Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 03.05.2017, Az.: 2 Ws 86/17

Fortdauer der Vollstreckung einer Maßregel nur bei konkreten Anhaltspunkten für eine negative Prognose bezüglich erheblicher neuer Straftaten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
03.05.2017
Aktenzeichen
2 Ws 86/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 17864
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 05.04.2017 - AZ: 161 StVK 1/17

Fundstelle

  • NStZ-RR 2017, 294-295

Amtlicher Leitsatz

1. § 67d StGB n.F. als den Täter besser stellende Verfahrensvorschrift ist ohne jegliche Übergangsfrist seit dem 1. August 2016 auch auf "Altfälle" anzuwenden.

2. Um die Regelvermutung der Unverhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus aus § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB zu widerlegen, muss konkret festgestellt werden, dass der Untergebrachte eine ungünstige Prognose hat, wobei die Gefahr der Begehung "einfacher" Brandstiftungen nach § 306 StGB nach dem Willen des Gesetzgebers insoweit grundsätzlich nicht ausreichend ist.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg vom 05. April 2017 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).

Gründe

I.

Die 4. große Strafkammer des Landgerichts Lüneburg verurteilte den Untergebrachten am 30. September 2009 wegen Brandstiftung und versuchter Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und ordnete seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der Untergebrachte wurde in diesem Verfahren bereits am 19. April 2009 vorläufig festgenommen und befand sich aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Celle vom 20. April 2009 in Untersuchungshaft, bis der Haftbefehl durch das Amtsgericht Celle mit Beschluss vom 6. August 2009 in einen Unterbringungsbefehl nach § 126a StPO umgewandelt wurde und sich der Untergebrachte fortan im Maßregelvollzug befand.

Der Verurteilung liegen zusammengefasst die beiden folgenden Taten zu Grunde:

1.) Am 18. April 2009 begab sich der Untergebrachte kurz vor 23:00 Uhr in das Gebäude der C. U. C. am T., wo er die Damentoilette aufsuchte. Beim Abtrocknen nach dem Händewaschen fielen ihm die Papierhandtücher auf und ihm fiel ein, dass er Streichhölzer in der Jackentasche hatte. Einem inneren Impuls folgend zündete der Untergebrachte ein Streichholz an und warf dieses in den Behälter mit den gebrauchten Papierhandtüchern. Diese fingen sehr schnell Feuer und Flammen schlugen aus dem Behälter hoch. Der Untergebrachte verließ die Toilette, wobei er im Hinausgehen noch den Türgriff abwischte, um etwaige Fingerabdrücke zu beseitigen. Aufgrund der in der Toilette verwendeten brennsicheren Materialien brannten ausschließlich die Papierhandtücher in dem Korb sowie der Papierhandtuchspender. Insgesamt entstand durch den Brand gleichwohl ein Sachschaden in Höhe von 9167,65 €.

2.) Am folgenden Tag, dem 19. April 2009, gegen 20 Uhr begab sich der Untergebrachte auf das Gelände der Firma R. & A. Schwimmbad-, Sauna- und Wassertechnik GmbH, H. F. in C. und entdeckte dort einen Restmüllcontainer, der an einer metallverkleideten Halle stand. Als sich der Untergebrachte unbeobachtet wähnte, warf er ein brennendes Streichholz in den Restmüllcontainer, der jedoch nicht sofort anfing zu brennen. Anschließend beugte er sich in den Altpapiercontainer und zog aus diesem eine Zeitung hervor, die er mit einem Streichholz anzündete, so dass sie wie eine Fackel brannte. Mit dieser brennenden Zeitung beugte er sich wieder in den Container, um das darin liegende Altpapier zu entzünden, wobei er durch das plötzliche Erscheinen des Firmeninhabers gestört wurde, die angezündete Zeitung aus dem Container zurückzog und fallen ließ. Sodann verließ der Untergebrachte das Firmengelände. Gleichwohl fing der Restmüllcontainer Feuer, konnte jedoch - nachdem der Firmeninhaber die Feuerwehr gerufen hatte - gelöscht werden.

