Anwaltsgerichtshof Niedersachsen
Beschl. v. 07.07.2004, Az.: AGH 3/04
Zulässigkeit der Beteiligung eines Rechtsanwalts an einer Steuerberatungsgesellschaft neben der Beteiligung an einer Rechtsanwaltsgesellschaft; Untersagung der Beteiligung an einer Steuerberatungsgesellschaft eines Rechtsanwalts durch die Rechtsanwaltskammer; Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen seitens des Rechtsanwalts; Auslegung des Begriffs der Sozietät; Ausschluss von Kapitalgesellschaften von dem Sozietätsbegriff
Bibliographie
- Gericht
- AGH Niedersachsen
- Datum
- 07.07.2004
- Aktenzeichen
- AGH 3/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 32670
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 59 a BRAO
- § 59 e BRAO
- § 43 Abs. 1 BRAO
- § 223 Abs. 1 BRAO
Fundstellen
- BRAK-Mitt 2004, 236
- NJW-Spezial 2004, 382 (Kurzinformation)
Prozessführer
Rechtsanwalt C. J., B-Straße 15, B.
Prozessgegner
Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Celle,
vertreten durch den Vorstand, Bahnhofstraße 5, 29221 Celle.
Der 1. Senat des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofes hat
nach mündlicher Verhandlung am 18. Mai 2004
durch
den Rechtsanwalt Dr. R. als Vorsitzenden sowie
die Rechtsanwälte L. und M. und
die Richter am Oberlandesgericht Dr. L. und Dr. B. als Beisitzer
im schriftlichen Verfahren am 7. Juli 2004
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
- 2.
Die sofortige Beschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
- 3.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
A
Sachverhalt:
Der Antragsteller ist als Rechtsanwalt gemeinsam mit dem Steuerberater Herrn W. S. und dem Rechtsanwalt Herrn A. P. in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Sitz in B. tätig.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2003 fragte Rechtsanwalt J. bei der Antragsgegnerin an, ob gegen seine Tätigkeit als Rechtsanwalt im Rahmen dieser GbR Bedenken bestünden. Darüber hinaus teilte er der Antragsgegnerin in diesem Schreiben mit, dass er sich gemeinsam mit Herrn P. zusätzlich als Gesellschafter an einer GmbH, der S. und Partner Steuerberatungs-GmbH, beteiligen möchte, die eine reine Steuerberatungs-GmbH ist und keine Rechtsberatung durchführt. Die Berufsausübung soll allein in der GbR erfolgen.
Geschäftsführer dieser Steuerberatungs-GmbH sei der Steuerberater W. S. Er solle auch in Zukunft als Geschäftsführer der Steuerberatungs-GmbH tätig bleiben. Der Antragsteller fragte in seinem Schreiben vom 14. Mai 2003 bei der Antragsgegnerin, ob gegen seine Beteiligung als Gesellschafter an der Steuerberatungs-GmbH aus Sicht der Antragsgegnerin Bedenken bestehen.
Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller daraufhin mit Schreiben vom 16. September 2003, das dem Antragsteller am 17. September 2003 zugestellt wurde, mit, dass - wie zuvor bereits telefonisch mitgeteilt - gegen die Zusammenarbeit mit dem Steuerberater Herrn S. und dem Rechtsanwalt Herrn P. im Rahmen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts keine Bedenken bestehen.
Hinsichtlich der Anfrage des Antragstellers zu seiner beabsichtigten Beteiligung als Gesellschafter an der Steuerberatungs-GmbH teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass es ihm untersagt sei, sich neben der Zugehörigkeit zur BGB-Gesellschaft zusätzlich an der Steuerberatungs-GmbH zu beteiligen, da er dann zwei Gesellschaften in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt angehören würde. Dies verstoße gegen die §§ 59 a, 59 e BRAO, die es einem Rechtsanwalt nur erlauben würden einer Sozietät bzw. Rechtsanwaltsgesellschaft anzugehören.
