Amtsgericht Leer
Urt. v. 06.02.2006, Az.: 7c C 1672/05
Bibliographie
- Gericht
- AG Leer
- Datum
- 06.02.2006
- Aktenzeichen
- 7c C 1672/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 45112
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGLEER:2006:0206.7C.C1672.05.0A
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Leer im schriftlichen Verfahren nach dem Sachstand vom 19.1.2006 am 06.02.2006 durch den RiAG ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Tatbestand:
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 495a ZPO abgesehen.
Gründe
A.
Mit seinem Feststellungsantrag wendet sich der Kläger gegen die Erhöhung der Gaspreistarife zum 1.9.2004 und 1.8.2005 durch die Beklagte.
Dieser Antrag auf Feststellung ist gemäß § 256 ZPO als zulässig anzusehen. Der Kläger begehrt die Feststellung der Unbilligkeit der von der Beklagten vorgenommenen Gaspreiserhöhung und in einem zweiten Schritt die Bestimmung der billigen Tariferhöhung durch das Gericht
Soweit es um die Feststellung der Unbilligkeit der Gaspreiserhöhung geht, ist das nach § 256 I ZPO erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers gegeben. Ein solches schutzwürdiges Interesse an einer alsbaldigen Feststellung besteht, wenn eine gegenwärtige Unsicherheit dadurch droht, das ein Beklagter das Recht eines Klägers ernsthaft bestreitet oder sich eines Rechtes ihm gegenüber berühmt, und wenn das Urteil in Folge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen ( BGH NJW 1986, 2507 [BGH 07.02.1986 - V ZR 201/84]; Thomas/Putzo, ZPO 26 Aufl., § 256 Rn. 14). Vorliegend ist dies der Fall, die Beklagte verlangt vom Kläger einen erhöhten Gaspreis.
B.
Die Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger meint, dass die Beklagte zur Offenlegung ihrer Preiskalkulation gemäß § 315 III BGB verpflichtet sei, damit er die Erhöhung der Gaspreistarife auf ihre Billigkeit hin nachprüfen könne.
1. Die von der Beklagten vorgenommen Gaspreiserhöhungen zum 1.9.2004 und zum 1.8.2005 unterliegen in analoger Anwendung des § 315 III BGB der gerichtlichen Billigkeitskontrolle. Nach seinem Wortlaut setzt § 315 III BGB voraus, dass die Vertragspartner ausdrücklich oder stillschweigend eine Vereinbarung getroffen haben, nach der einem der beiden ein Leistungsbestimmungsrecht zusteht. Vorliegend haben der Kläger und die Beklagte eine derartige Vereinbarung nicht getroffen.
Für die Versorgung des Klägers mit Gas gilt vielmehr die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV - Bl. 26 d. A.). Danach werden Tarif- und Bedingungsänderungen allein durch die öffentliche Bekanntgabe wirksam.
Die Beklagte hat jeweils im Vorfeld der Tarifänderungen ihre Kunden im Bezugsgebiet durch Schaltung von Anzeigen in den regionalen Zeitungen vorab informiert. In der höchstrichterlichen Rechtssprechung ist aber anerkannt, dass die Tarife für Leistungen der Daseinsvorsorge, auf deren Inanspruchnahme der andere Teil angewiesen ist, einer Kontrolle nach § 315 BGB (jedenfalls analog) unterworfen sind (Palandt/Heinrichs, BGB 64. Aufl., § 315 Rn.4).
2. Diese Kontrolle ist nicht durch die Bestimmungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gehindert. Die Anwendbarkeit des § 315 III BGB wird durch die kartellrechtliche Regelung des § 19 IV Nr. 2 GWB nicht ausgeschlossen. Das GWB als Kartellgesetz und § 315 III BGB haben unterschiedliche Zielsetzungen. Durch die Regelungen im GWB sollen die Nachteile ausgeglichen werden, die sich aus dem fehlenden Wettbewerb ergeben. § 315 III BGB hingegen, grenzt die einer Partei übertragende Rechtsmacht, den Inhalt des Vertrages einseitig zu bestimmen, ein ( BGH NJW-RR 1992, 183, 185 [BGH 02.10.1991 - VIII ZR 240/90]).
