Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 11.11.2015, Az.: 7 B 3794/15

Dormicum; Ketanest; Kinderpornografie; Notfallmedikament; Rettungsassistent; Rettungssanitäter; Unzuverlässigkeit; Zeugnis

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
11.11.2015
Aktenzeichen
7 B 3794/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 45131
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Patienten im Rettungsdienst müssen darauf vertrauen dürfen, dass ihnen nicht willkürlich gefahrengeneigte Medikamente von nichtärztlichem Rettungsdienstpersonal verabreicht werden.
2. Eine strafgerichtliche Verurteilung wegen sich Verschaffens einer kinderpornographischen Datei auf dem Rechner der Rettungswache rechtfertigt ebenso den Widerruf der Berufserlaubnis Rettungsassistent wie ein Strafbefehl wegen vorsätzlicher Körperverletzung des Patienten durch Verabreichung medizinisch nicht indizierter Notfallmedikamente ohne ärztliche Weisung (hier: Ketanest und Dormicum).
3. Der lediglich über 520 Stunden ausgebildete Rettungssanitäter besitzt anders als der über zwei Jahre ausgebildete Rettungsassistent kein geschütztes Berufsbild. Insbesondere wird ihm keine Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Rettungssanitäter erteilt. Diese kann ihm deshalb auch nicht entzogen werden.
4. Es bestehen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren Zweifel, ob ein Zeugnis über die bestandene Rettungssanitäterprüfung wegen nachträglich eingetretener Unzuverlässigkeit des Rettungssanitäters eingezogen werden kann.

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller am 26. November 2014 erhobenen Klage 7 A 13212/14 wird gegen die mit Verfügung vom 8. Juli 2015 nachträglich für sofort vollziehbar erklärte Regelung zu Ziffer 1) der Entscheidungsformel in dem Bescheid des Antragsgegners vom 6. November 2014 insoweit wiederhergestellt, als die „Befugnis der Rettungssanitäterbefähigung“ des Antragstellers widerrufen und ihm aufgegeben wird, „das Rettungssanitäterzeugnis (einschließlich aller Abschriften und Kopien)“ herauszugeben.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Gerichtskosten tragen der Antragsteller zu 2/3 und der Antragsgegner zu 1/3. Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers trägt der Antragsgegner zu 1/3. Die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners trägt der Antragsteller zu 2/3. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Der Streitwert wird für das vorläufige Rechtsschutzverfahren auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am ….. geborene Antragsteller ist ledig, hat keine Kinder und 1991 eine Ausbildung zum C., Fachrichtung D., absolviert. In diesem Beruf war er kurze Zeit tätig.

1992/93 absolvierte er in Rheinland-Pfalz eine 520-Stunden-Ausbildung zum Rettungssanitäter. Mit Zeugnis vom 2. Februar 1993 bescheinigte ihm die Lehranstalt des Deutschen Roten Kreuzes, Landesverband Rheinland-Pfalz (DRK), dass der Antragsteller in der Abschlussprüfung Kenntnisse und Fähigkeiten nachgewiesen hat, die in folgenden Ausbildungsstufen vermittelt wurden: 160 Stunden theoretische Ausbildung, 160 Stunden klinische Ausbildung, 160 Stunden praktische Ausbildung in einer Lehrrettungswache und 40 Stunden Abschlusslehrgang mit Prüfung im Januar 1993. Mit der Prüfung vom ….., die vom Antragsteller mit der Note „sehr gut“ abgelegt wurde, habe er Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der Versorgung und Betreuung von Notfallpatienten unter besonderer Berücksichtigung der Reanimation nachgewiesen und „erfülle damit die fachliche Eignung im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 des Rettungsassistentengesetzes - RettAssG -“. Das Zeugnis ist außer vom DRK von den rheinland-pfälzischen Ministerien für Umwelt und Gesundheit sowie des Innern und für Sport und außerdem von der E. als Ausbildungsklinik gesiegelt. Der Antragsteller war in der Folgezeit bei verschiedenen Hilfsorganisationen und Betrieben als Rettungssanitäter tätig.

Nach Absolvierung einer weiteren Ausbildung erteilte das F. Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung dem Antragsteller am …2001 die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ und händigte ihm eine entsprechende Urkunde aus. In der Folgezeit war der Antragsteller u.a. als Rettungsassistent im Einsatzdienst bei verschiedenen Hilfsorganisationen auf dem Rettungswagen (RTW) eingesetzt. Der Antragsteller wohnt im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners.

Der Antragsteller wurde wie folgt bestraft:

1. Durch Urteil des AG G. vom ....2004 - H. - wegen sich Verschaffens kinderpornographischer Schriften gemäß §§ 184 Abs. 5, 11 Abs. 3 StGB a.F. zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen von je 45,00 €. Der Antragsteller hatte sich 2002 während seines Nachtdienstes auf der Rettungswache eine kinderpornographische Videodatei auf den Dienstrechner der Hilfsorganisation geladen und angesehen. Die Verurteilung ist im Bundeszentralregister getilgt. Von der Verurteilung erhielt der Antragsgegner im Klageverfahren Kenntnis, nachdem das Verwaltungsgericht die Strafakte angefordert hatte.

2. Durch Strafbefehl des AG I. vom ...2011 - J. - wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 230 StGB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen von je 30,00 €. Dem Antragsteller wurde folgende Tathandlung vorgeworfen: Am …2011 wurde der Antragsteller als Rettungsassistent zu einem Verkehrsunfall gerufen, bei der die Patientin L. ein HWS-Trauma und eine Gurtprellung erlitten hatte. Da die Patientin über Schmerzen klagte, legte ihr der Antragsteller einen venösen Zugang in der Ellenbeuge, obwohl dies zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig und er hierzu auch nicht ermächtigt war. Anschließend spritzte er der Patientin ohne vorherige ärztliche Weisung die Medikamente Ketanest mit dem Wirkstoff Esketamin und Dormicum mit dem Wirkstoff Midazolam, welche nach dem Inhalt des Strafbefehls starke Wechselwirkungen, wie etwa Abhängigkeit haben können. Darüber hinaus war es Angehörigen der Hilfsorganisation ohnehin nicht erlaubt, das Mittel Dormicum zu verabreichen. Aus der vom Verwaltungsgericht beigezogenen Strafakte ergibt sich, dass die Patientin, die selbst Gesundheits- und Krankenpflegerin ist, Strafanzeige erstattet hatte. Der Antragsteller leistete an die Patientin ein Schmerzensgeld von 2.000,00 €. Durch Erklärung seines damaligen Verteidigers bat der Antragsteller für sein Fehlverhalten um Entschuldigung und teilte mit, dass er sich die Angelegenheit eine Lehre sein lassen wolle und künftig die juristischen Vorgaben seines Berufes penibel einhalten werde. Von dem Strafbefehl erhielt der Antragsgegner im Verwaltungsverfahren mit Eingang des Bundeszentralregisterauszuges am 8. September 2014 Kenntnis.