Gegen diese Mitteilung hat der Antragsteller mit einem am 16. Oktober 2003 beim Niedersächsischen Anwaltsgerichtshof in Celle eingegangenem Schriftsatz einen Antrag auf Entscheidung des Anwaltsgerichtshofes gestellt. Er beantragt in der korrigierten Fassung seines Antrages,
- 1.
es ist festzustellen, dass entgegen der Entscheidung der Rechtsanwaltskammer Celle in deren Verwaltungsakt vom 16. September 2003 kein Grund vorliegt, dem Antragsteller zu untersagen, sich neben der Zugehörigkeit zur BGB-Gesellschaft zusätzlich an der Steuerberatungs-GmbH zu beteiligen, da er dann zwei Gesellschaften in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt angehören würde.
- 2.
Für den Fall der Abweisung des Antrages die sofortige Beschwerde an den Bundesgerichtshof zuzulassen.
Zur Begründung führt der Antragsteller an, dass es sich bei der Steuerberatungs-GmbH, deren Gesellschafter er werden wolle, nicht um eine Sozietät im Sinne des § 59 a Abs. 1 BRAO handele, sodass sich aus dieser Vorschrift eine Unzulässigkeit seiner Beteiligung nicht ergeben könne. Auch § 59 e BRAO sei in seinem Fall nicht einschlägig, da sich diese Vorschrift nur auf die in einer Rechtsanwaltsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH tätigen Rechtsanwälte beziehe. Schließlich weist der Antragsteller darauf hin, dass er nicht beabsichtige, seinen Beruf als Rechtsanwalt in der Steuerberatungs-GmbH auszuüben. Es sei vielmehr allein eine Beteiligung als Gesellschafter beabsichtigt. Aus der Regelung des § 50 a Abs. 1 Nr. 1 StBerG ergäbe sich nur, dass sich an einer Steuerberatungs-GmbH nur die Angehörigen bestimmter Berufsgruppen beteiligen können. Sie setzt jedoch keine entsprechende Tätigkeit der dort genannten Berufsträger in dem entsprechenden Beruf in der Steuerberatungs-GmbH voraus.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie ergänzend zu den Ausführungen in ihrem Bescheid vom 16. September 2003 darauf, dass es einem Rechtsanwalt nach § 43 Abs. 4 BRAO untersagt sei, widerstreitende Interessen zu vertreten und § 43 Abs. 1 BRAO ihm verbiete, Bindungen einzugehen, die seine berufliche Unabhängigkeit gefährden. Vor diesem Hintergrund legt sie den Begriff der Sozietät in § 59 a BRAO dahingehend aus, dass unter Sozietät jeder berufliche Zusammenschluss sowohl in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als auch in der Partnerschaftsgesellschaft oder einer Rechtsanwalts-, Steuerberatungs-, Wirtschafts- oder Buchprüfungsgesellschaft zu verstehen sei. Die beabsichtigte Beteiligung des Antragstellers an einer Steuerberatungs-GmbH verstoße daher gegen § 59 a BRAO. Dabei sei es unbeachtlich, ob der Antragsteller derzeit beabsichtige, in der Steuerberatungs-GmbH tätig zu werden, da allein maßgeblich sei, dass ihm durch die Beteiligung an dieser Gesellschaft die Möglichkeit zum dortigen Tätigwerden eröffnet werde.
In der mündlichen Verhandlung vom 18. Mai 2004 hat der Antragsteller ergänzend erklärt, Gesellschafter der S. und Partner Steuerberatungsgesellschaft GmbH sind Herr S. (Steuerberater), Herr T. (Steuerberater) und Frau D. (Steuerberaterin). Alle drei vorgenannten Gesellschafter sind auch Geschäftsführer. Diese Gesellschaft ist nicht an anderen Gesellschaften beteiligt. Herr S. ist Gesellschafter der BGB-Gesellschaft und gleichzeitig Gesellschafter der Steuerberatergesellschaft. Herr T. ist Gesellschafter der Steuerberater-GmbH und gleichzeitig Gesellschafter in einer steuerberatenden Partnerschaftsgesellschaft. Für den Fall dass dem Antragsteller die Möglichkeit gegeben wird, sich an der Steuerberatergesellschaft zu beteiligen, wolle Herr T. seinen Anteil übertragen. Frau D., Herr S., Herr P. und der Antragsteller sollen jeweils zu 25 % an der Steuerberatergesellschaft beteiligt werden.
