Landgericht Hannover
Urt. v. 25.06.2024, Az.: 18 O 267/23
Zuwiderhandlung gegen die DSGVO durch Übertragung personenbezogener Daten; Übermittlung sogenannter Positivdaten nach Vertragsschluss an Auskunfteien; Schutz vor einer anlasslosen und unterschiedslosen Erhebung personenbezogener Daten; Tatsächlicher Schaden als Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 25.06.2024
- Aktenzeichen
- 18 O 267/23
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 25036
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art. 6 DSGVO
- Art. 82 DSGVO
Urteil
in dem Rechtsstreit
XXX
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
Legalbird Rechtsanwalts UG (haftungsbeschränkt), Anna-Schneider-Steig 5, 50678 Köln
Geschäftszeichen: LB-VANB-89298-2023
gegen
XXX
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen Freshfields Bruckhaus Deringer, Bockenheimer
Anlage 44, 60322 Frankfurt am Main
Geschäftszeichen: FMC-V-6
hat das Landgericht Hannover - 18. Zivilkammer - XXX auf die mündliche Verhandlung vom 25.06.2024 für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, Positivdaten des Klägers, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Kreditauskunfteien, namentlich XXX zu übermitteln, ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt.
- 2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 421,26 € zu zahlen.
- 3.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 4.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
- 5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, bzgl. der Ziffer 1 des Tenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500 €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Beklagte erbringt unter der Marke XXX Telekommunikationsdienstleistungen. Für die in diesem Zusammenhang erfolgenden Datenverarbeitungen ist die Beklagte die datenschutzrechtlich Verantwortliche.
Die Parteien verbindet ein Vertrag über Telekommunikationsdienstleistungen (im Folgenden: Mobilfunkvertrag).
Am XXX erhielt der Kläger eine Auskunft zu bei der XXX gespeicherten Daten (im Folgenden XXX): Die Beklagte hatte Daten im Zusammenhang mit dem Mobilfunkvertrag des Klägers an dieXXX weitergegeben.
In derXXX heißt es dazu:
"Am XXX hat XXX den Abschluss eines Telekommunikationsvertrages gemeldet und hierzu das Servicekonto unter der Nummer XXX übermittelt. Diese Information wird gespeichert, solange die Geschäftsbeziehung besteht."
Eine Einwilligung zur Übermittlung der Daten an dieXXX hatte der Kläger nicht erteilt.
Der Kläger behauptet:
Wegen dieser Übermittlung der Daten habe sich bei ihm unmittelbar ein Gefühl des Kontrollverlustes und der großen Sorge eingestellt. Es sei allgemein bekannt, dass die XXX und die darin ausgewiesene Bonität einen immensen Stellenwert im Alltags- und Wirtschaftsleben genieße. Das Gefühl des Kontrollverlusts sei geprägt von der Angst, einer unberechtigten Übermittlung an eine Auskunftei wie derXXX ausgesetzt zu sein. Das beunruhige den Kläger bis zum heutigen Tag. Seitdem lebe er Kläger mit der ständigen Angst vor - mindestens - unangenehmen Rückfragen in Bezug auf die eigene Bonität, das allgemeine Verhalten im Wirtschaftsverkehr oder einer Verfälschung des XXX.
Der Kläger hat zunächst die Stellung folgender Anträge angekündigt:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz für einen immateriellen Schaden in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch EUR 5.000,00 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
- 2.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, Positivdaten, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Wirtschaftsauskunfteien, insbesondere namentlich die XXX, zu übermitteln, es sei denn, es liegt eine datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage vor.
- 3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch die unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten entstanden sind und/oder noch entstehen werden.
- 4.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 579,17 Euro zu zahlen.
Nach einer "Konkretisierung" der Anträge beantragt der Kläger nunmehr:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz für einen immateriellen Schaden in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch EUR 5.000,00 nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.