Der bei dem Verkehrsunfall anwesende zweite Rettungsassistent, der Zeuge K., sagte schriftlich aus, dass der Antragsteller ihm gegenüber geäußert habe, dass er „ein überdurchschnittlich guter Sanitäter sei. Aus diesem Grund würde er sich auch nicht an das Gesetz gebunden fühlen“ (Bl. 46 der beigezogenen Strafakte). Auf dem vom Antragsteller unterzeichneten Einsatzdokumentationsbogen, der der aufnehmenden Klinik übergeben wurde und von dort in die Strafakte gelangte, ist vermerkt, dass u.a. 20 mg Ketanest und 2 mg Dormicum verabreicht wurden (Bl. 65, 80 der beigezogenen Strafakte). In dem vom Antragsteller unterzeichneten Doppel des Einsatzdokumentationsbogens, der von der Hilfsorganisation aufbewahrt wird und von dort in die Strafakte gelangte, ist die Ketanestgabe hingegen durchgestrichen und durch die Angabe „Novalgin 1g i. d. Infusion“ ersetzt (Bl. 94 der beigezogenen Strafakte).

Ein Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes - außerhalb des Rettungsdienstes - im Zeitraum 1996/97 wurde mit Beschluss des AG K. vom … 2011 - L. - gegen Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 3.500,00 € an die inzwischen volljährige Geschädigte gemäß § 153a Abs. 2 StPO eingestellt. Von dieser Entscheidung erhielt der Antragsgegner im Klageverfahren Kenntnis, nachdem das Verwaltungsgericht die Strafakte beigezogen hat.

Unter dem 12. August 2014 teilte das Regierungspräsidium M. dem Antragsgegner unter Hinweis auf dessen örtliche Zuständigkeit mit, dass der Antragsteller als Rettungsassistent auffällig geworden sei, so dass der Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ geprüft werden müsse. Die den Antragsteller zu diesem Zeitpunkt beschäftigende Hilfsorganisation habe Folgendes angezeigt:

Der Antragsteller sei am … 2014 als Rettungsassistent zu einem Schwächeanfall der im Ramadan fastenden, aber ansprechbaren damals 14-jährigen Patientin S. in einen Supermarkt gerufen worden. Nach Verbringung der Patientin in den RTW habe er die Durchgangstür zur Fahrerkabine geschlossen und kurz nach Fahrtbeginn zum Krankenhaus der Patientin über einen Venenzugang die verschreibungspflichtigen Medikamente Ketanest und Dormicum verabreicht, obwohl er hierzu weder in seiner Funktion als Rettungsassistent berechtigt gewesen sei, noch der gesundheitliche Zustand der Patientin dies erfordert hätte. Die Patientin habe danach Doppelbilder gesehen und sich wie betrunken gefühlt. Sie habe ihren Zustand nach der Fahrt in das Krankenhaus schlimmer empfunden als im Zeitpunkt ihres Zusammenbruchs im Supermarkt. Die Hilfsorganisation kündigte dem Antragsteller außerordentlich. Im Zuge des von der Staatsanwaltschaft B-Stadt eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurde von der Polizeidirektion B-Stadt u.a. am …2014 die Wohnung des Antragstellers durchsucht. Dabei wurden in einem Kulturbeutel u.a. Injektionsnadeln, Spritzen sowie eine Schachtel mit Ketamin- und Midazolam-Ampullen vorgefunden. Auf Nachfrage habe der Antragsteller angegeben, dass diese aus einem Großeinsatz übrig geblieben seien (Bl. 24, 44 der beigezogenen Ermittlungsakte N.).

Mit Schreiben vom 25. September 2014, das am 29. September 2014 zugestellt wurde, hörte der Antragsgegner den Antragsteller zu seiner Absicht an, die ihm erteilte Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ sowie das Zeugnis zum „Rettungssanitäter“ einschließlich Kopien und Abschriften zu entziehen. Der Antragsteller äußerte sich nicht.

Hierauf widerrief der Antragsgegner mit Bescheid vom 6. November 2014 die dem Antragsteller eingangs bezeichnete Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ sowie die „Befugnis der Rettungssanitäterbefähigung, ausgestellt im Januar 1993“ (Ziffer 1 der Entscheidungsformel des Bescheides) und legte ihm die Kosten des Verfahrens auf (Ziffer 2 der Entscheidungsformel), die durch gesonderten Bescheid festgesetzt würden. In den Gründen des Bescheides (Seite 2 des Bescheidabdrucks) wird der Antragsteller darüber hinaus aufgefordert, die ihm ausgestellte Urkunde über die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ sowie das Rettungssanitäterzeugnis einschließlich aller Abschriften und Kopien umgehend, spätestens bis zum 14. November 2014 herauszugeben. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus: Die Straftat des Antragstellers aus dem Jahre 2011 sei ihm - dem Antragsgegner - 2014 bekannt geworden. Der Antragsteller habe damals der Patientin unberechtigterweise unerlaubte Medikamente verabreicht. In der Erklärung seines damaligen Verteidigers habe er zu erkennen gegeben, dass ihm der Vorfall eine Lehre sei und er beabsichtige, künftig die juristischen Vorgaben seines Berufes penibel einzuhalten. Zurzeit ermittele die Staatsanwaltschaft B-Stadt jedoch in einem weiteren Verfahren wegen des Vorfalls am …2014 gegen den Antragsteller u.a. wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 StGB. Das durch Strafbefehl des AG I. nachgewiesene Fehlverhalten des Antragstellers lasse erkennen, dass er die für den Beruf des Rettungsassistenten erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Das im Rettungsdienst tätige Personal befinde sich in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu den dort oft hilf- und wehrlosen Personen. Die Patienten müssten darauf vertrauen können, dass das im Rettungsdienst eingesetzte Personal diese Hilfslosigkeit nicht für eigene Zwecke ausnutze. Unter diesen Voraussetzungen wäre eine Erteilung der Berufserlaubnis „Rettungsassistent“ nicht erfolgt, sodass bei den dem Antragsteller zu Last gelegten Vorwürfen das öffentliche Interesse erheblich gefährdet sei. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens habe der Antragsteller nicht reagiert.