Nach dem im Erkenntnisverfahren eingeholten Sachverständigengutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. W., dem sich die Strafkammer angeschlossen hat, litt der Untergebrachte zu den Tatzeitpunkten unter einer pathologischen Brandstiftung (ICD-10: F 63.3). Die Brandlegungen seien auf eine Impulskontrollstörung des Untergebrachten zurückzuführen, der unter einer Intelligenzminderung leide und zu den Tatzeitpunkten lediglich erheblich vermindert steuerungsfähig gewesen sei.

Zuvor war der Untergebrachte am 27. Oktober 2008 bereits durch das Amtsgericht Celle wegen versuchter Brandstiftung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden war, so dass der Untergebrachte bei Begehung der Anlasstaten unter laufender Bewährung stand.

Die Unterbringung im Maßregelvollzug wird in der psychiatrischen Klinik L. vollstreckt, wobei die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lüneburg bislang gem. § 67e Abs. 2 StGB im jährlichen Abstand die Fortdauer der Unterbringung angeordnet hat. Im bisherigen Verlauf der Maßregelvollstreckung hat die Strafstreckungskammer bislang ein externes psychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt, das erneut der Sachverständige Dr. W. am 30. Juli 2014 erstattet hat. Danach bestanden im Begutachtungszeitpunkt die Diagnosen einer Intelligenzminderung sowie einer Pyromanie im Sinne einer Impulskontrollstörung fort. Bei dem Untergebrachten seien nach wie vor erhebliche, lediglich leicht geminderte Persönlichkeitsdefizite vorhanden, wobei sich vor allem die therapeutische Erreichbarkeit des Untergebrachten aufgrund seiner erheblichen kognitiven Defizite problematisch gestalte. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine vorzeitige Entlassung aus dem Maßregelvollzug im Begutachtungszeitpunkt nicht gegeben waren. Es sei weiterhin zu befürchten, dass aufgestaute Frustrationen bei dem Untergebrachten zu impulshaften Brandlegungen führen könnten.

Der Untergebrachte wurde zum 1. Oktober 2014 zu einem Probewohnen in das "Haus S." in W. verlegt. Bereits im Januar 2015 erfolgte jedoch eine Rückverlegung in den Maßregelvollzug der psychiatrischen Klinik in L., da sich der Untergebrachte nicht an die Regeln des Hauses hielt und die Arbeitstherapie sowie die ihm verordnete Medikation verweigerte. Seit Ende März 2017 befindet sich der Untergebrachte nunmehr in der Einrichtung "L." zu einem erneuten Probewohnen.

Für die aktuelle Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer die Stellungnahme der psychiatrischen Klinik L. vom 30. November 2016 eingeholt, mit der die Fortdauer der Unterbringung angeregt wird.

Die Kammer hat den Untergebrachten am 5. April 2017 mündlich angehört und mit Beschluss vom selben Tag die Fortdauer der Unterbringung beschlossen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass das gerade erst begonnene Probewohnen für mindestens ein Jahr fortzusetzen sei, um nachhaltige Feststellungen über die Fähigkeit des Untergebrachten, seine Emotionen zu kontrollieren und die erworbenen emotionalen Kompetenzen zu festigen, treffen zu können. Der Fortdauer der Unterbringung stehe angesichts der fortbestehenden Gefährlichkeit des Untergebrachten auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht entgegen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Untergebrachte mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er moniert, die Stellungnahme der psychiatrischen Klinik sei veraltet und der Verteidigung - ebenso wie die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft - erst mit der Beschwerdeentscheidung zugegangen. Es hätte zudem der Einholung eines aktuellen psychiatrischen Sachverständigengutachtens bedurft. Die weitere Unterbringung im Maßregelvollzug sei vor dem Hintergrund des fortgeschrittenen Alters des Untergebrachten sowie seiner körperlichen Einschränkungen nicht mehr verhältnismäßig. Die Strafvollstreckungskammer habe der Entscheidung zudem die falsche Rechtsgrundlage zu Grunde gelegt, da die neue Regelung des § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB in der angefochtenen Entscheidung nicht einmal erwähnt werde.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben, aber im Ergebnis nicht begründet.

