Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 03.01.2000, Az.: 15 U 63/99
Rechtshandlungen mit Bezug auf die Grundlagen einer Gesellschaft als von der Geschäftsführungsbefugnis ausgenommene Tätigkeiten; Gesamtschuldnerische Inanspruchnahme einer Gesellschaft sowie einzelner Gesellschafter wegen einer Einlagerückzahlung als Möglichkeit eines ausscheidenden Gesellschafters; Gemeinschaftliche Entgegennahme einer Einlage durch alle Gesellschafter als Voraussetzung eines Bereicherungsanspruchs des ausscheidenden Gesellschafters gegen die Gesellschafter
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 03.01.2000
- Aktenzeichen
- 15 U 63/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 31931
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2000:0103.15U63.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Aurich - 02.07.1999 - AZ: 4 O 287/99
Rechtsgrundlagen
- § 421 BGB
- § 709 Abs. 1 BGB
- § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB
Fundstellen
- DStZ 2000, 499 (Kurzinformation)
- NZG 2000, 542-543
In dem Rechtsstreit
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 2. Juli 1999 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jedoch wird dem Kläger gestattet, die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 13.000,-- DM abzuwenden, soweit nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Der Wert der Beschwer beträgt 105.000,-- DM.
Tatbestand
Dem Kläger wurde im Jahre 1997 über eine Firma P... Gesellschaft für professionelles Finanz-Marketing mbH ein von einer Firma D... M... und T... GmbH in E... erstellter Prospekt überreicht, in dem für eine Beteiligung an der "W... L... GbR", einer Fondsgesellschaft in Form eines geschlossenen Immobilienfonds, geworben wurde. Gründungsgesellschafter der GbR waren lt. Gesellschaftsvertrag die Beklagte zu 1. als geschäftsführende Gesellschafterin, die gem. § 4 des Vertrages keine Gesellschaftseinlage zu leisten hatte und an Kapital und Vermögen der Gesellschaft nicht beteiligt war und ist, sowie die Beklagte zu 2. mit einer Einlage von 10.000,-- DM, deren Geschäftsführer R... zugleich die steuerliche Beratung wahrnahm und ein Treuhandkonto der GbR verwaltete. Zur Zeit gehören der Gesellschaft ca. zwanzig weitere Gesellschafter mit Einlagen in nicht genannter Höhe an. Nach § 4 a des Vertrages ist die Haftung jedes Gesellschafters auf seine Quote am Gesamtkapital der GbR begrenzt. Am 18. November 1997 unterzeichnete der Kläger eine Beitrittserklärung zur GbR mit einer Einlage von 100.000,-- DM. Der ihm vorliegende Gesellschaftsvertrag wurde in der Erklärung als verbindlich anerkannt. Die Einlage nebst 5% Agio wurde am 28. November 1987 auf ein "T... GbR L..." des Steuerberaters R... eingezahlt.
Nachdem diverse Projektzusagen nicht eingehalten worden waren, vereinbarte der Kläger Anfang Oktober 1998 mit dem Steuerberater R... die Rückabwicklung seiner Beteiligung. Unter dem 9. Oktober 1998 teilte R... diesen Sachverhalt dem Finanzamt L... mit und bestätigte dem Kläger am selben Tage die getroffene Vereinbarung unter Hinweis darauf, dass er dementsprechend für 1997 und 1998 auch keine steuerlichen Verlustzuweisungen beanspruchen könne. Zugleich sagte er eine Rückzahlung der Einlage bis zum 19. Oktober 1998 zu. Nachdem keine Zahlungen erfolgten, mahnte der Kläger diese mehrfach an, woraufhin R... mit Schreiben vom 12. November 1998 mitteilte, der persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten zu 1. habe nunmehr - was unstreitig ist - der Rückzahlung zugestimmt, nachdem ein neuer Gesellschafter anstelle des Klägers in die GbR eingetreten sei. Eine Auszahlung des Geldes werde erfolgen, sobald der neue Gesellschafter seine Einlage gezahlt habe, was in den nächsten Tagen erwartet werde. Zahlungen erfolgten nicht.
Der Kläger nimmt nunmehr die Beklagten als Gesamtschuldner auf Rückzahlung der Einlage nebst Agio in Anspruch.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 105.000,-- DM nebst 5% Zinsen seit dem 29. Dezember 1998 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben die Auffassung vertreten, der Anspruch sei nicht gegen einzelne Gesellschafter, sondern gegen die GbR geltend zu machen. Im übrigen sei in § 4 a des Vertrages eine gesamtschuldnerische Haftung abbedungen und die Haftung auf die jeweilige Quote der Gesellschafter am Gesamtkapital der GbR beschränkt worden. Die Beklagte zu 2. hat bestritten, dass sie nach ihrem quotenmäßigen Anteil in Höhe von 10.000,-- DM zu haften habe. Schließlich werde bestritten, dass der neue Gesellschafter seine Einlage bereits erbracht habe. Der Anspruch sei daher nach § 4 Abs. 6 des Vertrages bislang ohnehin nicht fällig.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Unstreitig hätten sich der Kläger und die GbR zwar auf eine Rückzahlung seiner Einlage geeinigt. Die Gesellschafter hätten aber in § 4 a des Vertrages eine Haftungsbeschränkung auf die jeweilige Quote am Gesamtkapital der GbR vereinbart. Dies führe hinsichtlich der Beklagten zu 1. zu einer Haftungsbeschränkung auf Null, weil diese am Kapital der Gesellschaft nicht beteiligt sei. Hinsichtlich der Beklagten zu 2. lasse sich zwar eine Einlage von 10.000,-- DM feststellen, nicht hingegen, mit welcher Quote sie hafte. Da der Kläger hierzu nichts ermittelt habe, was im Auskunftsverfahren möglich gewesen wäre, sei die Klage auch insoweit abzuweisen.
