Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 03.03.2008, Az.: 13 A 2249/07
Altersgrenze; Ausbildungsförderung; Bedürftigkeit; Deutschkurs; Eingewöhnungszeit; Erfolgsaussicht; Kausalität; keine Erfolgsaussicht; PKH; Prozesskostenhilfe; Veränderung; Vollzeitbeschäftigung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 03.03.2008
- Aktenzeichen
- 13 A 2249/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 55093
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 10 Abs 3 BAföG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung spricht im Regelfall gegen das Vorliegen eines Hinderungsgrundes i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BAföG.
2. Die Annahme, eine Eingewöhnungszeit von ca. zwei bis drei Jahren reiche für einen Ausländer im Regelfall aus, um sich den neuen Lebensgewohnheiten in Deutschland anzupassen und die Voraussetzungen für die Aufnahme des Studiums zu erfüllen, ist nicht zu beanstanden.
3. Im Rahmen der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BAföG vorliegen, kann der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der einschneidenden Veränderung der persönlichen Verhältnisse und der Bedürftigkeit nur bejaht werden, wenn es dem von der Veränderung Betroffenen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, sich aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit eine hinreichend sichere Lebensgrundlage zu schaffen.
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen. Gemäß § 166 VwGO i. V. m § 114 Satz 1 ZPO ist Prozesskostenhilfe demjenigen zu gewähren, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor, da eine hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung fehlt. Die angegriffenen Bescheide des Studentenwerkes O. vom 20. März 2007 und vom 10. Juli 2007 sind voraussichtlich rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht lehnte das Studentenwerk O. den Antrag des Klägers auf die Gewährung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) vom 15. Januar 2007 ab.
Der Gewährung von Ausbildungsförderung steht voraussichtlich § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG entgegen. Danach wird Ausbildungsförderung nicht geleistet, wenn der Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den er Ausbildungsförderung beantragt, das 30. Lebensjahr vollendet hat. Der am 15. März 19.. geborene Kläger vollendete am 15. März 20.. das 30. Lebensjahr. Da er beabsichtigte, zum Wintersemester 2007/2008 ein Studium aufzunehmen, ist er grundsätzlich nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG von der Gewährung von Leistungen der Ausbildungsförderung ausgeschlossen.
Die Voraussetzungen der §§ 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 oder Nr. 4 BAföG, nach denen Ausbildungsförderung trotz des Überschreitens der Altersgrenze gewährt werden kann, liegen voraussichtlich nicht vor.
Nach § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BAföG gilt § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG nicht, wenn der Auszubildende aus persönlichen oder familiären Gründen, insbesondere der Erziehung von Kindern bis zu 10 Jahren, gehindert war, den Ausbildungsabschnitt rechtzeitig zu beginnen. Ein persönlicher Grund i. S. d. Vorschrift liegt dann vor, wenn der Auszubildende aus von ihm nicht zu vertretenden, in seinen persönlichen Lebensverhältnissen liegenden Gründen eine objektiv gegebene Chance, eine seiner Neigung und Eignung entsprechende Ausbildung zu beginnen, bis zum Erreichen der Altersgrenze nicht wahrnehmen konnte. Für die Frage, ob der Auszubildende den späten Ausbildungsbeginn zu vertreten hat, ist dabei auf den gesamten Zeitraum bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres abzustellen. Soweit es dabei um mangelnde Sprachkenntnisse geht, ist dem des Deutschen nicht kundigen Antragsteller ein angemessener Zeitraum zum Erlernen der Sprache zuzubilligen, dessen Umfang im Einzelfall unter Berücksichtigung aller dafür relevanten Umstände festzustellen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der betreffende Ausländer, der trotz vorhandener Gelegenheit adäquate Sprachkenntnisse nicht in angemessener Zeit erwirbt, dies grundsätzlich zu vertreten hat (BVerwG, Urteil vom 28. April 1998 - 5 C 5.97 -, FEVS 48, 481). Die Ausübung einer Vollzeitbeschäftigung spricht im Regelfall gegen das Vorliegen eines Hinderungsgrundes i. S. d. § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BAföG (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, Kommentar zum BAföG, 4. Auflage, § 10 Rn. 14; Rothe/Blanke, Kommentar zum BAföG, § 10 Rn. 16).
Die Annahme des Studentenwerkes O., eine Eingewöhnungszeit von ca. zwei bis drei Jahren habe im Fall des Klägers ausgereicht, um sich den neuen Lebensgewohnheiten anzupassen und die Voraussetzungen für die Aufnahme des Studiums durch die Absolvierung des DSH - Sprachkurses zu erfüllen, dürfte nicht zu beanstanden sein. Besondere Umstände des Einzelfalles, die eine längere Eingewöhnungszeit rechtfertigen könnten, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Der Kläger macht insoweit geltend, wegen seiner Erwerbstätigkeit habe er die Sprache nicht innerhalb dieser Zeit erlernen können. Dies überzeugt schon deshalb nicht, da es wegen seiner Erwerbstätigkeit seit Oktober 2001 und der damit verbundenen Integration näher liegt, eine kürzere Eingewöhnungszeit als üblich anzunehmen. Ungeachtet dessen hat der Kläger eine entsprechende Verzögerung jedenfalls zu vertreten. Es ist nicht ersichtlich, warum ihm zwar die Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung möglich, aber die Aufnahme der Ausbildung bzw. der Erwerb der fehlenden Sprachkenntnisse unzumutbar gewesen sein soll. Der Kläger hatte ausreichend Gelegenheit, die als Voraussetzung für das Studium erforderliche Sprachprüfung (DSH - Prüfung) vor dem Erreichen der Altersgrenze zu absolvieren. Dass er die Hoffnung hatte, die politischen Verhältnisse in seinem Heimatland würden sich alsbald ändern, ändert hieran nichts.
Sein Einwand, Deutschkurse für Flüchtlinge würden nicht als Sozialleistung im Rahmen der Sozialhilfe finanziert (vgl. sein Schreiben an das Studentenwerk O. vom 11. April 2007) greift nicht durch. Der Kläger war in der Zeit von Oktober 2001 bis Juni 2006 berufstätig und damit nicht von Sozialleistungen abhängig. Es wäre ihm ohne Weiteres möglich gewesen - was er auch einräumt -, entsprechende Kurse aus seinem eigenen Einkommen zu finanzieren. Ungeachtet dessen werden diese Kurse kostenlos bzw. gegen ein geringes Entgelt angeboten.
Auch soweit der Kläger weiter geltend macht, wegen ungünstiger Arbeitszeiten - er habe Schichtarbeit leisten müssen -, sei der Besuch eines Deutschkurses allenfalls nur sehr unregelmäßig möglich und deshalb wenig sinnvoll gewesen, rechtfertigt dies keine abweichende Entscheidung. Mit diesem Vorbringen räumt der Kläger ein, dass ihm der Besuch eines Deutschkurses trotz seiner Schichtarbeit möglich gewesen wäre.
Die Voraussetzungen von § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BAföG liegen voraussichtlich auch nicht vor. Danach gilt die Altersgrenze des § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG nicht, wenn der Auszubildende infolge einer einschneidenden Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse bedürftig geworden ist und noch keine Ausbildung, die nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gefördert werden kann, berufsqualifizierend abgeschlossen hat.
Zu den persönlichen Verhältnissen i. S. d. § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BAföG gehören alle subjektiven und objektiven Umstände, die die Lebensführung in wirtschaftlicher, beruflicher und sonstiger persönlicher Weise prägen, dass mit einschneidend eine Veränderung von besonderem Gewicht in Bezug auf die weitere Lebensführung bezeichnet ist und dass auch ein Arbeitsplatzverlust wegen krankheitsbedingter Behinderung ein die Lebensverhältnisse einschneidend veränderndes Ereignis sein kann. Gefordert werden muss, dass es dem Auszubildenden wegen der gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr möglich war, in dem früher ausgeübten Beruf zu arbeiten (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2002 - 5 C 38.01 -, NVwZ - RR 2003, 499; Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a.a.O., Rn. 18). Dabei kann der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der einschneidenden Veränderung der persönlichen Verhältnisse und der Bedürftigkeit nur dann bejaht werden, wenn es dem von der Veränderung Betroffenen nicht möglich oder nicht zumutbar ist, sich aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit eine hinreichend sichere Lebensgrundlage zu schaffen (VGH Mannheim, Urteil vom 29. November 2007 - 12 S 2548/06 -, juris).
Der Kläger macht insoweit geltend, dass er seinen Arbeitsplatz krankheitsbedingt habe aufgeben müssen bzw. dass sein auf zwei Jahre befristeter Arbeitsvertrag aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten nicht verlängert worden sei. Dazu legt er ein Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. N. vom 12. September 2007 vor.
Unabhängig davon, dass aus dem vorgelegten Attest nicht ersichtlich ist, dass es sich bei der im März 2006 diagnostizierten Erkrankung nicht nur um eine vorübergehende Einschränkung handelte, liegt auch kein einschneidendes Ereignis i. S. d. § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 BAföG vor. Der Kläger behauptet nicht einmal, dass er nicht andere Hilfstätigkeiten ausüben könnte. Es mag zwar zutreffen, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sein wird, schwere und einseitige körperliche Tätigkeiten zu verrichten. Dass er jedoch nicht mehr in der Lage sein soll, andere Hilfstätigkeiten auszuüben, behauptet er selbst nicht und ist für die Kammer auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere bietet das vorgelegte Attest vom 12. September 2007 dafür keinen Anhalt.
Bei dieser Sach- und Rechtslage waren hinreichende Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht zu erkennen und der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe daher abzulehnen.