Sozialgericht Aurich
Urt. v. 02.05.2019, Az.: S 13 SO 28/18

Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für erwerbsgeminderte Menschen bei dauerhafter voller Erwerbsminderung

Bibliographie

Gericht
SG Aurich
Datum
02.05.2019
Aktenzeichen
S 13 SO 28/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 56285
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Bescheid vom 16.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2018 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet dem Kläger monatlich 547,38 Euro an Leistungen nach dem SGB XII für Januar bis Dezember 2018 zu bewilligen. Der Beklagten trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung des Klägers, Leistungen der Grundsicherung für erwerbsgeminderte Menschen nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe - (SGB XII) zu beziehen.

Der Kläger ist am G. 1998 geboren und leidet unter "Collapsing Spine neuromyopathischer Genese mit cervicothoreal-rechtskonvexer und thorakel linkskonvexer Skoliose sowie thorako-lumbaler Hyperkyphose" sowie einer Cerebralparese im Sinne einer spastischen Tetraparese. Dies führt zu einer nahezu vollständigen Lähmung. Er ist laufend in ambulanter und stationärer Behandlung. Bei ihm ist eine Schwerbehinderung mit dem Grad von 100 sowie den Merkzeichen G, aG, H ab Geburt zuerkannt. Er erhält jedenfalls seit 2001 Leistungen der höchsten vorgesehenen Pflegestufe, ab 01.01.2017 wurde mit Bescheid vom 14.12.2016 Pflegegeld nach Pflegegrad 5 zuerkannt. Des Weiteren erhält er vom Beklagte Leistungen der Eingliederungshilfe im Form eines persönlichen Budgets. Er lebt zusammen mit seiner Mutter, die sich umfassend um ihn kümmert und auch die Pflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung im Sinne der sozialen Pflegeversicherung durchführt. Mit notarieller Generalvollmacht vom 19.04.2016 bevollmächtigte der Kläger seine Mutter, ihn zu vertreten.

Vom 10.10.2016 bis 18.11.2016 nahm der Kläger an einer Eignungsabklärung im H. teil, auf den Bericht vom 18.11.2016 wird Bezug genommen. Im Ergebnis wird geäußert, dass keine hinreichenden Grundlagen für eine Ausbildung im Bürobereich beständen. Es wurden Zweifel an einer Eignung für den zweiten Arbeitsmarkt aufgenommen. Ausweislich eines Bildungsvertrages zwischen dem I. der J. in K. (im folgenden L.) und dem Kläger vom 22.12.2017 wird der Kläger ab dem 01.01.2018 im L. am Standort K. aufgenommen. Die Aufnahme erfolgt gem. § 1 des Vertrages zur Vorbereitung auf den Arbeitsbereich der Werkstatt oder dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Aufnahme wurde durch den Fachausschuss empfohlen und dauert maximal 27 Monate.

Nach Aktenlage trat der Kläger, bzw. seine Mutter als Bevollmächtigte, erstmals im Herbst 2017 an die für den Beklagte handelnde Gemeinde M. heran bezüglich der Anspruchsvoraussetzung zur Gewährung der Leistungen von Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Hierauf teilte die Gemeinde mit Schreiben vom 24.10.2017 mit, dass im Falle des Klägers derzeit kein Anspruch auf Grundsicherung nach dem SGB XII bestehe, sondern ein Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Nach Auffassung der Gemeinde fände keine Ermittlung einer vollen Erwerbsminderung durch Heranziehung der Deutschen Rentenversicherung statt, vielmehr erfolge ein Ersuchen nicht.

