Amtsgericht Leer
Urt. v. 01.08.2006, Az.: 7 d C 416/06 (III)
Voraussetzungen der Billigkeit von Gaspreiserhöhungen; Verhältnis zwischen § 315 Abs. 3 BGB und der kartellrechtlichen Regelung des § 19 Abs. 4 Nr. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB); Geltung des Prinzips der möglichst preisgünstigen Versorgung durch einen an der Kostenlage und Erlöslage des jeweiliger Elektrizitätsversorgungsunternehmens orientierten Preisbildungsmechanismus; Rechtspflicht zur Offenlegung der Kostenkalkulation des Versorgers; Möglichkeit des Nachweises der Billigkeit eines Gaspreises mittels einer Marktübersicht bzw. durch einen Preisvergleich mit den Konkurrenzenergien; Unterschied zwischen Kostenpreis und Wettbewerbspreis; Darlegungslast und Beweislast im Rückforderungsprozess
Bibliographie
- Gericht
- AG Leer
- Datum
- 01.08.2006
- Aktenzeichen
- 7 d C 416/06 (III)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 33094
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGLEER:2006:0801.7D.C416.06III.0A
Rechtsgrundlagen
- § 315 Abs. 3 BGB analog
- § 812 BGB
- § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB
- Art. 82 EG
- § 1 EnWG
- § 12 Abs. 2 BTOElt
Fundstelle
- RdE 2007, 27-30 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
[...]
hat das Amtsgericht Leer
auf die mündliche Verhandlung vom 11.07.2006
durch
den Richter am Amtsgericht Schlonsak
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.)
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
- 3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages anwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
- 4.)
Der Streitwert wird auf bis zu 900,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger macht die Unwirksamkeit von Gaspreiserhöhungen geltend und verlangt Rückzahlung bereits gezahlter Entgelte für den Bezug von Gas.
Die Beklagte beliefert u.a. private Haushalte in weiten Teilen Norddeutschlands mit Erdgas. Auf der Grundlage des EWE-Tarifs S I beliefert sie auch den Kläger. Die Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) sind Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages. Bis zum 31.08.2004 lieferte die Beklagte das Gas zum Arbeitspreis von 3,00 Cent/kWh. Zum 01.09.2004 erhöhte die Beklagte mit der Begründung gestiegener Bezugskosten diesen Preis auf 3,40 Cent/kWh, zum 01.08.2005 erneut auf 3,88 Cent/kWh und zum 01.02.2006 nochmals auf 4,26 Cent/kWh. Die Preiserhöhungen veröffentlichte die Beklagte jeweils durch öffentliche Bekanntmachung in allen Tageszeitungen im Versorgungsgebiet (Anlage B 2, Bl. 41ff. d.A.). Gegen diese Erhöhungen legte der Kläger bei der Beklagten Widerspruch ein und verlangte zur Überprüfung, ob die Anhebung des Arbeitspreises der Billigkeit entspräche, von der Beklagten die Offenlegung ihrer Kalkulationsgrundlagen, was die Beklagte verweigerte. Die Rechnungen der Beklagten vom 13.10.2004 und 17.10.2005 in Höhe von insgesamt 194,53 EUR für den Zeitraum vom 01.09.2004 bis 12.10.2005 bezahlte der Kläger.
Der Kläger ist der Ansicht, die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen seien zu hoch und damit unbillig im Sinne des § 315 BGB. Die von der Beklagten für die Preiserhöhung angegebenen Argumente der gestiegenen Bezugskosten seien bloße Floskeln, die Anerkennung der Erhöhung durch das Bundeskartellamt nichtssagend und würden im Übrigen mit Nichtwissen bestritten. Um die Billigkeit der Preissteigerung überprüfen zu können, sei die Beklagte verpflichtet, ihre Preiskalkulation offenzulegen. Die geleisteten Beträge könne er deswegen zurückfordern.
Der Kläger beantragt mit der am 13.04.2006 zugestellten Klage,
- 1.
festzustellen, dass die von der Beklagten vorgenommenen Erhöhungen des Arbeitspreises für die Lieferung von Erdgas um 0,40 Cent/kWh netto ab dem 01.09.2004, um weitere 0,48 Cent/kWh netto ab 01.08.2005 und um weitere 0,38 Cent/kWh netto ab 01.02.2006 unbillig und damit unwirksam sind. Das Gericht mag ggf. eine der Billigkeit entsprechende Bestimmung treffen.
- 2.
Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 194,53 EUR nebst 5%-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Feststellungsantrag zu 1.) sei hinsichtlich der ersten beiden Preiserhöhungen mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig, da die dort genannten Preiserhöhungen in dem Leistungsantrag zu 2.) enthalten seien und hinsichtlich der Preiserhöhung vom 01.02.2006 der Kläger die Jahresrechnung abzuwarten und anschließend dagegen vorzugehen habe. Die Voraussetzungen einer Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB (direkt oder analog) seien nicht gegeben, da dessen Anwendbarkeit durch den vorrangigen § 19 Abs. 4 GWB ausgeschlossen sei. Ein am § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB zu messender Preiserhöhungsmissbrauch läge nicht vor, da ein Gaspreisvergleich zeige, dass die Klägerin zu den günstigsten Anbietern überhaupt gehöre. Wenn das Bundeskartellamt die Preiserhöhungen der Beklagten ohne eine Missbilligungsverfahren gegen sie einzuleiten billige, könne kein Verstoß gegen das Kartellrecht vorliegen. Hilfsweise meint die Beklagte, dass ein kartellrechtlich beanstandungsfreies Entgelt ohnehin nicht unbillig im Sinne des § 315 BGB sein könne. Da das verlangte Entgelt im Rahmen des Marktüblichen läge, sei es aber selbst bei Durchführung einer Billigkeitskontrolle als billig anzusehen. Die Anhebung des Arbeitspreises sei eine kostenneutrale Umlegung der Bezugskosten. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf die Wirtschaftsgutachten der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young vom 18.11.2005 (Anl. B 18, Bl. 92 ff. d.A.) und vom 13.06.2006 (Anl. B 21, Bl. 167 ff. d.A.) Bezug genommen. Zur Offenlegung ihrer Preiskalkulation sei die Klägerin mangels ausdrücklicher Rechtsgrundlage nicht verpflichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Der Feststellungsantrag ist neben dem Leistungsantrag zulässig.
Das Rechtsschutzinteresse für die Feststellungsklage ist gegeben, denn diese ist geeignet für das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien Rechtssicherheit zu schaffen. Im Falle eines obsiegenden Feststellungsurteils erwächst die Feststellung der Unbilligkeit der jeweiligen Gaspreiserhöhung in Rechtskraft, was bei einer Leistungsklage nicht der Fall wäre (BGH, NJW-RR 2002, 1377). Dem steht daher nicht entgegen, dass durch den Leistungsantrag inzident die beiden ersten Preiserhöhungen mitentschieden würden. Denn die Preiserhöhungen würde ohne Feststellung ihrer Unwirksamkeit für die Zukunft fortwirken. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und der Prozessökonomie ist es dem Kläger auch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zuzumuten, zunächst die nächste Jahresrechnung anzuwarten, diese zu bezahlen und sodann versuchen zu müssen, mit einer weiteren Klage das Entgelt von der Beklagten zurückzufordern.
II.
Die Klage ist indes nicht begründet.
1.
Das mit dem Antrag zu 1.) verfolgte Feststellungsbegehren ist nicht begründet.
Die von der Beklagten vorgenommenen Arbeitspreiserhöhungen zum 01.09.2004, 01.08.2005 und 01.02.2006 für die Lieferung von Gas lassen eine Unbilligkeit nicht erkennen.
a)
Die Erhöhungen der Gaspreise unterliegen in jedenfalls analoger Anwendung der Billigkeitskontrolle des § 315 Abs. 3 BGB.
Nach seinem Wortlaut setzt § 315 Abs. 3 BGB voraus, dass die Vertragsparteien ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart haben, dass einer Partei ein Leistungsbestimmungsrecht zusteht. Eine derartige ausdrückliche Vereinbarung wurde von keiner der Parteien vorgetragen.
Für die Versorgung des Klägers mit Gas durch die Beklagte gelten vielmehr die Verordnung über die Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV). Danach werden Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen allein durch öffentliche Bekanntgabe wirksam, die die Beklagte hier unstreitig in allen drei Preiserhöhungsfällen in allen norddeutschen Zeitungen im Vertriebsgebiet vorgenommen hat.
