Sozialgericht Aurich
Urt. v. 24.01.2019, Az.: S 13 SO 43/18

Vornahme der Absenkung des Regelsatzes aufgrund der mietvertraglich vereinbarten Zahlung der Kosten der Belieferung mit Haushaltsstrom an den Vermieter i.R.d. Bewilligung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt

Bibliographie

Gericht
SG Aurich
Datum
24.01.2019
Aktenzeichen
S 13 SO 43/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 11558
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstelle

  • SAR 2019, 51-54

Tenor:

Der Bescheid vom 07.12.2017, geändert 09.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2018 wird insoweit geändert, als das nur 10,00 EUR Regelbedarfsabzug vorgenommen werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die rechtmäßige Höhe der dem Kläger vom Beklagten bewilligten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des 12. Buches des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe - (SGB XII). Es besteht Streit um Antwort auf die Frage, ob der Beklagte aufgrund der mietvertraglich vereinbarten Zahlung der Kosten der Belieferung mit Haushaltsstrom an den Vermieter in Höhe von 10,00 EUR monatlich einen Regelbedarfsabzug in Höhe von 33,31 EUR im Monat Januar 2018 vornehmen durfte.

Der Kläger ist am G. 1968 geboren und lebt im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten in der Stadt H ... Er bezieht seit dem 01.06.2011 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Diese wurde im streitgegenständlichen Zeitraum mit Bescheid vom 29.11.2017 für die Zeit bis zum 31.12.2018 befristet.

Nachdem der Kläger zu Oktober 2017 alleine eine eigene Wohnung genommen hatte, stand er im Bezug der Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt. Mit dem hier streitigen Bescheid vom 07.12.2017 bewilligte der Beklagte auf Antrag vom 27.09.2017 die Leistungen nach dem dritten Kapitel SGB XII für den Monat Januar 2018. Der Leistungsbewilligung legte er Unterkunftskosten von 391,00 EUR zu Grunde, die sich in eine anerkannte Kaltmiete von 266,00 EUR, 40,00 EUR feste Nebenkosten, 10,00 EUR für die Belieferung mit Strom und 75,00 EUR Heizkosten zentral inklusive Warmwasserzeugung aufteilten. Zugleich nahm er einen Regelbedarfsabzug Strom in Höhe von 33,31 EUR vor. Am 09.02.2018 änderte die für den Beklagten handelnde Stadt H. die Leistungsbewilligung in Bezug auf die bewilligten Leistungen für die freiwillige Krankenversicherung. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit streitigem Widerspruchsbescheid vom 09.05.2018 zurück, die Absetzung von 33,31 EUR vom Regelsatz sei rechtmäßig erfolgt. Die Bedarfe für die Belieferung mit Haushaltsenergie seien durch die Übernahme der 10,00 EUR ausweislich des Mietvertrages bereits gedeckt, sodass ein Abzug vom Regelsatz gerechtfertigt sei.

Aus dem Mietvertrag des Klägers für die Zeit ab dem 01.10.2017 sind die vom Beklagten angesetzten Beträge als Pauschalen im Bereich der Nebenkosten ersichtlich.

Der Kläger ist der Auffassung, der Abzug von 33,31 EUR vom Regelsatz für die Übernahme der an den Vermieter gezahlten 10,00 EUR im Bereich der Unterkunftskosten sei rechtswidrig erfolgt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 07.12.2017 geändert mit Bescheid vom 09.02.2018 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 09.05.2018 insoweit aufzuheben, als das im Januar 2018 33,31 EUR Regelbedarfsabzug vorgenommen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass eine Bedarfsdoppeldeckung bestehe, die dem Kläger für die Belieferung mit Haushaltsenergie entstehenden Beträge von 10,00 EUR seien bereits im Rahmen der Unterkunftskostenbedarfe anerkannt und gedeckt. Im Bereich der Regelleistungen sei der der Haushaltsenergie zugewiesene Anteil daher abzuziehen.

Das Gericht hat am 24.01.2019 eine mündliche Verhandlung in der Angelegenheit durchgeführt, deren Ergebnis aus dem in den Akten befindlichen Sitzungsprotokoll ersichtlich ist.

Gegenstand der Entscheidungsfindung war die Gerichtsakte des Verfahrens sowie sämtliche vom Beklagten zu zahlreichen Verfahren des Klägers überreichten Verwaltungsvorgänge.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der Bescheid vom 07.12.2017 geändert vom 09.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2018 ist insoweit rechtswidrig, als das mehr als 10,00 EUR von Regelbedarf abgezogen werden im Monat Januar 2018 und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten.

Der Kläger ist dem Grunde nach berechtigt zum Bezug der Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel SGB XII im Monat Januar 2018. Er erhält im streitigen Zeitraum eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, sodass er vom Bezug der Leistungen nach dem SGB II, der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem 2. Buch des Sozialgesetzbuches ausgeschlossen ist. Gleichermaßen kann der Kläger vom Beklagten keine Leistungen des vierten Kapitels des SGB XII, der Grundsicherung für erwerbsgeminderte Menschen beanspruchen, da ausweislich der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers keine dauerhafte volle Erwerbsminderung nachgewiesen ist.

