Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 26.03.2008, Az.: 11 B 730/08
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 26.03.2008
- Aktenzeichen
- 11 B 730/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 46026
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2008:0326.11B730.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 41 AufenthV
- § 41 I AufenthV
- § 7 AufenthG
- § 7 I 3 AufenthG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
§ 41 Abs. 1 AufenthV verleiht keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
- 2.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis richtet sich auch bei dem in § 41 Abs. 1 AufenthV genannten Personenkreis nach den allgemeinen Bestimmungen des AufenthG.
- 3.
Die Privilegierung aus § 41 Abs. 1 AufenthV stellt keinen "begründeten Fall" im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG dar.
Gründe
Das Begehren der Antragstellerinnen, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (11 A 729/08) gegen den eine Aufenthaltserlaubnis ablehnenden Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. März 2008, die von Gesetzes wegen (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) keine aufschiebende Wirkung hat, anzuordnen, ist nach Maßgabe des § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilen. Denn dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 4. März 2008 kamen die Wirkungen des gesetzlichen "fiktiven" Aufenthaltsrechts aus § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zu. Die Antragstellerinnen hielten sich zu diesem Zeitpunkt nämlich rechtmäßig ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet auf. Denn als Staatsbürger der Vereinigten Staaten von Amerika durften sie nach § 41 Abs. 1 Satz 1 der Aufenthaltsverordnung (AufenthV) auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Die für ihren weiteren Aufenthalt erforderliche Aufenthaltserlaubnis haben sie innerhalb der dreimonatigen gesetzlichen Antragsfrist bei der Antragsgegnerin beantragt (§ 81 Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 41 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 AufenthV), weshalb sich der gegen die vollziehbare Versagung der Aufenthaltserlaubnis gerichtete Eilrechtsschutzantrag - ebenso wie der Rechtsschutz gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung - nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet.
Der so verstandene Antrag ist unbegründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Verfügung überwiegt das Interesse der Antragstellerinnen bis zur Entscheidung über die Hauptsache in der Bundesrepublik Deutschland zu verbleiben. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung ist der Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. März 2008 voraussichtlich rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat den Antrag der Antragstellerinnen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis rechtlich zutreffend abgelehnt.
Der Bescheid der Antragsgegnerin ist nicht - wie die Antragstellerinnen meinen - wegen örtlicher Unzuständigkeit der Antragsgegnerin rechtswidrig. Die Antragsgegnerin war örtlich zuständig für die Entscheidung über den Antrag der Antragstellerinnen auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen. Das AufenthG enthält keine Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörden. Diese richtet sich folglich nach Landesrecht. Das niedersächsische Landesrecht stellt dabei gemäß § 1 NVwVfG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG zunächst auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Ausländers ab. Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist in entsprechender Anwendung von § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I maßgeblich, wo jemand sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt ( BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1997 - 1 C 25/96 -, NVwZ-RR 1997, 751). Danach wird ein gewöhnlicher Aufenthalt dadurch begründet, dass sich der Betreffende an dem Ort oder in dem Gebiet "bis auf Weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält oder dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat ( BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2005 - 5 C 9/04 -, NVwZ 2006, 97 [BVerwG 07.07.2005 - BVerwG 5 C 9.04]).
Danach haben die Antragstellerinnen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in D. und nicht in W.. Sie wohnen gegenwärtig gemeinsam mit dem Lebensgefährten und designierten Ehemann der Antragstellerin zu 1), dem deutschen Staatsbürger H., in D. und es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Antragstellerinnen vorhaben, sich aus D. fortzubegeben. Vielmehr ist nach den derzeitigen Umständen davon auszugehen, dass sie sich auch "bis auf weiteres" in D. aufhalten werden. Hierfür spricht zunächst einmal, dass sie gemeinsam mit Herrn H. aus W. nach D. gezogen sind und sich dem Schreiben des Herrn H. an den Oberbürgermeister der Antragsgegnerin vom 9. März 2008 zufolge entschieden haben, "in D. zu leben". Zudem haben sie in der Klage- und Antragsschrift ihre Anschrift mit D., D. Straße angegeben. Auch haben sie am 27. Februar 2008 versucht, sich rückwirkend zum 1. Februar 2008 in D. anzumelden und haben am 4. März 2008 bei der Stadt D. ihre Anträge auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen gestellt. Schließlich spricht die Tatsache, dass die Antragstellerin zu 2) in D. eingeschult wurde, sehr stark dafür, dass der Aufenthalt der Antragstellerinnen in D. nicht nur vorübergehend sein soll. Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen begründet allein die polizeiliche Meldung in W. nicht die örtliche Zuständigkeit der dortigen Ausländerbehörde (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Auflage 2001, § 3, Rn. 22).
Die Antragstellerinnen haben aller Voraussicht nach keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Ein solcher Anspruch ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen nicht aus § 41 Abs. 1 AufenthV. Gemäß dieser Vorschrift können Staatsangehörige von Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, von Neuseeland und der Vereinigten Staaten von Amerika auch für einen Aufenthalt, der kein Kurzaufenthalt ist, visumfrei in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten. Ein erforderlicher Aufenthaltstitel (für den weiteren Aufenthalt) kann im Bundesgebiet eingeholt werden und ist innerhalb von drei Monaten nach der Einreise zu beantragen.