- 2.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 EUR, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, Positivdaten des Klägers, also personenbezogene Daten, die keine Zahlungserfahrungen oder sonstiges nicht vertragsgemäßes Verhalten zum Inhalt haben, sondern Informationen über die Beauftragung, Durchführung und Beendigung eines Vertrags, an Kreditauskunfteien, namentlich XXX, zu übermitteln, ohne dass eine Einwilligung des Klägers vorliegt, also insbesondere nicht auf der Basis von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Verbesserung der Qualität der Bonitätsbewertungen oder zum Schutz der beteiligten Wirtschaftsakteure vor kreditorischen Risiken.
- 3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagt verpflichtet ist, dem Kläger alle künftigen materiellen Schäden und künftigen derzeit noch nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch die unbefugte Verarbeitung personenbezogener Daten entstehen.
- 4.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 579,17 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Für der Ergebnis der informatorischen Anhörung des Klägers wird auf die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom XXX Bezug genommen.
Für den Sachvortrag der Parteien im Übrigen wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
1.) Begründet ist die Klage bzgl. der Unterlassung. Denn die streitgegenständliche Übertragung personenbezogener Daten stellt eine Zuwiderhandlung gegen Art. 5, 6 DSGVO dar.
Gem. Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in Art. 6 DSGVO normierten Bedingungen erfüllt ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Übermittlung der sog. Positivdaten nach Vertragsschluss an Auskunfteien, wie im Streitfall an die XXX, erfolgt ohne Rechtsgrundlage.
a.) Dabei geht das Gericht zunächst davon aus, dass eine entsprechende Datenübermittlung an die XXX tatsächlich erfolgt. Im Termin wurde der Ausdruck eines Schreibens XXX unter dem XXX in Augenschein genommen. Unter Nennung einer Referenznummer werden darin die bei der XXX gespeicherten Daten mitgeteilt. Auf der Seite 3 dieser Auskunft findet sich auch die Mitteilung, am XXX habe die XXX den Abschluss des hier gegenständlichen Telekommunikationsvertrags unter der NummerXXX übermittelt. Da dies nur eine kurze Passage darstellte, hätte sich die Beklagtenseite hierzu sogleich erklären können, so dass die Voraussetzungen für einen Schriftsatznachlass nicht vorlagen. Die Übermittlung ist damit unstreitig, § 138 Abs. 3 ZPO.
b.) Die Datenverarbeitung ist nicht von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b) DSGVO gedeckt, weil die Beklagte mit den Kunden auch ohne Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien Verträge abschließen kann und diese Datenübermittlung zur Erfüllung des Vertrages bzw. zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen nicht erforderlich ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass auch nach Einstellung der beanstandeten Datenübertragung durch die Beklagte bis zur
Klärung der Rechtslage weiterhin entsprechende Verträge geschlossen und abgewickelt werden. Das Vertragsverhältnis steht und fällt auch nicht mit der Übermittlung von Positivdaten an Auskunfteien. Soweit ein solcher Vertragsschluss unter Weitergabe von Positivdaten schlicht weniger risikobehaftet ist, begründet dies nicht die Erforderlichkeit einer solchen Übermittlung im Rechtssinne.
c.) Die Datenverarbeitung ist auch nicht von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f) DSGVO gedeckt, da die Interessen der Betroffenen an dem Schutz ihrer Daten und deren Grundrechte die Interessen der Beklagten an der Übermittlung der Positivdaten an die Auskunftei überwiegen.
aa.) Zwar mögen Erwägungen wie Betrugsprävention und die damit verbundene Schadensvermeidung für die Ermöglichung einer Identitätsprüfung auf der Basis der Positivdaten sprechen. Es kann auch unterstellt werden, dass die Meldung entsprechender Daten bzw. deren Austausch über die Auskunftei der Reduzierung des Kredit- und des Ausfallrisikos der Beklagten dient. Auch kann ein gesamtwirtschaftliches general- und spezialpräventives Interesse an der Betrugsbekämpfung und -prävention, ein Interesse an einer besseren finanziellen Inklusion von finanziell schwächeren Verbrauchern und auch an verbesserten Chancen zum Vertragsabschluss unterstellt werden. Auch etwaige Interessen der Betroffenen, etwa günstigere Vertragskonditionen durch eine Verbesserung des Scorewerts, der Möglichkeit der besseren Gewichtung von Negativeinträgen, ein Schutz vor Überschuldung u.a. können für die Abwägung als gegeben unterstellt werden.
bb.) Entgegenstehende Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen überwiegen die beklagtenseits genannten, unter aa.) zusammengefassten Interessen an der Übermittlung der Positivdaten indes deutlich.
