Landgericht Aurich
Urt. v. 17.02.2012, Az.: 5 O 1298/11
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 17.02.2012
- Aktenzeichen
- 5 O 1298/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 44360
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
I. Die einstweilige Verfügung vom 22.12.2011 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
II. Der Beitritt der Nebenintervenientin auf Seiten der Verfügungsbeklagten wird zugelassen.
III. Die Verfügungskläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Nebenintervention.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungskläger können die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte und die Nebenintervenientin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Tatbestand:
Die Verfügungskläger machen die Untersagung einer Veräußerung von Geschäftsanteilen durch die Verfügungsbeklagte an Dritte geltend.
Der Verfügungskläger zu 1 hat im Jahr 2003 die B. E. in E. mit dem Ziel der Entwicklung und Errichtung von Offshore-Windparks gegründet. Daneben gehören weitere Gesellschaften zur B.-Gruppe, u. a. die Nebenintervenientin, die B.-Holding GmbH. Die B.-Gruppe hat die Genehmigung für Bau und Betrieb von zwei Seewindparks in der Nordsee erhalten. Der erste Park, der zurzeit realisiert wird, ist der B. Offshore 1 (BO1). Auftraggeberin ist die O. B. E. GmbH & Co. KG, die wiederum von der U. C. AG finanziert wird.
Gesellschafter der B.-Holding GmbH waren bis Anfang Dezember 2010 der Verfügungskläger zu 1 und die Verfügungsklägerinnen zu 2 und 3 (Töchter des Verfügungsklägers zu 1) sowie die S. E. S. E.. Beteiligungs GmbH. Durch einen am 01.12.2010 geschlossenen Treuhand- und Übertragungsvertrag haben die Verfügungskläger als Treugeber ihre Geschäftsanteile an der B.-Holding GmbH an die Verfügungsbeklagte als Treuhänderin übertragen.
In der Präambel dieses Vertrages heißt es u. a.:
„4. Die wirtschaftliche Lage der B.-Gruppe hat sich verschlechtert. Auf diese Entwicklung wurde bereits mit ersten Sanierungsmaßnahmen reagiert und daneben die Firma A.Partner beauftragt … Um den Restrukturierungsprozess der B.-Gruppe voranzubringen, bedarf es einer Stärkung des Eigenkapitals der Gruppe, die durch eine Veräußerung der Anteile der Treugeber bei gegebenenfalls gleichzeitiger Kapitalerhöhung oder einer Veräußerung einzelner Vermögensgegenstände („Transaktion“) der B.-Gruppe erfolgen soll.
5. Mit dem Abschluss dieses Vertrages wird zwischen den Treugebern und der … Treuhänderin ein Treuhandverhältnis begründet werden. Die Treuhänderin wird im Auftrag der Treugeber, jedoch auch im Interesse der Gesellschaften der B.-Gruppe tätig. Sie soll den noch näher abzustimmenden Restrukturierungs- und M & A-Prozess begleiten und sämtliche Gesellschaftsanteile der Treugeber an der GmbH oder den Tochtergesellschaften veräußern und eine Kapitalerhöhungsmaßnahme beschließen und umsetzen können … Der durch die Transaktion zu erzielende Erlös soll vorrangig der B.-Gruppe (Stärkung der Eigenkapitalausstattung) und nachrangig den Treugebern E. K. und E. B. zugutekommen …“
In der Folgezeit warfen die Verfügungskläger der Verfügungsbeklagten u. a. vor, nicht im Interesse der Treugeber zu agieren und ihnen Informationen über das Treugut vorzuenthalten.
Mit „Gesellschafterbeschluss“ vom 23.09.2011 kündigten die Verfügungskläger den Treuhandvertrag vom 01.12.2010 „aufgrund der Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung der Vertragsverhältnisse“.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18.10.2011 ließen die Verfügungskläger gegenüber der Verfügungsbeklagten den Widerruf des Treuhand- und Übertragungsvertrages aus wichtigem Grund erklären, hilfsweise ordentlich und teilten außerdem einen Fragenkatalog für einen Besprechungstermin am 26.10.2011 mit.