Aus dieser Regelung ergibt sich jedoch weder ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis noch befreit sie von dem Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis bei einem nicht nur kurzfristigen Aufenthalt. Die Regelung des § 41 Abs. 1 AufenthV verschafft nach Wortlaut und Systematik eine Erleichterung nur insoweit, als dass die dort aufgeführten Personengruppen - zu denen die Antragstellerinnen als Staatsangehörige der Vereinigten Staaten von Amerika gehören - ohne Visum in die Bundesrepublik einreisen und sich auch ohne Aufenthaltstitel für die Dauer von drei Monaten hier aufhalten dürfen, selbst dann, wenn sie von vornherein einen länger als drei Monate andauernden Aufenthalt anstreben (Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz - GK-AufenthG -, Stand Februar 2008, § 4 AufenthG, Rn. 56.2). Sind - wie hier - Einreise und kurzzeitiger Aufenthalt von der Titelpflicht ausgenommen, entfällt damit jedoch nicht gleichzeitig die Pflicht zur Einholung des Aufenthaltstitels für einen anschließenden Aufenthalt (Renner, Ausländerrecht, 8. Auflage: 2005, § 4, Rn. 7). Die Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels richten sich dabei nach den Bestimmungen des AufenthG (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. November 2006, - 11 ME 197/06 -, InfAuslR 2007,67 [OVG Niedersachsen 02.11.2006 - 11 ME 197/06]; OVG Koblenz, Beschluss vom 4. Juni 2007, - 7 B 10282/07 - <juris>).
Die Antragstellerinnen haben jedoch voraussichtlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem AufenthG.
Die Antragstellerinnen können keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus § 28 AufenthG herleiten. Auf § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG kann sich nur berufen, wer mit einem Deutschen in einer wirksam geschlossenen und noch bestehenden Ehe verbunden ist (GK-AufenthG, § 28 AufenthG, Rn. 41). Dies ist hier nicht der Fall. Die Antragstellerin zu 1) ist (noch) nicht mit dem deutschen Staatsangehörigen H. verheiratet.
Die Antragstellerinnen haben auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Danach kann in begründeten Fällen eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem (Aufenth-) Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Es muss sich hierbei um Aufenthaltszwecke handeln, die ihrer Art nach in §§ 16 bis 38 AufenthG nicht vorkommen. Es genügt nicht, wenn innerhalb eines Aufenthaltszwecks für eine bestimmte Fallkonstellation ein Aufenthaltsrecht nicht vorgesehen ist oder wenn im Einzelfall die geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt sind (Renner, aaO, § 7 AufenthG, Rn. 12).
Die Staatsangehörigkeit der Antragstellerinnen und die daraus resultierende Privilegierung im Hinblick auf die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen (vgl. § 41 Abs. 1 AufenthV) vermag einen solchen begründeten Fall im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nicht zu rechtfertigen. Zum einen handelt es sich bei der Staatsangehörigkeit nicht um den von § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG "nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck". Zum anderen geben auch weder die Bestimmungen der AufenthV noch des AufenthG Anlass zu der Annahme, dass Staatsangehörige der Vereinigten Staaten von Amerika in der Weise privilegiert sind, dass ihnen allein ihre Staatsangehörigkeit einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verleiht. Die Erleichterungen, die sich aus dieser Staatsangehörigkeit ergeben, sind ausdrücklich geregelt (z.B. § 41 AufenthV). Sie betreffen - wie bereits ausgeführt - insbesondere die Visumspflicht bei der Einreise in die Bundesrepublik. Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (nur) wegen der Staatsangehörigkeit ist hingegen weder in der AufenthV noch im AufenthG vorgesehen. Hätte der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber dies beabsichtigt, so hätte er eine entsprechende ausdrückliche Regelung getroffen.
Allein in Betracht kommt hier die Absicht der Antragstellerin zu 1), den deutschen Staatsbürger H. zu heiraten. Nach Nr. 7.1.3 der Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschriften zum AufenthG - Vorl.Nds.VV-AufenthG - kann nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG unter anderem der Aufenthalt zum Zwecke der Eheschließung erlaubt werden, da dieser Aufenthaltszweck nicht mehr vorgesehen ist. Vorausgesetzt sind aber ein ernsthaftes Eheversprechen und außerdem eine unmittelbar bevorstehende Eheschließung. Eine Eheschließung steht nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. November 2006 - 7 ME 176/06 -; Beschluss vom 22. Dezember 1998 - 11 M 5561/98 - <juris>) und der gefestigten Rechtsprechung der erkennenden Kammer (vgl.z.B. Beschluss vom 12. Februar 2007, - 11 B 286/07 -) erst dann unmittelbar bevor, wenn sämtliche für die Eheschließung erforderlichen Urkunden vorgelegt worden sind und ein Termin zur Eheschließung bestimmt worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier ersichtlich nicht erfüllt. Nach dem Inhalt des Bescheides der Antragsgegnerin vom 6. März 2008 ist Herr H. gegenwärtig noch mit einer anderen Frau verheiratet und das Scheidungsverfahren noch nicht abgeschlossen. Es ist zudem weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die für die Eheschließung erforderlichen Urkunden vorgelegt worden sind und ein Termin zur Eheschließung bestimmt worden ist. Wenn - wie hier - der voraussichtliche Eheschließungstermin noch gänzlich unsicher ist, handelt es sich nicht um einen vorübergehenden Aufenthaltszweck, der neben dem Daueraufenthalt nach der Eheschließung anerkannt werden kann (Hailbronner, Ausländerrecht, § 7 AufenthG, Rn. 22; VGH Kassel, Beschluss vom 19. November 1993, - 12 TG 2539/93 -, EZAR 632 Nr. 19).
Die Antragstellerinnen haben aus diesem Grund auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung bis zur Eheschließung, denn auch diese setzt voraus, dass die Eheschließung unmittelbar bevorsteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG.