Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.12.1992, Az.: 10 L 5242/91

Mutter; Vater; Auszubildender; Nichteheliche Lebensgemeinschaft; Wohnung der Eltern

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.12.1992
Aktenzeichen
10 L 5242/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1992, 13347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1992:1215.10L5242.91.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 16.10.1990 - AZ: 3 A 110/90
nachfolgend
BVerwG - 28.04.1993 - AZ: BVerwG 11 B 43.93

Fundstelle

  • FamRZ 1993, 1379-1380 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Wohnt die Mutter des Auszubildenden, dessen Vater nicht bekannt ist, mit einem nichtehelichen Lebenspartner und einem gemeinsamen Kind in der Wohnung des Lebenspartners, so kann diese Wohnung jedenfalls dann nicht als "Wohnung der Eltern" iS des § 68 Abs 2 Nr 1 iV mit § 12 Abs 2 BAföG aF angesehen werden, wenn der Partner die Aufnahme des Auszubildenden in die Wohnung berechtigt ablehnt.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 3. Kammer Hannover - vom 16. Oktober 1990 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Ausbildungsförderung für Schüler.

2

Der am 27. März 1972 geborene Kläger wohnt bei seinem Großvater in Hannover, ... 5. Der Vater des Klägers ist nicht bekannt. Seine Mutter lebt seit etwa August 1989 in der Wohnung ihres Freundes, ..., ... 30. Es handelt sich um eine ca. 60 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung (vgl. Mietvertrag Bl. 83 d.GA). Der Freund der Mutter des Klägers ist nicht damit einverstanden, daß der Kläger in diese Wohnung mit einzieht. Seit Januar 1990 lebt ein gemeinsames Kind der Mutter des Klägers und ihres Freundes mit in dem Haushalt.

3

Mit förmlichem Antrag vom 11. November 1989 begehrte der Kläger am 27. November 1989 bei der Beklagten Ausbildungsförderung für den Besuch der Klasse 11 des Gymnasiums in Misburg. Die Beklagte lehnte dieses mit Bescheid vom 29. November 1989 gemäß § 68 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 12 Abs. 2 BAföG ab, da von der Wohnung der Mutter des Klägers aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte erreichbar sei und rechtliche Hinderungsgründe, bei ihr zu wohnen, nicht ersichtlich seien. Der Kläger widersprach, weil seine Mutter nicht Mieterin sei und keine Verfügungsgewalt über die Wohnung besitze. Diesen Widerspruch wies die Bezirksregierung Hannover mit Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 1990 zurück.

4

Am 16. März 1990 hat der Kläger Klage erhoben und später auch um vorläufigen Rechtsschutz gebeten (Az. 3 B 54/90). Dieses Gesuch blieb in beiden Instanzen erfolglos (Beschl. d. Verwaltungsgerichts v. 20. 6. 1990 u. d. erk. Gerichts v. 8. 8. 1990 - 14 M 59/90 -).

5

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, daß seine Mutter praktisch keine Wohnung besitze. Ihr Freund wolle ihn angesichts der Größe der Wohnung und seines aus drei Personen bestehenden Haushalts nicht mit in die Wohnung aufnehmen. Der Kläger hat eine eidesstattliche Versicherung seiner Mutter sowie eine Erklärung ihres Freundes (letztere v. 16. August 1990 "betreffend Wohnverbot") vorgelegt. Ferner hat der Kläger verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Beschränkungen der Schülerförderung geltend gemacht.

6

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

7

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 29. November 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 8. Februar 1990 zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 11. November 1989 Ausbildungsförderung zu gewähren.

8

Die Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Sie hat ausgeführt, daß es auf die Gründe, aus denen der Kläger nicht bei seiner Mutter wohnen könne, nicht ankomme.