Am 05.01.2018 übersandte die für den Beklagte handelnde Gemeinde dem Kläger auf telefonische Anforderung hin einen Formantrag für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII, welcher ausgefüllt vom Kläger bzw. der für ihn handelnden Bevollmächtigten am 16.01.2018 bei der Gemeinde einging

Ausweislich des Vorbringens des Klägers in diesem ersten Leistungsantrag erhält er Pflegegeld in Höhe von 901,00 Euro pro Monat und seine Mutter erhält Kindergeld von 192 EUR pro Monat für ihn. Weitere Einkünfte hat er nicht. Des Weiteren ist aus dem Antrag ersichtlich, dass Unterkunftskosten bis auf die Kosten der Belieferung mit Gas in Höhe von 111,00 Euro nicht vorgetragen sind. Es sind aber weitere Belege für die Wohnkosten des Klägers und seiner Mutter aktenkundig. Mit Bescheid vom 09.01.2018 bewilligte die Agentur für Arbeit N. dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2018 bis 31.12.2018 ein Ausbildungsgeld in Höhe von monatlich 67,00 Euro und für die Zeit vom 01.01.2019 bis 31.03.2020 in Höhe von 80,00 Euro monatlich. Zugleich bewilligte die Bundesagentur für Arbeit mit diesem Bescheid die Kosten für den behinderungsbedingt notwendigen Beförderungsdienst zu den Werkstätten.

Mit einem Bescheid vom 16.01.2018 lehnte die für den Beklagte handelnde Gemeinde M. den Antrag auf Leistungen der Grundsicherung des Klägers ab und berief sich darauf, dass die Feststellung dauerhafter voller Erwerbsminderung als Leistungsvoraussetzung nicht geprüft werden könne. Daher sei die Gewährung von Grundsicherung abzulehnen. Den diesbezüglichen Widerspruch des Klägers vom 07.02.2018 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2018 als unbegründet zurück und berief sich darin weiterhin auf die von ihm bereits dargestellte Rechtsauffassung.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er die Voraussetzungen für die Annahme einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer erfülle. Dies ist seiner Ansicht nach bereits aufgrund der Aufnahme im Eingangs- bzw. Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen gegeben der Fall. Eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzung durch den Rentenversicherungsträger erübrige sich. Es bedürfe in dieser Situation auch keiner Bescheinigung des Fachausschusses der Werkstatt für behinderte Menschen. Die Voraussetzungen einer vollen Erwerbsminderung seien gem. § 45 Ziffer 3 SGB XII erfüllt. Jedenfalls sei eine volle Erwerbsminderung im Sinne des Gesetzes in medizinischer Hinsicht nachgewiesen.

Nach kurzer Erörterung der gesundheitlichen Situation des Klägers beantragt der Kläger, den Bescheid vom 16.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2018 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Leistungen nach dem SGB XII in Form der Grundsicherung für erwerbsgeminderte Menschen in gesetzmäßiger Höhe zu bewilligen. Der Beklagte beantragt schriftlich, die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass der Kläger nicht als dauerhaft voll erwerbsgemindert im Sinne des § 41 Abs. 3 SGB XII anzusehen sei. Eine Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung durch Ersuchen des zuständigen Trägers der Rentenversicherung erfolge nicht. Nach § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII habe ein solches Ersuchen nicht zu erfolgen, wenn Personen in einer Werkstatt für behinderte Menschen den Eingangs- und Berufsbildungsbereich durchlaufen oder im Arbeitsbereich beschäftigt sind. Dies sei beim Kläger der Fall. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales habe in einem Rundschreiben 2017/3 vom 03.07.2017 dargelegt, dass ein Ersuchen der Entscheidung des Werkstattausschusses nicht vorgreifen solle. Diese Entscheidung ergehe erst nach Durchlaufen des Berufsbildungsbereiches. Während der Förderung im Berufsbildungsbereich sei offen, ob nicht der allgemeine Arbeitsmarkt in Betracht käme. Es handele sich dementsprechend um einen im Einzelfallergebnis offenen Prozess. Die durch den Kläger beigebrachten Unterlagen ergäben keinen zweifelsfreien Nachweis einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung. Eine Stellungnahme der Einrichtung, in der der Antragsteller aufgenommen sei, nehme auf einen im Einzelfall ergebnisoffenen Prozess Bezug. Damit sei von einer Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen.

