Landgericht Hannover
Urt. v. 01.02.2024, Az.: 6 O 29/22

Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
01.02.2024
Aktenzeichen
6 O 29/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 10411
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2024:0201.6O29.22.00

In dem Rechtsstreit
...
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
...
gegen
...
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
...
hat das Landgericht Hannover - 6. Zivilkammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 10.01.2024 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Streitwert wird festgesetzt auf bis zu 22.000 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.

Er unterhält in der Krankenversicherung unter anderem den Tarif .... Die Beklagte informierte ihn über folgende Beitragserhöhungen:

- zum 01.01.2019 um 39,52 €

- zum 01.01.2021 um 64,55 €

- zum 01.01.2022 um 54,56 €

Die erfolgten Kalkulationen der Versicherungsprämien sind richtig. Der Kläger zahlte die sich daraus ergebenden Prämienerhöhungen an die Beklagte; hinsichtlich der einzelnen gezahlten Beträge wird auf die tabellarische Darstellung in der Klagschrift verwiesen. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Der Kläger meint, die Beitragserhöhungen seien unrechtmäßig. Daher habe er einen Anspruch auf Rückzahlung der in den Jahren 2019-2022 gezahlten Beträge. Zudem meint er, er habe einen Auskunftsanspruch bezüglich Beitragserhöhungen in den Jahren 2013 bis 2017 und daraus resultierende Rückzahlungsansprüche, die er im Weg der Stufenklage verfolgt. Er behauptet, die Neufestsetzungen der Prämien seien materiell unwirksam, weil dem Treuhänder bei der gesetzlich vorgesehenen Überprüfung der Verwendung von Mitteln für die Rückstellung für Beitragsrückerstattungen nach § 155 Abs. 2 VAG nicht alle für die Prüfung notwendigen Unterlagen und Informationen vorgelegt worden seien, sodass die zulässige Verwendung von Limitierungsmitteln nicht habe ordnungsgemäß geprüft werden können. Aus den dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen sei weder ersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 150 Abs. 4 S. 1 VAG eingehalten worden seien, noch, ob Tarifgruppen bei der Verwendung von Limitierungsmitteln bevorzugt oder vernachlässigt worden seien. Darüber hinaus seien die Beitragsanpassungen im Hinblick auf die Limitierungsmaßnahmen kalkulatorisch unrichtig und eine höhere Limitierung in Ansatz zu bringen, die zu einer niedrigeren Beitragsanpassung führe. Über die Beitragserhöhungen in den Jahren zuvor lägen ihm die Unterlagen über die Beitragsanpassungen nicht vor, da ihn keine Aufbewahrungsobliegenheit treffe.

Der Kläger beantragt,

  1. 1)

    Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ... unwirksam sind:

    1. a)

      die Erhöhung des Beitrags im Tarif ... zum 01.01.2019 in Höhe von 39,52 € b) die Erhöhung des Beitrags im Tarif ... zum 01.01.2021 in Höhe von 64,55 € c) die Erhöhung des Beitrags im Tarif ... zum 01.01.2022 in Höhe von 54,56 €

      und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen um insgesamt 158,63 € zu reduzieren ist.

  2. 2)

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 2.673,21 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

  3. 3)

    Die Beklagte wird verurteilt,

    1. a)

      der Klägerseite die Nutzungen in Höhe von 90,34 € herauszugeben, die die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragsanpassungen gezahlt hat,

    2. b)

      die Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an die Klägerseite zu zahlen.

  4. 4)

    Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag in den Jahren 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, zur Versicherungsnummer ... vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:

    1. a)

      die Höhe der Beitragsanpassungen für die Jahre 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, unter Benennung der jeweiligen Tarife im Versicherungsverhältnis der Klägerseite,

    2. b)

      die der Klägerseite zu diesem Zwecke übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein der Jahre 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, sowie

    3. c)

      die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer ... seit dem 01.01.2019.

  5. 5)

    Es wird festgestellt, dass die nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 4) noch genauer zu bezeichnenden Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer ... unwirksam sind und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet, sowie, dass der monatlich fällige Gesamtbetrag für die Zukunft auf einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 4) noch zu beziffernden Betrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen zu reduzieren ist.

  6. 6)

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 4) noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

  7. 7)

    Die Beklagte wird verurteilt,

    1. a)

      der Klägerseite die Nutzungen in der nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 4) noch zu beziffernden Höhe herauszugeben, die die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 5) noch aufzuführenden Beitragsanpassungen gezahlt hat,

    2. b)

      die Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an die Klägerseite zu zahlen.