1.) Der Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens bedurfte es nach § 463 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO wegen der Übergangsvorschrift des § 13 EGStPO noch nicht. Soweit in der Beschwerdebegründung moniert wird, dass der Verteidigung sowohl die Stellungnahme der psychiatrischen Klinik L. vom 30. November 2016, als auch der Antrag der Staatsanwaltschaft Lüneburg - Zweigstelle Celle - vom 19. Dezember 2016 erst mit der Beschwerdeentscheidung vom 5. April 2017 zugegangen seien, ist die hierdurch gegebene Verletzung des rechtlichen Gehörs gem. § 33 StPO im Beschwerdeverfahren geheilt worden.

2.) Der angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 5. April 2017 ist zumindest im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die angeordnete Fortdauer der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus ist zum einen noch verhältnismäßig (vgl. im Folgenden a); zum anderen kann eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung gem. § 67d Abs. 2 StGB derzeit noch nicht verantwortet werden (b).

a) Die Strafvollstreckungskammer hat bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der weiteren Unterbringung im Maßregelvollzug allerdings rechtsfehlerhaft einen falschen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt. Die angefochtene Entscheidung wird zudem auch den aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes resultierenden Anforderungen, wonach aufgrund des zunehmenden Gewichtes des Freiheitsanspruches des Untergebrachten insbesondere bei langer Dauer der Unterbringung eine erhebliche Begründungstiefe der Entscheidungen der Gerichte erforderlich ist (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 2462/13 -, juris), nicht gerecht.

Durch das "Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften" vom 8. Juli 2016 (Bundesgesetzblatt I 1610) wurde die Vorschrift des § 67d Abs. 6 StGB u.a. um den neuen Satz 2 ergänzt. Danach ist eine Unterbringung, die bereits sechs Jahre andauert, in der Regel nicht mehr verhältnismäßig, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. § 67d StGB n.F. als den Täter besser stellende Verfahrensvorschrift ist ohne jegliche Übergangsfrist seit dem 1. August 2016 auch auf "Altfälle" anzuwenden (§ 13 Satz 1, Halbs. 2 EGStPO, § 2 Abs. 6 StGB, vgl. auch die Begründung des Gesetzesentwurfs in BT-Drucksache 18/7244, S. 41).

Auch unter Berücksichtigung der nunmehr zu beachtenden Gesetzeslage war die zu überprüfende Maßregel allerdings gemäß § 67d Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Satz 2 StGB nicht für erledigt zu erklären. Bei dieser Prüfung hat der Senat nicht verkannt, dass der Vollzug der Maßregel mittlerweile ca. acht Jahre andauert und daher bereits angesichts der langen Dauer der Unterbringung eine Regelvermutung der Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung besteht, die nur dann widerlegt werden kann, wenn die in § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB aufgestellten Voraussetzungen gegeben sind. Die Fortdauer der Maßregel hängt danach von einer negativen, d.h. ungünstigen Prognose im dort beschriebenen Sinne ab. Es muss also, um die Regelvermutung der Unverhältnismäßigkeit zu widerlegen, konkret festgestellt werden, dass der Untergebrachte eine ungünstige Prognose hat, wobei die Gefahr der Begehung "einfacher" Brandstiftungen nach § 306 StGB nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht ausreicht (BT-Drucksache 18/7244, S. 19, 34). Der Begriff der "Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung" in § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB entspricht nämlich dem Begriff der zu erwartenden erheblichen Straftaten in § 63 StGB (BT-Drucksache 18/7244 S. 33). In den Materialien zur Neufassung des § 63 StGB heißt es, dass dann, wenn ausnahmsweise "nur" die Gefahr einer Brandstiftung nach § 306 StGB besteht, damit grundsätzlich keine Gefährdung von Menschen einhergehe und daher nur eine Unterbringung nach § 63 StGB in Betracht komme, wenn "schwerer wirtschaftlicher Schaden" angerichtet werde (BT-Drucksache 18/7244, S. 20). Da aber der "schwere wirtschaftliche Schaden" nach dem abgestuften Regelungskonzept des Gesetzgebers bei Unterbringungen von mehr als 6 Jahren gerade nicht zur Fortdauer der Unterbringung ausreichen soll, ist davon auszugehen, dass die Gefahr "einfacher" Brandstiftungen nach § 306 StGB für eine Fortdauer der Unterbringung über 6 Jahre hinaus grundsätzlich nicht ausreicht. Der in den Gesetzesmaterialien weiterhin angeführte Ausnahmefall eines drohenden unersetzbaren wirtschaftlichen oder kulturellen Schadens liegt hier erkennbar nicht vor.