Mit seiner am 26. November 2014 beim Verwaltungsgericht Hannover erhobenen Klage wendet sich der Antragsteller gegen den vorbezeichneten Bescheid - 7 A 13212/14 -. Zur Begründung führt er aus: Der Antragsgegner habe es unterlassen, eine sachgerechte Abwägung der bei ihm gegebenen Einzelfallumstände vorzunehmen. Bei dem vom Antragsgegner herangezogenen Strafbefehl des AG I. handele es sich um einen Einzelfall, der zudem zwischenzeitlich mehr als drei Jahre zurückliege. Mangels vorliegender Urteilsgründe habe der Antragsgegner somit keinerlei Kenntnisse über seine - des Antragstellers - charakterlichen Eigenschaften gewinnen können, sodass die angefochtene Entscheidung auf unzureichender Grundlage erfolgt sei. Seine damalige Handlungsweise sei keinesfalls von einer schädigenden Absicht gegen die Patientin geprägt gewesen. Vielmehr sei die Verabreichung eines Medikaments auf das erhebliche Drängen der Patientin selbst erfolgt. Es sei nicht die Hilflosigkeit der Patientin - und schon gar nicht zu eigenen Zwecken - ausgenutzt worden. Auch das neuerliche Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft B-Stadt lasse einen Schluss auf charakterliche Mängel mit dem Ergebnis der Unzuverlässigkeit für den Beruf nicht zu. Er bestreite sämtliche ihm zur Last gelegten Vorwürfe, mache aber derzeit von seinem Recht zur Aussageverweigerung Gebrauch. Die Entscheidung sei unverhältnismäßig. Er habe den Beruf über eine lange Zeit beanstandungsfrei ausgeübt. Die angefochtene Verwaltungsentscheidung bedeute den Verlust seiner Existenz. Auch dies hätte der Antragsgegner berücksichtigen müssen.

Am 27. März 2015 erhob die Staatsanwaltschaft B-Stadt beim AG O. Anklage gegen den Antragsteller wegen des Vorfalls am …. 2014 wegen Vergehens strafbar nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie darüber hinaus wegen Besitzes einer jugendpornographischen Bilddatei auf seinem Laptop jedenfalls am … 2014, strafbar nach §§ 184c, 11 Abs. 3, 53 StGB - N. -. Termin zur Hauptverhandlung ist anberaumt.

Unter dem 27. Mai 2015 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zu der von ihm beabsichtigten Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufsbescheides an. Der Antragsteller äußerte sich nicht.

Mit Verfügung vom 8. Juli 2015 ordnete der Antragsgegner daraufhin die sofortige Vollziehung der Regelung zu Ziffer 1) seines Bescheides vom 6. November 2014 an und verwies auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft B-Stadt. Darüber hinaus seien zwischenzeitlich im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens die oben dargestellte Verurteilung durch das AG G. sowie das oben dargestellte Verfahren vor dem AG K. bekannt geworden. Es liege ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Berufserlaubnis des Antragstellers vor. Es bestehe eine Gefahr für die dem Antragsteller anvertrauten Patienten. Er biete nicht die Gewähr, die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten eines Rettungsassistenten zu beachten. Sein in den letzten Wochen und Monaten immer detaillierter bekannt gewordenes strafrechtlich relevantes Verhalten lasse vielmehr den Schluss zu, dass er eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstelle. Angesichts des erheblichen öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Widerrufs der Erlaubnis zur Ausübung des Berufs „Rettungsassistent“ stehe es in seinem - des Antragsgegners - Ermessen, die sofortige Vollziehung anzuordnen. Im Ergebnis der Abwägung der betroffenen Interessen und unter Berücksichtigung der Schwere und Dringlichkeit des Interesses an der Vollziehung trete das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage zurück. Wegen des hohen Ranges des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung und zur Aufrechterhaltung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Integrität des Personals im Rettungsdienst überwiege das öffentliche Interesse daran, den Widerruf der Berufserlaubnis nunmehr unverzüglich durchzusetzen. Im Falle des Antragstellers stehe seine Berufstätigkeit als Rettungsassistent bzw. Rettungssanitäter zur Disposition und damit die Möglichkeit der Finanzierung seines Lebensunterhalts. Dennoch ergebe sich aus der Schwere der Verstöße gegen seine Berufspflichten einerseits und der Art und Zahl der Verstöße andererseits, dass die Gefahr einer erneuten Schädigung der ihm anvertrauten Patienten bestehe. Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung könne der Antragsteller unter Umständen noch Jahre mit den vorgenannten negativen Auswirkungen tätig sein. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei daher unter Abwägung der zu berücksichtigenden Interessen angemessen und verhältnismäßig.

Mit einem am 27. Juli 2015 beim Verwaltungsgericht Hannover eingegangenen Schriftsatz begehrt der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz. Zur Begründung führt er aus, dass er hinsichtlich des Vorfalls am … 2014 seine Täterschaft bestreite. Er habe der Patientin S. keine Spritze verabreicht. Auch lägen die Tatbestände der §§ 223, 224 StGB nicht vor. Die bei der Patientin S. nachgewiesene Menge an Benzodiazepinen sei dermaßen gering, dass eine Verurteilung nach § 224 StGB (Körperverletzung durch Beibringung von Gift) ausscheide und auch die Relevanzgrenze des § 223 StGB nicht tangiert sei. Die Angaben der Zeugen hinsichtlich der Täterschaft des Antragstellers würden sich als höchst unzuverlässig und angreifbar herausstellen, so dass hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass er von den gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfen freigesprochen werde. Hinsicht des Vorwurfs des Besitzes einer jugendpornographischen Bilddatei sei zu berücksichtigen, dass nur der Besitz eines einzigen Bildes angeklagt sei. Ein bewusstes Abspeichern des Materials habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. In subjektiver Hinsicht liege kein Vorsatz vor. Deshalb könne hieraus nicht geschlossen werden, dass das Wohl der ihm anvertrauten Patienten derartig gefährdet sein solle, dass eine sofortige Vollziehung des Widerrufs im öffentlichen Interesse liege. Die Verurteilung durch das AG G. liege elf Jahre zurück. Das Verfahren vor dem AG K. sei vor fünf Jahren wegen geringer Schuld eingestellt worden. Nach so langer Zeit könne eine Gefährdung des öffentlichen Interesses nicht mehr festgestellt werden. Er verliere sofort seine Existenzgrundlage. Er wäre auf absehbare Zeit ohne Einkünfte. Er habe in seinem weiteren erlernten Beruf als P., den er 1991 abgeschlossen habe, nur 1/2 Jahr gearbeitet. Sein privates Interesse an der weiteren Ermöglichung eines Einsatzes im Rettungsdienst habe deshalb Vorrang.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung seiner am 26. November 2014 erhobenen Klage 7 A 13212/14 gegen die nachträglich mit Verfügung des Antragsgegners vom 8. Juli 2015 für sofort vollziehbar erklärte Regelung zu Ziffer 1) der Entscheidungsformel des Bescheides des Antragsgegners vom 6. November 2014 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verteidigt seine Anordnung. Die aufgrund eines Strafbefehls (hier: des AG I.) enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen dürften regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen Entscheidung über den Widerruf der Erlaubnis gemacht werden. Der Einwand des Antragstellers, er habe den Strafbefehl nur auf Anraten seines damaligen Verteidigers akzeptiert, führten zu keinem anderen Ergebnis. Denn er habe darüber hinaus von sich aus erklärt, dass er sich die Angelegenheit eine Lehre sein lassen wolle und künftig die juristischen Vorgaben seines Berufes penibel einhalten werde. Nunmehr werde dem Antragsteller in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft B-Stadt wiederum eine unerlaubte, medizinisch unbegründete Medikamentengabe vorgeworfen. Der Antragsteller bestreite sämtliche Vorwürfe und mache gegenwärtig von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch. Der Verwaltungsbehörde sei es jedoch nicht verwehrt, die im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel einer eigenständigen Überprüfung darauf zu unterziehen, ob sich daraus hinreichende Schlussfolgerungen für das Vorliegen der Voraussetzungen für den hier in Rede stehenden Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ ergäben. Nach der ausgewerteten Strafakte sei davon auszugehen, dass der Antragsteller der Patientin S. am … 2014 unerlaubt die Medikamente Ketanest und Dormicum verabreicht habe. Dies habe eine vergleichende Untersuchung der gleich zu Beginn im RTW entnommenen Blutprobe der Patientin mit der Blutprobe ergeben, die bei Klinikaufnahme entnommen worden sei. Zudem wurde im Abwurfbehälter des RTW eine leere Ampulle Dormicum gefunden. Die Ausführungen des Antragstellers stellten sich als Schutzbehauptungen dar. Es bestehe eine hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit. Außerdem seien inzwischen die weiteren Straftaten des Antragstellers gegen die sexuelle Selbstbestimmung bekannt geworden. Entgegen der Klage- und Antragsbegründung seien auch die privaten Interessen des Antragstellers nicht verkannt oder fehlgewichtet worden. Angesichts des besonders wichtigen Schutzguts der Gesundheit der Bevölkerung sei der Widerruf der Erlaubnis auch in Ansehung der privaten Situation des Antragstellers mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die dem Antragsteller vorgeworfenen Handlungen in Ausnutzung seiner Stellung als Rettungsassistent erfolgt seien. Angesichts der genannten Umstände lägen hinreichende Tatsachen vor, die die Prognose rechtfertigten, dass der Antragsteller aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr dafür biete, die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Der Widerruf der Erlaubnis sei auch nicht unverhältnismäßig