Das Gericht hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zum Aktenzeichen 13 SO 38/18 ER weitere medizinische Unterlagen des Klägers erhalten. (umfangreiche Anlagen zum Schreiben vom 06.06.2018, auf die Bezug genommen wird). In diesem Eilverfahren hat das Gericht mit Beschluss vom 05.06.2018 dem Begehren des Klägers auf Erhalt von Leistungen der Grundsicherung für erwerbsgeminderte Menschen nach dem 4. Kapitel SGB XII für die Zeit von Mai bis Dezember 2018 entsprochen. Diese Entscheidung hat der Beklagte ausweislich eines Schreibens vom 30.06.2018 (Bl. 48 d. Akten) umgesetzt, ohne einen förmlichen Bescheid zu erlassen.

Die Einrichtung L. hat unter dem 29.10.2018 bescheinigt: "Ob eine Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt realisierbar ist, kann derzeit nicht abschließend beantwortet werden." Zugleich führt diese Bescheinigung illustrativ aus: "Erprobungen bei der Arbeit am Computer im Berufsbildungsbereich ergaben, dass Herr O. trotz Spezialtastatur und Maus deutlich mehr Zeit braucht als der Durchschnitt. Dies ist bedingt durch die vorliegenden motorischen Einschränkungen (siehe Diagnose). Ferner benötigt Herr O. eine ständige Assistenz, die die nicht auszuführenden Arbeitshandlungen stellvertretend übernimmt wie z. B. das beiseitelegen von Papier oder ähnlichem."

Für den folgenden Zeitraum ab Januar 2019 hat der Kläger am 26.11.2018 die Fortzahlung der Leistungen beantragt, welche mit einem Bescheid des Beklagtes vom 28.11.2018 abgelehnt wurde. Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 11.12.2018 Widerspruch eingelegt. Über das Rechtsmittel ist noch nicht entschieden.

In einem weiteren Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zum Aktenzeichen S 13 SO 110/18 ER hat das Gericht mit Beschluss vom 20.12.2018 den Beklagten verpflichtet, für die Zeit des Jahres 2019 Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel SGB XII zu erbringen. Gegenstand der Entscheidungsfindung war die Gerichtsakte des Verfahrens und die Gerichtsakten der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu den Aktenzeichen S 13 SO 38/18 ER und S 13 SO 110/18 ER sowie die zu allen Verfahren überreichten Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der streitige Bescheid vom 16.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger kann vom Beklagten die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsgeminderte Menschen nach dem 4. Kapitel des SGB XII beanspruchen. Die Ablehnung der Bewilligung dieser Leistungen ist rechtswidrig. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf den Erhalt der Leistungen der Grundsicherung für erwerbsgeminderte Menschen kann auf die Regelungen der § 41 ff. SGB XII gestützt werden.

Dem Antragserfordernis des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakten mit dem Antrag im Januar 2018 genüge getan.

Ebenfalls ist aus den vorliegenden Unterlagen und dem Vorbringen der Beteiligten erkennbar, dass der Kläger hilfebedürftig im Sinne des § 41 Abs. 1 SGB XII ist. Er kann seinen notwendigen Lebensunterhalt voraussichtlich nicht aus anrechenbarem Einkommen und Vermögen im Sinne des § 43 SGB XII bestreiten.

Die weitere - zwischen den Beteiligten im Streit stehende - Voraussetzung des § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, das Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des Gesetzes, ist nachgewiesen.

Das Gericht erkennt eine volle Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI). Diese Erkenntnis gewinnt das Gericht bereits aufgrund des von der Bundesagentur für Arbeit am 04.02.2015 erstellten Gutachtens zur Frage der sozialmedizinischen Leistungsfähigkeit des Klägers, welches in den Verwaltungsakten vorhanden ist. Hieraus ist erkennbar, dass voraussichtlich auf Dauer der Kläger täglich weniger als drei Stunden leistungsfähig ist und bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Eingliederung in eine Werkstatt für behinderte Menschen vorliegen. Das Gericht teilt aufgrund der weiteren vorgelegten Unterlagen im gerichtlichen Verfahren die darin befindliche sozialmedizinische Bewertung. Insbesondere erkennt das Gericht das Zutreffen der Bewertung, dass höchstens leichte gut überschaubare Tätigkeiten im geschützten Rahmen ausgeübt werden können und keine Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als überzeugend. Die Annahme einer vollen dauerhaften Erwerbsminderung auf Dauer erschließt sich ebenfalls aufgrund der dem Kläger jedenfalls seit 2001 zuerkannten Pflegebedürftigkeit im Sinne der sozialen Pflegeversicherung. Ohne hierauf noch im Detail eingehen zu müssen, erschließt sich aufgrund der im Pflegeprotokoll und Pflegegutachten dargestellten erforderlichen Unterstützungshandlungen, dass ein allgemeiner Arbeitsmarkt verschlossen ist.