Den Antrag zu 4c) hat der Kläger für erledigt erklärt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Beitragserhöhungen seien wirksam. Dem Treuhänder hätten die erforderliche Unterlagen vollständig vorgelegen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Zahlungsklage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 2.673,21 EUR aus § 812 Abs. 1 BGB.

Der Kläger hat nicht den ihm obliegenden Beweis geführt, dass seine Zahlungen ohne Rechtsgrund erfolgt sind.

1. Das Vorliegen der formellen Voraussetzungen der Prämienerhöhungen gemäß § 203 Abs. 5 VVG hat der Kläger nicht bestritten.

2. Der Kläger hat auch nicht den ihm hier obliegenden Beweise geführt, dass die materiellen Voraussetzungen gemäß § 203 Abs. 2 VVG, § 155 VAG nicht vorliegen.

a) Die Beweislast obliegt hinsichtlich des geltend gemachten Bereicherungsanspruchs nach allgemeiner Meinung dem Kläger (vgl. Grüneberg, BGB, 83. A., § 812 Rn 76 m.w.N.). Eine besondere gesetzliche Regelung gilt für Prämienanpassungen nicht (vgl. Prölls/Martin, VVG, 31. A, Einl. Rn 365). Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 22.06.2022 (IV ZR 193/20) steht dieser Würdigung nicht entgegen. Denn diese bezieht sich allein auf die Frage der Voraussetzungen einer wirksamen und zumutbaren Klageerhebung (vgl. hierzu Grüneberg, a.a.O., § 204 Rn 4 f.), nicht indessen auf die Frage der Beweislast. Soweit diese Entscheidung wiederum auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 09.12.2015 (IV ZR 272/15) verweist, ergibt sich auch daraus nichts anderes, da dieses die Rückforderung unter Vorbehalt geleisteter Zahlungen und damit eine wesentlich andere Fallgestaltung zum Gegenstand hatte.

b) Diesen Beweis hat der Kläger nicht geführt. Es fehlt jedenfalls an einem entsprechenden Beweisangebot, worauf die Kammer den Kläger vorsorglich hingewiesen hat. Im Übrigen fehlt es auch an hinreichenden Darlegungen des Klägers, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Folgenden unter IV. 2.b) verwiesen wird, die hier entsprechend gelten.

II.

Mangels Hauptanspruchs besteht kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenansprüche.

III.

Die als Zwischenfeststellungsklage zulässige Klage zu Ziffer 1. a-c) ist nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen. Denn die Prämienerhöhungen sind wirksam.

1. Das Vorliegen der formellen Voraussetzungen der Prämienerhöhungen gemäß § 203 Abs. 5 VVG hat der Kläger nicht bestritten.

2. Der Kläger hat auch nicht den ihm hier obliegenden Beweise geführt, dass die materiellen Voraussetzungen gemäß § 203 Abs. 2 VVG, § 155 VAG nicht vorliegen.

Denn die Beweislastverteilung im Rahmen der Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO folgt der Beweislastverteilung im Rahmen der Hauptsacheklage. Dies hat seinen Grund in Zweck und Natur der Zwischenfeststellungsklage, die die Ausdehnung der Rechtskraftwirkung auf das vorgreifliche Rechtsverhältnis bewirken soll (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.1994, Az. VIII ZR 165/93, NJW 1994, 1353, 1354). Somit gilt für die Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO das Verbot eines Widerspruchs zwischen Hauptsacheentscheidung und Zwischenfeststellung (Zöller/Greger, ZPO, 35.A., § 256 Rn. 31).

Diesen Beweis hat der Kläger nicht geführt; auf die Ausführungen unter I. wird verwiesen.

IV.

Die auf die künftige Reduzierung des Gesamtbetrags der Prämie gerichtete Feststellungsklage gemäß Antrag zu 1., letzter Halbsatz, ist unbegründet.

1. Das Vorliegen der formellen Voraussetzungen der Prämienerhöhungen gemäß § 203 Abs. 5 VVG hat der Kläger nicht bestritten.

2. Auch die materiellen Voraussetzungen gemäß § 203 Abs. 2 VVG, § 155 VAG hat der Kläger nicht hinreichend bestritten.

a) Das pauschale Bestreiten der Behauptung der Beklagten, dem Treuhänder hätten die Berechnungsgrundlagen und Nachweise gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 VAG vorgelegen, ist unbeachtlich.