Vorliegend ist die gesetzliche Regelvermutung zu widerlegen. Der Untergebrachte hat in der Vergangenheit mehrfach Brandlegungen vorgenommen, was auf eine gesteigerte und vom Täter nur eingeschränkt beherrschbare Gefährlichkeit hindeutet. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Brandlegungen ausweislich des überzeugenden Gutachtens des Sachverständigen Dr. W. auf Impulskontrollstörungen des Untergebrachten beruhen, die bei Frustrationserlebnissen aufgrund der nach wie vor vorhandenen mangelhaften Emotionsregulation des Untergebrachten jederzeit auftreten können. Bei alledem hat der Senat berücksichtigt, dass es sich bei den Angriffsobjekten der Brandlegungen des Untergebrachten in der Vergangenheit ausnahmslos um Sachen (z. B. Müllcontainer) oder um unbewohnte Gebäude (Garage; Gebäude der C. U. C.) handelte, die Taten als Brandstiftungen nach § 306 StGB oder gar nur als Sachbeschädigungen gewertet wurden und eine konkrete Gefährdung von Menschen durch die Taten des Untergebrachten nicht hervorgerufen wurde. Das Landgericht Lüneburg hat in seinem Urteil vom 30. September 2009 jedoch bereits darauf hingewiesen, dass der Verurteilte aufgrund der bei ihm vorhandenen Impulskontrollstörung und der Intelligenzminderung nicht in der Lage ist, das Risiko seiner Taten realistisch einzuschätzen, so dass es allein vom Zufall abhängig sei, ob Personen oder Sachen zu Schaden kommen. Diese im Erkenntnisverfahren gewonnene Einschätzung gilt auch nach der inzwischen ca. 8-jährigen Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus fort. Nachvollziehbar beschreiben sowohl der Sachverständige in seinem Gutachten vom 30. Juli 2014, als auch die psychiatrische Klinik L. in den verschiedenen Stellungnahmen, dass die therapeutische Erreichbarkeit des Untergebrachten schon allein aufgrund seiner teilweise erheblichen kognitiven Defizite eingeschränkt ist. Die erheblichen Persönlichkeitsdefizite konnten ausweislich des Gutachtens bis Mitte 2014 zwar immerhin etwas gemindert werden; eine entscheidende Reduzierung der Gefährlichkeit des Untergebrachten konnte hierdurch jedoch nicht erreicht werden. Soweit der Untergebrachte in der Beschwerdebegründung darauf hinweist, dass die Begutachtung inzwischen beinahe drei Jahre zurückliegt, bleibt festzuhalten, dass sich aus dem weiteren Verlauf der Unterbringung keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine weitere Reduzierung der Persönlichkeitsdefizite und damit der Gefährlichkeit des Verurteilten erreicht werden konnte. Zutreffend weist zudem die Generalstaatsanwaltschaft darauf hin, dass insbesondere die Äußerungen des Untergebrachten zu seinen Taten gegenüber dem Sachverständigen darauf hindeuten, dass er sich im Zeitpunkt der Tatbegehungen keinerlei Gedanken über die etwaige Anwesenheit von Personen und die möglichen Folgen seiner Brandstiftungen gemacht hat. Nach alledem ist dem Verurteilten auch derzeit noch eine negative Prognose i. S. d. § 67 d Abs. 6 Satz 2 StGB zu stellen, wobei angesichts der Impulskontrollstörung und der Intelligenzminderung des Untergebrachten eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass er auch schwere Brandstiftungen gem. § 306a StGB begehen wird, durch die Menschen körperlich schwer geschädigt oder jedenfalls in die Gefahr einer schweren körperlichen Schädigung gebracht werden.