Gegen diese, ihr am 7. Juli 1999 zugestellten, Entscheidung hat der Kläger am Montag, den 9. August 1999 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm gewährten Fristverlängerung am 29. September 1999 begründet.
Er ist der Auffassung, § 4 a des Vertrages stehe dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen. Abgesehen davon, dass schon in erster Instanz bestritten worden sei, dass die Geltung von § 4 a Gegenstand der Einigung geworden sei, seien Haftungsbeschränkungen der Gesellschafter im Außenverhältnis zwar für rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten der GbR zulässig, nicht hingegen hinsichtlich der bereicherungsrechtlichen Haftung. Um eine solche handele es sich aber hier, denn aufgrund der Rückabwicklungsvereinbarung sei es ex tunc zu einem Ausscheiden des Klägers aus der GbR gekommen, so dass damit der Rechtsgrund für die Zahlung der im Gesellschaftsvermögen befindlichen Einlage entfallen sei. Im übrigen hätten die Beklagten durch die getroffene Vereinbarung konkludent auf den Einwand fehlender bzw. nur anteiliger Haftung verzichtet. Die Beklagte zu 2. könne schließlich auch nicht die Höhe ihrer Haftungsquote schlicht bestreiten, denn es handele sich dabei um einen Umstand, der allein in ihrer Sphäre liege, während der Kläger infolge seines Ausscheidens aus der GbR keinerlei Zugang zu deren Unterlagen habe.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und entsprechend seinem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1.
Voraussetzung jeder Inanspruchnahme der Gesellschaft, d.h. des Gesamthandvermögens oder der Gesellschafter persönlich in dieser Eigenschaft, auf Rückzahlung der Einlage wäre, dass der Kläger aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Das hat der Kläger nicht schlüssig dargetan.
Auch nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung ist offen, ob die unstreitig zwischen dem Kläger einerseits und dem Steuerberater R... mit Zustimmung des persönlich haftenden Gesellschafters der geschäftsführenden Gesellschafterin für die GbR andererseits geschlossene Vereinbarung über das Ausscheiden des Klägers aus der "W... L... GbR" und die Rückzahlung seiner Einlage wirksam zustande gekommen ist. Die Geschäftsführungsbefugnis erstreckt sich nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nicht auf Rechtshandlungen, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen (MK/Ulmer BGB 3. Auflage § 714 Rdn. 17; Soergel/Hadding BGB 11. Auflage § 709 Rn. 11 jeweils m.w.N.). Hierzu zählen nach Auffassung des Senats auch Vereinbarungen über das Ausscheiden von Gesellschaftern. Eine solche Entscheidung ist grundsätzlich der Gesellschafterversammlung vorbehalten. Eine abweichende Regelung ist dem Gesellschaftsvertrag nicht zu entnehmen. Dass die Gesellschafterversammlung der geschäftsführenden Gesellschafterin vorab eine entsprechende Vollmacht erteilt oder anschließend die bis dahin schwebend unwirksame Vereinbarung nachträglich genehmigt hätte, ist nicht vorgetragen. Fehlt es aber hieran, so ist der Kläger nach wie vor Gesellschafter der GbR und für die Annahme einer Verpflichtung der Gesellschaft, bzw. der anderen Gesellschafter in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, auf Rückzahlung der Einlage bereits vom Ansatz her gegenwärtig kein Raum.
2.
Selbst wenn man die Vereinbarung als wirksam ansehen wollte, könnte die Klage keinen Erfolg haben.