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorzitierten Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen, die dem Gericht zur Entscheidung vorgelegen haben.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat teilweise Erfolg.

Soweit die dem Antragsteller am … 2001 erteilte Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ widerrufen worden ist, bleibt der Antrag erfolglos. Soweit außerdem die „Befugnis der Rettungssanitäterbefähigung, ausgestellt  1993“ (richtig: Zeugnis vom … 1993 über die Rettungssanitäterprüfung und Bescheid über die Anrechnung auf die Rettungsassistentenausbildung) widerrufen worden ist, hat das vorläufige Rechtsschutzbegehren hingegen Erfolg.

Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller rechtzeitig erhobenen Klage gegen den formell ordnungsgemäß nach § 80 Abs. 3 VwGO mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Widerrufsbescheid des Antragsgegners wiederherstellen, wenn das private Interesse des Antragstellers an der vorläufigen weiteren Ausübung der Berufe „Rettungsassistent“, hilfsweise „Rettungssanitäter“ das vom Antragsgegner besonders begründete öffentliche Interesse an der sofortigen Verhinderung der Berufsausübung unter diesen Bezeichnungen überwiegt.

1. Dies ist bei dem Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ nicht der Fall, weil sich der Widerruf bei summarischer Überprüfung als rechtmäßig erweist.

Der Antragsgegner darf gemäß § 1 Abs. 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - NVwVfG - i.V.m. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 und 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes - VwVfG - die dem Antragsteller vom Q. Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung am … 2001 erteilte Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, die Erlaubnis nicht zu erteilen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Unabhängig hiervon darf die Erlaubnis widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.

Der Antragsgegner ist gemäß Nr. 1 des Gem. RdErl. d. MI und des MS vom 23.11.2004 (Nds. MBl. S. 866) sachlich zuständig. Seine örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 49 Abs. 5, 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG. Nachdem dem Antragsteller von seinem R. Arbeitgeber aufgrund des Vorfalls am … 2014 außerordentlich gekündigt worden war und das Regierungspräsidium M. dem Antragsgegner die Sache unter Hinweis auf dessen örtliche Zuständigkeit übermittelt hatte, ist auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners abzustellen.

Das bundesrechtliche Rettungsassistentengesetz - RettAssG - ist gemäß Art. 5 Satz 2 des Gesetzes über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 22.5.2013 (BGBl. I S. 1348) am 31. Dezember 2014 außer Kraft getreten. Gemäß § 30 des Notfallsanitätergesetzes - NotSanG - (= Art. 1 des vorbezeichneten Gesetzes) dürfen Rettungsassistenten wie der Antragsteller, die eine Erlaubnis nach dem RettAssG besitzen, die Berufsbezeichnung weiterhin führen. Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ war nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 RettAssG, dass sich der Antragsteller nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt. Unzuverlässigkeit setzt ein Verhalten voraus, das nach Art, Schwere und Anzahl von Verstößen insbesondere gegen Berufspflichten die zu begründende Prognose rechtfertigt, der Betroffene biete aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Dabei sind die gesamte Persönlichkeit des Betroffenen und seine Lebensumstände zu würdigen, so dass auch nicht berufsbezogene Verfehlungen die Unzuverlässigkeit begründen können. Rettungsassistenten haben nach § 3 RettAssG die Aufgabe, entsprechend der Aufgabenstellung des Berufs als Helfer des Arztes insbesondere am Notfallort bis zur Übernahme der Behandlung durch den Arzt lebensrettende Maßnahmen bei Notfallpatienten durchzuführen, die Transportfähigkeit solcher Patienten herzustellen, die lebenswichtigen Körperfunktionen während des Transports zum Krankenhaus zu beobachten und aufrechtzuerhalten sowie kranke, verletzte und sonstige hilfsbedürftige Personen, auch soweit sie nicht Notfallpatienten sind, unter sachgerechter Betreuung zu befördern. Im Mittelpunkt ihrer Berufspflichten steht daher die sachgerechte Wahrnehmung der genannten medizinischen Tätigkeiten (Nds. OVG, Beschluss vom 29.7.2009 - 8 PA 95/09 - Kurzwiedergabe in MedR 2009, S. 659; vgl. auch VG Mainz, Urteil vom 24.1.2005 - 6 K 727/04 - GesR 2005; S. 281; VG Gießen, Urteil vom 5.9.2013 - 8 K 2795/12.GI - DÖV 2014, S. 90 Ls).