11

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger auf seinen Antrag Ausbildungsförderung zu gewähren. Es hat ausgeführt, daß dem Kläger ein Anspruch auf Ausbildungsförderung zustehe. § 12 Abs. 2 Satz 2 BAföG stehe diesem Anspruch nicht entgegen, weil es an einer Wohnung "der Eltern" des Klägers, von der aus er eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte erreichen könnte, fehle. Denn von einer Wohnung "der Eltern" könne nicht gesprochen werden, wenn der Elternteil über seine Unterkunft nicht in der Weise verfügen könne, daß er die Aufnahme des Auszubildenden in die Wohnung durchsetzen könne. Hiervon gehe auch die einschlägige Verwaltungsvorschrift zum BAföG in Teilziffer 12.2.6 b aus. Dort werde zutreffend davon ausgegangen, daß nicht jede Unterkunft des Elternteils wie z.B. der Aufenthalt in einem Pflegeheim oder in Strafhaft (Teilziffer 12.2.6 a BAföGVwV) als dessen "Wohnung" angesehen werden könne. Der Kläger sei aufgrund einer Bestimmung von Personen, die nicht seine Eltern seien, rechtlich gehindert, bei seiner Mutter Unterkunft zu finden. Es sei nicht zu erkennen, wie die Mutter des Klägers dessen Einzug in die Wohnung rechtlich gegen den Willen ihres Freundes und dessen Vermieters solle durchsetzen können. Sie sei nicht Mitmieterin der Wohnung. Tatsächliche Bedenken, ob der Hinweis auf das vom Freund der Mutter erteilte "Wohnverbot" nicht lediglich zweckdienliches Vorbringen im Verfahren darstelle, bestünden nach dem Erörterungstermin am 2. Oktober 1990 nicht mehr. Denn der Kläger habe nachvollziehbar erläutert, daß er zum Freund seiner Mutter keine Beziehung habe aufbauen können und daß dort für ihn nicht derart viel Platz vorhanden sei, daß das Wohnverbot als mißbräuchlich angesehen werden könne. Es könne dem Kläger auch nicht entgegengehalten werden, daß er das "Wohnverbot" erst im Verlauf des Verfahrens schlüssig vorgetragen habe, denn er sei rechtlich nicht ausreichend beraten gewesen und vor Erlaß des Ablehnungsbescheides der Beklagten auch zu den rechtlichen Hinderungsgründen nicht angehört worden. Soweit die Beklagte meine, daß unter den Gründen, aus denen ein Auszubildender nicht bei seinen Eltern wohne, nur "ausbildungsbezogene" zu verstehen seien, treffe dies nicht allgemein zu. Unstreitig sei etwa, daß der minderjährige Auszubildende nicht auf die Wohnung desjenigen Elternteils verwiesen werden dürfe, dem das Sorgerecht nicht zustehe. Davon gehe auch das Bundesverwaltungsgericht aus. Ebensowenig könnten die in Teilziffer 12.2.6 a BAföGVwV genannten Hinderungsgründe, wenn sich etwa ein Elternteil in Haft oder im Pflegeheim befinde, als "ausbildungsbezogen" bezeichnet werden.

12

Die Beklagte hat gegen das ihr am 8. November 1990 zugestellte Urteil am 6. Dezember 1990 Berufung eingelegt. Sie führt aus, daß das Verwaltungsgericht zwar einen für die Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 2 BAföG gültigen Rechtsgrundsatz beachte, ihn aber auf den falschen Sachverhalt anwende. Die Teilziffer 12.2.6 b solle nämlich nur für solche Fälle gelten, in denen der Auszubildende von dritter Seite, d.h. von jemandem, auf dessen Handeln seine Eltern keinen Einfluß hätten, rechtlich gehindert werde, bei seinen Eltern Unterkunft zu nehmen. Das sei beispielsweise unter anderem der Fall, wenn diese in einem Pflegeheim leben oder Strafhaft verbüßen würden. Im vorliegenden Fall liege das angebliche rechtliche Hindernis in der Sphäre der Mutter des Klägers, weil sie zumindest theoretisch in der Lage sei, auf ihren Lebensgefährten in seiner Eigenschaft als Wohnungsinhaber insoweit einzuwirken, als er dem Kläger das Wohnen bei seiner Mutter verbieten könne. Sie erhalte damit im Wege der Einflußnahme die Möglichkeit, eine Vorentscheidung darüber herbeizuführen, ob ihr Sohn für seine Ausbildung nach den Bestimmungen des BAföG im Rahmen des § 12 dieses Gesetzes gefördert werden könne oder nicht. Da der Gesetzgeber eine Förderung nach dem BAföG aufgrund solcher Sachverhalte gerade habe vermeiden und nur die zwingend ausbildungsbedingte Trennung von der Wohnung der Eltern als Anknüpfungspunkt für eine Förderung von den in § 68 Abs. 2 Nr. 1 BAföG a.F. genannten Auszubildenden habe gelten lassen wollen, stehe das angefochtene Urteil im Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 2 BAföG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Es könne daher keinen Bestand haben. Im übrigen werde auf die angefochtenen Bescheide sowie den Beschluß des erkennenden Gerichts vom 4. März 1991 - 14 M 112/90 - Bezug genommen.

