Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 11.02.2004, Az.: AGH 24/03

Antrag auf Wiedererteilung der Befugnis zur Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht"; Führung einer Fachanwaltsbezeichnung für drei Rechtsgebiete; Fachanwaltsbezeichnung als Berufsausübungsregelung

Bibliographie

Gericht
AGH Niedersachsen
Datum
11.02.2004
Aktenzeichen
AGH 24/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 32671
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 04.04.2005 - AZ: AnwZ (B) 19/04
BVerfG - 13.10.2005 - AZ: 1 BvR 1188/05

Fundstellen

  • NJW 2004, 1113-1114 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-Spezial 2004, 46 (Volltext mit Anm.)

Verfahrensgegenstand

Gestattung der Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht"

Prozessführer

Rechtsanwalt T. R., S-Str. 6, B.

Prozessgegner

Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg
vertreten durch den Präsidenten, Staugraben 5, 26122 Oldenburg

Der zweite Senat des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofes hat
durch den Rechtsanwalt Prof. Dr. V. als Vorsitzenden
den Rechtsanwalt P. und die Rechtsanwältin T. als anwaltliche Beisitzer und
den Richter am Oberlandesgericht H. und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. W. als richterliche Beisitzer
auf die mündliche Verhandlung vom 22. Dezember 2003
am 11. Februar 2004
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die sofortige Beschwerde wird zugelassen.

  3. 3.

    Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

  4. 4.

    Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

  5. 5.

    Der Geschäftswert wird auf 14.000 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller ist als Rechtsanwalt zugelassen. Seit dem 26.06.1998 war ihm gestattet, die Bezeichnung " Fachanwalt für Strafrecht" zu führen. Durch weitere Urkunde vom 18.05.1999 wurde ihm die Befugnis verliehen, die Bezeichnung "Fachanwalt für Familienrecht" zu führen. Am 09.05.2002 verzichtete der Antragsteller auf die Befugnis zur Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht", die daraufhin von der Antragsgegnerin widerrufen wurde. Im Anschluss daran wurde ihm am 13.09.2002 die Befugnis verliehen, die Bezeichnung "Fachanwalt für Arbeitsrecht" zu führen. Gegenwärtig führt der Antragsteller somit Fachanwaltsbezeichnungen für zwei Rechtsgebiete, nämlich Familien- und Arbeitsrecht. Am 22.11.2002 beantragte der Antragsteller die Wiedererteilung der Befugnis zur Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht". Mit diesem Antrag hat der Antragsteller zunächst auf die bereits anlässlich des ersten Antrages auf Gestattung der Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht" eingereichten Unterlagen verwiesen, im weiteren Verlauf des Verfahrens jedoch Fortbildungsnachweise im Sinne des § 15 FAO vorgelegt und eine Fallliste sowie die Liste über die Hauptverhandlungstage eingereicht.

2

Die Antragsgegnerin hat den Antrag mit Bescheid vom 23.07.2003 mit der Begründung zurückgewiesen, dass § 43 c Abs. 1 Satz 3 BRAO der Führung der Fachanwaltsbezeichnung für ein drittes Fachgebiet entgegenstehe. Gegen diesen ihm am 25.07.2003 zugestellten Bescheid hat der Antragsteller am 22.08.2003 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Er verweist darauf, dass § 43 c Abs. 1 Satz 3 BRAO gegen Artikel 12 Abs. 1 GG verstoße. Es sei verfassungswidrig, wenn ihm lediglich das Führen von zwei Fachanwaltsbezeichnungen gestattet werde.

3

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm unter Aufhebung der Verfügung vom 23.07.2003, zugegangen am 25.07.2003, die Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Strafrecht" zu gestatten, für den Fall der Abweisung seines Antrages die sofortige Beschwerde zum Anwaltssenat des Bundesgerichtshofes zuzulassen.

4

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

5

Sie schließt sich dem Antrag des Antragstellers, die sofortige Beschwerde zuzulassen, an.