Der Antragsteller bietet aufgrund seines bisherigen Verhaltens nicht mehr die Gewähr dafür, dass er die berufsspezifischen Pflichten eines Rettungsassistenten beachtet. Ein Rettungsassistent, der im Zusammenhang mit seinem Einsatzdienst wegen einer vorsätzlichen Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit einer ihm anvertrauten Patientin einen Strafbefehl erhalten hat und gegen den mittlerweile Anklage wegen einer weitgehend identischen Straftat erhoben und Termin zur Hauptverhandlung bereits anberaumt worden ist, kann nicht mehr als zuverlässig zur Ausübung des Berufs angesehen werden (a). Entsprechendes gilt für eine strafgerichtliche Verurteilung wegen des sich Verschaffens von kinderpornographischen Schriften auf der Rettungswache und einer erneuten Anklage wegen Besitzes einer jugendpornographischen Bilddatei - in diesem Fall - auf einem privaten Rechner (b). Im Fall des Antragstellers kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass er sich die bislang erfolgten strafgerichtlichen Verurteilungen zur Warnung gereichen ließ. Eine Prognose der Rechtstreue kann nicht abgegeben werden. Vielmehr hat der Antragsgegner zu Recht die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten angenommen (c). Der Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ wird sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch als ermessengerecht und insbesondere verhältnismäßig erweisen (d.).

a) Der Antragsteller wurde wegen des Vorfalls im Einsatzdienst 2011 zum Nachteil der Patientin L. wegen vorsätzlicher Körperverletzung rechtskräftig bestraft. Er hatte der Patientin, die selbst Gesundheits- und Krankenpflegerin war, rechtswidrig die Medikamente Ketanest und Dormicum verabreicht und sie damit in ihrer Gesundheit (zusätzlich) beschädigt.

Ketanest (Wirkstoff Esketamin) dient der Einleitung und Durchführung einer Allgemeinanästhesie, ggf. in Kombination mit Hypnotika, der Supplementierung von Regionalanästhesien sowie der Anästhesie und Analgesie in der Notfallmedizin. Es besteht der Warnhinweis, dass der Einsatz als Narkotikum nur durch einen in der Anästhesie oder Notfallmedizin erfahrenen Arzt erfolgen soll, wenn die Möglichkeit zur Intubation und Beatmung des Patienten besteht (Aspiration und/oder Atemdepression möglich) (Rote Liste 2015, S. 993). Dormicum (Wirkstoff Midazolam) ist ein schlafinduzierendes Mittel mit kurzer Wirkungsdauer: Indikationen sind: Analgosedierung vor und während diagnostischen und therapeutischen Eingriffen mit oder ohne Lokalanästhesie. Prämedizinisch vor Narkoseeinleitung und Sedierung auf der Intensivstation sowie Narkoseeinleitung (Rote Liste 2015, S. 772).

Für eine Anwendung lege artis im Rettungsdienst wird im notfallmedizinischen Schrifttum ausgeführt: Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Notärzte Deutschlands (BAND) e.V. und die „Sektion Rettungswesen“ der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sehen in ihrer Stellungnahme vom 2.12.2004 (im Internet) die kombinierte Anwendung von Ketamin/Eskatamin mit einem Benzodiazepin (hier: Midazolam) in der Hand von Rettungsassistenten als eine Anwendung mit ernsten Nebenwirkungs-/Komplikationsmöglichkeiten, die alle sicher beherrscht werden müssten. Analog zur Anwendung von Opioden sei daher auch hier davon auszugehen, dass es sich bei der unumgänglichen Notwendigkeit zur Applikation von Ketamin/Benzodiazepin um eine Analgesieform bei Unfall(Notfall-)Patienten handeln werde, die zuvor den Einsatz des Notarztes erforderlich mache. Damit scheide nach Auffassung dieser Institutionen Ketamin/Esketamin als Analgetikum der Notkompetenz des Rettungsassistenten aus. Denkbar wäre die Applikation von Ketamin durch Rettungsassistenten in der Ausnahmesituation des Massenanfalls von Verletzten. Dann läge jedoch eine zulässige unmittelbare Delegation im Einzelfall durch einen am Unfallort anwesenden Notarzt vor und keine im Rahmen der Notkompetenz durchgeführte Applikation. Der delegierende Notarzt trage dann persönlich die Anordnungsverantwortung. Dementsprechend hat das rheinland-pfälzische Ministerium des Innern und für Sport seinen zuständigen Behörden für den Rettungsdienst empfohlen, Rettungsassistenten die (selbständige) Verabreichung von Ketanest zu untersagen (Drucksache 15/3770 des Landtages Rheinland-Pfalz vom 10.9.2009). Ob für Notfallsanitäter, die auf der Grundlage des seit 1. Januar 2014 geltenden NotSanG über einen längeren Zeitraum und unter anderen Voraussetzungen ausgebildet wer, Entsprechendes gilt, kann dahingestellt bleiben. Denn der Antragsteller ist lediglich Rettungsassistent.

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob dem Antragsteller als Rettungsassistent bereits grundsätzlich, zumindest aber von der Hilfsorganisation als seinem Arbeitgeber die Injektion der Medikamente Ketanest und Dormicum ohne vorherige ärztliche Einzelweisung untersagt war. Denn die Verabreichung erfolgte ohne das Vorliegen einer medizinischen Indikation und ohne Einwilligung der Patientin, wie aus dem Inhalt des Strafbefehls und der Strafanzeige der Patientin folgt. Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Antragsteller nach dem Akteninhalt gegenüber dem Kollegen im Einsatzdienst, dem Zeugen K, äußerte, dass er sich im Hinblick auf seine individuelle Qualifikation nicht an das Gesetz gebunden fühle. Ebenso auffällig ist nach dem Akteninhalt, dass das Doppel der Einsatzdokumentation nach Übergabe der Patientin an das Krankenhaus hinsichtlich der Abgabe des Medikaments „Ketanest“ in „Novalgin“ verändert wurde.

Der Antragsgegner ist berechtigt, den ihm am 8. September 2014 bekannt gewordenen Strafbefehl des AG I. vom … 2011 seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Der Betroffene muss in einem berufsrechtlichen Widerrufsverfahren den einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt grundsätzlich gegen sich gelten lassen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann anzuerkennen, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen gegeben sind, insbesondere bei Vorliegen neuer Tatsachen oder Beweismittel, die nach § 359 Nr. 5 StPO ein Wiederaufnahmeverfahren zulässig machen (vgl. VG des Saarlandes, Urteil vom 13.12.2011 - 1 K 2268/10 - Rdnr. 81 mwN aus der Rechtsprechung des BVerwG). Davon kann vorliegend keine Rede sein, nachdem der Antragsteller selbst ausgeführt hatte, er werde sich die Angelegenheit eine Lehre sein lassen und werde zukünftig die Vorgaben seines Berufes penibel einhalten.