13

Soweit der Kläger eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung begehre, müsse ihm widersprochen werden. Das Bundesverwaltungsgericht stelle bei § 12 Abs. 2 BAföG zu Recht darauf ab, ob der betroffene Schüler rein "fiktiv" die Möglichkeit hätte, von der elterlichen Wohnung aus eine adäquate Ausbildungsstätte zumutbar zu erreichen. Ob für den Auszubildenden tatsächlich die Möglichkeit bestehe, in der elterlichen Wohnung Unterkunft zu finden, sei demgegenüber für die Anwendung des § 12 BAföG unerheblich. Auf Teilziffer 12.2.6 b BAföGVwV könne sich der Kläger nicht berufen. Dadurch sollten lediglich solche inzwischen volljährigen Anspruchsteller privilegiert werden, die gerade aufgrund ihrer früheren Minderjährigkeit rechtlich von Dritten gehindert werden konnten, bei ihren Eltern zu wohnen (z.B. im Falle von Sorgerechtsübertragungen auf Dritte). Außerdem werde in der vorhergehenden Vorschrift der Teilziffer 12.2.1 Satz 2 BAföGVwV ausdrücklich festgeschrieben, daß auch weiterhin allein in den Fällen unzumutbarer räumlicher Entfernung von Ausbildungsstätte und elterlicher Wohnung Ausbildungsförderungsleistungen zu gewähren seien. § 12 BAföG und die dazugehörenden Verwaltungsvorschriften müßten restriktiv angewendet werden.

14

Die Beklagte beantragt,

15

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

16

Der Kläger beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, daß in seinem Falle die Voraussetzungen einer elterlichen "Wohnung" nicht gegeben seien. Es komme auf den wesensmäßigen Zusammenhang zwischen Wohnort und Ausbildungsstätte an. Es werde als Ausgangspunkt die neigungs- und eignungsgerechte Ausbildungsstätte "in den Blick genommen" und daraus abgeleitet, ob die in Bezug zu nehmende Wohnung sich in zumutbarer Entfernung hiervon befinde. Hierbei komme es dann beispielsweise nicht darauf an, ob soziale Gründe wie z.B. beengte Wohnverhältnisse dem tatsächlichen Wohnen entgegenstünden. In solchen Fällen sei nicht durch Ausbildungsförderung, sondern durch Anmieten einer größeren Wohnung zu helfen. Würde die Wohnsituation seiner Mutter dahin aufgefaßt werden müssen, daß sie den Tatbestand der "Wohnung" im Sinne von § 2 Abs. 1 a bzw. § 12 Abs. 2 BAföG erfülle, könnte er sich auf die tatsächliche Unmöglichkeit des Wohnens in dieser Wohnung nicht berufen. Die Wohnsituation müsse seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Mai 1983 (FamRZ 1984, 214) jedoch überprüft werden. Denn die Bedeutung der Wohnverhältnisse werde vom Bundesverwaltungsgericht aus dem typischen Erscheinungsbild des "Eltern-Kind"-Verhältnisses abgeleitet, wie es insbesondere auch in § 1612 BGB seinen Ausdruck finde. Die Unterhaltsverpflichtung nach § 1612 BGB setze aber immer auch voraus, daß eine tatsächliche Unterbringung auch möglich sei. Sobald dies aus tatsächlichem Gründen nicht der Fall sei und auch nicht ohne weiteres erreicht werden könne, greife eine Bezugnahme des Ausbildungsförderungsrechts auf das Unterhaltsrecht ins Leere.