Die Frage der Vollständigkeit der dem Treuhänder zur Verfügung gestellten Unterlagen durch die Zivilgerichte in Prämienanpassungsverfahren ist nicht isoliert zu überprüfen. Denn die Frage, ob dem Treuhänder die erforderlichen Unterlagen vorgelegt worden sind und ob der Treuhänder auf der Grundlage der - vollständig oder nicht - vorgelegten Unterlagen seine tatsächlich erteilte Zustimmung hätte erteilen dürfen, betrifft die Frage der Wirksamkeit der Beitragsanpassung dann nicht, sondern ist Teil der aufsichtsrechtlichen Aufgaben des Treuhänders. Diese zu überprüfen ist aber nicht Sache der Zivilgerichte, sondern der Aufsichtsbehörde (vgl. OLG Köln, Urteil vom 10. Februar 2023 - 20 U 355/22 ).

b) Das pauschale Bestreiten der Behauptung der Beklagten, die Berechnung der Prämien stehe mit den dafür bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang, insbesondere habe der Treuhänder hinsichtlich der Verwendung von Mitteln aus den Rückstellungen darauf geachtet, dass die in der Satzung und den Versicherungsbedingungen bestimmten Voraussetzungen erfüllt und die Belange der Versicherten ausreichend gewahrt sind (§ 155 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VAG), ist ebenso unbeachtlich. Dies folgt aus einer interessengerechten Auslegung des Versicherungsvertrags.

aa) Bei dieser Auslegung sind die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB in besonderem Maße zu berücksichtigen. Es ist anerkannten Rechts, dass das Versicherungsverhältnis in besonderem Maße von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte beherrscht wird (Prölls/Martin, VVG, 31. Aufl., Einleitung Rn. 245). Dieser Grundsatz gemäß § 242 BGB gilt nicht allein für den Versicherer, sondern ebenso für den Versicherungsnehmer. Diese starke Betonung von Treu und Glauben trägt der Tatsache Rechnung, dass jeder der beiden Vertragspartner schlechterdings auf die Unterstützung durch den anderen angewiesen ist, weil er ihm in der einen oder anderen Weise unterlegen ist. Dieses wechselseitige Verhältnis von Über- und Unterlegenheit bedeutet nicht nur, dass sich die Parteien gegenseitig ihre Interessen in besonderem Maße anvertrauen müssen, sondern auch, dass eine Partei gewisse mit dem Vertragsschluss oder der Vertragsdurchführung zusammenhängende Interessen mit weit geringerem Aufwand befriedigen kann als die andere. Auch diese ökonomische Komponente ist im Rahmen des Kooperationsgebotes zu berücksichtigen. Beide Seiten müssen zusammenwirken, um einen möglichst effizienten Versicherungsschutz zu erzielen (Prölls/Martin, VVG, 31. Aufl., Einleitung Rn. 245 ff.).

Diese Grundsätze führen etwa dazu, dass dem redlichen Versicherungsnehmer in einzelnen Versicherungszweigen, etwa in der Diebstahlsversicherung, unter Berücksichtigung des Versicherungszwecks besondere Beweiserleichterungen zugutekommen. Ähnliche Erwägungen galten im Rahmen der Relevanz-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bis zu deren gesetzlicher Normierung im Rahmen VVG-Reform.

Im Rahmen der interessengerechten Auslegung ist der in erheblichem Maße unwirtschaftliche Aufwand des Versicherers zu berücksichtigen, der mit den äußerst zeit- und kostenaufwändigen Beweisaufnahmen einschließlich der Kostenvorschusslast des Versicherers verbunden ist.