Auf Antrag der Verfügungskläger hat die Kammer am 22.12.2011 eine einstweilige Verfügung erlassen, in der der Verfügungsbeklagten untersagt wird, die an sie übertragenen Geschäftsanteile der Verfügungskläger an der im Handelsregister des Amtsgerichts A.unter der Nr. HRB 2….. eingetragenen B.-Holding GmbH mit Sitz in E., und zwar
a. den Geschäftsanteil Nr. 2 im Nennwert von 3.250,00 € der Antragstellerin zu 3,
b. den Geschäftsanteil Nr. 3 im Nennwert von 3.250,00 € der Antragstellerin zu 2,
c. die Geschäftsanteile Nr. 5 im Nennwert von 2.475,00 € und Nr. 6 im Nennwert von 12.775,00 € des Antragstellers zu 1
bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren über die Nichtigkeit des zwischen den Parteien bestehenden Treuhandvertrages vom 1. Dezember 2010 (UR-Nr. 3../2… der Notarin B.-P. in B.) an Dritte zu veräußern. Dagegen hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.
Die Verfügungskläger machen geltend, der Treuhand- und Übertragungsvertrag sei unter mehreren Aspekten unwirksam und im Übrigen auch durch den Widerruf beendet.
So sei der Vertrag bereits wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) nichtig. Im Rahmen des Treuhandvertrages seien der Treuhänderin Tätigkeiten zugewiesen, bei denen es sich um rechtliche Aufgaben handele, da sie u. a. auf die Wahrnehmung und Umsetzung von Gesellschafterrechten gerichtet seien. Insbesondere bei der Abgabe von Erklärungen, Änderung der Gesellschaftsverhältnisse, Wahrnehmung von Gesellschafterrechten einschließlich Satzungsänderungen, Erreichen der Voraussetzungen für M & A, Durchführung eines Asset oder Share Deals handele es sich um Aufgaben, bei denen die Prüfung von Rechtsfragen unumgänglich sei.
Es liege außerdem ein Verstoß gegen berufsrechtliche Vorschriften vor. Der Treuhandvertrag verstoße gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen durch einen Rechtsanwalt gemäß §§ 43 a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 12 BerufsO. Die Wahrnehmung der Treuhandaufgaben sei im vorliegenden Fall als anwaltliche Tätigkeit anzusehen, da sie der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten dient. Die Verfügungsbeklagte bediene sich der anwaltlichen Kenntnisse ihres Geschäftsführers, der sowohl Rechtsanwalt als auch Steuerberater ist. Bei der Vertretung der Verfügungskläger als Treugeber und der B.-Gruppe liege ein Interessenwiderstreit vor.
Aufgrund dieser Interessenkollision sei der Treuhandvertrag auch sittenwidrig, der ohnehin nur nach unzulässiger Druckausübung durch die finanzierende Bank zustande gekommen sei.
Unabhängig von der schon gegebenen Nichtigkeit des Treuhandvertrages sei dieser durch das Widerrufsschreiben vom 18.10.2011 auch wirksam fristlos gekündigt worden. Ein Kündigungsgrund liege darin, dass die Verfügungsbeklagte angeforderte Unterlagen und Informationen zurückhalte. Aufforderungen, die wesentlichen Unterlagen über die Verluste der Gesellschaft offenzulegen, die Verfügungskläger über etwaige Verhandlungen mit Dritten im Zusammenhang mit Treugut zu informieren und insbesondere das Gutachten von A. P. GmbH über die angeblichen Verluste der B.-Holding vorzulegen, sei die Verfügungsbeklagte nicht nachgekommen. Im Übrigen sei eine fristlose Kündigung des Treuhandvertrages auch jederzeit gemäß § 627 BGB (fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung) möglich. Diese Regelung sei durch den Treuhandvertrag nicht wirksam ausgeschlossen worden.
Es bestehe die unmittelbare Gefahr, dass die Gesellschaftsanteile gleichwohl zeitnah veräußert werden.
Die Verfügungskläger halten des Weiteren die Nebenintervention der B.-Holding GmbH für unzulässig, da dieser ein rechtliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits fehle. Die Geschäftsführer der B.-Holding GmbH seien auch nicht berechtigt, über die Beteiligung der Gesellschaft an einem Prozess zu entscheiden, dieses falle in den Zuständigkeitsbereich der Gesellschafter.
