Amtsgericht Leer
Urt. v. 06.10.2006, Az.: 7d C 938/06 (III)
Verstoß gegen die Vertraulichkeitspflicht und Geheimhaltungspflicht aus einem Detektivvertrag; Verwirkung des Honoraranspruchs durch die Offenbarung des Observationsauftrages; Anspruch auf Zahlung ausstehender Vergütung für Detektivleistungen; Personenbeschattung gegen Entgelt als Hauptleistungspflicht
Bibliographie
- Gericht
- AG Leer
- Datum
- 06.10.2006
- Aktenzeichen
- 7d C 938/06 (III)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 34648
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGLEER:2006:1006.7D.C938.06III.0A
Rechtsgrundlagen
- § 611 BGB
- § 241 Abs. 2 BGB
- § 280 Abs. 1 BGB
Fundstellen
- DSB 2007, 18 (red. Leitsatz)
- NJW 2007, X Heft 14 (Kurzinformation)
Redaktioneller Leitsatz
Der Anspruch auf Honorar aus einem Detektivvertrag ist verwirkt, wenn der Detektiv schwerwiegend gegen seine Vertraulichkeits- und Geheimhaltungspflicht verstößt. Dies ist der Fall, wenn er die observierte Ehefrau des Auftraggebers nach Beendigung des Auftrages über die Personenbeschattung informiert und diese bittet, ihren Ehemann zur Bezahlung zu bewegen. Zur Durchsetzung des Honoraranspruches ist der Zivilrechtsweg einzuschlagen.
In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Leer
auf die mündliche Verhandlung vom 26.09.2006
durch
den Richter am Amtsgericht Schlonsak
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 21.07.2006 zu zahlen.
- 2.)
Die Widerklage wird abgewiesen.
- 3.)
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
- 4.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Rückzahlung einer Anzahlung auf, der Beklagte begehrt mit seiner Widerklage die Zahlung ausstehender Vergütung für Detektivleistungen.
Der klagende xxx beauftragte den Beklagten am 12.04.2006 mit der Observation der Ehefrau des Klägers auf der Insel Sylt für die Tage des 13.-15.04.2006. Am 13./14.04.2006 wurde durch das Detektivbüro des Beklagten die Observation durchgeführt und die männliche Begleitung der Ehefrau des Klägers diesem telefonisch beschrieben und daraufhin vereinbart, die Observation am 14.04.2006 um 20:00 Uhr zu beenden. Noch vor Erhalt der Rechnung des Beklagten zahlte der Kläger bei einem Treffen der Parteien am 18.04.2006, wo der Kläger von dem Beklagten die Ermittlungsunterlagen erhielt, 1.000,00 EUR. In der Folge kam es zwischen den Parteien zum Streit über die Höhe der vereinbarten Vergütung. Der nachfolgende Schriftverkehr zwischen den Parteien endete einigungslos. Am 30.05.2006 sandte der Beklagte an die Ehefrau des Klägers ein Schreiben nebst Ermittlungsbericht und der mit dem Kläger geführten Korrespondenz, in dem er ihr mitteilte, dass sie im Auftrag des Klägers vom Beklagten observiert wurde. Gleichzeitig bat der Beklagte die Ehefrau, "Ihren Ehemann dazu zu bewegen, seine offene Rechnung bei uns zu begleichen".
Der Kläger ist der Ansicht, durch die Offenbarung des Observationsauftrages an die Ehefrau des Klägers, habe der Beklagte seinen Honoraranspruch verwirkt.
Der Kläger hat zunächst neben dem noch weiterhin verfolgten Zahlungsanspruch beantragt festzustellen, dass dem Beklagten der geltend gemachte Anspruch in Höhe von 2.608,30 EUR gegenüber dem Kläger nicht zusteht. Nachdem der Beklagte widerklagend die dementsprechende Zahlung verlangte, hat der Kläger den diesbezüglichen Antrag für erledigt erklärt; dem ist der Beklagte beigetreten.
Der Kläger beantragt mit der am 21.07.2006 zugestellten Klage,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.000,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und widerklagend den Kläger zu verurteilen,
an den Beklagten 2.608,30 EUR zu zahlen.
Der Beklagte behauptet, zwischen den Parteien sei eine Vergütung in Höhe 3.608,30 EUR für die Observation vereinbart worden. Der Beklagte ist der Ansicht, er sei verpflichtet gewesen, der Ehefrau von der Observation Mitteilung zu machen, nachdem sich herausgestellt habe, dass der Kläger genau gewusst habe, mit wem sich seine Ehefrau auf Sylt aufhalte und die Observation nur dazu gedient habe, über den Aufenthaltsort der Ehefrau bescheid zu wissen, damit der Kläger selbst in Hannover freie Hand habe.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet, die Widerklage ist nicht begründet.