6

Die Antragsgegnerin tritt der Argumentation des Antragstellers entgegen, weil dieser in keiner Weise in seiner Berufsausübung als Strafverteidiger gehindert sei. Es handele sich lediglich um eine Berufsausübungsregelung, die verfassungsmäßig unbedenklich sei. Die Antragsgegnerin weist darüber hinaus darauf hin, dass der Nachweis der theoretischen Kenntnisse (Fachlehrgang Strafrecht des DAV September bis Dezember 1997) außerhalb des 4-Jahres-Zeitraumes des § 4 Abs. 2 Satz 1 FAO liege, lässt jedoch ausdrücklich offen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Gestattung der Führung der Fachanwaltsbezeichnung erfüllt sind.

7

II.

Der Antrag ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

8

Nach § 43 c Abs. 1 Satz 3 BRAO darf die Befugnis, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen, für höchstens zwei Rechtsgebiete erteilt werden. Der Wortlaut dieser Regelung ist eindeutig und lässt keine darüber hinaus gehende Anwendung zu.

9

Dieser Würdigung stehen verfassungsrechtliche Bedenken nicht entgegen. Grundsätzlich ist hier die Freiheit der Berufsausübung tangiert. Ein solcher Eingriff in Art. 12 GG ist jedoch durch Gesetz bzw. auf Grund eines Gesetzes, hier § 43 c BRAO, möglich.

10

Fachanwaltsbezeichnungen sind vor dem Hintergrund entwickelt worden, dass dem Recht suchenden Publikum eine Hilfestellung bei der Suche nach dem für das Rechtsgebiet am besten geeigneten Anwalt gegeben wird und dessen Qualifikation nachgewiesen wird. Fachanwaltsbezeichnungen dienen insoweit zunächst einmal einer Offenlegung der Spezialkenntnisse, wobei eine besondere Qualifikation nachgewiesen werden muss. Die Möglichkeit des Führens von Fachanwaltsbezeichnungen stellt eine zulässige Berufsausübungsregelung dar. Bei § 43 c BRAO handelt es sich um eine typische Berufsausübungsregelung, die aus sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt ist. Sie dient letztlich der Sicherung eines qualifizierten beruflichen Standards und zugleich den Interessen und dem Schutz der Recht suchenden Allgemeinheit. Die Beschränkung zum Führen von Fachanwaltsbezeichnungen für höchstens zwei Fachgebiete hat den Hintergrund, dass ein hohes Niveau der Kenntnisse verlangt wird und die Glaubwürdigkeit eines Fachhinweises gewahrt werden soll. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Zahl der zulässigen Fachanwaltsbezeichnungen, die von einem Anwalt geführt werden dürfen, auf zwei zu beschränken, stellt ein angemessenes und erforderliches Mittel zur Sicherung des qualifizierten beruflichen Standards dar. Letztlich sind die Voraussetzungen für die Erlangung einer Fachanwaltsbezeichnung allein durch die Fallzahlen so hoch geschraubt, dass, auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Fortbildungsmaßnahmen, die Erfüllung der Voraussetzungen schon aus zeitlichen Gründen im Fall von drei oder mehr zulässigen Fachanwaltsbezeichnungen Bedenken unterliegt. Der Sinn und Zweck einer Spezialisierung wird darüber hinaus ins Gegenteil verkehrt, wenn drei, vier oder noch mehr Fachanwaltsbezeichnungen möglich wären. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller mit der Beschränkung auf zwei Fachanwaltsbezeichnungen ja nicht der Weg verwehrt wird, auf dem entsprechenden Rechtsgebiet tätig zu sein. Er ist im vorliegenden Fall nicht gehindert, auf dem Gebiet des Strafrechts tätig zu sein, und dieses ggf. durch weitere Hinweise auf Tätigkeits- oder Interessenschwerpunkte auch für das Recht suchende Publikum kenntlich zu machen. Fachanwaltsbezeichnungen dienen zumindest indirekt auch der Werbung, da sie zulässigerweise auf dem Briefkopf, der Visitenkarte oder in Anzeigen angegeben werden können. Dem Antragsteller wird gleichwohl die Werbung für das Rechtsgebiet nicht verwehrt, wenn er auf andere Weise darauf hinweisen kann. Auch unter diesem Aspekt ist eine Rechtsverletzung nicht ersichtlich.