Ebenso durfte der Antragsgegner auf den vom Regierungspräsidium M. angezeigten Vorfall im Einsatzdienst am … 2014 abstellen, der mittlerweile von der Staatsanwaltschaft B-Stadt zur Anklage gebracht und hinsichtlich dessen vom AG O. Termin zur Hauptverhandlung anberaumt ist. Nach dem Inhalt der Anklageschrift soll der Antragsteller der Jugendlichen S., die einen Schwächeanfall nach Fasten im Ramadan erlitten hatte, ebenfalls im RTW die Medikamente Ketanest und Dormicum ohne medizinische Indikation verabreicht und sie damit zusätzlich in ihrer Gesundheit beschädigt haben. Dass die Verabreichung eines Narkoseeinleitungsmittels bei einer Patientin, die lediglich einen Schwächeanfall erlitten hatte, absolut kontraindiziert ist, erschließt sich bereits dem medizinischen Laien. Auffällig ist, dass bei der polizeilichen Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers ein Vorrat an Ketamin i.v.- und Midazolam i.v.-Ampullen vorgefunden wurden, die nach Angaben des Antragstellers gegenüber der Polizei nach einem „letzten Großeinsatz übrig geblieben seien“.

Die Unschuldsvermutung steht der Berücksichtigung des zur Anklage gebrachten erneuten Vorwurfs einer vorsätzlichen Körperverletzung im rettungsdienstlichen Einsatz zum Nachteil der Patientin S. nicht entgegen. Die Unzuverlässigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 RettAssG und ein so begründeter Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 5 VwVfG darf nicht erst dann ergehen, wenn das (erneute) Vergehen durch rechtskräftiges strafgerichtliches Urteil festgestellt worden ist. Denn bei dem Widerruf der geschützten Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ wegen Unzuverlässigkeit handelt es sich um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr, die unabhängig davon ergehen kann, ob das zugrunde liegende Verhalten überhaupt einen Straftatbestand erfüllt. Zwar muss das in § 2 Abs. 1 Nr. 2 RettAssG erwähnte Verhalten schuldhaft, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig sein (vgl. Kurtenbach/Gorgass/Raps, RettAssG, 2. Aufl., Erl. zu § 2, S. 80), jedoch hat sich die Widerrufsbehörde eine eigene Überzeugung zu bilden. Vorliegend ist die Berücksichtigung des Vorfalls vom 28. Juni 2014 durch den Antragsgegner nicht zu beanstanden, weil der Antragsteller im Strafverfahren den Vorwurf zwar bestreitet, jedoch gleichzeitig von seinem Aussageberweigerungsrecht Gebrauch macht und der Akteninhalt auf eine sehr hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit als Wiederholungstäter hindeutet.

Der Antragsteller ist erneut im Zusammenhang mit einer vorsätzlich unberechtigten und medizinisch nicht indizierten Medikamentenapplikation aufgefallen, die zu Nachteilen bei einer ihm zur Obhut anvertrauten Patientin geführt hat. Da der Antragsteller ersichtlich eine rational nicht zu erklärende Affinität zu den Medikamenten Ketanest und Dormicum besitzt, die sich auch in dem häuslichen Horten von aus Einsatzbeständen abgezweigten entsprechenden Ampullenvorräten äußert, besteht die konkrete Gefahr, dass er beim weiterem Einsatz im Rettungsdienst abermals hilflosen Patienten diese gefahrengeneigten Medikamente grundlos verabreicht. Der Rettungsdienst muss die am Einsatzort erforderlichen medizinischen Maßnahmen (s. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes - NRettDG -) gemäß den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden allgemein anerkannten fachlichen Standards (s. § 630a Abs. 2 BGB, § 2 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - SGB V -) durchführen. Hierzu bedarf es Einsatzpersonals, das die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt (s. § 10 NRettDG). Einsatzpersonal, das unberechtigt indikationslos gefahrengeneigte Medikamente verabreicht, fehlt diese erforderliche Zuverlässigkeit.

b) Der Antragsteller wurde 2004 wegen des sich Verschaffens kinderpornographischer Schriften auf der Rettungswache rechtskräftig bestraft. Die Verurteilung ist im Bundeszentralregister getilgt und wurde dem Antragsgegner erst im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bekannt. Er hat sie bei der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs berücksichtigt.

Auch hierzu ist der Antragsgegner berechtigt. Zwar darf gemäß § 51 Abs. 1 des Bundeszentralregistergesetzes - BZRG - die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen nach Tilgung im Register nicht mehr vorgehalten oder zu seinem Nachteil verwertet werden. Abweichend hiervon darf sie jedoch gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 BZRG berücksichtigt werden, wenn der Betroffene - wie hier - die Aufhebung einer die Ausübung seines Berufes untersagenden Entscheidung beantragt und die Belassung der Erlaubnis zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde. So verhält es sich hier, weil der Antragsgegner den Widerruf auch auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG gestützt hat, der die Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl zum Gegenstand hat. Dies ist nicht zu beanstanden.

In der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine Verurteilung wegen des Besitzes von kinderpornographischen Bildern den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Krankenpfleger“ rechtfertigt, weil nicht auszuschließen ist, dass der Betrachter kinderpornographischer Darstellungen zum Kindesmissbrauch angeregt wird. Es könne deshalb nicht mehr verantwortet werden, ihm die Pflege von ihm anvertrauten Kindern zu überlassen (Nds. OVG, Beschluss vom 27.5.2009 - 8 ME 62/09 - NJW 2009, S. 3467). Entsprechend verhält es sich mit einem Rettungsassistenten, der sich im Rettungsdient kinderpornographisches Material verschafft hat, weil auch im Rettungsdienst Kindernotfälle zu versorgen und Kinder im RTW vom Antragsteller zu transportieren sind. Da in solchen Situationen Erziehungsberechtigte nicht immer zugegen sind (z.B. Schulwegeunfall), ist die Berücksichtigung der Verurteilung durch das AG G. bei der Entscheidung über die sofortige Vollziehung des Widerrufs durch den Antragsgegner nicht zu beanstanden.