Die Verfügungskläger beantragen,
die einstweilige Verfügung vom 22.12.2011 aufrechtzuerhalten und die Nebenintervention der B.-Holding GmbH zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung des Landgerichts Aurich vom 22. Dezember 2011, Aktenzeichen 5 O 1298/11, aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die B.-Holding GmbH
tritt dem Verfügungsverfahren auf Seiten der Verfügungsbeklagten als Nebenintervenientin bei, schließt sich dem Antrag der Verfügungsbeklagten an und beantragt außerdem,
den Verfügungsklägern auch die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzulegen.
Die Verfügungsbeklagte und die Nebenintervenientin stellen eine Nichtigkeit des Treuhandvertrages wegen angeblichen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz bzw. berufsrechtliche Vorschriften in Abrede. Der Treuhandvertrag verpflichte die Verfügungsbeklagte nicht zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen, es stehe vielmehr die Besorgung wirtschaftlicher Angelegenheiten im Vordergrund. Nach der konkreten Ausgestaltung des Treuhandvertrages handele es sich nicht um eine fremde Angelegenheit im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG.
Die Geschäftsführung der Verfügungsbeklagten werde im Hinblick auf die Treuhandtätigkeit gerade nicht anwaltlich tätig, so dass sie den Pflichten der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht unterliege.
Die Verfügungskläger seien des Weiteren auch nicht unter Ausnutzung einer Drucksituation zum Abschluss des Treuhandvertrages veranlasst worden.
Der Treuhandvertrag sei von den Verfügungsklägern zudem nicht wirksam beendet worden. Ein außerordentliches Kündigungs- bzw. Widerrufsrecht stehe den Verfügungsklägern nicht zu, insbesondere sei die Verfügungsbeklagte Auskunfts- und Informationspflichten hinreichend nachgekommen. Ein Kündigungsrecht ohne wichtigen Grund sei in dem Treuhandvertrag ausdrücklich und wirksam abbedungen.
Es fehle schließlich auch an einem Verfügungsgrund, da das Begehren der Verfügungskläger voraussichtlich existenzbedrohende Folgen für die Nebenintervenientin hätte und die Erfüllung des Treuhandauftrages durch die Verfügungsbeklagte unmöglich gemacht werden würde.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Nebenintervention der B.-Holding GmbH ist zulässig und der Beitritt zuzulassen (§§ 66, 71 ZPO). Die Nebenintervenientin hat ein rechtliches Interesse an dem Beitritt. Dies ergibt sich schon daraus, dass sie gemäß § 5 Ziffer 5.4 des Treuhand- und Übertragungsvertrages eigene Rechte aus dem Treuhandvertrag geltend machen kann. Eines Gesellschafterbeschlusses zu dem erklärten Beitritt bedarf es nicht. Die Gesellschaft wird insoweit im Außenverhältnis durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten (§ 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG).
II.
Die einstweilige Verfügung ist auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen. Dies führt zu ihrer Aufhebung.
1. Es ist kein Verfügungsanspruch gegeben, denn der Treuhand- und Übertragungsvertrag vom 01.12.2010 ist weder nichtig noch wirksam widerrufen oder gekündigt worden.
a. Es liegt kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB i. V. m. § 3 RDG vor. Denn der Treuhand- und Übertragungsvertrag verstößt nicht gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz.
Gemäß § 2 Abs. 1 RDG ist Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Gemäß § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RDG oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.
Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung zum Rechtsberatungsgesetz, dem Vorläufer des RDG, ist bei Treuhandverträgen von einer erlaubnispflichtigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten auszugehen, wenn die Tätigkeit des Treuhänders den Abschluss eines ganzen Bündels von Verträgen für den Treugeber mit mannigfaltigem rechtlichen Beratungsbedarf zum Gegenstand hat und nicht nur auf die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange beschränkt ist (vgl. BGH Urteile vom 10.10.2006 und 24.10.2006, WM 2007, 108 und 116, Urteil vom 111.10.2011, Az. XI ZR 415/10, zitiert nach juris, Rdnr. 14).
Hier liegt der Fall jedoch anders, denn die Verfügungsbeklagte gestaltet und verwirklicht nach der konkreten Ausgestaltung des Treuhandvertrages keine konkreten fremden Rechte.
Gemäß § 1 Ziffer 1.2 des Treuhandvertrages beauftragen die Treugeber die Treuhänderin damit, das Treugut zu übernehmen, mit üblicher Sorgfalt zu halten, zu verwalten und gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Interessen der B.-Gruppe sowie unter Abwägung berechtigter Belange der Interessen der Treugeber im Rahmen eines M & A-Prozesses zu veräußern. Gemäß § 1 Ziffer 1.3 erbringt die Treuhänderin keine Rechtsdienstleistungen.