19

Festzuhalten sei jedenfalls, daß die Voraussetzung der "elterlichen Wohnung" für einen Ausschluß seines Anspruchs auf Ausbildungsförderung nicht gegeben sei. Das Vorhandensein einer "Wohnung" setze zwingend voraus, daß eine Verfügungsgewalt auch im rechtlichen Sinne vorhanden sei. Im vorliegenden Fall sei dies schon deshalb nicht gegeben, weil seine Mutter nicht Hauptpartei des Mietverhältnisses sei. Auch die Aufnahme seiner Mutter in den Mietvertrag als weitere Hauptmieterin würde jedoch an der mangelnden Rechtsqualität der Wohnung im ausbildungsförderungsrechtlichen Sinne nichts ändern. Dem stehe das "Wohnverbot" seitens des Lebensgefährten seiner Mutter entgegen. Hierdurch sei seine Mutter rechtlich und auch tatsächlich gehindert, einen gemeinsamen Hausstand mit ihm zu führen. Die Lebensgestaltung seiner Mutter verbiete es somit, die Möglichkeit der Unterkunftsgewährung als Unterhaltsleistung gemäß § 1612 BGB zu leisten. Gleichwohl an diese fiktive Möglichkeit als zugleich "Verpflichtung" im ausbildungsförderungsrechtlichen Sinne anzuknüpfen, verstoße gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Die Begründung des erkennenden Gerichts im Beschluß vom 4. März 1991 überzeuge nicht. Gerade die Beispielsfälle, welche auch in der BAföGVwV als förderungsbegründend aufgeführt seien, machten deutlich, auf welchen Zusammenhang das Gesetz abziele. Die dort genannten Fälle lägen zwar durchgängig außerhalb jeglicher Einflußnahme des betroffenen Elternteils; die einzig mögliche Entscheidung seiner Mutter würde aber in diesem Zusammenhang sein, sich von ihrem Lebenspartner zu trennen und mit ihrem kleinen Kind jenseits dieser Partnerschaft eine eigene Wohnung zu nehmen, in die er dann möglicherweise auch einziehen könnte. Dies würde jedoch einen ganz erheblichen und verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Persönlichkeitssphäre darstellen, was vom Gesetzgeber nicht gewollt sein könne. Darüber hinaus würde mit Sicherheit zusätzliche Hilfsbedürftigkeit im Hinblick auf andere öffentliche Leistungen begründet werden, was ebenfalls nicht Sinn dieser Regelung sein könne.

20

Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger erneut den Erlaß einer einstweiligen Anordnung begehrt. Während das Verwaltungsgericht mit Beschluß vom 26. November 1990 - 3 B 130/90 - erneut einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht sah, hat das erkennende Gericht mit Beschluß vom 4. März 1991 - 14 M 112/90 - einen Anspruch auf Ausbildungsförderung wegen § 12 Abs. 2 Satz 2 BAföG verneint, weil von der Wohnung der Mutter aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte erreichbar sei. Auf die Gründe des Beschlusses im einzelnen wird Bezug genommen.

21

Wegen des Sach- und Streitstandes im einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der Akten 3 B 54/90, 14 M 59/90 und 3 B 130/90, 14 M 112/90 sowie der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

22

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

23

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Ausbildungsförderung anerkannt und ihn nicht auf die Wohnung verwiesen, in der seine Mutter mit ihrem Freund sowie deren gemeinsamem Kind zusammenlebt. Darauf wird im wesentlichen gemäß § 130 b VwGO Bezug genommen. Der im Beschluß vom 4. März 1991 - 14 M 112/90 - dargelegten Rechtsauffassung des damals noch zuständig gewesenen 14. Senats folgt der erkennende Senat für die vorliegende Fallgestaltung nicht.

24

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung des Falles.

25

§§ 2 Abs. 1 a Satz. 1 Nr. 1, 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BAföG stehen dem Anspruch des Klägers aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG (vor dem 12. BAföG-ÄndG § 68 Abs. 2 Nr. 1) nicht entgegen.