Der Kläger kann vom Beklagten dem Grunde nach Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt beanspruchen, da er nicht über seine Bedarfe deckende Einkünfte oder Vermögensgegenstände verfügt. Der Beklagte kann gemäß § 27 a Abs. 4 S. 1 SGB XII eine Absenkung des Regelsatzes in Höhe von monatlich 10,00 EUR vornehmen. Diese Bewertung beruht darauf, dass ausweislich des Mietvertrages der Klägers 10,00 EUR monatlich für den Haushaltsstrom an den Vermieter zu leisten hat. Dieser Betrag wird ausweislich des angegriffenen Bescheides im Rahmen der Bedarfe für die Kosten der Unterkunft vom Beklagten übernommen und eine nochmalige Übernahme im Rahmen der Regelbedarfe stellte eine doppelte Bedarfsdeckung dar. Diese doppelte Bedarfsdeckung besteht aber nur in Bezug auf den Betrag von 10,00 EUR und nicht auf den vom Beklagten angenommen gesamten Regelsatzbestandteil für Haushaltsstrom.

Nach § 27 a Abs. 4 S. 1 SGB XII soll die Möglichkeit, einen niedrigeren Regelsatz festzulegen, verhindern, dass der Sozialhilfeträger Leistungen doppelt erbringt. Nach Auffassung des Bundesozialgerichtes (U. v. 24.02.2016 - B 8 SO 13/14 R m. w. N., zit. n Juris) ist der Anwendungsbereich dieser Norm nur dann eröffnet, wenn es bei der Gewährung von Sozialhilfeleistungen zu Überschneidungen mit den durch den Regelsatz abgegoltenen pauschalen tatsächlichen Bedarfen kommt. Zwingende Voraussetzung ist, dass die Energiekosten als Teil der mietvertraglich geschuldeten Kosten von den Leistungen für Unterkunft und Heizung bereits mit umfasst sind und im Einzelfall somit durch eine anderweitige Leistung des Beklagten gedeckt werden. Im vorliegenden Einzelfall sind die Leistungen in Höhe von 10,00 EUR gedeckt und nicht in Höhe von 33,31 EUR, wie es der Beklagte vornimmt. Diese Bewertung der Kammer deckt sich mit dem Charakter der Pauschalierung des Regelsatzes. So wäre in der Konstellation, dass der Kläger nicht an seinen Vermieter 10,00 EUR Stromkosten pauschal leisten würde, sondern im Rahmen eines eigenen Energiebelieferungsvertrages monatliche Abschläge von 10,00 EUR zu entrichten hätte, die Reduktion des Regelsatzes um dann 23,31 EUR nicht in rechtmäßiger Weise vorzunehmen. Die Regelbedarfe stellen Pauschalen dar, innerhalb derer die einzelnen rechnerischen Bestandteile in unterschiedlicher Höhe tatsächlich von Leistungsempfängern verwendet werden. So können beispielsweise aus dem Charakter des Regelsatzes heraus Einsparungen bei den Kosten für Ernährung zu höheren Ausgaben für andere Posten genutzt werden. Gleiches gilt für Einsparungen im Bereich der Haushaltsenergie. Vor diesem Hintergrund kann es dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, dass er eine monatliche Pauschale an den Vermieter in Höhe von 10,00 EUR zu zahlen hat und nicht an einen Energieversorger.

Das Gericht erkennt vor dem Hintergrund der oben zitierten Rechtsprechung des BSG in Bezug auf den Betrag von 10,00 EUR eine Doppeldeckung im Sinne des § 27 a Abs. 4 SGB XII. Im Rahmen der Unterkunftskosten wird ein Bestandteil des Regelsatzes mit dem 10,00 EUR Betrag bereits anteilig übernommen.

Zwar könnte in Anbetracht des pauschalen Charakters der Vereinbarungen im Mietvertrag daran Zweifel bestehen, ob der Betrag von 10,00 EUR überhaupt einen konkret bezeichneten Betrag für die Belieferung mit Haushaltsenergie darstellt, nicht vielmehr eine Gesamtpauschale vorliegt, diese Zweifel hält das Gericht aber nicht für durchgreifend. Auch wenn keine Jahresabrechnung über den tatsächlichen Verbrauch durchgeführt wird, so ist doch die Zahlung des Klägers ausweislich des Mietvertrages ausdrücklich dem Strom zugeordnet. Von daher erkennt das Gericht keinen Verstoß gegen evtl. Ermittlungsgrundsätze bzgl. der Höhe der Stromkosten. Der Kläger bezieht sehr preisgünstig Strom. (vgl. z. Ermittlungsfrage Urteil d. BSG v. 24.11.2011 - B 14 AS 151/10 R, zit. n. Juris). Entgegen der Konstellation in einer evtl. sehr niedrig insgesamt vereinbarten Pauschalmiete ist im Falle des Klägers aus dem Mietvertrag, der eine nachvollziehbare Miethöhe bescheinigt, ein konkreter Betrag für die Belieferung mit Haushaltsenergie ersichtlich.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Der Kläger ist in Bezug auf die von ihm begehrten um 33,31 EUR erhöhten Leistungen zur ca. 1/3 nicht obsiegt.

Der maßgebliche Berufungsstreitwert des § 144 Abs. 1 S. 1 SGG ist nicht erreicht. Von daher bedurfte die Möglichkeit der Berufung der Zulassung gem. § 144 Abs. 2 SGG. Hier erkennt die Kammer, dass der Tatbestand des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG erfüllt ist. Die hier entscheidungserhebliche Frage des Regelsatzabzugs bei konkret im Mietvertrag vereinbarten Stromkostenpauschalen ist bislang nach Kenntnis der Kammer nicht durch das zuständige Berufungsgericht entschieden worden und in Anbetracht der Häufigkeit von Zahlungen für Stromlieferungen an Vermieter liegt eine grundsätzliche Bedeutung vor.