Er wolle sich nach wie vor an der Steuerberatungs-GmbH nur kapitalmäßig beteiligen, eine Tätigkeit als Geschäftsführer sei endgültig nicht beabsichtigt. Die kapitalmäßige Beteiligung erfolge allein zur Kontrolle der Gewinnverteilung in der Steuerberatungs-GmbH. Es solle vermieden werden, dass in P., dem Sitz der Steuerberatungs-GmbH Steuerberatungsmandate separat abgewickelt werden, ohne die Sozien in B. zu beteiligen.
Wegen der kapitalmäßigen Beteiligung hätten er sowie Herr P. Bankgespräche geführt und beantragt, für die kapitalmäßige Beteiligung Darlehn auszuzahlen. Die Entscheidung über den Kredit habe die Bank davon abhängig gemacht, dass die Beteiligung berufsrechtlich unbedenklich sei. Dies sei der Grund für den Antrag vom 14. Mai 2003. Außerdem hätte der Antragsteller Gespräche geführt mit seinen Partnern, das Vorhaben in allen Einzelheiten bereits überlegt und die Zustimmung der Partner eingeholt. Die Durchführung des Planes hänge allein von der berufsrechtlichen Zulässigkeit ab und dann noch von der notariellen Umsetzung der Beteiligung.
Er begehre in erster Linie die Anfechtung der Belehrung vom 16. September 2003 und stelle seinen Feststellungsantrag gemäß Schriftsatz vom 16. Oktober 2003 hilfsweise.
Der Vertreter der Antragsgegnerin beantragte weiterhin,
den Antrag zurückzuweisen,
hilfsweise,
die sofortige Beschwerde zum Bundesgerichtshof gemäß § 223 Abs. 3 BRAO zuzulassen.
Diesem Hilfsantrag schloss sich der Antragsteller an.
B
Rechtliche Würdigung
Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Nach § 223 Abs. 1 BRAO können Verwaltungsakte, die nach diesem Gesetz oder nach einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung ergehen, durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, über den der Anwaltsgerichtshof entscheidet, auch dann angefochten werden, wenn es nicht ausdrücklich bestimmt ist.
1.
Der Antragsteller hat zwar fristgemäß einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung an den AGH gerichtet und die Anfechtung, d. h. Aufhebung der Entscheidung der Antragsgegnerin vom 16. September 2003 beantragt. Er hat dann aber zunächst auf einen Feststellungsantrag umgestellt. In der mündlichen Verhandlung hat er dann einen Anfechtungsantrag und hilfsweise einen Feststellungsantrag gestellt.
2.
Fraglich ist, ob der Antragsteller die Aufhebung eines "Verwaltungsaktes" begehrt. Dann müsste es sich bei der Entscheidung der Antragsgegnerin vom 16. September 2003 um einen Verwaltungsakt handeln. Verwaltungsakte im Sinne des § 223 BRAO sind nicht nur alle Verwaltungsakte im verwaltungsrechtlichen Sinne. Da § 223 BRAO eine Generalklausel zur Sicherung lückenlosen Rechtsschutzes darstellt, reichen auch solche hoheitlichen Maßnahmen aus, die geeignet sind, Grundrechte des Betroffenen einzuschränken und die Voraussetzungen für die Einlegung von Verfassungsbeschwerden zu erfüllen oder die allgemein in Rechte des Betroffenen eingreifen oder diese einschränken (Feuerich/Weyland, § 223 Rdn 6 m.w.N.)
Bei dem angefochtenen Schreiben vom 16. September 2003 handelt es sich um eine Belehrung des Antragstellers über die Rechtslage, die Bezug nimmt auf dessen Selbstanfrage vom 14. Mai 2003.