Nach herrschender Meinung kann ein ausscheidender Gesellschafter zwar sowohl die Gesellschaft als auch die einzelnen Gesellschafter persönlich, und zwar diese grundsätzlich gesamtschuldnerisch, auf Zahlung der Abfindung in Anspruch nehmen (Palandt/Sprau BGB 58. Aufl., § 738 Rdn. 2). Nichts anderes gilt nach Auffassung des Senats, wenn zwischen dem ausscheidenden Gesellschafter und den übrigen Gesellschaftern vereinbart wird, dass dem ausscheidenden seine Einlage zurückgezahlt werden soll. Aus § 4 a des Gesellschaftsvertrages ergibt sich aber, dass die Gesellschafter - wie bei kapitalistisch strukturierten GbRs, z.B. Bauherrengemeinschaften, üblich - nur quotal, d.h. begrenzt auf ihre Quote am Gesamtkapital der GbR, haften. Dafür, dass diese Haftungsbeschränkung etwa nur im Verhältnis zu Dritten gelten sollte, ist dem Vertrag nichts zu entnehmen. Ob hierin zugleich eine grundsätzlich zulässige (BGH MDR 1989, 440; 1985, 314)Haftungsbeschränkung auf den - noch vorhandenen - Anteil am Gesellschaftsvermögen unter Ausschluss einer Haftung mit dem Privatvermögen zu sehen ist, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn dem nicht so wäre, würden die Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen nur in Höhe der Quote am Gesellschaftsvermögen haften. Soweit der Kläger in Zweifel zieht, dass diese Klausel Vertragsinhalt geworden sei, kann er hiermit nicht durchdringen. Nach seinem eigenen Vorbringen und den von ihm vorgelegten Unterlagen war ihm der Gesellschaftsvertrag einschließlich des § 4 a bekannt. In seiner Beitrittserklärung wurde ausdrücklich auf den Vertragsinhalt Bezug genommen. Irgendwelche konkreten Anhaltspunkte dafür, dass eine hiervon abweichende Vereinbarung getroffen worden sei, sind nicht vorgetragen.
Aus § 4 a des Vertrages folgt für die vertragliche Haftung zunächst, dass die Beklagte zu 1. mangels Beteiligung am Gesamthandsvermögen überhaupt nicht haftet. Die Beklagte zu 2. ist zwar unstreitig mit einer Einlage von 10.000,-- DM an der GbR beteiligt. Daraus folgt aber nicht, dass sie auch in dieser Höhe haftet. Die Haftungsquote ließe sich erst errechnen, wenn die Höhe des Gesamtkapitals bekannt wäre. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten sind zur Zeit ca. 20 weitere Gesellschafter vorhanden. Angesichts dessen, dass die Mindesteinlage nach § 4 Zif. 3 DM 50.000,-- beträgt, müsste ein Mindestkapital von 1.010.000,-- DM vorhanden sein, was einer Beteiligungsquote (= Haftungsquote) der Beklagten zu 2. von 0,99% = 1.039,50 DM entspräche. Wie hoch die Haftungsquote tatsächlich ist, ist unbekannt. In Anbetracht dessen, dass auf der Hand liegt, dass sich der Haftungsanteil der Beklagten zu 2. nicht auf 10.000,-- DM belaufen kann, ist es ihr nach Auffassung des Senats auch nicht verwehrt, der entsprechenden Behauptung des Klägers durch schlichtes Bestreiten entgegenzutreten. Insoweit ist der Kläger gehalten, zunächst Auskunftsklage zu erheben.
Eine Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung kommt schon grundsätzlich nicht in Betracht. Ist der Beitritt des Klägers zur GbR wirksam zustandegekommen, was auch bei der Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vom Kläger nicht bestritten worden ist, so bestand ein Rechtsgrund für die Leistung der Einlage. Bei Ausscheiden infolge Kündigung standen dem Kläger die gesetzlichen, durch den Vertrag modifizierten, Ansprüche zu. Ist hiervon abweichend vereinbart worden, dass der Kläger seine volle Einlage nebst Agio zurückerhalten sollte, so beruht dieser Anspruch auf dem Aufhebungsvertrag. Für einen Bereicherungsanspruch ist daneben kein Raum. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, ergäben sich keine von der Beurteilung der vertraglichen Ansprüche abweichenden Konsequenzen. Der Auffassung des Klägers, dass eine quotale Haftungsbeschränkung bei Bereicherungsansprüchen grundsätzlich nicht möglich sei, kann nicht gefolgt werden. Nach der Rechtsprechung des BGH haften Gesellschafter einer GbR für die ungerechtfertigte Bereicherung der Gesellschaft als Gesamtschuldner, wenn die Gesellschafter die erbrachte Leistung gemeinschaftlich entgegengenommen haben und der Gläubiger bei seiner Leistung von der uneingeschränkten Haftung aller Gesellschafter ausging (BGH NJW 1985, 1828). Konnte der Gläubiger davon ausgehen, dass alle Gesellschafter gesamtschuldnerisch für die Erfüllung der vertraglichen Verbindlichkeit einzustehen hatten, so haben diese bei "Mißlingen" der Vertragsbeziehung auch unbeschränkt für den an die Stelle des vertraglichen Anspruchs tretenden Bereicherungsanspruch zu haften. So liegt der Fall hier aber gerade nicht. Dem Kläger war vielmehr bei Leistung seiner Einlage von vorneherein klar dass die Haftung der Gesellschafter quotal begrenzt war.
Die weiter vom Kläger vertretene Ansicht, die Beklagten hätten durch die Vereinbarung konkludent auf den Einwand fehlender/anteiliger Haftung verzichtet, vermag der Senat nicht zu teilen. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten, vertreten durch ihren persönlich haftenden Gesellschafter bzw. ihren Geschäftsführer, entgegen der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Haftungsbegrenzung, für die Rückzahlung der Einlage des Klägers unbegrenzt mit ihrem gesamten Vermögen haften wollten, sind nicht ersichtlich.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.