I.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz des ihm durch die Zahlung in Höhe von 1.000,00 EUR entstandenen Schadens gem. §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB gegen den Beklagten wegen Verstoßes gegen die Vertraulichkeits- und Geheimhaltungspflicht, die wesentlicher Bestandteil des erteilten Detektivauftrages ist, zu.
Zwischen den Parteien ist der als Dienstvertrag gemäß § 611 BGB (vgl. BGH, NJW 1990, 2549; OLG München, OLGR 2000, 233; Schünemann, NJW 2003, 1689) zu qualifizierende Observationsauftrag mit dem Inhalt zustande gekommen, dass der Beklagte die Ehefrau des Klägers auf Sylt beobachte und dem Kläger über deren Aufenthalt berichte und der Kläger als Gegenleistung eine Vergütung hierfür zu entrichten habe.
Der Beklagte hat die aus dem Vertrag herrührende Leistungstreuepflicht zur Verschwiegenheit über den erteilten Auftrag - insbesondere gegenüber der beobachteten Person - in erheblicher Art und Weise verletzt, indem er Frau xxx in dem Schreiben vom 30.05.2006 nebst Ermittlungsbericht und mit dem Kläger geführter Korrespondenz mitteilte, dass sie im Auftrag des Klägers vom Beklagten observiert wurde und er die Ehefrau gleichzeitig bat, "Ihren Ehemann dazu zu bewegen, seine offene Rechnung bei uns zu begleichen". Diese Pflichtverletzung des Verstoßes gegen das Vertraulichkeitsgebot begründet einen Schadensersatzanspruch (vgl. OLG München, NJW-RR 1995, 294[OLG München 10.08.1993 - 7 U 6431/92]; Erman/Westermann, BGB11., § 280 Rn. 46). Das Gericht ist der Ansicht, dass diese schwerwiegende Pflichtverletzung dazu führt, dass der Beklagte sich damit seines Anspruchs selbst begeben, die Geltendmachung des Anspruch demzufolge eine gegen Treu und Glauben verstoßende unzulässige Rechtsausübung darstellt in der Unterform, dass der Beklagte seinen Honoraranspruch somit verwirkt hat, (Frage offengelassen von BGH, MDR 1991, 46).
Hauptleistungspflicht des geschlossenen Vertrages war die Personenbeschattung gegen Entgelt. Als notwendiger auch ohne ausdrückliche Vereinbarung weiterer wesentlicher Bestandteil als Nebenpflicht ist Gegenstand eines solchen Detektivvertrages darüber hinaus, dass der Dienstanbieter zu einer besonderen Vertraulichkeit und Geheimhaltung über den erteilten Auftrag und seinen Auftraggeber verpflichtet ist. Dies folgt aus der Natur und dem für den Detektiv erkennbaren Zweck, dass sich der Auftraggeber einen Wissensvorsprung gegenüber der observierten Person zu verschaffen beabsichtigt und dem Umstand, dass dem gesamten Auftrag eine Heimlichkeit innewohnt. Dies lässt sich ohne weiteres daraus ersehen, dass eine sinnvolle Observierung schon gar nicht möglich wäre, wenn man dem Observierten mitteilen würde, dass er beobachtet wird. Gleiches muss dann aber auch für den Zeitraum gelten, dass die Beobachtungsphase beendet ist und die Ergebnisse gewonnen wurden. Der Auftraggeber kann die gewonnenen Erkenntnisse nur dann in seinem Interesse einsetzen, wenn er Art und Zeitpunkt der Mitteilung an den Beobachteten bestimmt oder eben von der Möglichkeit Gebrauch macht, die erhaltenen Erkenntnisse für sich zu behalten. Es ist deswegen nicht in das Belieben des Dienstanbieters gestellt, nach Beendigung des Auftrages, seinen Auftrag zu offenbaren. Vielmehr gilt das besondere Vertrauensverhältnis auch nach Erledigung des Auftrags fort. Offenbart er gleichwohl seinen Auftrag und seinen Auftraggeber, so liegen Umstände vor, die die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs nicht nur als treuwidrige Härte erscheinen lassen, sondern die Durchführung der Observation für den Auftraggeber vollständig wertlos werden kann. Dem gemäß stellt die Weitergabe der erlangten Informationen bzw. die Mitteilung des Observationsauftrags, eine erhebliche nachvertragliche Pflichtverletzung durch den Beklagten dar. Gerade den vom Beklagten angenommenen umgekehrten Fall, er sei wegen des behaupteten fehlenden "Verdachtsmoments" sogar verpflichtet gewesen, die Ehefrau von der Observation und dem Auftraggeber in Kenntnis zu setzen, besteht nicht. Der Beklagte wirbt gerade mit dem in der Branche des Beklagten notwendigen Grundsatz "Vertrauen gegen Vertrauen", den er gleichwohl verletzt hat. Insbesondere kann das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) hierfür keine Ermächtigungsgrundlage darstellen, denn dieses ist gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 ausdrücklich nicht anzuwenden, soweit nicht-öffentliche Stellen Daten erheben, die ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten erfolgen. Dies ist hier aber gerade der Fall, wobei es dahin gestellt bleiben kann, ob der Kläger wissen wollte, ob seine Ehefrau ein Verhältnis mit einem anderen Mann hat oder ob der Kläger nur deswegenüber den Aufenthaltsort seiner Ehefrau informiert sein wollte, um in Hannover "freie Hand" (wofür auch immer) zu haben. Beide Konstellationen sind erkennbar privater Natur.