Die Fortdauer der Unterbringung erweist sich auch im Übrigen als noch verhältnismäßig. Das Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit staatlich erzwungener Freiheitsbeschränkungen zwingt dazu, die Unterbringung eines Täters nur so lange zu vollstrecken, wie der Zweck der Maßregel es unabweisbar erfordert und weniger belastende Maßnahmen nicht genügen (vgl. BVerfG Beschluss vom 04. Oktober 2012 - 2 BvR 442/12 = NStZ-RR 2013, 72; Beschluss vom 27. März 2012 - 2 BvR 2258/09 = NJW 2012, 1784). Die Beurteilung hat sich darauf zu erstrecken, ob und von welcher Art rechtswidrige Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Zu erwägen sind dabei das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bisher begangene Taten. Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger sind die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges (vgl. BVerfG a. a. O.). Dabei ist die mögliche Gefährdung der Allgemeinheit zur Dauer des Freiheitsentzugs in Beziehung zu setzen. Die Dauer der Freiheitsentziehung ist mit den Anlasstaten und mit möglicherweise anderen im Falle einer Freilassung zu erwartenden Taten abzuwägen (BVerfG a. a. O.; vgl. auch OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 01. September 2008 - 1 Ws 488/08 -, juris; KG Berlin, Beschluss vom 07. Juni 2007 - 1 AR 651/07 - 2 Ws 330/07 -, juris).

Eine nach diesen Grundsätzen durchgeführte Abwägung führt derzeit noch zur Verhältnismäßigkeit einer weiteren Vollziehung der Unterbringung. Zwar übersteigt die Dauer des Freiheitsentzuges des Untergebrachten die verhängte Begleitstrafe von 2 Jahren Freiheitsstrafe inzwischen ca. um das 4-fache. Zudem sind durch die Anlasstaten keine Personen zu Schaden gekommen. Vor dem Hintergrund des nach wie vor hohen und unkontrollierbaren Risikos, dass von dem Untergebrachten aufgrund seiner Impulskontrollstörung ausgeht und des erheblichen Gewichtes der bedrohten Rechtsgüter, nämlich das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer unkalkulierbaren Vielzahl von Personen führt die Abwägung jedoch derzeit noch zu dem Ergebnis, dass die Fortdauer der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus verhältnismäßig ist, zumal der von dem Verurteilten ausgehenden Gefahr durch Weisungen im Rahmen einer Führungsaufsicht nicht entscheidend begegnet werden kann.

b) Nur im Ergebnis zutreffend hat die Strafvollstreckungskammer zudem die Aussetzung der Maßregel zur Bewährung gemäß § 67d Abs. 2 StGB abgelehnt. Auch insoweit ist die Strafvollstreckungskammer von einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab ausgegangen. So wird in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, die Unterbringung sei fortzusetzen, weil derzeit noch nicht zu erwarten sei, dass der Verurteilte außerhalb des Maßregelvollzuges "keine Straftaten mehr" begehen werde.

Auch die Vorschrift des § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB ist durch das Gesetz vom 8. Juli 2016 dahingehend geändert worden, dass der Begriff "erheblich" eingeführt wurde. Durch die Aufnahme dieses Zusatzes wurde verdeutlicht, dass eine Bewährungsaussetzung nicht nur dann zu erfolgen hat, wenn keinerlei Straftaten zu erwarten sind, sondern schon dann, wenn deren Gewicht nicht die Schwelle erreicht, bei der das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit den Freiheitsanspruch überwiegt (BVerfG, Urteil vom 08. Oktober 1985 - 2 BvR 1150/80 -, BVerfGE 70, 297-323 [BVerfG 08.10.1985 - 2 BvR 1150/80]). Dies ist dann der Fall, wenn die drohenden bzw. zu erwartenden Taten ihrer Art und ihrem Gewicht nach nicht mehr "erheblich" im Sinne des § 63 StGB sind, also auch eine Anordnung der Maßregel nicht mehr rechtfertigen könnten (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 05. Juli 2013 - 2 BvR 789/13 -, juris; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 26. August 2013 - 2 BvR 371/12 -, juris). Insgesamt ist die Unterbringung damit nur so lange zu vollstrecken, wie - nach diesem Maßstab - der Zweck der Maßregel dies unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen nicht genügen (BVerfG, Urteil vom 08. Oktober 1985 - 2 BvR 1150/80 -, BVerfGE 70, 297-323 [BVerfG 08.10.1985 - 2 BvR 1150/80]). Ob erhebliche rechtswidrige Taten drohen, hat das Gericht im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Die Beurteilung hat sich konkret darauf zu erstrecken, ob und welche rechtswidrige Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (BT-Drucksache 18/7244, S. 29).