Nunmehr ist der Antragsteller erneut wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung angeklagt, indem ihm der Besitz eines jugendpornographischen Bildes zur Last gelegt wird. Hier gilt das oben zu II.1.a) Ausgeführte. Der Antragsteller bestreitet den Besitz nicht und stellt u.a. auf fehlenden Vorsatz und darauf ab, dass es sich um eine einzige Bilddatei handelt. Berücksichtigt werden muss jedoch, dass der Antragsteller allein auch ihm anvertraute weibliche Jugendliche im Transportraum des RTW transportiert, wie in dem zugleich zur Anklage gebrachten Vorfall vom … 2014. Der Antragsgegner ist wegen der hohen Verurteilungswahrscheinlichkeit auch in diesem Fall berechtigt, den Vorwurf zu berücksichtigen.

c) Bereits die erfolgten strafgerichtlichen Verurteilungen werden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit den Widerruf der dem Antragsteller erteilten Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ rechtfertigen. Die Anklage wegen weitgehend identischer Tatvorwürfe rechtfertigen die Prognose des Antragsgegners, dass es zu erneuten Verfehlungen insbesondere zum Nachteil der anvertrauten Patienten kommen wird. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein schuldhaftes Verhalten des Antragstellers festzustellen ist. Die Patienten im Rettungsdienst müssen darauf vertrauen dürfen, dass ihnen nicht willkürlich indizierte gefahrengeneigte Medikamente von nichtärztlichem Rettungsdienstpersonal verabreicht werden. Bei dem Antragsteller besteht eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit, nachdem bei der polizeilichen Wohnungsdurchsuchung eine Sammlung der streitbefangenen Medikamente gefunden worden ist. Ebenso müssen die Patienten darauf vertrauen, dass sie nicht von Rettungsassistenten versorgt und transportiert werden, die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begehen. Ein von solchen Vorwürfen freier Rettungsdienst stellt ein besonders hohes Schutzgut dar, weil die Patienten häufig hilf- und schutzlos sind sowie in dieser Lage besonders dem Rettungsdienst, dessen Personal sie sich nicht aussuchen können, vertrauen müssen.

Sämtliche vom Antragsgegner berücksichtigten Tatsachen sind ihm innerhalb der Jahresfrist nach §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 VwVfG bekannt geworden.

d) Der Antragsgegner hat trotz der knapp gehaltenen Begründung in dem Widerrufsbescheid vom 6. November 2014 seinen Ermessensspielraum nicht verkannt. Er hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er den begünstigenden Verwaltungsakt widerrufen „kann“. Außerdem hat er darauf hingewiesen, dass der Antragsteller auf die ihm eröffnete Anhörungsmöglichkeit nicht reagiert habe. In einem solchen Fall, in dem die privaten Belange des Antragstellers an einem Behalt der Berufserlaubnis nicht gesondert dargelegt werden und andererseits eine Gefahr für das öffentliche Interesse vorliegt, sind weitere Ausführungen zu den privaten Belangen des Betroffenen entbehrlich. Denn die Behörde ist nicht verpflichtet, von Amts wegen unbenannte private Belange in ihre Ermessensentscheidung einzustellen.

Dessen ungeachtet ist der Antragsgegner gemäß §§ 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, Absatz 2, 114 Satz 2 VwGO berechtigt, die Ermessensentscheidung zu ergänzen und Ermessenserwägungen nachzuholen. Dies kann auch im Rahmen der Begründung der nachträglichen Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erfolgen. Zwar dient die besondere Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO der Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und ist damit nicht deckungsgleich mit der Begründung des Verwaltungsaktes nach § 39 Abs. 1 VwVfG. Werden jedoch der Behörde - wie hier - nach Ergehen des Verwaltungsaktes weitere Tatsachen bekannt, die nicht nur den Inhalt des Verwaltungsaktes rechtfertigen, sondern auch dessen nachträgliche sofortige Vollziehung, und macht der Betroffene erstmals im gerichtlichen Verfahren eigene Belange geltend, können Ermessenserwägungen auch in diesem Rahmen nachgeholt werden.

Die vom Antragsgegner in der ausführlichen Begründung der Verfügung vom 8. Juli 2015 über die nachträgliche Anordnung der sofortigen Vollziehung getroffene Abwägung der widerstreitenden Belange weist bei summarischer Überprüfung keine Ermessensfehler im Sinne von § 114 Satz 1 VwGO auf. Der Antragsteller kann auf seine erste Berufsausbildung als P. verwiesen werden. Er hat keine Unterhaltspflichten. Die von ihm ausgehende Gefahr für die bedrohten Rechtsgüter im Rettungsdienst überwiegt.

Der Eingriff in die Berufsfreiheit des Antragstellers stellt sich deshalb auch nicht als unverhältnismäßig dar. Bereits die bisherigen Verurteilungen rechtfertigen bei summarischer Überprüfung den Widerruf der Berufserlaubnis. Da er im Hinblick auf den neuerlichen Vorwurf der unberechtigten und indikationslosen Medikamentengabe im Rettungsdienst von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht, darf der Antragsgegner auf den Akteninhalt abstellen. Danach ist von einer hohen Verurteilungswahrscheinlichkeit auszugehen, so dass der Eingriff nicht unverhältnismäßig ist.

e) Die Anordnung, die Erlaubnisurkunde herauszugeben, findet ihre Rechtsgrundlage in § 52 VwVfG. Nach Anordnung der sofortigen Vollziehung ist die Wirksamkeit der erteilen Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ nicht mehr gegeben (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl., § 52 Rdnr. 7 mwN).

2. Hingegen ist der vorläufige Rechtsschutzantrag des Antragstellers begründet, soweit ihm der Antragsgegner die „Befugnis der Rettungssanitäterbefähigung“ widerrufen und ihm aufgegeben hat, das „Rettungssanitäterzeugnis (einschließlich aller Abschriften und Kopien)“ herauszugeben.

Der lediglich über 520 Stunden ausgebildete „Rettungssanitäter“ besitzt anders als der über zwei Jahre ausgebildete „Rettungsassistent“ kein geschütztes Berufsbild. Insbesondere wird ihm keine Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungssanitäter“ erteilt. Diese kann ihm deshalb auch nicht entzogen werden. Anders als beim Rettungsassistenten (§ 12 RettAssG, nunmehr §§ 28 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 30 NotSanG) ist das unberechtigte Führen der Bezeichnung „Rettungssanitäter“ auch nicht bußgeldbewehrt (vgl. auch Kurtenbach/Gorgaß/Raps, aaO, Erl. § 12 S. 118). Dementsprechend gibt es auch nicht die in der Entscheidungsformel des Bescheides genannte „Befugnis der Rettungssanitäterbefähigung“. Der Rettungssanitäter wird nach Landesrecht ausgebildet. Die Rechtsgrundlagen wurden u.a. auf der Ermächtigungsgrundlage der jeweiligen landesrechtlichen Rettungsdienstgesetze im Verordnungsweg oder durch Richtlinien erlassen.

