Landgericht Hannover
Urt. v. 26.09.2017, Az.: 32 O 16/17

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
26.09.2017
Aktenzeichen
32 O 16/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53783
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 262,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2017 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 57 % und der Beklagte zu 43 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger ist ein eingetragener Verein zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs. Zu seinen Mitgliedern gehören unter anderem der ... ., die ..., mehrere  ... , die  ... und ..., mehrere ..., Kliniken sowie zahlreiche Hersteller und Großhändler von Arzneimitteln.

Der Beklagte bot Ende Oktober 2016 in einer Zeitungsanzeige (Kopie: Anlage K 1) „homöopathische Fachberatung durch „das Team der ...“ an. Die unterhalb der Zeile „... Homöopathie“ dreiteilig untergliederte Anzeige enthält im ersten Abschnitt unter anderem die Angabe „Über 1000 homöopathische Arzneimittel haben wir für sie und Ihre Gesundheit vorrätig“. Im mittleren Abschnitt der Anzeige ist in einer siegelartigen Darstellung angegeben „Globuli des Monats ...“. Daneben ist ausgeführt: „.... gilt als typisches Fieber- und Entzündungsmittel. Es eignet sich z.B. bei akuter Mittelohrentzündung [...]“.

Der Kläger, der die Werbung als irreführend und täuschend ansah, mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 17. November 2016 (Anlage K 2) ab. Der Abmahnung war ein vorformuliertes Schriftstück mit der Überschrift „Unterlassungserklärung“ beigefügt, dass der Beklagte mit Namen, Anschrift, Datum und Unterschrift ergänzen sollte. Die Verpflichtung in jenem Entwurf erstreckt sich darauf,

1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für homöopathische Mittel, die nach dem Arzneimittelgesetz registriert sind oder von der Registrierung freigestellt sind, mit der Angabe von Anwendungsgebieten zu werben, insbesondere wenn dies geschieht wie:

„.... gilt als typisches Fieber- und Entzündungsmittel. Es eignet sich z.B. bei akuter Mittelohrentzündung [...]“

Der Beklagte übermittelte per Telefax eine Unterlassungserklärung (Anlage K 3), die inhaltlich von dem zuvor klägerseits geforderten Text abwich. Er beschränkte sein Unterlassungsversprechen allein auf das Mittel „....“. Er verpflichtete sich,

1. es künftig zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für homöopathische Mittel .... mit der Angabe von Anwendungsgebieten zu werben, insbesondere folgende Werbung zu unterlassen:

„.... gilt als typisches Fieber- und Entzündungsmittel. Es eignet sich z.B. bei akuter Mittelohrentzündung [...]“.

Mit Anwaltsschreiben vom 30. November 2016 (Anlage K 4) zeigten die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers die anwaltliche Vertretung an und bat angesichts der abweichenden Formulierung um Klarstellung, ob sich die Reichweite der Unterlassungserklärung auch auf weitere nach dem AMG registrierte oder von der Registrierung freigestellte Arzneimittel beziehe oder tatsächlich allein auf das bezeichnete konkrete Arzneimittel.

Der nunmehr ebenfalls anwaltlich vertretene Beklagte antwortete dahingehend, „selbstverständlich“ werde er zukünftig für homöopathische Mittel, die nach dem AMG registriert oder von der Registrierung freigestellt sind, nicht mit der Angabe von Anwendungsgebieten werben. Er bitte um Erläuterung warum die Reichweite der Unterlassungserklärung dem Kläger zweifelhaft erscheine, da er keine Werbung für andere Mittel als  ... geschaltet habe, so dass eine allgemeine Unterlassungserklärung bezogen auf sämtliche homöopathische Mittel nicht erforderlich sei.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger vom Beklagten wegen seiner Anwaltskosten Zahlung in Höhe einer 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100, 3101 Ziff. 1 VV-RVG, berechnet nach einem Gegenstandswert von € 20.000,00, nebst 20 Euro Kommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) und Zinsen. Den Hauptforderungsbetrag hatte der Kläger bereits vorgerichtlich mit anwaltlichem Schreiben vom 23.12.2016 (Anlage K 8) mit Zahlungsfrist zum 6. Januar 2017 geltend gemacht.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 613,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Januar 2017 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bestreitet die Klagebefugnis des Klägers und meint, der Kläger müsse darlegen, über Mitglieder zu verfügen, die mehr als 10 % des relevanten Marktes repräsentieren.

Der Beklagte hält im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Zeitungsanzeige einen wettbewerbsrelevanten Verstoß gegen das HWG für fraglich. Da nur ein bestimmter Stoff, nicht aber ein bestimmtes homöopathisches Arzneimittel beworben worden sei, fehle es an einer Werbung für ein Arzneimittel im Sinne des HWG. Zudem sei in der Aufbereitungsmonografie, Bundesanzeiger Nr. 190 A vom 10.10.1995, Seite 36 bzw. Nr. 130 vom 17.07.1991 als Anwendungsgebiet „fieberhafte, entzündliche Erkrankungen der Atemorgane“ angegeben. Der Beklagte habe den Stoff somit mit genau jenen Eigenschaften beworben, die auch in der Aufbereitungsmonografie genannt seien.

Im Übrigen sei die vom Beklagten formulierte Unterlassungsverpflichtung inhaltlich ausreichend gewesen, da eine die konkrete Verletzungsform wiedergebende Unterwerfungserklärung im Allgemeinen alle Handlungen, die gleichfalls das Charakteristische der verletzten Handlung aufweisen, erfasse. Die vom Beklagten abgegebene erste Unterlassungserklärung sei deshalb entsprechend auszulegen.