Der Versicherer hätte zahlreiche geheimhaltungsbedürftige Unterlagen über unter Umständen eine Vielzahl von Jahren aufwändig zusammenzustellen und sodann (im Verfahren gemäß §§ 172 Nr. 2, 174 Abs. 3 GVG) offenzulegen und das wirtschaftliche Risiko des durch den einzelnen klagenden Versicherungsnehmer betriebenen Prozesses zu tragen. Denn gemäß §§ 402, 379 ZPO hat sich das Gericht hinsichtlich der Einzahlung eines Vorschusses zur Deckung der Auslagen für das vom Gericht in Auftrag zu gebende, die Kalkulationsunterlagen überprüfende Gutachtens eines neutralen versicherungsmathematischen Sachverständigen an die beweisbelastete Partei zu halten. Da sich die Beweisaufnahmen zur materiellen Rechtsmäßigkeit von Beitragsanpassungen aufgrund der erheblichen Überlastung der bundesweit nur sehr wenigen hierfür zur Verfügung stehenden Sachverständigen mit gleichartigen gerichtlichen Gutachtenaufträgen über mehrere, nämlich nach Kenntnis der hiesigen Kammer mindestens fünf Jahre hinziehen, bedeutet dies, dass die Versichertengemeinschaft hinter dem beklagten Versicherer die Beweisaufnahme über Jahre kreditieren und sogar das Ausfallrisiko tragen müsste für den Fall, dass der klagende Versicherungsnehmer zwar schließlich den Prozess verliert, jedoch (dann) nicht (mehr) leistungsfähig ist hinsichtlich des Erstattungsanspruchs gemäß §§ 91, 104 f., 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO des zu Unrecht in Anspruch genommenen Versicherers. Angesichts der Masse der bundesweit an Amts- und Landgerichten rechtshängigen Klagen stellt dies eine erhebliche finanzielle Belastung der Gemeinschaft der Versicherten dar (LG München I Endurteil v. 17.11.2023 - 12 O 5893/23, BeckRS 2023, 33460 Rn. 50, beck-online).

Hinzu kommt, dass es sich bei den Limitierungsmaßnahmen um eine unternehmerische Entscheidung handelt, für die kein absolut richtiger Maßstab gelten kann. Dies hätte wiederum zur Folge, dass innerhalb derselben Versichertengemeinschaft die widersprechende Entscheidungen ergehen können. In der vorliegenden Konstellation erschiene dies als für die Versichertengemeinschaft gleichsam untragbares Ergebnis.

Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass es bei den in Streit stehenden Limitierungsmaßnahmen nicht um einen konkreten wirtschaftlichen Vorteil des Versicherers geht. Vielmehr geht es allein um die Verteilung von Rückstellungen, die, sollten sie in einem bestimmten Jahr nicht den Versicherten im Rahmen der Limitierung zugutekommen, dem Versicherer für unvorhergesehene Kosten in der Zukunft zur Verfügung stehen. Es geht mithin nicht um ein eigennütziges Interesse des Versicherers an einem etwaigen Gewinn und dessen Ausschüttung an seine Aktionäre, sondern allein um einen wirtschaftlich sachgerechten Umgang mit zu bildenden Rückstellungen, um etwaigen Kostensteigerungen in der Zukunft begegnen zu können. Bei der regelmäßig auf lange Dauer angelegter Krankenversicherung kommt die möglicherweise zu geringe Berücksichtigung einer Limitierung in einem Versicherungsjahr dem Versicherungsnehmer in der Folgezeit weiterhin zugute, sei es, dass die Rückstellungen bedingungsgemäß verwendet werden, sei es, dass sie künftig für Limitierungen eingesetzt werden. Spiegelbildlich führte eine hohe Limitierung zu einer Reduzierung der Rückstellungen mit der Folge, dass im Fall steigender Ausgaben in der Zukunft die Rückstellungen nur in reduziertem Maße zur Verfügung stünden und dies dann für den Versicherungsnehmer zu einer höheren Beitragsprämie führte.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Prämienerhöhung eingedenk des unstreitig angesprungenen auslösenden Faktors und der tarifbezogenen Nachkalkulation der Versicherungsbeiträge grundsätzlich gerechtfertigt ist und nur der Umfang des Einsatzes der Limitierungsmittel im Streit steht, sodass lediglich eine Reduzierung der Beitragsanpassungen, nicht aber deren vollständige Vermeidung zu erreichen wäre (vgl. hierzu OLG Zweibrücken Hinweisbeschluss v. 22.5.2023 - 1 U 218/22, BeckRS 2023, 13996 Rn. 19, beck-online).