Gemäß § 5 Ziffer 5.1 des Vertrages ist die Treuhänderin unwiderruflich berechtigt, das gesamte Treugut mit eigenüblicher Sorgfalt zu veräußern und weiter zu übertragen sowie die Zustimmung zur Veräußerung von Anteilen an Tochtergesellschaften der GmbH zu erteilen, wenn ihr dies wirtschaftlich sinnvoll erscheint.
Nach § 12 des Vertrages ist die Verfügungsbeklagte an Weisungen nicht gebunden und übt ihre Rechte aus dem Treugut autonom aus.
Hieraus ergibt sich, dass die Verfügungsbeklagte als Treuhänderin nach dem Vertrag nicht in fremdem Namen für Dritte, sondern selbständig tätig werden soll. Die Treuhänderin ist weisungsfrei und fungiert damit als „unabhängiger Sachwalter“. Von der Erlaubnispflicht bei Rechtsberatungen werden aber Tätigkeiten erfasst, die darauf gerichtet und geeignet sind, konkrete fremde Rechte zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Konkrete fremde Rechtsverhältnisse werden insbesondere durch den Abschluss von Verträgen gestaltet, die von einem Geschäftsbesorger im Namen eines Dritten abgeschlossen werden (BGH NJW 2001, S. 70 [BGH 28.09.2000 - IX ZR 279/99] zu einem Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Treuhänders bei einem Bauträgergeschäft). Eine solche Konstellation liegt hier gerade nicht vor. Denn die Verfügungskläger hatten ihre Rechte unwiderruflich der Treuhänderin übergeben.
Bei der Abgrenzung erlaubnisfreier Geschäftsbesorgung von erlaubnispflichtiger Rechtsbesorgung ist auf den Kern und den Schwerpunkt der Tätigkeit abzustellen, weil eine Besorgung wirtschaftlicher Belange vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist. Maßgeblich ist, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht. Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, ob der Auftraggeber eine besondere rechtliche Prüfung von Geschäftsinhalt oder Geschäftsrisiken ausdrücklich wünscht oder zumindest erkennbar erwartet (BGH NJW 2006, 2980 [BGH 18.07.2006 - XI ZR 143/05]).
Vorliegend sollte die Klärung rechtlicher Verhältnisse gerade nicht im Vordergrund stehen. Gemäß § 5 Ziffer 5.3 des Treuhandvertrages hat die Treuhänderin lediglich die Absicht zur Veräußerung mitzuteilen und gemäß´§ 7 Ziffer 7.2 über der Treuhänderin zufließende Zahlungen Rechenschaft abzulegen. Wie schon oben ausgeführt, war sie an Weisungen nicht gebunden und autonom bei der Ausübung ihrer Rechte aus dem Treugut. Dies macht deutlich, dass ein besonderer Beratungsbedarf für die Treugeber oder die B.-Gruppe nicht gegeben ist, was die Parteien auch ausdrücklich unter § 1 Ziffer 1.3 noch einmal deutlich gemacht haben, wonach die Treuhänderin nämlich insbesondere die Treugeber nicht im Verkaufsprozess berät und keine Rechtsdienstleistungen erbringt.
Nach dem Treuhandvertrag obliegt der Treuhänderin eine vollständige Übernahme der Gesellschaftsanteile und ein selbständiger Verkauf. Bei einer solchen „Vollbetreuung“ ist die Rechtsbesorgung lediglich Nebenzweck (vgl. BGH NJW 2001, 70 [BGH 28.09.2000 - IX ZR 279/99] zum Bauträgervertrag).
Schon auf der Grundlage der früheren Rechtsprechung zum Rechtsberatungsgesetz liegt damit kein Verstoß gegen Rechtsberatungsvorschriften vor. Hinsichtlich des nun maßgeblichen Rechtsdienstleistungsgesetzes gilt nichts anderes, denn das RDG hat den Verbotsumfang, der nach dem RBerG gegeben war, gerade einschränken wollen (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 71. A., Rdnr. 21).