C
Bloße Belehrungen der Rechtsanwaltskammer nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltens sind grundsätzlich nicht nach § 223 BRAO anfechtbar, weil sie nicht in die Rechte des Rechtsanwaltes eingreifen (ausführlich BGH BRAK-Mitt. 1997, 40 f.; Bay EGH BRAK-Mitt. 1993, 224 f.; AGH Hamm BRAK-Mitt. 1998, 47 ff.; zuletzt BGH BRAK-Mitt. 2001, 82; auch Feuerich/Weyland, § 73 Rdn 30 und § 223 Rdn 28).
D
Nur wenn sich die Belehrung auf einen zurückliegenden Vorgang bezieht (sog. missbilligende Belehrung), lässt die Rechtsprechung eine Anfechtung nach § 223 Abs. 1 BRAO zu, weil es sich um eine hoheitliche Maßnahme handelt, die geeignet ist, den Rechtsanwalt in seinen Rechten zu beeinträchtigen (BGH NJW 2003, 504; BGH NJW 2002, 608; BGH NJW-RR 1997, 759). Jedoch sind die Rechtsanwaltskammern mangels Ermächtigungsgrundlage nicht berechtigt, festgestellten Berufsrechtsverstößen mit einer Belehrung und einer selbstständigen Unterlassungsverfügung zu begegnen (BGH NJW 2003, 504).
E
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Selbstanfrage des Antragstellers, die ersichtlich zu einem Zeitpunkt gestellt worden ist, als die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Steuerberatungs-GmbH noch nicht vollzogen war. Diese Selbstanfrage wird von der Antragsgegnerin u.a. wie folgt beantwortet:
"Daher ist es Ihnen untersagt, sich neben der Zugehörigkeit zur BGB-Gesellschaft zusätzlich an der Steuerberatungsgesellschaft zu beteiligen, da Sie dann zwei Gesellschaften in Ihrer Eigenschaft als Rechtsanwalt angehören würden."
Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 16. September 2003 ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen.
Es stellt sich nun die Frage, ob das Schreiben vom 16. September 2003 lediglich als präventive Belehrung zu verstehen ist (dann keine Anfechtbarkeit) oder ob es sich bereits um eine missbilligende Belehrung handelt (dann Anfechtbarkeit).
F
Der Senat hatte in seiner Entscheidung vom 27. Oktober 2003 (AGH 4/03; abgedruckt in BRAK-Mitt. 2004, 85 ff.) einen ähnlichen Fall zu entscheiden. Auch der damalige Antragsteller hatte entgegen seiner Ankündigung noch nichts "ins Werk gesetzt". Der Senat hatte sich für eine analoge Anwendung des § 223 BRAO entschieden und ausgeführt:
"Ein Rechtsmittel ist jedoch dann zulässig, wenn die Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 GG dies erfordert. Daher ist in analoger Anwendung des § 223 BRAO eine Äußerung des Kammervorstandes anfechtbar, wenn dem betroffenen Rechtsanwalt erhebliche künftige Nachteile entstünden, falls er der Belehrung Folge leistet (vgl. BVerfG NJW 1979, 1179 [VG Karlsruhe 13.03.1978 - V - 135/77]; Feuerich/Weyland § 73 Rdn 31 m.w.N.)."
Dahinter stand für den Senat u.a. die Überlegung, dass ein Rechtsanwalt, der eine unzutreffende Belehrung der Kammer erhält und diese nicht anfechten kann, bewusst gegen das Berufsrecht verstoßen müsste, um eine gerichtliche Überprüfung zu erreichen. Dafür kämen das Rügeverfahren, das anwaltsgerichtliche Disziplinarverfahren oder gar das Strafverfahren in Betracht. Ein Rechtsanwalt soll sein Recht aber nicht "von der Anklagebank aus" suchen müssen (so auch BGH NJW 2003, 3548).