Der Gesetzgeber hat zudem durch die ebenfalls vorgenommene Neuregelung des § 63 StGB den Begriff der "erheblichen rechtswidrigen Tat", der bis dahin allein durch die Rechtsprechung konkretisiert wurde, definiert. Besteht nach der Überzeugung des Gerichts nur die Gefahr einer Brandstiftung nach § 306 StGB, mit der grundsätzlich keine Gefährdung von Menschen einhergeht, liegt nur dann die Gefahr der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten vor, wenn durch diese ein "schwerer wirtschaftlicher Schaden", der ab einem Betrag von 5000 € angesetzt wird, angerichtet wird (BT-Drucksache 18/7244, S. 21).

Dabei besteht zwischen § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB und § 67d Abs. 2 Satz 1 StGB ein abgestuftes Nebeneinander; auch wenn das Gericht im Rahmen der nach § 67d Abs. 6 Satz 2 StGB geregelten Überprüfungen nach sechs Jahren Vollstreckungsdauer zu dem Ergebnis kommt, dass von dem Untergebrachten weiterhin solche Taten drohen, die es auch nach diesen neuen Maßstäben rechtfertigen, die Unterbringung nicht für erledigt zu erklären, schließt eine solche Feststellung nicht notwendig die Erwartung aus, dass es unter Bewährungsdruck nicht mehr zu derartigen Straftaten kommen werde (BT-Drucksache 18/7244, S. 30; zum vergleichbaren Verhältnis von § 67d Abs. 2 Satz 1 und § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 25. März 2004 - 2 BvR 2048/01 -, juris).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe geht von dem Untergebrachten auch derzeit noch die Gefahr der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten aus. Der Untergebrachte hat durch die von ihm begangenen Brandstiftungsdelikte in der Vergangenheit jedenfalls teilweise auch schwere wirtschaftliche Schäden angerichtet, denn durch die Tatbegehung vom 18. April 2009 in der C. U. C. entstand ein Schaden von knapp 10.000 €. Es steht darüber hinaus - wie bereits dargelegt - zu erwarten, dass der Untergebrachte im Falle einer Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung weitere gleichartige und gar schwerer gelagerte Straftaten begehen wird, durch die Personen schwer geschädigt werden können. Dieser Gefahr kann jedenfalls derzeit durch Auflagen und Weisungen im Rahmen eines Bewährungsbeschlusses noch nicht hinreichend begegnet werden.

3. Für den weiteren Verlauf des Maßregelvollstreckungsverfahrens weist der Senat auf folgende Umstände hin:

Auch wenn die verkürzten Fristen zur Einholung eines Gutachtens aus § 463 Abs. 4 Satz 2 StPO in der Fassung vom 08. Juli 2016 erst ab dem 01. August 2018 Anwendung finden, dürfte im nächsten Prüfungsverfahren auch vor Ablauf der Frist ein neues Gutachten einzuholen sein, wobei sich die Fragestellungen an den Gutachter an den durch das "Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften" vom 8. Juli 2016 aufgeworfenen Anforderungen zu orientieren haben. Insoweit gebietet im Übrigen die gem. § 13 Satz 2 EGStPO bereits seit dem 01. Februar 2017 anwendbare Vorschrift des § 463 Absatz 4 Satz 3 in der seit dem 01. August 2016 geltenden Fassung die Beauftragung eines anderen Sachverständigen, als den bislang entgegen § 463 Abs. 4 Satz 4 StPO sowohl im Erkenntnisverfahren, als auch für die erste Begutachtung im Rahmen des Vollzuges der Unterbringung herangezogenen Sachverständigen Dr. W.

Bei der sodann zu treffenden Entscheidung wird im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sein, dass dem Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten aufgrund der langen Dauer der Unterbringung ein erhebliches Gewicht zukommt.