Das RDG soll etwa bei dem Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages nur zur Anwendung gelangen, wenn der Auftraggeber nicht lediglich die Durchführung des Vertrages durch den Treuhänder, sondern eine besondere rechtliche Prüfung, Beratung und Betreuung wünscht. Gegenüber dem Geschäftsbesorger muss ein Beratungswunsch erkennbar zum Ausdruck gebracht werden. Erst dann wird die fragliche Tätigkeit zur Rechtsdienstleistung (vgl. Finzel, Kommentar zum Rechtsdienstleistungsgesetz, § 2, Rn. 11 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung). Daran fehlt es hier.
b. Es liegt auch kein Verstoß gegen die berufsrechtlichen Vorschriften gemäß §§ 43 a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 BerufsO vor. Die Verfügungsbeklagte wird im Rahmen der Treuhandtätigkeit nicht anwaltlich tätig. Die von den Verfügungsklägern angeführten berufsrechtlichen Vorschriften gelten für Rechtsanwälte, nicht für Gesellschaften wie die Verfügungsbeklagte, wobei unerheblich ist, dass ihr Geschäftsführer Rechtsanwalt ist. Der Vorwurf steht außerdem im Widerspruch zu der von den Verfügungsklägern vertretenden Auffassung, dass die Verfügungsbeklagte gerade nicht die nach § 3 RDG erforderliche Erlaubnis zur Vornahme von Rechtsdienstleistungen habe.
c. Es liegen des Weiteren keine Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) des Treuhandvertrages vor. Soweit die Verfügungskläger sich hier auf Aspekte einer möglichen Interessenkollision berufen, da die Treuhänderin auch im Interesse der Gesellschaften der B.-Gruppe tätig wird, ist zu berücksichtigen, dass nach dem Treuhandvertrag die Interessen beider, d. h. der Verfügungskläger und der B.-Gruppe gewahrt werden sollen und eine bestmögliche Verwertung der Geschäftsanteile anzustreben ist. Eine solche Verwertung sollte also den Treugebern und der BARG-Gruppe zugutekommen.
Soweit die Verfügungskläger sich außerdem darauf berufen, der Treuhandvertrag sei nur unter Druckausübung durch die finanzierende Bank unterzeichnet worden, fehlt es hier schon an konkretem substantiierten Vortrag und einer entsprechenden Glaubhaftmachung.
d. Es liegt keine wirksame Kündigung des Treuhand- und Übertragungsvertrages vor.
aa. Auf die Regelungen des § 627 BGB (fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung) können die Verfügungskläger ihre Kündigung bzw. den Widerruf des Treuhandvertrages nicht mit Erfolg stützen. Diese Kündigungsmöglichkeit ist gemäß § 14 Ziffer 14.1, wonach eine Beendigung des Auftrages durch Kündigung nur aus wichtigem Grund erfolgen kann, abbedungen. Eine Abdingbarkeit ist jedenfalls individualvertraglich möglich (vgl. Palandt/Weidenkaff BGB, 71. A., § 627, Rn. 5).
Es handelt sich bei dem Treuhandvertrag - entgegen der Auffassung der Verfügungskläger - offenkundig um eine individualvertragliche Vereinbarung. Es gibt keine Grundlage dafür, in den Regelungen des Treuhandvertrages allgemeine Geschäftsbedingungen zu sehen.
bb. Es liegt auch kein wichtiger Kündigungsgrund zur Beendigung des Auftrages vor.
Die Verfügungskläger stützen ihre Kündigung darauf, dass die Verfügungsbeklagte geforderte Auskünfte nicht erteilt und Informationen zurückgehalten habe.
Aus dem Treuhandvertrag ergeben sich zum Umfang der Auskunftspflichten der Treuhänderin Hinweise unter § 1 Ziffer 1.3, wonach für die Ausführung des Vertrages die gesetzlichen Regelungen der §§ 662 ff. BGB gelten sollen sowie aus § 5 Ziffer 5.3, wonach die Treuhänderin den Treugebern die Absicht zur Veräußerung unverzüglich mitzuteilen hat und aus § 7 Ziffer 7.2, wonach die Treuhänderin über alle Zahlungen und sonstigen Leistungen Rechenschaft abzulegen hat.