Es bestand auch keinerlei Notwendigkeit die Ehefrau von dem Beobachtungsauftrag in Kenntnis zu setzen und sie zu bitten, ihrem Ehemann zur Bezahlung zu bewegen. Vielmehr wird darin vom Beklagten zum Ausdruck gebracht, dass er sich eines unlauteren Mittels zur Durchsetzung seines begehrten Anspruchs bedient. Zur Durchsetzung des behaupteten Anspruchs steht dem Beklagten vielmehr, wie jedem anderen in einer Rechtsangelegenheit auch, das geordnete Verfahren eines Zivilrechtsstreites zur Verfügung, indem die Ansprüche darzulegen und nötigenfalls zu beweisen sind. Wenn im Rahmen einer solchen gerichtlichen Auseinandersetzung die beobachtete Person, etwa weil sie als Zeugin von einer Partei benannt wird, hiervon erfährt, so ist dies hinzunehmen, vergleichbar mit der Verschwiegenheitspflicht eines Arztes oder Rechtsanwaltes, der zur Durchsetzung eines Anspruchs gegen einen (ehemaligen) Patienten bzw. Mandanten, sein Auftragsverhältnis vor Gericht ebenfalls offen legen darf. Andernfalls gilt aber, dass der beauftragte Detektiv auch nach Beendigung des Auftragsverhältnisses zur Verschwiegenheit verpflichtet bleibt.
Dass der Beklagte diese Pflichtverletzung nicht zu vertreten ( § 280 S. 2 BGB) hätte, hat er selbst nicht behauptet. Insoweit er davon ausging, er sei zur Offenlegung gar verpflichtet, lässt dies das Verschulden des Beklagten ohnehin unberührt. In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass der Schuldner für einen Rechtsirrtum nur dann einzustehen hat, wenn er fahrlässig gehandelt hat (RGZ 119, 268; 156, 120; BGH, NJW 1951, 398; 1951, 758 [BGH 25.06.1951 - III ZR 146/50]; 1972, 1045 [BGH 22.02.1972 - VI ZR 135/70]; Erman/Westermann, BGB11., § 276 Rn. 22). Der Schuldner muss in diesem Zusammenhang aber zuvor die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgsam beachten (BGHZ 89, 296 [303]; BGH, NJW 1994, 2754). Dass der Beklagte die Verpflichtung zur "Offenbarung" sorgfältig geprüft hätte, ist bereits nicht vorgetragen. Ersichtlich ist dies auch nicht, denn bereits bei bloßem Lesen des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG wäre dem Beklagten andernfalls aufgefallen, dass die Offenbarungspflicht bei privaten Aufträgen an ein anderes Privatrechtssubjekt nicht gilt.
Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 247, 286, 288 BGB.
II.
Die Widerklage des Beklagten ist nicht begründet, denn der Beklagte hat seinen Honoraranspruch verwirkt (siehe oben). Insoweit kommt es auch nicht darauf an, in welcher Höhe ein Honoraranspruch vereinbart worden ist. Die Verwirkung führt zur dauerhaften Undurchsetzbarkeit des betreffenden Rechts (Prütting/Wegen/Weinreich-Schmidt-Kessel, BGB2006, § 242 Rn. 53; BGH, NJW 1966, 343 [BGH 10.11.1965 - Ib ZR 101/63] [345]), so dass der Kläger nicht zur Zahlung verpflichtet ist.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO.
Soweit der Kläger zunächst mit seiner negativen Feststellungsklage beantragt hatte, festzustellen, dass er nicht zur weiteren Zahlung in Höhe von 2.608,30 EUR verpflichtet ist, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt. Insoweit ist nachträglich durch Erhebung der auf Zahlung gerichteten Widerklage in Form der Leistungsklage das Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage des Klägers entfallen, da die Entscheidung über die Leistungsklage ein Sachurteil erlaubt (BGHZ, 134, 201 [209ff.]; Musielak/Foerste, ZPO4., § 256 Rn. 16). Da der Kläger mit diesem Antrag ohne das erledigende Ereignis nach den Ausführungen unter Ziffer II. Erfolg gehabt hätte, hat der Beklagte auch insoweit die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.