Sozialgericht Aurich
Urt. v. 22.08.2019, Az.: S 55 AS 147/18

Prüfung der Zumutbarkeit eines Arbeitsangebotes für einen Leistungsberechtigten hinsichtlich einer ausgesprochenen Sanktion wegen Pflichtverletzung

Bibliographie

Gericht
SG Aurich
Datum
22.08.2019
Aktenzeichen
S 55 AS 147/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 56286
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Bescheid vom 07.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2018 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Sanktion im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem 2. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für die Klägerin.

Die Klägerin ist am G. 1981 geboren und lebt seit 2016 im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten in der Gemeinde H ... Jedenfalls in der Zeit Ende 2016 bis Anfang 2018 stand die Klägerin in Bezug der Leistungen nach dem SGB II zur Sicherung des Lebensunterhalts bei der für den Beklagten handelnden Gemeinde. Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheides des Beklagten vom 07.12.2017, mit dem für die Zeit Januar bis März 2018 eine Sanktion gemäß § 31 a Abs. 1 S. 1 SGB II in Höhe von 30% des maßgeblichen Regelbedarfes ausgesprochen wurde, in Höhe von 112,20 Euro. Hintergrund dieser Sanktionsentscheidung war der Umstand, dass der Beklagte mit Schreiben vom 02.10.2017 einen Vermittlungsvorschlag - Reinigungskraft in H. - gemacht hatte. In diesem war eine Arbeitsstelle mit folgenden Bedingungen vorgeschlagen: Tätigkeit: Reinigungskraft; Betriebsart: betrieblich; Anforderungen: Anlerntätigkeit; Arbeitsort: H.; Lohn/Gehalt: Nach Absprache; Arbeitszeit: Minijob bis 450,00 Euro; Zu besetzen ab: Sofort und der Arbeitgeber. Des Weiteren war ausgeführt, dass weitere Einzelheiten über die angebotene Stelle gegebenenfalls beim Vorstellungsgespräch erfragt werden sollten. Der Klägerin wurde aufgegeben, sich spätestens bis zum 09.10.2017 bei dem genannten Arbeitgeber zu bewerben. (Blatt 49 der Verwaltungsakten). Die Klägerin bewarb sich auf diese Stelle nicht. Daraufhin hörte der Beklagte mit Schreiben vom 06.11.2017 die Klägerin zur beabsichtigten Sanktion an. Die Klägerin teilte am 13.11.2017 telefonisch mit, sie sei in einer Maßnahme und habe "Viel Stress". Mit streitigem Widerspruchsbescheid vom 15.01.2018 wies der Beklagte den Widerspruch vom 21.12.2017 zurück. Dieser war bis dahin nicht weiter begründet worden. Erst mit Eingang beim Beklagten vom 24.01.2018 gab die Klägerin des Weiteren an, sie habe sich in einer Maßnahme befunden und deswegen gedacht, sich nicht bewerben zu müssen.

Im Klageverfahren begründet die Klägerin weiter, dass sie Ende 2017 erneut Drogenprobleme gehabt habe. Diese hätten dazu geführt, dass selbst einfachste Dinge sie überfordert hätten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 07.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2018 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte legt dar, einen Verlust der Tagesstruktur wegen des Drogenkonsums sei aus den Akten nicht zu entnehmen, die Klägerin habe Besuche bei ihrer Tochter durchgeführt und die Maßnahme erfolgreich beendet. In den Akten sei eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erst für die Zeit ab dem 09.11.2017 vorhanden.

Die Kammer hat am 21.08.2019 eine mündliche Verhandlung der Angelegenheit durchgeführt, auf das Protokoll der Verhandlung wird Bezug genommen. Des Weiteren waren Gegenstand der Entscheidungsfindung die vom Beklagten zu diesem Verfahren und den weiteren parallelen Verfahren der Klägerin überreichten Verwaltungsakten.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der streitige Sanktionsbescheid vom 07.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2018 ist rechtswidrig ergangen und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte kann die von ihm ausgesprochene Sanktion nicht rechtmäßig auf die Regelung des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II bezüglich einer Pflichtverletzung stützen.

Zwar ist die Entscheidung formell rechtmäßig ergangen, aber sie trägt den Anforderungen des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 nicht Rechnung. Diese Regelung besagt, dass Erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten dann verletzen, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach §16 d oder einer nach § 16 e gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten zu verhindern. Das Gericht kann es dabei dahinstehen lassen, ob die dem Angebot vom 02.10.2017 beigefügte Rechtsfolgenbelehrung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Die Rechtswidrigkeit beruht bereits darauf, dass kein sanktionsbewährtes Arbeitsangebot vorgelegt wurde. Die Zumutbarkeit eines Arbeitsangebotes kann nur dann geprüft werden, wenn im Vermittlungsvorschlag die Tätigkeit nach ihrer Art, ihrem Ort, Inhalt und Umfang beschrieben wird und auch der Arbeitgeber bezeichnet wird. Der Leistungsempfänger soll aufgrund der Beschreibung des Arbeitsangebotes in die Lage versetzt werden, die Zumutbarkeit des Angebotes zu prüfen. (Sonnhoff in juris PK - SGB II, 4, Auflage 2015, § 31 Rn 80 m.w.N.)

Das Angebot vom 02.10.2017 entspricht nicht diesen Anforderungen. So ist in diesem Angebot weder die Arbeitszeit noch das Entgelt aufgenommen. Diese beiden Faktoren sind zur Prüfung der Zumutbarkeit für die Adressatin des Angebotes unentbehrlich. Insbesondere in Anbetracht der bekannten gesundheitlichen Probleme der Klägerin stellt sich der Umfang und die Lage der Arbeitszeit als bedeutsames Kriterium für die Prüfung der Zumutbarkeit dar. Die Arbeitszeit im Angebot mit "Minijob bis 450,00 Euro" zu bezeichnen ist völlig offen. Sie kann auch nicht inzidenter aus einem etwaigen Stundenlohn ermittelt werden, da auch dieser im Angebot nicht aufgenommen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §193 des Sozialgerichtsgesetzes. Die Klägerin ist mit Ihrem Begehren durchgedrungen.