In diesem Rahmen hat die Verfügungsbeklagte indessen sämtliche Auskünfte und geforderten Informationen erteilt; sowie es dabei etwa Versäumnisse gegeben hat, sind diese jedenfalls nicht so gravierend gewesen, dass den Verfügungsklägern eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
So hat der von den Verfügungsklägern geforderte Konzernabschluss zum Zeitpunkt der Kündigung vorgelegen. In dem „Gesellschafterbeschluss“ vom 23.09.2011 nehmen die Verfügungskläger unter Ziffer 1 ausdrücklich Bezug auf den Konzernabschluss der B.-Holding GmbH und zitieren daraus.
Soweit die Verfügungskläger sich außerdem auf angebliche mangelnde Aufklärung zu dem Bereich Personalabbau berufen, so haben sie in dem Gesellschafterbeschluss vom 23.09.2011 nicht etwa fehlende Informationen bemängelt, sondern den Personalabbau an sich kritisiert. Abgesehen davon hat die Verfügungsbeklagte dazu bereits vor dem mit Schreiben vom 18.10.2011 ausgesprochenen Widerruf mit Schreiben vom 10.10.2011 umgänglich Stellung genommen.
Hinsichtlich des Gutachtens der Firma A. P. GmbH erwähnen die Verfügungskläger dieses Gutachten zwar in dem Widerruf vom 18.10.2011, stützen den Widerruf jedoch nicht darauf. Auch vorher war dieses Gutachten nicht im Zusammenhang mit den geltend gemachten Auskünften konkret gefordert worden, wobei zu berücksichtigen ist, dass dieses ausweislich der Einladung zur Gesellschafterversammlung vom 30.08.2011 ohnehin erst am 04.08.2011 in überarbeiteter Fassung vorgelegen hat. Außerdem ist in Betracht zu ziehen, dass die Herausgabe des Gutachtens von einem sogenannten Non-Reliance-Letter der Verfügungskläger abhängig gemacht worden war. Dem sind diese nicht nachgekommen.
Hinsichtlich des „H.-Projektes“, in dessen Zusammenhang eine Teilveräußerung erfolgt ist, ist schon fraglich, ob auch solche Teilveräußerungen von der Treuhänderin mitzuteilen sind. § 5 Ziffer 5.3 des Treuhandvertrages lässt dieses offen und kann auch so verstanden werden, dass nur die Veräußerung des gesamten Treuguts anzuzeigen ist.
Jedenfalls hätte es aber auch von Seiten der Verfügungskläger, soweit sie hinsichtlich dieses Aspektes eine mangelnde Aufklärung rügen, einer entsprechenden „Warnung“ der Treuhänderin bedurft.
Im Übrigen scheitert eine auf diesen Aspekt gestützte Kündigung ebenso wie bei dem Thema A. Gutachten an einer Nichteinhaltung der in § 626 Abs. 2 S. 1 BGB vorgegebenen Kündigungsfrist von zwei Wochen ab Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen.
Ferner hat die Verfügungsbeklagte hinreichend glaubhaft gemacht, dass noch vor dem „Gesellschafterbeschluss“ vom 23.09.2011 und dem Widerruf des Treuhandvertrages den Verfügungsklägern umfassend Auskünfte erteilt worden waren (vgl. den Bericht vom 22.08.2011, Anlage AG12). Weitere umfassende Informationen sind unter dem 10.10.2011 erfolgt (Anlage AG15). Mit einer Einladung zur Gesellschafterversammlung wurden weitere Unterlagen übergeben (Anlage AG13). Auch nach dem Widerruf vom 18.10.2011 wurden Informationen erteilt und Unterlagen vorgelegt (Anlagen AG17 und AG19).
Von fehlenden Auskunftserteilungen kann damit keine Rede sein.
Der Treuhandvertrag ist damit nicht beendet, so dass die Verfügungskläger auch keinen Anspruch darauf haben, dass die übertragenen Geschäftsanteile nicht veräußert werden.
2. Darüber hinaus wäre auch kein Verfügungsgrund gegeben.
Die Ergänzungsvereinbarung vom 01.12.2010 (Anlage AG2) und der Sanierungskreditvertrag vom 30.08.20111 (Anlage AG6) sehen eine Verknüpfung zwischen der weiteren Zusammenarbeit sowie Finanzierung mit dem Treuhandvertrag vor. Entfällt der Treuhandvertrag, ist die Finanzierung und damit das gesamte Projekt gefährdet. Eine Interressenabwägung spricht gegen eine Untersagung der Veräußerung der Geschäftsanteile an Dritte im Wege der einstweiligen Verfügung.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
Streitwert: 6.666.000,00 €.