Ferner sei die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich gewesen. Zudem sei der angesetzte Gegenstandswert nicht angemessen. Schließlich gehe es um eine einzelne Annonce in einem kleinen lokalen Blatt, das ausschließlich im Bereich der Stadt Neustadt a. Rbge. erhältlich sei.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage hat teilweise Erfolg.

1. Die Klage ist zulässig. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG. Nach dieser Vorschrift sind die Landgerichte für alle bürgerlichen Rechtstreitigkeiten, bei denen ein Anspruch nach dem UWG geltend gemacht wird, ausschließlich zuständig.

Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Ihm gehört nach seinem substantiierten und im Einzelnen nicht bestrittenen Vortrag eine erhebliche Anzahl von Unternehmen an, die Medizinprodukte und Arzneimittel auf demselben Markt vertreiben wie die Beklagte. Dabei sind nicht allein die sechs Mitgliedsapotheken zu berücksichtigen, sondern auch die der  ... und andere Mitglieder.

Die geltend gemachte Zuwiderhandlung berührt zudem die Interessen seiner Mitglieder.

Der Kläger ist – wie seine gerichtsbekannte langjährige und umfangreiche Tätigkeit belegt – nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung auch imstande, seine satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen (OLG Celle, 10.03.2016 – 13 U 77/15, juris-Rn. 18).

2. Die Klage ist teilweise begründet.

a) Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Kostenerstattung. Ob der Kostenerstattungsanspruch von § 12 UWG erfasst ist, wie es der Kläger meint, kann an dieser Stelle offen bleiben. Denn sollte § 12 UWG keine Anwendung finden, hätte der Kläger einen Anspruch jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 BGB).

b) Bei den vorgerichtlichen Anwaltskosten handelt es sich um erforderliche Aufwendungen, da der Einwand des Klägers gegen die Formulierung des Beklagten als unzureichend berechtigt war und weil die Einschaltung eines Anwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als notwendig angesehen werden kann.

(1) Die Formulierung des Beklagten in seinem ersten Unterlassungsversprechen war inhaltlich unzureichend formuliert. Da der Stoff .... in der streitgegenständlichen Werbung als „Globuli des Monats“ bezeichnet ist, durfte der Kläger davon ausgehen, dass der Beklagte künftig ähnliche Werbung bezogen auf andere homöopathisch wirkende Stoffe schalten werde. Eine Auslegung dahingehend, dass die vom Beklagten selbst formulierte Erklärung in Ziffer 1 weiter reichen sollte als ihr Wortlaut, verbietet sich schon deshalb, weil der Beklagte in Ziffer 1 nicht den vorformulierten entsprechenden Entwurf des Klägers übernommen hat.

(2) Der Kläger durfte die Einschaltung eines Anwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung als notwendig ansehen. Zwar kann die von ihm angeführte BGH-Entscheidung „Fotowettbewerb“ aus dem Jahr 1969 nicht mehr ohne weiteres der vorliegenden Entscheidung zugrunde gelegt werden; dagegen spricht die spätere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, 21.01.2010 – I ZR 47/09 [„Kräutertee“]). Maßgeblich ist vielmehr, ob das „Nachhaken“ des Klägers aus damaliger Sicht erforderlich war, um einen Inanspruchnahme der Gerichte entbehrlich zu machen (vgl.  Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 12 Rn. 1.125) und ob es dem Kläger zuzumuten war, an den Beklagten insoweit ohne anwaltliche Hilfe heranzutreten. Während die Erforderlichkeit anwaltlicher Inanspruchnahme im vorliegenden Fall bejaht werden kann, ist die Zumutbarkeitsfrage hier zu verneinen. Nachdem der Beklagte die vorgeschlagene Formulierung des Unterlassungsversprechens abgelehnt und durch eine eigene Formulierung ersetzt hatte, durfte der Kläger davon ausgehen, die anwaltliche Unterstützung sei erforderlich, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Dabei konnte sich der Kläger auch nicht auf veröffentlichte Rechtsprechung zu gleichartigen Sachverhalten stützen. Vielmehr geht es vorliegend um einen Einzelfall. Dass es sich insoweit nicht um einen völlig einfach gelagerten Fall handelt, zeigt der Umstand, dass der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit die Wettbewerbswidrigkeit der beanstandeten Werbung nunmehr – allerdings zu Unrecht – in Frage gestellt hat.

c) Die Klageforderung geht jedoch über die angemessenen Anwaltskosten hinaus; nur diese hat der Beklagte zu erstatten. Erstattungsfähig ist lediglich ein Betrag in Höhe von € 262,40 (€ 303,00 x 0,8 + € 20,00).

Der angemessene Gegenstandswert für die vorgerichtlichen Anwaltkosten beschränkt sich auf € 5.000,00. Denn die Wettbewerbswidrigkeit der beanstandeten, lediglich regional geschalteten Werbung war zwischen den Parteien seinerzeit außer Streit. Damals war allein streitig, ob die Wiederholungsgefahr bezogen auf andere homöopathisch wirkende Stoffe als .... durch die vom Beklagten vorprozessual abgegebenen Erklärung ausgeräumt worden war (vgl. zum Streitwert/Gegenstandswert auch OLG Köln, 12.12.2014 – 20 U 133/14, juris-Rn. 78 [bei AGB-Klauseln: € 2.500,00 pro Klausel]). Dass sich die Parteien inzwischen nicht nur über die Frage der Wiederholungsgefahr streiten, sondern über den Wettbewerbsverstoß als solchen, erhöht den Gegenstandswert nicht rückwirkend.

c) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708, 713 ZPO.

III. Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor. Soweit ersichtlich, weicht die Kammer bei der rechtlichen Beurteilung nicht von Entscheidungen gleich- oder höherrangiger Gerichte ab.