In Niedersachsen gilt auf der Ermächtigungsgrundlage des § 30 Abs. 1 NRettDG seit 1. Januar 1994 die Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitätern (Nieders. GVBl. S. 591) - APVO-RettSan -, die seit 1. Juli 2014 durch die neugefasste Verordnung vom 17.12.2013 (Nds. GVBl. 2014, S. 2, 73), zuletzt geändert durch Verordnung vom 21.2.2014 (Nds. GVBl. S. 73) abgelöst ist. § 9 Abs. 1 Nr. 4 APVO-RettSan verlangt für den Zugang zur Ausbildung, dass der Bewerber die für die Tätigkeit als Rettungssanitäter erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Die Ausbildung soll nach § 1 Abs. 2 APVO-RettSan dazu befähigen, beim Krankentransport Patienten selbständig zu betreuen sowie bei der Notfallrettung Fahrer- und Helferfunktionen auszuüben. Über das Bestehen der staatlichen Abschlussprüfung erhält der Bewerber gemäß §§ 20 Abs. 1, 11 Abs. 1 APVO-RettSan ein Zeugnis. Bis zum 1. Juli 2014 war Zugangsvoraussetzung zur Ausbildung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 APVO-RettSan a.F. ein amtliches Führungszeugnis, aus dem sich eine Unzuverlässigkeit nicht ergibt. Das Ausbildungsziel ergab sich aus § 2 APVO-RettSan a.F.. Über die bestandene Prüfung vor dem Landesprüfungsausschuss erhielt der Prüfling gemäß § 16 Abs. 1 APVO-RettSan a.F. ein Zeugnis. Vor dem 1. Januar 1994 wurden Rettungssanitäter in Niedersachsen nach der Lehrgangsregelung für Rettungssanitäter als Anlage zu einem ministeriellen Erlass ausgebildet (Anlage 1 zum Erlass d. MS vom 16.11.1978, Nds MBl. S. 2056) - LgR RettSan a.F. -. Zugang zur Ausbildung erhielt gemäß § 2 lit. e) LgR-RettSan a.F., wer sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich eine Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufes ergibt. Das Aufgabengebiet wurde in § 1 LgR-RettSan a.F. geregelt. Der Prüfungsteilnehmer erhielt nach bestandener Prüfung vor dem bei der Rettungssanitäterschule eingerichteten Prüfungsausschuss gemäß § 14 Abs. 1 LgR-RettSan a.F. ein Zeugnis, das vom Prüfungsvorsitzenden und dem Leiter der Rettungssanitäterschule zu unterzeichnen ist.

Der Antragsteller hat durch die auf Veranlassung des Gerichts erfolgte Vorlage seines Zeugnisses vom … 1993 glaubhaft gemacht, dass er seine Prüfung zum Rettungssanitäter 1993 in Rheinland-Pfalz abgelegt hat. Zu diesem Zeitpunkt gab es bei summarischer Überprüfung in Rheinland-Pfalz keine staatlichen Vorschriften über die Ausbildung zum Rettungssanitäter. Diese wurden vielmehr erst am 10. Januar 1995 vom rheinland-pfälzischen Ministerium des Innern und für Sport im Einvernehmen mit dem Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit in Gestalt der „Richtlinie für die Ausbildung von Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitätern in Rheinland-Pfalz“ erlassen (StAnz. Rheinland-Pfalz, S. 81) - rh-pf Ril-RettSan -. Nach § 4 Nr. 4 rh-pf Ril-RettSan erhält Zugang zur Ausbildung zum Rettungssanitäter, wer ein amtliches Führungszeugnis vorlegt, aus dem sich die Unzuverlässigkeit nicht ergibt. Ist die Prüfung in allen Teilen bestanden, erhält die geprüfte Person gemäß § 13 Abs. 3 rh-pf Ril-RettSan ein Zeugnis.

Danach ist mit Geltung für das vorläufige Rechtsschutzverfahren davon auszugehen, dass die Ausbildung des Antragstellers zum Rettungssanitäter 1993 in Rheinland-Pfalz nicht auf staatlicher Rechtsgrundlage erfolgt ist, wie auch dadurch belegt wird, dass im Zeugnis des Antragstellers als ausstellende Institution die „Lehranstalt für Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes, Landesverband Rheinland-Pfalz, Mainz“ ausgewiesen wird. Beim DRK-Landesverband Rheinland-Pfalz handelt es sich um einen eingetragenen Verein (e.V.). Das Zeugnis ist zwar auch von den rheinland-pfälzischen Ministerien für Umwelt und Gesundheit sowie des Innern und für Sport gesiegelt. Eine Rechtsgrundlage für das Zeugnis wird jedoch nicht genannt. Verwaltungsakt ist das Zeugnis gleichwohl zumindest insoweit, als dem Antragsteller zugleich bescheinigt wird, dass er die fachliche Eignung im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 RettAssG erfüllt. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Regelung, nach der die erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zum Rettungssanitäter nach dem 1977 vom Bund/Länderausschuss „Rettungswesen“ beschlossenen 520-Stunden-Programm in vollem Umfang auf den Lehrgang nach § 4 RettAssG anzurechnen ist.

Die Kammer hat danach bei summarischer Überprüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren durchgreifende Zweifel, ob im Falle der nachträglich eingetretenen Unzuverlässigkeit eines Rettungssanitäters dessen Prüfungszeugnis nach § 49 VwVfG widerrufen werden kann, wenn dieses Zeugnis lediglich das Bestehen der Abschlussprüfung bestätigt und die Anrechnung der Ausbildung auf eine spätere Ausbildung zum Rettungsassistenten regelt; insbesondere dann, wenn die Zuverlässigkeit nach dem jeweilig zugrunde zu legenden Landesrecht (hier: Rheinland-Pfalz) in einer späteren Richtlinie - vermittelt durch Vorlage eines amtlichen Führungszeugnisses - lediglich als Zugangsvoraussetzung zur Ausbildung bezeichnet und eine Erlaubnis zum Führen einer Berufsbezeichnung durch das Zeugnis nicht vermittelt wird.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der Antragsteller seine Qualifikation als Rettungssanitäter gegenüber einem Rettungsdienst-Arbeitgeber in Ermangelung einer gesonderten Berufserlaubnis durch Vorlage des Zeugnisses nachweist und dieser u.U. keine Kenntnis vom Vorliegen einer zwischenzeitlich eingetretenen Unzuverlässigkeit haben kann. Gleichwohl bleibt es dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, ob in einem solchen Fall der Widerruf des Rettungssanitäterzeugnisses sowie die Anordnung der Herausgabe dieses Zeugnisses in Betracht kommt oder ob auf eine ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung zurückgegriffen werden muss.

Nach alledem war dem vorläufigen Rechtsschutzantrag teilweise stattzugeben. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kammer gewichtet das Unterliegen des Antragstellers hinsichtlich der höherwertigen Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Rettungsassistent“ mit 2/3 des Streitgegenstandes.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Anzusetzen ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren 1/2 des Hauptsachstreitwertes von 15.000,00 €.