G
Auch im vorliegenden Fall ist die angefochtene Belehrung geeignet, dem Antragsteller Nachteile zuzufügen, denn die von ihm beabsichtigte Beteiligung an der Steuerberater-GmbH soll von der Antragsgegnerin mit ihrer Entscheidung vom 16. September 2003 "gestoppt" werden. Die Beteiligung des Antragstellers an der Steuerberatungs-GmbH steht unmittelbar bevor, der Antragsteller hat im Vorfeld bereits Maßnahmen getroffen, um die Beteiligung zu ermöglichen: Er hat Kooperationsgespräche mit den Partnern in der BGB-Gesellschaft und der Steuerberater-GmbH geführt und deren Zustimmung eingeholt. Es ist bereits eine Bank mit der Kreditierung der beabsichtigen Kapitalanlage beauftragt worden. Die Bank macht ihre Zusage von der Entscheidung der berufsrechtlichen Frage abhängig. Es fehlt lediglich noch die gesellschaftsrechtliche Umsetzung, um die Beteiligung an der Steuerberater-GmbH rechtswirksam zu begründen.
Erkennbar wollte also die Antragsgegnerin diese Entwicklung mit einer abschließenden hoheitlichen Entscheidung (mit Rechtsmittelbelehrung!) unterbinden. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 16. September 2003 kommt daher einer Unterlassungsverfügung nahe, denn im Ergebnis untersagt die Antragsgegnerin dem Antragsteller die von ihm gewünschte Beteiligung. Somit wäre die Anfechtung analog § 223 BRAO zulässig.
I.
Zur Begründetheit:
Es ist fraglich, ob der Aufhebungsantrag begründet ist, da die angefochtene Belehrung rechtmäßig sein könnte.
1.
§ 50 a Abs. 1 Nr. 1 StBerG lässt die Beteiligung eines Rechtsanwaltes an einer Steuerberatungs-GmbH grundsätzlich zu. Nach § 50 Abs. 2 StBerG kann ein Rechtsanwalt auch Geschäftsführer einer Steuerberater-GmbH sein.
Die Steuerberater-GmbH ist - im Gegensatz zur Rechtsanwalts-GmbH (§ 59 e Abs. 1 Satz 2 BRAO) - keine Berufsausübungsgesellschaft (AGH Mecklenburg-Vorpommern BRAK-Mitt. 2001, 239). Der Gesellschafter kann, muss aber nicht in der Steuerberater-GmbH beruflich tätig sein. Die schlichte kapitalmäßige Beteiligung eines Rechtsanwaltes an einer Steuerberater-GmbH ist nach Auskunft der Steuerberaterkammer Niedersachsen zulässig.
2.
Das anwaltliche Berufsrecht regelt - soweit ersichtlich - in drei Vorschriften die Frage der Mehrfachbeteiligung eines Rechtsanwaltes:
- § 59 a Abs. 1 BRAO (Sozietät);
- § 59 e Abs. 2 BRAO (Rechtsanwalts-GmbH);
- § 31 BORA (Sternsozietät) sowie § 33 Abs. 1 BORA.
§ 59 e Abs. 2 BRAO scheidet im vorliegenden Fall aus, weil der Antragsteller nicht Mitglied einer Rechtsanwalts-GmbH ist. § 31 BORA (Sternsozietät) trifft den Fall des Antragstellers ebenfalls nicht. Es geht deshalb im vorliegenden Fall allein um die Auslegung des § 59 a Abs. 1 Satz 1 BRAO - hier insbesondere um die Auslegung des Begriffs der "Sozietät".
3.