Es gibt, jedenfalls in Bezug auf einen Teil der verfolgten Interessen, im Vergleich zur streitgegenständlichen Einmeldung der Positivdaten mildere Mittel, d.h. Mittel, die bei gleicher Effektivität ohne einen vergleichbaren Eingriff in die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen auskommen. So ist etwa mit Blick auf eine Verbesserung von Abschlussquoten, eine Erhöhung der Chancen zum Abschluss eines Erstvertrages sowie eine frühzeitige Kundenbindung eine Anpassung des Leistungskonzepts der Beklagten, z. B. durch Vertragsmodelle mit geringeren kreditorischen Risiken oder die Einstellung von mehr (qualifiziertem) Personal zur Kundenwerbung-, Kundenbetreuung und Kundenbewertung ein milderes, aber mit Blick auf den verfolgten Zweck gleich effektives Mittel. Neue Leistungskonzepte ohne erhöhtes kreditorisches Risiko und eine (personal)intensivere Akquise mit höheren Kontrollschwellen stellen auch in Bezug auf das Ziel des Schutzes des Einzelnen vor Überschuldung sowie der Reduktion eines Kredit- und Ausfallrisikos ein milderes Mittel als die anlasslose Einmeldung von Positivdaten aller Kunden dar.
Ungeachtet etwaiger milderer Mittel verkennt die Beklagte in Bezug auf die Gesamtheit der von ihr benannten Interessen die Intensität des Eingriffs, welcher aus der pauschalen Ermächtigung zur Einmeldung von Positivdaten ausgeht. Die Beklagte übersieht in ihrer Abwägung; dass Interessen der Verbraucher nicht nur in günstigen Verträgen, Steigerung ihrer Marktchancen, Schutz vor Identitätsdiebstahl oder Schutz vor Überschuldung etc. bestehen, sondern auch und insbesondere in der Abwesenheit von Beeinträchtigungen eigener Rechte. Im Streitfall ist es so, dass die besondere Intensität der Beeinträchtigung und damit - spiegelbildlich - auch das Gewicht der betroffenen Interessen der Verbraucher darin liegt, dass die Betroffenen unabhängig von einem konkreten vertraglichen Erfordernis und dem konkret abgeschlossenen Vertrag (nämlich nach Vertragsschluss) und unabhängig von einem eigenen Fehlverhalten persönliche Informationen preisgeben müssen, um abstrakt-generelle Ziele zu verfolgen, von denen der Verbraucher allenfalls in einem nächsten Schritt (der Vertrag ist ja abgeschlossen)
und allen voran nur mittelbar (durch - im Nachgang zu einer erfolgreichen Betrugsbekämpfung - bessere Tarife/Vertragskonditionen oder einen "besseren" Score) profitieren könnte. Insoweit erfolgt auf Seiten der Beklagten - bei der es sich im Übrigen weder um ein Kreditinstitut mit einem entsprechend erhöhten Ausfallrisiko noch um eine Strafverfolgungsbehörde handelt - im Ergebnis im Zusammenwirken mit der Auskunftei eine anlasslose (da nach Vertragsschluss) Vorratsdatensammlung insbesondere zur Betrugsbekämpfung, die weit überwiegend Verbraucher betrifft, bei denen weder ein kreditorisches Risiko noch das Risko eines Identitätsdiebstahls oder eines sonstigen betrügerischen Verhaltens besteht. Dies stellt eine erhebliche Verletzung der Interessen der davon betroffenen Verbraucher dar. Insoweit streitet für die Verbraucher das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten in der Gestalt des Art. 8 EU-Grundrechte-Charta. Auch und überdies ist der Verbraucher vor einer aushöhlenden Ökonomisierung der eigenen Daten als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Schutzes der personenbezogenen Daten (Engeler, Der Konflikt zwischen Datenmarkt und Datenschutz, NJW 2022, 3398) zu schützen. Die Datensammlung auf Seiten der Beklagten führt im Übrigen zu einem erheblichen Informationsungleichgewicht zwischen dem Verbraucher auf der einen Seite und dem Vertragspartner bzw. der Auskunftei auf der anderen Seite, wodurch die Position des Verbrauchers und folglich auch seine Rechte - etwa die Vertragsautonomie - erheblich geschwächt werden. Dies gilt umso mehr, als mittelbar ein Zwang entstehen kann, möglichst umfassende Informationen preiszugeben, um etwa Negativwertungen allein aufgrund von nicht bestehenden Informationen zu vermeiden. Insoweit ist auch der "gute Ruf" des Verbrauchers (vgl. Krämer, in: Wollff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 43. Edition, § 31 BDSG, Rn. 1e), welcher durch einen negativen Score bzw. die Abwesenheit von positiven Daten und einen daraus resultierenden negativen Schluss verletzt wird, ein durch die Weitergabe der Daten an die Auskunftei erheblich betroffenes Schutzgut.