11

Der Antragsteller kann nach alledem aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 13. Dezember 2000 (Aktenzeichen 1 BVR 335/97) keine Rechte für sein Begehren herleiten, weil ihm gerade nicht der Zugang zur Ausübung seines Berufes in einem Teilbereich verwehrt wird.

12

Gesetzliche Regelungen zur Berufsausübung sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt sind, das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist und die Grenzen der Zumutbarkeit nicht überschritten werden (st. Rspr BVerfGE 30, 292, 316). Dem Gesetzgeber steht hier ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu (BVerfGE 39, 210, 225). Die Begrenzung auf zwei Fachanwaltsbezeichnungen erscheint unter diesem Gesichtspunkt verfassungskonform, weil mit dieser Vorschrift der hinter der Regelung stehende Zweck einer hohen Spezialisierung erreicht wird, auch wenn es im Einzelfall möglich ist, ggf. drei- oder vier Mal die Voraussetzungen für den Erwerb einer Fachanwaltsbezeichnung formal zu erreichen. Es darf nämlich nicht verkannt werden, dass es hier nicht nur darum geht, einmal die Voraussetzungen zu schaffen, sondern der einmal erreichte Qualitätsstandard muss auch gesichert werden. Diese Sicherung erfolgt nicht nur durch Absolvierung einer 10-stündigen Fortbildungsveranstaltung pro Jahr, sondern der Gesetzgeber hat hier vor Augen gehabt, dass der entsprechende Fachanwalt auf dem Gebiet auch tätig ist und sich auch außerhalb der Pflichtveranstaltungen weiterbildet, beispielsweise durch das Studium von Fachzeitungen und ähnlichem. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es bei einem durchschnittlichen Zeitaufwand ausgeschlossen ist, nicht nur auf zwei Gebieten die Voraussetzungen für das führen einer Fachanwaltsbezeichnung zu schaffen, sondern in dem erforderlichen Umfange auf mehr als zwei Gebieten tätig zu sein, auch wenn eine konkrete Einzelfallungerechtigkeit hier nicht ausgeschlossen werden kann. Mit einem überdurchschnittlichen Zeitaufwand mag es durchaus möglich sein, in dem erforderlichen Umfange gleichzeitig auf drei Fachgebieten tätig zu sein und den einmal erreichten Qualitätsstandard zu halten. Im Durchschnittsfall erscheint dies allerdings ausgeschlossen, sodass die vom Gesetzgeber gewählte Regelung ein angemessenes, aber auch erforderliches Mittel erscheint, das hohe Niveau der Kenntnisse zu sichern und auch glaubwürdig zu bleiben. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Zahl der zulässigerweise zu führenden Fachanwaltsbezeichnungen auf zwei zu begrenzen, begegnet daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach alledem steht dem Antragsteller ein Anspruch auf das Führen einer weiteren dritten Fachanwaltsbezeichnung gemäß § 43 c Abs. 1 Satz 3 BRAO nicht zu. Auf die Frage, ob er die Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten Befugnis im Übrigen erfüllt, kommt es daher nicht an.

13

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung ist die sofortige Beschwerde gem. § 223 III BRAO zuzulassen. Die Rechtsfrage ist bislang nicht entschieden.

14

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens (§ 201 BRAO). Es bestand kein Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen (§ 40 Abs. 4 BRAO i.V.m. § 13 a FGG).

Streitwertbeschluss:

Der Geschäftswert wird auf 14.000 EUR festgesetzt.

Die Festsetzung des Geschäftswertes entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senates.