Es ist einhellige Meinung, dass die gesetzliche Formulierung "in einer Sozietät" als Zahlwort gemeint ist, sodass sich Rechtsanwälte nach dieser Vorschrift mit anderen Rechtsanwälten bzw. sozietätsfähigen Berufen nur in einer einzigen "Sozietät" zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden können (Bundestagsdrucksache 12/4993 Seite 33; BGH NJW 1999, 2970, 2971 [BGH 21.06.1999 - AnwZ (B) 89/99]; AGH Hamburg AnwBl 1999, 226; Henssler/Prütting § 59 a Rdn 10; Feuerich/Weyland § 59 a Rdn 4). Die Sozietät bietet die Möglichkeit zur gemeinschaftlichen Berufsausübung, vermehrbar oder teilbar wird die anwaltliche Berufstätigkeit dadurch nicht. Dem Rechtsanwalt ist es daher verwehrt, mehreren Sozietäten anzugehören, was der Wortlaut mit der Formulierung "in einer Sozietät" zum Ausdruck bringt. Das entspricht den Erwartungen, die der Rechtsverkehr berechtigterweise mit einer Sozietät verbindet (Bundestagsdrucksache 12/4993 Seite 33).
Die Regelung des § 59 a BRAO bezweckt mit dem Verbot der parallelen Berufsausübung in mehreren Sozietäten u.a. den Schutz der Mandantschaft vor Irreführungen (AGH Hamburg, Beschluss vom 01.06.1999, a.a.O.). Das von einem Mitglied der Sozietät namens der Sozietät angenommene Mandat verpflichtet die zur gemeinsamen Berufsausübung verbundenen Mitglieder. Sie haften aus dem zwischen der Sozietät und dem Mandanten bestehenden Vertragsverhältnis solidarisch. Der rechtssuchende Mandant soll Klarheit darüber haben, mit wem er den Mandatsvertrag abgeschlossen hat sowie über die Person seiner Vertrags- und Haftungspartner.
4.
Wie aber ist der Begriff der "Sozietät" auszulegen? Der Antragsteller legt diesen Begriff dahingehend aus, dass die Sozietät im Sinne des § 59 a Abs. 1 Satz 1 nur die Gesellschaft bürgerlichen Rechts meint. Er stützt sich dabei auf die Kommentarstellen bei Henssler/Prütting-Hartung zu § 59 a BRAO (1997) Rdn 17. Dieselbe Auffassung wird auch vertreten von Hartung/Holl-Römermann § 59 a BRAO (2001) Rdn 4 und Feuerich/Weyland § 59 a BRAO (2003) Rdn 6. Danach sind unter einer Sozietät nur die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (und die Partnerschaftsgesellschaft) zu verstehen, ausdrücklich nicht aber z.B. die anwaltlichen Kapitalgesellschaften (GmbH, AG und KG a A).
Damit sind auch die Kapitalgesellschaften der Angehörigen der steuerberatenden Berufe (Steuerberater-GmbH, Wirtschaftsprüfer-GmbH, Buchprüfer-GmbH) von diesem Sozietätsbegriff nicht erfasst.
Das gilt im Übrigen nicht nur für die reine kapitalmäßige Beteiligung, die der Antragsteller nach eigenem Bekunden lediglich anstrebt (Gesellschafterstellung), sondern auch für den Fall, dass er sich entschließen sollte, seinen Beruf als Rechtsanwalt gleichzeitig auch in der Steuerberatungs-GmbH auszuüben (Geschäftsführer). Auf die Unterscheidung zwischen kapitalmäßiger Beteiligung und Berufsausübung kommt es dann gar nicht mehr an. Der Rechtsanwalt könnte sowohl in der Anwalts-GbR als auch in der Steuerberatungs-GmbH seinen Beruf ausüben, wenn er das möchte. Auch die gleichzeitige Berufsausübung wäre somit zulässig. Das ist die zwingende Konsequenz einer engen Auslegung des Sozietätsbegriffs in § 59 a Abs. 1 Satz 1 BRAO.
Dasselbe würde dann auch für andere anwaltlichen Kapitalgesellschaften (z.B. AG und KG a A) gelten. Nur speziell für den Fall der Rechtsanwalts-GmbH wäre gesetzlich geregelt (§ 59 e Abs. 2 BRAO), dass ein Mitglied der Rechtsanwalts-GmbH seinen Beruf nicht in weiteren beruflichen Zusammenschlüssen ausüben darf.
