLG Koblenz Urt. v. 1.9.2014 - 2 OLG 3 Ss 70/14).

Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte aus einer finanziellen Notlage heraus gehandelt. Die Sorge um seine Existenz war die Ursache für den Handel mit Betäubungsmitteln. Seit Begehung der Taten hat sich die finanzielle Situation des Angeklagten jedoch deutlich gebessert. Grund hierfür ist die mithilfe des Bewährungshelfers erfolgte Beantragung von Wohngeld. Der Angeklagte kommt seit Erhalt des Wohngeldes, das 225,00 € monatlich beträgt und somit die finanzielle Lücke von ca. 200,00 € schließt, mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geldbetrag zurecht. Darüber hinaus wird sich die wirtschaftliche Situation zukünftig noch weiter entspannen, da der Angeklagte aufgrund der anstehenden Rentenerhöhung im Juli 2023 auch eine höhere Rente erhalten wird. Finanzielle Anreize für eine weitere Tatbegehung sind bei dem Angeklagten nicht mehr gegeben. Diese waren - wie oben ausführlich erläutert - jedoch das einzige Motiv für die Begehung der Taten. Eine Betäubungsmittelabhängigkeit, die den Angeklagten zu weiteren Straftaten veranlassen könnte, besteht nicht.

Der Angeklagte, der in dieser Sache erstmals vor einem Landgericht angeklagt war, stand zudem ersichtlich unter dem Eindruck des Strafverfahrens vor der Großen Strafkammer. Die Kammer ist - insbesondere auch aufgrund des persönlichen Eindruckes des Angeklagten in der Hauptverhandlung - der Auffassung, dass der Angeklagte sein Bestreben, in Zukunft straffrei zu leben, nach den Erkenntnissen aus diesem Verfahren nicht mehr ohne weiteres aufs Spiel zu setzen bereit sein dürfte. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die bloße Verurteilung trotz des Vorliegens zahlreicher Vorstrafen als Warnung ausreichend.

b) Unter Gesamtwürdigung von Taten und Täter liegen auch besondere Umstände gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 StGB bei dem Angeklagten vor. Besondere Umstände sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als angebracht erscheinen lassen. Sie können in der Persönlichkeit des Täters oder der Tat liegen. Auch in diesem Zusammenhang ist die finanzielle Notlage des Angeklagten bei Begehung der Taten zu berücksichtigen. Er hat sich zudem insoweit um Wiedergutmachung bemüht, als dass er auf die Herausgabe des sichergestellten Bargeldes verzichtet hat. Im Rahmen der Verzichtserklärung hat er deutlich gemacht, mit Betäubungsmittelangelegenheiten nichts mehr zu tun haben zu wollen. Diese Einlassung wirkte für die Kammer aufrichtig und ernsthaft.

Weiterhin dürfen das fortgeschrittene Alter sowie der schlechte Gesundheitszustand des Angeklagten nicht außer Acht gelassen werden. Es ist insofern dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Strafvollzug für den Angeklagten wegen seines vorgerückten Alters von ... Jahren eine besondere Belastung darstellen würde (vgl. BGH Beschl. v. .7.2003 - 3 StR 225/03). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die Gründe für die Anwendung des gemilderten Strafrahmens verwiesen, die ebenfalls in die Gesamtwürdigung im Rahmen des § 56 Abs. 2 S. 1 StGB eingeflossen sind.

c) Unter dem Gesichtspunkt der Verteidigung der Rechtsordnung nach § 56 Abs. 3 StGB erscheint die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe ebenfalls nicht geboten. In Kenntnis der dargelegten Umstände hätte die wohl unterrichtete, rechtsstreue Bevölkerung Verständnis für eine nochmalige Strafaussetzung zur Bewährung. Der Verteidigung der Rechtsordnung wurde im Übrigen auch durch adäquate Bewährungsauflagen Rechnung getragen. Diese umfassen auch die bereits im Außervollzugsetzungsbeschlusses des Haftbefehls - im ausdrücklichen Einverständnis des Angeklagten - verhängte Auflage, es zu gestatten, dass Polizeibeamte anlasslos und unangekündigt die Wohnung des Angeklagten betreten und diese nach Betäubungsmitteln durchsuchen dürfen.

V.

Die Einziehung des Wertes des Erlangten folgt aus §§ 73 Abs. 1, 73c, 73d StGB.

Leider ist der Kammer bei der Absetzung des Tenors ein Rechenfehler unterlaufen. Richtigerweise hätte ein Betrag in Höhe von 482,90 € eingezogen werden müssen.

Der Angeklagte erzielte durch die Tat zu Ziff. I.2a) einen Erlös in Höhe von 305,00 € (260,00 € + 45,00 €). Durch die Tat zu Ziff. I.2b) erlangte er einen Kaufpreis in Höhe von 20,00 €. Von der ursprünglichen Menge von 140 g Marihuana wurden 1,96 g an .... verkauft und 90,25 g sichergestellt. Die übrigen 47,79 g waren nicht mehr auffindbar. Gemäß den Feststellungen verkaufte der Angeklagte die Betäubungsmittel für 10,00 € pro Gramm, sodass insofern ein weiterer Betrag von 477,90 € einzuziehen ist.

Von dem Gesamtbetrag in Höhe von 802,90 € (305,00 € + 20,00 € + 477,90 €) waren die sichergestellten 320,00 € abzuziehen.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.