Diese Interessenlage rechtfertigt es, den zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag dahin auszulegen, dass die dem Versicherer obliegende Beweislast erst dann ausgelöst wird, wenn der Versicherungsnehmer greifbare Anhaltspunkte aufzeigt, die zumindest die Möglichkeit aufscheinen lassen, dass die Beitragsanpassung materiell rechtswidrig war. Das erfordert keinen Angriff gegen einzelne Berechnungsparameter, erst recht keine Nachberechnung des beklagtenseits vorgelegten Rechenwerks. Erforderlich ist aber, dass Umstände benannt werden, die ganz grundsätzlich - namentlich etwa durch einen Bezug auf allgemeine oder branchenspezifische Umstände oder einen konkreten Bezug auf vergleichbare andere Versicherungstarife - es legitimieren, mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand (zumal in mehrfacher Weise auch zulasten der Versichertengemeinschaft) die Beitragsanpassungen durch einen Sachverständigen überprüfen zu lassen (vgl. -mit anderer Begründung- OLG Zweibrücken, Hinweisbeschluss v. 22.5.2023 - 1 U 218/22, BeckRS 2023, 13996 Rn. 14-20, beck-online).

bb) An derartigen Anhaltspunkten ermangelt es indes im Streitfall. Der Kläger hat keinerlei Tatsachen vorgetragen, die einen gewissen Anhaltspunkt dafür liefern könnten, dass die Beitragsanpassungen von der Beklagten in Bezug auf den Einsatz limitierender Maßnahmen nicht korrekt vorgenommen sein könnten. Mit der Klageschrift hat er die Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassungen der Beklagten bestritten, insoweit allerdings nur auf Limitierungsmaßnahmen Bezug genommen, hinsichtlich derer dem Treuhänder nicht alle relevanten Unterlagen vorgelegen und Informationen erteilt worden sein sollen. Er hat darauf hingewiesen, seine Behauptungen an bereits bekannten Sachverhalten ausgerichtet zu haben, und pauschal mitgeteilt, dass er davon ausgehe, dass die Sichtung der die Parteien betreffenden Unterlagen eine gleichartige Unzulänglichkeit aufweisen werde und er substantielle Zweifel daran habe, dass das Prüfverfahren nach § 155 Abs. 2 VAG im vorliegenden Fall ordnungsgemäß durchgeführt worden sei; vielmehr deuteten die der Klägerseite bekannten Unterlagen im Hinblick auf die Berücksichtigung von Rückstellungen ("Limitierungsmittel") auf ein systematisches Versagen der Treuhänderprüfung hin. Zudem stütze sich die Klägerseite bzgl. ihrer rechtlichen Argumentation auch auf Informationen, die den Prozessbevollmächtigten in der Vergangenheit in Parallelverfahren vorgelegt und die seinerzeit von einer unter Geheimhaltungsverpflichtung stehenden Person unter dem Gesichtspunkt der materiellen Prüffähigkeit und -ergiebigkeit sowie ihrer rechtlichen Wirkungen ausgewertet worden seien. Schon hier seien Zweifel an der Prüffähigkeit aufgekommen, die nun erneut geltend gemacht und einer abschließenden Überprüfung zugeführt werden sollen. Auch nur ansatzweise Erläuterungen oder Konkretisierungen hierzu fehlen. Dass etwa die Rückstellungen der Beklagten das übliche und wirtschaftlich vertretbare Maße überschreiten, was ohne weiteres aus den veröffentlichen Bilanz der Beklagten erkennbar wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

V.

1. Die Stufenklage ist gemäß § 254 ZPO unzulässig, da die Auskunft nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dient.

2. Die Stufenklage ist jedoch in eine von der Stufung unabhängige objektive Klagehäufung umzudeuten.

3. Der danach nicht auf bestimmte Beitragsanpassungen konkretisierte Feststellungsantrag und der unbezifferte Zahlungsantrag sind wegen Verstoßes gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.

4. Demgegenüber ist der Auskunftsantrag zulässig, jedoch unbegründet. Denn dem Kläger steht kein Auskunftsanspruch zu.

Ein Anspruch aus § 242 BGB setzte voraus, dass sich der Kläger in entschuldbarer Weise über das Bestehen und Umfang seines rechts im Ungewissen befindet. dazu bedarf es der des Vortrags des Klägers, dass und aus welchen Gründen er sich nicht mehr im Besitz der Unterlagen befindet. An der letztgenannten Voraussetzung fehlt es hier.

Im Übrigen ergibt sich ein Anspruch auch weder aus § 3 Abs. 3 VVG, § 3 Abs. IV S. 1 VVG, § 810 BGB noch aus § 15 Abs.1, 3 VO (EU) 2016/679. Insoweit wird auf die Begründung des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 27.09.2023 (IV ZR 177/22) verwiesen.

Diese Ausführungen gelten schließlich auch hinsichtlich der teilweisen Erledigungserklärung.

VI.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 25.01.2024 gibt keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.