Daraus wird deutlich, dass eine erhebliche Ungleichbehandlung vorliegen würde: Während der Antragsteller als Mitglied einer BGB-Gesellschaft sich weit gehend an Kapitalgesellschaften beteiligen und seinen Beruf ausüben könnte, wäre ihm als Mitglied einer Rechtsanwalts-GmbH ein weiterer beruflicher Zusammenschluss verwehrt (§ 59 e Abs. 2 BRAO). Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich.
5.
Der Senat kommt aus den nachfolgenden Gründen zu dem Ergebnis, dass der Begriff der Sozietät in § 59 a Abs. 1 Satz 1 BRAO weit auszulegen ist.
H
Bereits die wörtliche Auslegung spricht nicht für eine Einschränkung des Sozietätsbegriffs auf GbR, Partnerschaftsgesellschaft und Bürogemeinschaft (§ 59 a Abs. 4 BRAO). Vielmehr verstehen der Rechtsverkehr - und insbesondere die Rechtsanwälte selbst - unter einer Sozietät jede Form gemeinschaftlicher anwaltlicher Berufstätigkeit, sodass auch Kapitalgesellschaften erfasst werden. Dem Sozietätsbegriff ist nach allgemeinem Sprachgebrauch keine Beschränkung auf bestimmte gesellschaftsrechtliche Organisationsformen zu entnehmen - zumal die in Betracht kommenden Verbindungsformen zum Teil erhebliche Unterschiede tatsächlicher und/oder rechtlicher Art aufweisen, z.B. Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Bürogemeinschaft, Partnerschaftsgesellschaft, Rechtsanwalts-GmbH, Rechtsanwalts-AG, Steuerberater-GmbH, Wirtschaftsprüfer-GmbH, Buchprüfer-GmbH usw.
Die wörtliche Auslegung (möglicher Wortsinn) lässt eine weite Auslegung des Sozietätsbegriffs zu.
I
Hinzu kommt, dass auch nach Sinn und Zweck des § 59 a Abs. 1 Satz 1 BRAO von einem weiten Sozietätsbegriff auszugehen ist. Die Vorschrift ist durch das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. September 1994 (Bundesgesetzblatt I Seite 2278) in die Bundesrechtsanwaltsordnung eingefügt worden. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber den Begriff der "Sozietät" bewusst offen halten wollte (Bundestagsdrucksache 12/4993 Seite 23):
"Die Vorschriften über die gemeinsame Berufsausübung und die interprofessionelle Sozietät sind nicht zwingend verknüpft mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Form der Zusammenarbeit. Zur Frage, in welcher Rechtsform die gemeinsame Berufsausübung zulässigerweise möglich ist, treffen sie keine Aussage, sondern lassen insoweit bereits Raum für weitere Entwicklung."
Daraus ist zu schließen, dass sich bereits der historische Gesetzgeber bewusst gegen jede gesellschaftsrechtliche Begrenzung des Sozietätsbegriffs entschieden hatte.
