Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 26.06.2008, Az.: 1 B 1762/08
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 26.06.2008
- Aktenzeichen
- 1 B 1762/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 45519
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2008:0626.1B1762.08.0A
Verfahrensgang
In der Verwaltungsrechtssache
...
Streitgegenstand: Erweiterung einer kommunalen Einrichtung
- Antrag nach § 123 VwGO -
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 1. Kammer - am 26. Juni 2008 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragssteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 40 000,00 EURO festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG).
Gründe
Der am 19.03.2008 bei Gericht eingegangene Antrag der Antragsteller mit dem Begehren,
der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO aufzugeben, die Arbeiten zur "Errichtung einer Erlebnissauna im Freizeitbad G. auf dem Gelände des Hallenbades H.I., bis zum Abschluss eines Klageverfahrens einzustellen,
hat keinen Erfolg.
Grundlage für den Erlass der von den Antragstellern begehrten Anordnung ist § 123 Abs. 1 VwGO. Nach Satz 1 dieses Absatzes kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach Satz 2 sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Mit ihrem bisher formulierten Antrag begehren die Antragsteller von der Antragsgegnerin die "Einstellung von Arbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung einer Erlebnissauna im Freizeitbad G., mithin ein Unterlassen i.S. einer Sicherungsanordnung. Dieses Begehren kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil nicht die Antragsgegnerin, sondern die Beigeladene als Eigengesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit (deren alleinige Gesellschafterin die Antragsgegnerin ist), Betreiberin des Freizeitbades J. und damit auch Investorin der geplanten Baumaßnahme ist. Für etwaige Unterlassungsansprüche gegen die privatrechtlich organisierte Beigeladene dürfte jedoch der Verwaltungsrechtsweg nicht zulässig sein.
Ein Anordnungsanspruch der Antragsteller ist jedoch auch dann nicht hinreichend glaubhaft gemacht, wenn ihr Begehren dahingehend ausgelegt wird, dass es auf ein entsprechendes Einwirken der Antragsgegnerin auf die Beigeladene gerichtet ist.
Die Antragsteller berufen sich im wesentlichen darauf, dass der Errichtung/Erweiterung der Saunaanlage § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Niedersächsische Gemeindeordnung (NGO) entgegenstehe.
Nach dieser Vorschrift dürfen Gemeinden Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn und soweit der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann.
Die Kammer hat erhebliche Zweifel an der Anwendbarkeit dieser Regelung bereits deshalb, weil nach § 108 Abs. 3 Nr. 2 NGO Unternehmen im Sinne dieses Abschnitts insbesondere u.a. nicht Einrichtungen des Sports und der Erholung sowie des Gesundheitsund Sozialwesens sind.
Der Betrieb des Freizeitbades H. innerhalb dessen die Saunaanlage errichtet/erweitert werden soll, stellt eine Einrichtung des Sports und der Erholung in diesem Sinn dar (vgl. Urt.d. OVG Münster v. 02.12.1985 - 4 A 2214/84 - in NVwZ 1986, S. 1045).
Selbst wenn der Saunabetrieb nicht als untergeordnete Nebeneinrichtung des Badbetriebs angesehen werden müsste sondern isoliert zu betrachten wäre, dürfte es sich ebenfalls um eine Einrichtung der Erholung i.S.v. § 108 Abs. 3 Nr. 2 NGO handeln (vgl. Urt.d. OVG Münster v. 02.12.1985 a.a.O.), für welche die Einschränkungen des Absatzes 1 nicht gelten.
Darüber hinaus entfaltet § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NGO nach Auffassung der Kammer auch keine drittschützende Wirkung zugunsten der Antragsteller als privater Wettbewerber.
Diese bisher auch vom Bundesverwaltungsgericht geteilte Meinung (vgl. B.v. 21.03.1995 - 1 B 211/94 - in NJW 1995, S. 2938 ff.) des fehlenden Drittschutzes der kommunalwirtschaftlichen Regelungen wird in Teilen der Rechtsprechung und Literatur mittlerweile anders gesehen, wenn sich bei der Einführung neuer Subsidiaritätsklauseln in die Gemeindeordnungen aus den Gesetzesbegründungen der gesetzgeberische Wille ergibt, dass die Regelungen drittschützende Wirkungen für private Anbieter entfalten sollen (vgl. Urt.d. VerfGH Rh.-Pf. v. 28.03.2000 - VGH N 12/98 - in DVBl. 2000, S. 992 ff.; B.d. OVG Münster v. 13.08.2003 - 15 B 1137/03 - in NVwZ 2003, S. 1520 ff.; Pegatzky/Sattler, "Die Änderungen des kommunalen Wirtschafts- und Haushaltsrechts durch die Hessische Kommunalrechtsnovelle 2005" in NVwZ 2005, S. 1376 ff.).
Aus der amtlichen Begründung (Lt.-Drs. 15/1680 zu Nr. 26) des durch Art. 1 Nr. 27 Neuordnungs- und Änderungsgesetz vom 15.11.2005 (Nds. GVBl.S. 342, 346) neu gefassten § 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NGO ergeben sich keine Hinweise, dass der niedersächsische Gesetzgeber damit auch die Privatwirtschaft vor dem Marktzutritt der Gemeinden schützen wollte, so dass von der Gemeindebezogenheit der Vorschrift in dem Sinne auszugehen ist, dass sie nur der Gewährleistung sparsamer und wirtschaftlicher Haushaltswirtschaft dient (vgl. Thiele, Nds. Gemeindeordnung, § 108 Ziffer 6; Neiseke, "Die Änderungen des Gemeindewirtschaftsrechts in Niedersachsen und deren Auswirkungen auf die Praxis" in NST-N 2006, S. 64 ff.).
Die Antragsteller haben somit eine Verletzung drittschützender Normen und daher einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 52 Abs. 1 GKG n.F..
Es entspricht billigem Ermessen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da sie die Ablehnung des Antrags beantragt hat und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).