Im Ergebnis ist es damit so, dass das Interesse der Verbraucher am Schutz vor einer anlasslosen und unterschiedslosen Erhebung ihrer personenbezogener Daten zur Erreichung generell-abstrakter Ziele, in deren Vorteil sie in der Regel allenfalls mittelbar kommen können, die Interessen der Beklagten, etwa an der (generell-abstrakten) Betrugsprävention, deutlich überwiegt (alldies LG München I Endurteil v. 25.4.2023 - 33 O 5976/22, GRUR-RS 2023, 10317 Rn. 84-123).
2.) Unbegündet ist die Klage bzgl. des Antrags auf Schadensersatz, Art. 82 DSGVO.
a.) Ein immaterieller Schaden besteht hier nicht in einem sog. "Kontrollverlust" bzgl. der übermittelten Positivdaten.
aa.) Insoweit geht die Kammer zwar davon aus, dass entsprechend dem 85. Erwägungsgrund der DSGVO auch der "Verlust der Kontrolle" bei personenbezogener, nach der DSGVO geschützte Daten zu den Schäden zählt, die durch eine Verletzung personenbezogener Daten verursacht werden können. Ferner hat der Gerichtshof entschieden, dass der - selbst kurzzeitige - Verlust der Kontrolle über solche Daten einen "immateriellen Schaden" iSv Art. 82 Abs. 1 dieser Verordnung darstellen kann, der einen Schadenersatzanspruch begründet, sofern die betroffene Person den Nachweis erbringt, dass sie tatsächlich einen solchen Schaden - so geringfügig er auch sein mag - erlitten hat (vgl. in diesem Sinne Urt. v. 25.1.2024, MediaMarktSaturn, C-687/21, ECLI:EU:C:2024:72, r+s 2024, 381 [in diesem Heft] Rn. 66 und die dort angeführte Rspr.).
bb.) Der vorliegende Fall unterscheidet sich allerdings hinsichtlich der Frage des Kontrollverlusts von anderen von der Kammer entschiedenen Fällen, in welchen dieser Kontrollverlust bejaht wurde, namentlich wenn nach einem sog. "Datenleck" bei einer datenspeichernden Einrichtung personenbezogene Daten frei im Internet bzw. im sog. Darknet kursierten und von jedermann eingesehen, heruntergeladen und vervielfältigt werden konnten. Hier waren die Positivdaten - zunächst einmal nur - bei der die XXX gespeichert. In welchem Umfang die Positivdaten bereits von Dritten, die sich an die Auskunftei gewandt haben, eingesehen wurden, ist nicht sicher. Jedenfalls ist bzgl. der Personen, die sich an die Auskunftei wenden, um namentlich Informationen über die Kreditwürdigkeit des Betroffenen zu erhalten, im Grundsatz davon auszugehen, dass damit einem konkreten Informationsinteresse gefolgt wird und betreffende Dritte die Daten daher nicht umfänglich und kopieren und anderweitig veröffentlichen. Dazu ist jedenfalls nichts bekannt. Daher ist im Grundsatz davon auszugehen, dass die Daten bei der dieXXX gelöscht werden können und sich damit der Eingriff gleichsam wieder "einfangen lässt".
b.) Ein immaterieller Schaden ergibt sich auch nicht aus sonstigen Belästigungen oder (psychischen, gesundheitlichen u.a.) Nachteilen, die der Kläger infolge der Übertragung der Daten hinsichtlich seines Mobilfunkvertrages erlitten hätte.