Dennoch muss festgestellt werden, dass die Kommentarliteratur einen engen Sozietätsbegriff vertritt und unter Sozietät eben nur die BGB-Gesellschaft und die Partnerschaft verstehen will, wobei Kapitalgesellschaften ausgeschlossen sein sollen. Es ist jedoch fraglich, ob diese Eingrenzung zutreffend ist, vor allem aber noch zeitgemäß ist (objektiv-teleologische Auslegung: Gegenwartsfunktion des Rechts). Es mag sein, dass dem historischen Gesetzgeber im Jahr 1994 die BGB-Gesellschaft und die Partnerschaft vor Augen standen, wobei die seinerzeit erst in der Diskussion befindliche Rechtsanwalts-GmbH mit Skepsis betrachtet wurde (Drucksache 12/4993 Seite 23). Nach der Entscheidung des BayObLG vom 24. November 1994 (NJW 1995, 199) trat aber hinsichtlich der Zulässigkeit der Anwalts-GmbH ein allgemeiner Auffassungswandel ein, der schließlich dazu führte, dass der Gesetzgeber durch Gesetz vom 31. August 1998 (BGBl. I Seite 2600) mit Wirkung vom 1. März 1999 die §§ 59 c ff. in die Bundesrechtsanwaltsordnung einfügte. Bereits im Jahre 1998 wurde dann die erste Rechtsanwalts-AG gegründet und zur Eintragung im Handelsregister angemeldet. Wiederum war es das BayObLG, das die gemeinsame Berufsausübung von Rechtsanwälten in einer Aktiengesellschaft für zulässig erachtete (NJW 2000, 1647). In der Literatur wird neuerdings die Zulässigkeit der Kommanditgesellschaft auf Aktien oder der Genossenschaft für Rechtsanwälte vertreten usw. (vgl. Hartung/Holl-Römermann, Vorbemerkung § 59 a BRAO Rdn 112, 119). Diese Entwicklung, die erst nach Einführung des § 59 a BRAO einsetzte, kann für eine zeitgemäße Auslegung des Sozietätsbegriffes nicht ignoriert werden. Deshalb führt sowohl die wörtliche als auch die teleologische Auslegung des Sozietätsbegriffs zu dem Ergebnis, dass unter einer Sozietät im Sinne des § 59 a Abs. 1 Satz 1 BRAO jeder berufliche Zusammenschluss von Rechtsanwälten unabhängig von der im Einzelfall gewählten Rechtsform zu verstehen ist. Damit werden auch Kapitalgesellschaften der Rechtsanwälte und der steuerberatenden Berufe mit einbezogen. Das Verbot der Mehrfachbeteiligung, wie es im § 59 a Abs. 1 Satz 1 BRAO zum Ausdruck kommt, wäre danach von allgemeiner Bedeutung. Zur Bestätigung kann noch ergänzend auf § 33 Abs. 1 BORA verwiesen werden. Jedenfalls für den Bereich der Berufsordnung hat der Satzungsgeber bestimmt, dass Rechte und Pflichten des Rechtsanwalts im Hinblick auf die Sozietät als Form der beruflichen Zusammenarbeit sinngemäß auch für alle anderen Rechtsformen der beruflichen Zusammenarbeit gelten sollen. Dazu gehört auch die Vorschrift des § 31 BORA (Sternsozietät) - ebenfalls eine Vorschrift, die das Verbot der Mehrfachbeteiligung voraussetzt.
Nach diesem Verständnis enthält somit § 59 a Abs. 1 Satz 1 BRAO das Verbot der Mehrfachbeteiligung als allgemeinen Grundsatz. § 59 e Abs. 2 BRAO hat für den Fall der Rechtsanwalts-GmbH klarstellende Bedeutung (Drucksache 13/9820 Seite 14: "Parallelvorschrift").
K
Somit kann sich der Antragsteller J. nicht an einer Steuerberatungs-GmbH als Rechtsanwalt beteiligen, wenn er zugleich seinen Beruf in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ausübt. Dabei ist die von ihm getroffene Unterscheidung zwischen Gesellschafterstellung (kapitalmäßige Beteiligung) und Geschäftsführertätigkeit (Berufsausübung) unerheblich. Die Vorschrift des § 59 a Abs. 1 Satz 1 BRAO verbietet bereits die Zugehörigkeit zu einer anderen Sozietät. Es ist dem Rechtsanwalt nicht erlaubt, mehreren Sozietäten anzugehören (Drucksache 12/4993 Seite 33; Feuerich/Weyland § 59 a Rdn 4). Ebenso wird die Parallelvorschrift des § 59 e Abs. 2 ausgelegt. Anknüpfungspunkt ist der Beruf, nicht die konkret ausgeübte berufliche Tätigkeit (Drucksache 13/9820 Seite 14; BGH NJW 2003, 3548, 3549; Feuerich/Weyland § 59 e Rdn 6).
I.
Da die behandelte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist, wird die sofortige Beschwerde an den Bundesgerichtshof zugelassen.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 223 Abs. 4, 201 BRAO