Die vom Beklagte in Bezug genommene Stellungnahme der Einrichtung P. steht der Bewertung des Gerichtes nicht entgegen. Zwar könnte diese Stellungnahme alleine das Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des Gesetzes nicht belegen, insoweit trifft die Bezugnahme des Beklagten zu. Diese Stellungnahme trifft keine zweifelsfreie Aussage zur Erwerbsfähigkeit des Klägers, sondern alleine zur Ungewissheit der Integration in den Arbeitsmarkt. Aus den weiteren dem Gericht bekannten und vorliegenden Unterlagen jedoch ist erkennbar, dass die fehlende Möglichkeit der Erwerbsfähigkeit nachgewiesen ist (s.o.). Dies ergibt sich dabei inzidenter auch aus der vom Beklagte in Bezug genommenen Stellungnahme vom 29.10.2018. Hierin ist ausgeführt, dass bei Bürotätigkeiten nur eine Arbeit in der Weise erbracht werden kann, dass sie nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwertbar ist. Alleine mit Arbeitsassistenz könnte eventuell eine Tätigkeit in verringerter Geschwindigkeit ausgeübt werden. Dies entspricht nicht den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes.

Die vom Beklagte in Bezug genommene gesetzliche Regelung des § 45 Satz 3 SGB XII steht der Bewertung des Gerichts nicht entgegen. Aus dieser Regelung folgt zunächst bereits nach ihrem Wortlaut keine zwingende Annahme im Sinne einer Fiktion des fehlenden Bestehens der vollen Erwerbsminderung auf Dauer. Es ist geregelt, dass ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger unter bestimmten Voraussetzungen nicht erfolgen soll. Nach Auffassung des Gerichts führt diese Regelung nicht zwingend dazu, dass das Vorliegen der vollen Erwerbsminderung auf Dauer im Sinne des Gesetzes nicht auf anderem Wege nachgewiesen werden könnte.

Ebenso wenig ergibt sich aus der Gesetzesbegründung in der Bundestagsdrucksache 18/9984, dass der Gesetzgeber eine solche Fiktion habe regeln wollen. Es ist zu erkennen, dass der Gesetzgeber die Ermittlungspflichten des Sozialhilfeträgers einschränken wollte. Dies muss aber nicht zur Annahme des Fehlens einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung führen, auf der anderen Seite aber auch ebenso wenig zur Annahme des zwingenden Bestehens einer entsprechenden Anspruchsvoraussetzung. Es ist nach der gesetzlichen Konzeption auf die Gegebenheiten des Einzelfalls abzustellen, § 41 SGB XII.

Ohne dass es in diesem Fall des Vorliegens einer vollen Erwerbsminderung nach den medizinischen Unterlagen (s.o.) noch entscheidungserheblich wäre, stellt das Gericht fest, dass einiges dafürspricht, dass das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII bei Vorliegen der Fallgruppen des § 45 Satz 3 SGB XII unterstellt werden kann (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 28.06.2018 - L 4 SO 83/18 B ER zitiert nach juris). Das Gericht teilt die in den oben aufgeführten Entscheidungen zu findende Bewertung, dass eine zwingende Nichtannahme der vollen dauerhaften Erwerbsminderung eine schwerwiegende Benachteiligung behinderter Menschen in Werkstätten für behinderte Menschen darstellte. Dies wird besonders deutlich für den Fall, dass vor Eintritt in die Werkstatt für behinderte Menschen bereits der Rentenversicherungsträger positiv das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung festgestellt hätte. Bei einer solchen Person wäre die Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für erwerbsgeminderte Menschen zwingend, eines weiteren Ersuchens bedürfte es nicht. Die vom Beklagten unter Bezugnahme auf das Rundschreiben des Bundesministeriums dargestellte Annahme wäre insoweit widersinnig. In dieser Konstellation ist es erkennbar, dass die Argumentation des Beklagten unter Berufung auf das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht durchgreifen kann. Ein Vorgreifen der Bewertung der vollen Erwerbsminderung kann durch die Regelung des § 45 Satz 3 SGB XII im Einzelfall gerade nicht verhindert werden. Von daher kann die entsprechende gesetzliche Norm in Anbetracht der Gesetzesbegründung nicht soweit einschränkend ausgelegt werden, dass die oben zitierte zwingende Benachteiligung in Betracht käme.

