Landgericht Aurich
Urt. v. 11.05.2012, Az.: 6 O 955/11

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
11.05.2012
Aktenzeichen
6 O 955/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44351
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Es wird gegenüber der Beklagten zu 1) festgestellt, dass die Beschlussfassungen der Beklagten zu 1) im Wege der schriftlichen Abstimmung im August 2011 zu den Beschlussanträgen BA1 zum Titel „Beschlussfassung über die Aufnahme eines Darlehens in Höhe von 4 Mio. Euro gemäß § 11 Ziffer 7h i. V. m. § 8 Ziffer 2c des Gesellschaftsvertrages“ und BA2 mit dem Titel „Beschlussfassung über die Entlassung der Gesellschaft für H. u. F. mbH aus der Platzierungsgarantie“ nichtig sind.

Die Beklagten werden verurteilt, den Klägern die ihnen zuletzt bekannten Namen und Adressen der Kommanditisten sowie der über die Treuhandkommanditistin nur mittelbar an der R. MS „abc“ GmbH & Co KG  mittelbar beteiligten Treugeber schriftlich mitzuteilen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten zu 1) zu 70 % und der Beklagten zu 2) zu 30 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Kläger wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Der Streitwert wird nach der Wertannahme der Kläger auf bis zu 10.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger zu 1) ist unmittelbar, der Kläger zu 2) als Treugeber über die G. Treuhand GmbH (G..)  mittelbar als Kommanditist an der Beklagten zu 1) beteiligt, die Beklagte zu 2) ist Komplementärin der Beklagten zu 1). Wegen der Einzelheiten des Kommanditgesellschaftsvertrages der Beklagten zu 1) wird auf die Wiedergabe in der Kopie des Verkaufsprospektes, Anlage K1, Seiten 86 ff., verwiesen. Hinsichtlich des Treuhandvertrages wird auf die a. a. O., dort Seiten 101 ff. wiedergegebene Fotokopie Bezug genommen. Alleingesellschafterin der G.. ist die N. Unternehmensbeteiligungs GmbH, an der die Ehefrau des Alleingesellschafters und Geschäftsführers der GH. mit 90 % beteiligt ist.

Mit Schreiben vom 01.08.2011, wegen dessen Inhaltes auf die Anlage K3 verwiesen wird, teilte die G.. Treuhand mbH, welche als Treuhandkommanditistin Beteiligungen solcher Anleger hält, die sich nur mittelbar als Treugeber beteiligt haben, den Kommanditisten und Treugebern der Beklagten zu 1) mit, die Beklagte zu 2) stelle zwei Beschlussanträge im Rahmen eines Umlaufverfahrens gemäß § 11 Ziffer 11 des Gesellschaftsvertrages zur Abstimmung. Einer der Beschlussanträge betraf die Entlassung der Gründungskommanditistin Ges. f. H. u.. F. mbH (GH.) aus einer von dieser zugunsten der Beklagten zu 1) eingegangenen Platzierungsgarantie. Weiter heißt es in dem Schreiben: „Wir bitten Sie, den ausgefüllten und unterschriebenen Abstimmungsbogen aus organisatorischen Gründen bis zum 22.08.2011 an uns zurückzusenden.“

Unter dem 25.08.2011 übersandte die G.. an den Kläger zu 1) eine mit „Abstimmungsprotokoll“ überschriebene Übersicht über das Abstimmungsergebnis, wobei wegen der Einzelheiten auf die Anlage K5 zur Klage verwiesen wird.

Die Kläger sind der Ansicht, das Abstimmungsverfahren sei fehlerhaft durchgeführt worden, die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Abstimmungsfrist von drei Wochen sei unterschritten worden. Die Anleger seien auch irregeführt worden dadurch, dass nicht klargestellt worden sei, ob sie ihre Abstimmungserklärung bis zum 22.08.2011 zur Post aufgegeben haben mussten, oder ob ein Eingang bis zum 22.08.2011 Voraussetzung für eine wirksame Abstimmung sei. Das Abstimmungsergebnis benachteilige auch die Anleger, weil die Kommanditistin GH. ohne rechtfertigenden Grund aus einer von ihr gegebenen und für die Anleger relevanten Platzierungsgarantie entlassen worden sei. Im Hinblick hierauf möchten die Kläger mit sämtlichem übrigen Anlegern und Treugebern in unmittelbaren Kontakt treten, um die Frage einer Entlassung der Treuhandkommanditistin aus der Platzierungsgarantie beraten zu können.

Die Kläger beantragen,

wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Ansicht, dass das Beschlussverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, weil zwischen Einleitung und letztem Tag der Abstimmung, dem 22. August 2011, drei Wochen gelegen hätten. Es sei zu berücksichtigen, dass nach dem Gesellschaftsvertrag der erste und der letzte Tag der Abstimmungsfrist nicht mitzurechnen seien. Die Beklagte zu 1) hafte nicht auf Mitteilung der übrigen Anleger, die Beklagte zu 2) nicht auf Offenlegung der Treugeber, zu deren Geheimhaltung sie sich verpflichtet habe.