Die von Beklagtenseite vorgelegte Entscheidung des OLG Stuttgart vom 17.12.2005 - Az. 2 U 84/04 - (Bl. 56 d. A.) steht dieser Beurteilung nicht entgegen, da sich die dortige Sachverhaltskonstellation anders darstellt (Streit zweier Handelsunternehmen über ausgehandelte Preise).
3. Diese Offenlegungsverpflichtung kann in bezug auf die Beklagte jedoch nicht bejaht werden. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Offenlegung ihrer gesamten Preiskalkulation kann dem § 315 III BGB nicht entnommen werden.
Wie die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 23.12.2005 dargelegt hat, mag dieses beim Strompreis anders sein, dort gibt es allerdings auch gesetzliche Grundlagen, die zu einer Offenlegung verpflichten. Beim Strompreis handelt es sich um einen genehmigungspflichtigen Kostenpreis, der nicht am Marktpreis zu messen ist.
Da es eine solche gesetzliche Grundlage im Hinblick auf den Gaspreis nicht gibt, weil es sich eben um einen Markt- und nicht um einen Kostenpreis handelt, kann eine Offenlegung der Preiskalkulation nicht vom Kläger begehrt werden.
Auch wenn der BGH entschieden hat, dass unter Umständen dem Bestimmungsberechtigten eine Verpflichtung zur Offenlegung seiner Preiskalkulation treffen kann, so gilt diese Verpflichtung jedoch nicht in jedem Fall. Voraussetzung für eine solche Verpflichtung wären weitere Anhaltspunkte, die eine unangemessene Gaspreiserhöhung offensichtlich erscheinen ließen. In Betracht käme hier ein Vergleich mit dem Gaspreis anderer am Markt tätiger Gaslieferanten. Im Rahmen des § 315 III BGB ist ein objektiver Maßstab anzulegen, der sich an der Marktüblichkeit des Preises orientiert. Ist demnach der von der Beklagten geforderte Gaspreis nach der Erhöhung marktüblich, so kann von einer unangemessen Gaspreiserhöhung keine Rede sein und eine Offenlegung der Preiskalkulation nicht verlangt werden.
Die Beklagte hat hierzu vorgetragen und Belege dafür vorgelegt, z. B. den bundesweiten Gaspreisvergleich (Bl. 62 d. A.) und den Vermerk des BKartA vom 17.2.2005 (Bl. 61 d. A.), dass sie eine der günstigsten Anbieter von Gas ist. Diese Preisgünstigkeit hat auch die Stiftung Warentest in der Ausgabe 7/2005 ihrer Zeitschrift bestätigt.
Des weiteren hat die Beklagte durch Schreiben (Bl. 102 - 107 d. A.) ihrer Vorlieferanten nachgewiesen, dass sich ihre Bezugskosten erhöht haben und daher eine Umlegung dieser Kosten durch Erhöhung der Tarife aus betriebswirtschaftlicher Sicht erforderlich war. Diese Umlegung hat die Beklagte auch nicht dazu ausgenutzt einen Gewinn zu erzielen, wie die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ... in ihrem Gutachten vom 28.11.2005 (Bl. 108f d. A.) dargestellt hat.
Aus den vorgenannten Unterlagen geht hervor, dass die Beklagte im Vergleich zu anderen Anbietern weitaus preisgünstiger ist. Dieser Vortrag wird auch vom Kläger nicht angezweifelt. Der von der Beklagten eingeforderte Gaspreis ist daher, weil eben nicht unangemessen, als billig anzusehen. Eine Verpflichtung zur Offenlegung scheidet daher aus.
Mangels weiterer Substantiierung des Klägervortrages war die Klage abzuweisen.
Gemäß § 511 IV ZPO ist die Berufung zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 713 ZPO.