26

Unter dem Begriff "Wohnung der Eltern" im Ausbildungsförderungsrecht sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich die Räumlichkeiten zu verstehen, in denen die Eltern des Auszubildenden ihre nicht nur vorübergehende, sondern auf eine gewisse Dauer abzielende Unterkunft nehmen, unabhängig davon, ob sie willens sowie tatsächlich und rechtlich in der Lage sind, den Auszubildenden bei sich aufzunehmen, oder ob zwischen dem Auszubildenden und seinen Eltern noch ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht (BVerwGE 74, 260 ff; BVerwG, Buchholz 436.36 § 12 BAföG Nr. 9). Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch jüngst entschieden, daß die Wohnung eines Elternteils und dessen neuen Ehepartners keine "Wohnung der Eltern" im Sinne des § 68 Abs. 2 Nr. 1 BAföG (bzw. § 2 Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1) und der insoweit wortgleichen Bedarfsnorm des § 12 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BAföG darstelle. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung ausdrücklich offen gelassen, ob dieser Begriff auch dann zu bejahen wäre, wenn die Eltern aus zwingenden persönlichen Gründen nicht mehr die Möglichkeit haben, über ihre Wohnverhältnisse frei zu bestimmen, wie bei einem Aufenthalt im Pflegeheim oder in einer vergleichbaren Lage (BVerwG, Buchholz 436.36 § 12 BAföG Nr. 9), und wenn das Wohnen des Auszubildenden bei seinen Eltern an solchen oder anderen rechtlichen Hindernissen, wie sie in Teilziffer 12.2.6 BAföGVwV seit ihrer Fassung vom 31. Juli 1980 (GMBl S. 358) angeführt sind, scheitert (BVerwGE 74, 260, 266) [BVerwG 12.06.1986 - 5 C 48/84]. Ein derartiger Fall liege vor, wenn der Stiefelternteil des Auszubildenden dessen Aufnahme in seine Wohnung in Anbetracht der durch die Größe der neuen Familie ohnehin beengten Wohnverhältnisse berechtigt ablehnt, und der Elternteil des Auszubildenden infolge der mit der neuen Ehe verbundenen Verpflichtungen zur ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr die Möglichkeit hatte, über seine Wohnverhältnisse zu bestimmen. Das sei als zwingender persönlicher Grund im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung zu erkennen (BVerwG, Urt. v. 27. 2. 1992 - 5 C 68/88 -, NVwz 1992, 887, 888). In diesem Fall könne die gemeinsame Wohnung jedenfalls dann nicht mehr als "Wohnung der Eltern" eines volljährigen Auszubildenden angesehen werden, wenn der neue Ehepartner die Aufnahme des Auszubildenden in diese Wohnung berechtigt ablehne. Denn in derartigen Fällen könne der Gesetzgeber nach der von ihm selbst geschaffenen Rechtsordnung gerade nicht davon ausgehen, daß der Auszubildende bei dem betreffenden Elternteil wohnen könne und ihm dort Unterhalt in Naturalleistung gewährt werde. Eben dies sei aber der tragende Grund für die in Rede stehende Einschränkung der Schülerförderung. Die Erwägung, der wiederverheiratete Elternteil habe das rechtliche Hindernis für die Aufnahme des Auszubildenden durch seine neue Eheschließung selbst herbeigeführt und dürfe für dieses seinem freien Willen unterliegende Verhalten nicht durch staatliche Ausbildungsförderung für sein Kind honoriert werden, wäre mit der aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden staatlichen Pflicht zum besonderen Schutz der Ehe und der daraus folgenden Eheschließungsfreiheit nicht vereinbar (BVerwG, aaO, S. 888). Die Frage, ob ausbildungsbezogene Gründe vorliegen, aus denen der Auszubildende außerhalb der Wohnung seiner Eltern untergebracht ist, sei nachrangig und erst dann rechtserheblich, wenn die Vorfrage bejaht werden könne, ob die Wohnung eines Elternteils "Wohnung der Eltern" sei (BVerwG, aaO, S. 888).

27

Nach Auffassung des erkennenden Senats muß der vorliegende Fall entsprechend behandelt werden. Denn auch ein nichtehelicher Elternteil kann sich grundsätzlich auf den Schutz des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG, wonach der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, berufen, sofern er mit dem anderen Elternteil und dem Kind zusammenlebt und damit die Voraussetzungen für die Wahrnehmung seiner elterlichen Verantwortung gegeben sind (BVerfGE 56, 363, 384; BVerfG, Beschl. v. 1. 10. 1992 - 2 BvR 1365/92 -). Das ist hier der Fall.

28

Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil nach dem Unterhaltsrecht nach § 1609 Abs. 1 BGB die minderjährigen unverheirateten Kinder den anderen Kindern vorgehen, wenn mehrere Bedürftige vorhanden sind und der Unterhaltspflichtige außerstande ist, allen Unterhalt zu gewähren. Danach ist die Mutter des Klägers im Hinblick auf ihren volljährigen Sohn, den Kläger, vorrangig verpflichtet, ihrem bei ihr lebenden minderjährigen unverheirateten Kind Unterhalt und damit Wohnung zu gewähren, wie es ebenso und ausschließliche rechtliche Pflicht des Lebensgefährten der Mutter des Klägers im Verhältnis zum Kläger der Fall ist, dem gegenüber er in keiner Weise rechtlich verpflichtet ist.

29

Da letztlich auch die Größe der Wohnung von ca. 60 qm bei zwei Zimmern gegen ein Vorhandensein einer "Wohnung der Eltern" spricht, kommt es im vorliegenden Fall nicht mehr darauf an, ob ausbildungsbezogene Gründe dafür vorliegen, daß der Kläger außerhalb der Wohnung seiner Mutter untergebracht ist.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 188 Satz 2 VwGO.

31

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 10 ZPO.

32

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

33

Dr. Jank

34

Winzer

35

Munk