Hierzu ist auf die informatorische Anhörung des Klägers zu verweisen, § 141 ZPO:
"Wenn ich nach Befürchtung gefragt werde, so gehe ich davon aus, dass es ja allgemein bekannt ist:
Je mehr Einträge sich dort finden, desto schlechter sind die Chancen zum Beispiel mal einen größeren Kredit zu bekommen. Ich führe das darauf zurück, dass eben allgemein danach geschaut wird, welchen Belastungen man ausgesetzt ist.
Auf Nachfrage des Gerichts, mal ein Kredit abgelehnt worden sei, das kann ich nicht sagen, das ist ja auch lange her.
Auf weitere gerichtliche Nachfrage, ob er gesundheitliche Beeinträchtigung erlitten habe bzw. ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen:
Nein.
Auf weitere gerichtliche Nachfrage, ob sich berufliche Beeinträchtigung ergeben hätten:
Nein.
Auf weitere gerichtliche Nachfrage, ob es noch sonstige Beeinträchtigungen gibt, zum Beispiel sonstige Verträge, die nicht zustande gekommen werden oder Ähnliches:
Keine Ahnung das kann ich jetzt nicht genau sagen, das weiß ich nicht mehr.
Auf Nachfrage des Klägervertreters, ob es der Kläger als unangenehm empfinde, wenn XXX hier die damals aktuelle Anschrift mitgeteilt habe (Bezug genommen wird insofern auf die 1. Seite der AnlageXXX vom XXX):
Ich finde es generell unangenehm, wenn unnötig Daten mitgeteilt werden wie auch etwa Wohnanschriften.
Auf Nachfrage der Beklagtenvertreterin, ob der Kläger den Abschluss von Mobilfunkverträgen für ungewöhnlich halte:
Ich halte das nicht für ungewöhnlich.
Auf Nachfrage der Beklagtenvertreter, ob der Kläger unter Existenzsorgen leide: Existenzsorgen als solche habe ich jetzt nicht."
Eine über die allgemeine Hypothese des Klägers, mit der Anzahl der Verbindlichkeiten verschlechterten sich Chancen auf eine Kreditgewährung, hinausgehende Nachteilszufügung, die eine Grundlage für die Gewährung immateriellen Schadensersatzes bieten könnte, geht daraus nicht hervor.
Es mangelt daher auch im Übrigen an einem (materiellen oder immateriellen) Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO.
3.) Aus den Gründen zu 2.) ist auch der Feststellungsantrag unbegründet. Zwar ist für die Begründetheit des Feststellungsantrags ein tatsächlicher Schadenseintritt nicht erforderlich. Vielmehr braucht nur eine gewisse (nicht einmal hohe) Wahrscheinlichkeit eines Schadens vorzuliegen (BGH WRP 1999, 530 (534) [BGH 29.10.1998 - I ZR 125/96] - Cefallone; WRP 2000, 1258 (1263) [BGH 29.06.2000 - I ZR 29/98] - Filialleiterfehler). Auch daran mangelt es aber, weil unter Berücksichtigung der Auskünfte, die der Kläger selbst in seiner informatorischen Anhörung gegeben hat, sowohl materielle als auch immaterielle Schäden - auch im Hinblick auf die Zukunft - fern liegen.
4.) Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist teilweise begründet. Die Klägerseite durfte sich anwaltlicher Hilfe bedienen, um die Beklagtenseite zur Unterlassung aufzufordern. Der Unterlassungsanspruch ist mit einem Gegenstandswert von 5.000 € anzusetzen. Unter Zugrundelegung dieses Gegenstandswerts und einer 1,3-Geschäftsgebühr zuzüglich Telekommunikationspauschale sowie Mehrwertsteuer ergibt sich ein begründeter vorgerichtlicher Aufwand in Höhe von 421,26 €.
5.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 S. 1 und 2 ZPO.