Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 05.01.2000, Az.: 4 U 34/99
Unzulässigkeit einer Klage vor einem deutschen Gericht mangels internationaler Zuständigkeit; Entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 05.01.2000
- Aktenzeichen
- 4 U 34/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 39325
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2000:0105.4U34.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück 18.06.1999 - AZ: 13 0 249/99
Rechtsgrundlagen
- Art. 1 CMR
- Art. 31 Nr. 1 CMR
- Art. 28 Abs. 4 EGBGB
Fundstellen
- IPRspr 2000, 112
- TranspR 2000, 128-129
In dem Rechtsstreit
...
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 1999
unter Mitwirkung
der Richter am Oberlandesgericht ..., ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. Juni 1999 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer - 1. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Osnabrück geändert.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 60.000,-- DM.
Entscheidungsgründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, § 543 Abs. 1 ZPO.
Das zulässige Rechtsmittel führt in Abänderung der angefochtenen Entscheidung zur Klag-abweisung. Die Klage ist vor einem deutschen Gericht mangels internationaler Zuständigkeit unzulässig. Das rügt die Beklagte in beiden Instanzen zu Recht.
Die Transportgeschäfte, aus denen die Klägerin ihre Ansprüche herleitet, unterliegen den Vorschriften der CMR. Nach dessen Artikel 1 gilt das Abkommen für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrage angegeben sind, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Das gilt ohne Rücksicht auf den Wohnsitz und die Staatsangehörigkeit der Parteien.
Im Fall 1 der Klageforderung (Transportauftrag vom 30.04.1998, Auftragsbestätigung vom 05.05.1998) war das Gut in Frankreich zu laden und in Rußland abzuliefern. Im Fall 2 der Klageforderung (Auftrag vom 27.04.1998, Bestätigung vom 30.04.1998) war es umgekehrt. Da Frankreich Vertragsstaat des CMR ist (vgl. Koller, Transportrecht, 2. Auflage 1995, Rdn. 6 zu Art. 1 CMR), sind die Voraussetzungen aus Artikel 1 CMR erfüllt. Daran ändert sich im Fall 2 der Klageforderung nichts dadurch, dass der Auftrag storniert worden ist. Die CMR-Vorschriften gelten nach herrschender Auffassung, der sich der Senat anschließt, auch für den nicht ausgeführten Frachtvertrag. Entscheidend ist, dass - wie hier - zunächst ein wirksamer Vertrag geschlossen wurde (vgl. Thume/Demuth, CMR, 1994, Rdn. 2 zu Art. 31; Koller a.a.O., Rdn. 1 zu Art. 31 CMR).
Für die gerichtlichen Zuständigkeiten in Streitfällen bestimmt Artikel 31 Nr. 1 CMR:
"Wegen aller Streitigkeiten aus einer diesem Übereinkommen unterliegenden Beförderung kann der Kläger, außer durch Vereinbarung der Parteien bestimmte Gerichte von Vertragsstaaten, die Gerichte eines Staates anrufen, auf dessen Gebiet
a)
der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt, seine Hauptniederlassung oder die Zweigniederlassung oder Geschäftsstelle hat, durch deren Vermittlung der Beförderungsvertrag geschlossen worden ist, oderb)
der Ort der Übernahme des Gutes oder der für die Ablieferung vorgesehene Ort liegt.Andere Gerichte können nicht angerufen werden."
Bei dieser Sach- und Rechtslage kann die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte vorliegend demnach nur gegeben sein, wenn die Parteien dies in wirksamer Weise vereinbart haben.
Dabei kann letztlich dahinstehen, ob überhaupt eine Vereinbarung vorliegt. Immerhin sind erhebliche Zweifel am Zustandekommen einer Vereinbarung angebracht. Im Auftrag und in der Bestätigung widersprechen sich die jeweils abgedruckten Bedingungen zum Gerichtsstand (lt. Auftrag "ausschließlich die Handelsgerichte von Brüssel"; lt. Bestätigung "ausschließlich Osnabrück"). In solchen Fällen soll das zur Folge haben, dass überhaupt keine Bedingungen vereinbart sind (OLG Frankfurt TranspR 1998, 458).
Selbst wenn man aber der Auffassung der Klägerin folgen wollte, dass nämlich Osnabrück als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart worden sei, so wäre diese Vereinbarung jedenfalls unwirksam. Es ist nämlich allseits anerkannt, dass eine Parteivereinbarung nur weitere internationale Gerichtsstände neben den Zuständigkeiten aus Artikel 31 CMR bereitstellen und keine der in Artikel 31 CMR genannten Zuständigkeiten derogieren darf (Thume a.a.O., Rdn. 27 zu Artikel 31 mit vielerlei Nachweisen; Koller a.a.O., Rdn. 2 zu Art. 31 CMR; Herber/Piper, CMR, 1996, Rdn. 20 zu Art. 31; OLG Hamburg TranspR 1984, 194). Anderslautende Vereinbarungen sind nach Artikel 41 CMR unwirksam (vgl. insgesamt auch Fremuth, TranspR 1983, 35 ff.).
Die in den Auftragsbestätigungen der Klägerin enthaltene Gerichtsstandsklausel stellt aber keinen weiteren internationalen Gerichtsstand neben diejenigen aus Art. 31 CMR. Nach Auffassung des Senats verbietet sich jede andere Wertung, wenn es in den Bedingungen heißt: "Gerichtsstand ist für beide Teile ausschließlich Osnabrück. Es gelten ausschließlich die obigen Bedingungen. Entgegenstehende oder abweichende Bedingungen des Auftraggebers erkennen wir nicht an, es sei denn, wir stimmen im Einzelfall ausdrücklich zu". Der Text ist nach seinem Wortlaut so eindeutig, dass er einer der Klägerin günstigen Auslegung nicht zugänglich ist. Insbesondere kann diese Klausel aus der entscheidenden Sicht des Erklärungsempfängers nicht bedeuten, das die Parteien mit dieser Klausel den internationalen Gerichtsstand Deutschland neben die anderen internationalen Möglichkeiten aus Artikel 31 CMR stellen und nur innerstaatlich Osnabrück ausschließlich vereinbaren wollten. Das wäre zwar möglich (vgl. Thume/Demuth/Seltmann a.a.O., Rdn. 27 zu Art. 31), kann aber wegen der eindeutig anders zu interpretierenden zitierten Klausel nicht in Betracht kommen.
Eine wirksame Parteivereinbarung im Sinne von Artikel 31 CMR liegt demnach nicht vor.
Soweit die Klägerin den Gerichtsstand Osnabrück aus Artikel 28 Abs. 4 EGBGB ableiten will, greift sie fehl. Zum einen liegen in beiden Fällen der Klageforderung weder Verlade- noch Entladeort in Deutschland. Zum anderen ist Artikel 31 CMR gegenüber Artikel 28 Abs. 4 EGBGB vorrangig (vgl. Palandt-Heldrich, BGB, 59. Auflage 2000, Rdn. 6 zu Art. 28 EGBGB).
Für die streitigen Forderungen ist daher nur ein in Artikel 31 CMR normierter Gerichtsstand gegeben. Dieser liegt international mangels wirksamer anderer Vereinbarung jedenfalls nicht in Deutschland. Die Klage ist daher unzulässig.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91; 708 Nr. 10, 711, 713; 546 Abs. 2 ZPO.