Die Höhe der Leistungen der Grundsicherung für erwerbsgeminderte Menschen ergibt sich gem. § 43a Abs. 1 SGB XII aus der Summe der nach § 42 Nr. 1 - 4 SGB XII anzuerkennenden monatlichen Bedarfe. Diese belaufen sich auf den Regelbedarf (§ 42 Nr. 1 SGB XII) für den alleinstehenden Kläger in Höhe von 416,00 Euro zuzüglich des Bedarfes für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Die Kosten der Unterkunft sind im Fall des Klägers gemäß der Regelung des § 45 a Abs. 3 SGB XII zu berechnen. Der Kläger lebt mit seiner Mutter in einer Wohnung und ist nicht vertraglich zur Tragung von Unterkunftskosten verpflichtet.

Daher errechnet sich pauschal zu gewährende Unterkunftskostenbedarf aus der Differenz der vom Beklagten angenommenen Angemessenheitsgrenze für drei Personen zu derjenigen für zwei Personen ohne Aufnahme des Klägers. Diese Differenz beträgt 475,00 EUR abzüglich 409,00 EUR also 66,00 EUR. Die Heizkosten, die pauschal zu übernehmen sind, errechnen sich dergestalt, dass der Anteil der pauschal übernommenen Unterkunftskosten für den Kläger ins Verhältnis zu den tatsächlich anfallenden Unterkunftskosten gesetzt und die tatsächlich anfallenden Heizkosten im gleichen Verhältnis dem Kläger zugerechnet werden. Die Gesamtunterkunftskosten errechnen sich nach Bl. 19 d. A. im Monatsdurchschnitt auf 10,00 EUR für die Wasserversorgung, 16,45 EUR für die Wohngebäudeversicherung, 7,80 EUR für die Müllgebühren, 55,71 EUR Gemeindeabgaben, 20,00 EUR Heizungswartung, 1,17 EUR Sielacht, 0,22 EUR Deichacht und 2,21 EUR Schornsteinfegerkosten, also insgesamt 113,47 EUR. Die dem Kläger zugerechneten 66,00 EUR im Verhältnis zu diesem Betrag ergibt einen prozentualen Anteil von 58 %. Der Gasabschlag ist unbestritten mit 111,00 EUR vorgetragen, wovon also 58 % = 64,38 EUR zu übernehmen sind. In der Summe ergibt sich ein Leistungsbetrag 546,38 EUR monatlich.

Ausweislich des Vorbringens des Klägers und seines Vertrages erhält er in der Einrichtung kein weiteres Entgelt über das mit Bescheid vom 09.01.2018 bewilligte Ausbildungsgeld gem. §§ 112 ff. des Dritten Buche des Sozialgesetzbuches - Arbeitsförderung - (SGB III) hanaus. Bezüglich des Ausbildungsgeldes schließt sich die Kammer weiterhin der zur früheren Rechtslage ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 23.03.2010 - B 8 SO 17/09 R zitiert nach juris) an. Das Ausbildungsgeld ist anrechnungsfrei. Ausweislich der vorliegenden Unterlagen wird das Kindergeld für den Kläger nicht an diesen selbst ausgezahlt bzw. abgezweigt. Somit kommt eine Anrechnung auf seinen Bedarf ebenfalls nicht in Betracht. Von daher besteht ein monatlicher leistungsrechtlicher Bedarf in Höhe von 546,38 Euro.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Der Kläger ist in seinem Begehren in vollem Umfange durchgedrungen.