Wegen aller übrigen Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nach den von den Klägern gestellten Anträgen begründet. Gegenüber der Beklagten zu 1) ist antragsgemäß festzustellen, dass die im Umlaufverfahren gefassten Beschlüsse nichtig sind. Die nach dem Gesellschaftsvertrag vorgesehene Abstimmungsfrist ist nicht eingehalten. Für die Berechnung der Frist ist, wie die Treuhandkommanditistin in dem Mitteilungsschreiben über die Einleitung des Umlaufverfahrens zutreffend mitgeteilt hat, § 11 Abs. 11 des Gesellschaftsvertrages einschlägig. Danach muss die Abstimmungsfrist aber mindestens drei Wochen betragen.

Diese Fristbestimmung ist zur Wahrung des Abstimmungsrechtes der Gesellschafter so auszulegen, dass den Gesellschaftern ab dem Zugang der Aufforderung zur schriftlichen Abstimmung volle drei Wochen bis zu dem Tag zur Verfügung stehen, an dem ihre Abstimmungserklärung bei der Gesellschaft eingegangen sein muss. Dass der letzte Tag der Abstimmungsfrist zugleich der Tag des Eingangs bei der Gesellschaft ist, ergibt sich aus der genannten Bestimmung des Gesellschaftsvertrages. Für den Beginn der Abstimmungsfrist ist deshalb, damit die garantierte Mindestfrist von drei Wochen eingehalten werden kann, auf den Zugang bei den Gesellschaftern und nicht auf den Abgang bei der Gesellschaft abzustellen.

Wann konkret die Aufforderung zur schriftlichen Abstimmung bei den einzelnen Gesellschaftern oder Treugebern eingegangen ist, ist mangels Zustellungsnachweis nicht feststellbar. Es genügt aber für die Entscheidung, dass von einem Abgang des Aufforderungsschreibens bei der Treuhänderin am 01.08.2011 als frühestmöglichen Datum und einer Postlaufzeit von einem Tag nach dem Abgang auszugehen ist. Die Deutsche Post wirbt, was allgemein bekannt ist, mit einer Brieflaufzeit von einem Tag (zwischen Einwurftag und Zustelltag) mit der Formel „E + 1“. Danach ist ein Zugang bei den Gesellschaftern frühestens am Mittwoch 03.08.2011 anzunehmen. Zur Einhaltung der Dreiwochen-Frist hätte also unter Anwendung von § 188 Abs. 2 BGB das Abstimmungsende frühestens auf Mittwoch, den 24.08.2011 terminiert werden dürfen. Mit einem Abstimmungsende am 22.08.2011 ist die vertraglich vorgeschriebene Abstimmungsfrist zweifelsfrei unterschritten.

Die Kläger haben auch gegenüber beiden Beklagten Anspruch auf Offenlegung von Namen und Anschrift der übrigen Gesellschafter und Treugeber. Ihnen steht als rechtfertigendes Interesse zur Seite, dass sie nur auf diese Weise ohne bestimmende Einflussnahme der wirtschaftlich an den Beschlüssen deutlich interessierten Treuhandkommanditistin eine Meinungsbildung unter allen Gesellschaftern und Treugebern bewirken können. Das wirtschaftliche Interesse der G.. folgt daraus, dass an ihrer Alleingesellschafterin N. mit einer 90 %-Beteiligung die Ehefrau des Alleingesellschafters der GH. beteiligt ist. Eine Entlastung der GH. von der Platzierungsgarantie nützt also dem Ehegatten der Mehrheitsbeteiligten an der G.., was genügt.

Eine nicht von der G.. manipulierte Meinungsbildung liegt auch im mutmaßlichen Interesse der Treugeber, weil diese durch die Haftentlassung der GH. vermutlich wirtschaftlich benachteiligt werden. Dahinter tritt ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse der Treugeber gegenüber ihren unmittelbar an der KG beteiligten Mitgesellschaftern zurück.

Bei der Kostenentscheidung ist gemäß §§ 91, 100 ZPO berücksichtigt worden, dass die Beklagte zu 2) nur hinsichtlich der Verpflichtung zur Offenlegung der Identitäten ihrer Treugeber am Rechtsstreit beteiligt war, während die Anträge auf Feststellung der Unwirksamkeit der im Umlaufverfahren gefassten Beschlüsse größeres Gewicht haben. Von daher erscheint es als angemessen, dass die Kosten des Rechtsstreits mit unterschiedlichen Quoten den Beklagten auferlegt werden.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO, da Geldvollstreckung nur hinsichtlich der Kosten in Betracht kommt und hinsichtlich der Verurteilung zur Auskunft ein Vollstreckungsschutzinteresse der Beklagten nicht finanziell quantifiziert werden kann.