Das Recht zur Preisänderung durch die Beklagte ergibt sich aus § 4 AVBGasV. Die AVBGasV sind wirksamer Vertragsbestandteil des Gaslieferungsvertrages geworden. Zwar ist dem § 4 AVBGasV eine ausdrückliche Ermächtigung dem Wortlaut nach nicht zu entnehmen, sondern wird danach vorausgesetzt. Aus der amtlichen Begründung zu dieser Verordnung ist dies jedoch zu entnehmen. Danach soll sichergestellt sein, dass sich z.B. Tarifänderungen ohne entsprechende Kündigungen der laufenden Verträge nach öffentlicher Bekanntgabe vollziehen können, da es sich bei Gaslieferungsverträgen um Massenschuldverhältnisse mit langfristiger Vertragsbindung handele und die Gasversorgungsunternehmen die Möglichkeit haben sollen, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit in den Preisen an die Kunden weiter zugeben. Weiterhin heißt es dort: "Entsprechende Vertragskündigungen, verbunden mit dem Neuabschluss von Verträgen, würden hier vor allem zu praktischen Schwierigkeiten führen, zumal Fiktionen bei Willenserklärungen und ihrem Zugang der Zielsetzung des § 10 Nr. 5 und 6 AGBG widersprechen. Den Kunden entsteht dadurch kein Nachteil, da ihnen für den Fall der Tarifänderung ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt ist (vgl. § 32 Abs. 2)". Dementsprechend heißt es in den Erläuterungen zu § 32 Abs. 2 AVBGasV: "Dieses Kündigungsrecht ist als Korrelat zu der Möglichkeit der GVU zu sehen, z.B. neue Tarife ohne Kündigung des Versorgungsverhältnisses einzuführen (vgl. § 4 Abs. 1 und 2). Der Verordnungsgeber hat damit deutlich gemacht, dass ein einseitiges Preisänderungsrecht des Gasversorgungsunternehmens besteht.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Tarife für Leistungen der Daseinsvorsorge, auf deren Inanspruchnahme der andere Teil angewiesen ist, einer Kontrolle nach § 315 BGB (jedenfalls analog) unterworfen sind (Erman/Hager, BGB11, § 315 Rn. 12 m. w. N; BGH, NJW 1987, 1828 [1829] [BGH 04.12.1986 - VII ZR 77/86] und OLG Brandenburg, GWF/Recht und Steuern 2001, 47 [48] für Gasanschlusskosten; Palandt/Heinrichs, BGB64, § 315 Rn. 4). Diese Rechtsprechung gilt nicht nur für sog. Zwischenlieferungsverträge, die überwiegend Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen waren, sondern auch für das Verhältnis zwischen Energieversorgungsunternehmen und (End-)Verbrauchern (LG Heilbronn, RdE 2006, 88 [LG Heilbronn 19.01.2006 - 6 S 16/05] [90]; AG Heilbronn, WuM 2005, 449 [AG Heilbronn 15.04.2004 - 15 C 4394/04]; vgl. auch BGH, NJW 2003, 1449 zu Strompreisen).
Die Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB wird durch die kartellrechtliche Regelung des § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB nicht ausgeschlossen. Durch die sechste GWB-Novelle vom 01.01.1999 (BGBl. 1998 I S. 2346), die § 19 GWB an Art. 82 des EG-Vertrages angeglichen hat, wurde ein unmittelbar wirkendes Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung eingeführt, weshalb nicht mehr nur die Möglichkeit einer bloß verwaltungsrechtlichen Kontrolle missbräuchlicher Verhaltensweisen besteht, sondern jetzt unmittelbar Bußgelder verhängt werden können (§ 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB) und Schadensersatz gem. § 33 GWB und § 823 Abs. 2 BGB zugesprochen werden kann. Da § 19 Abs. 1 GWB als Schutzgesetz ausgestaltet ist, haben Unternehmen nunmehr auch die Möglichkeit, sich in Fällen des Missbrauchs selbst - ohne Einschaltung der Kartellbehörden - mit zivilrechtlichen Schadensersatz- und Unterlassungsklagen zur Wehr zu setzen. Intention dieser Änderung ist nach der Begründung des Regierungsentwurfes (BT-Drs. 13/9720 S. 35) die bessere Vorfeldwirkung (vgl. Immenga/Mestmäcker, GWB3, § 19 Rn. 2). Ein Anspruch gegen die Kartellbehörden auf Einschreiten wird allerdings in § 19 GWB nicht gesehen (Immenga/Mestmäcker, GWB3, § 19 Rn. 240 und Rn. 248). Diese Änderung des GWB führt jedoch nicht zwingend dazu, dass eine Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist. Denn das Kartellgesetz und § 315 Abs. 3 BGB haben unterschiedliche Zielrichtungen (LG Heilbronn, RdE 2006, 88 [LG Heilbronn 19.01.2006 - 6 S 16/05] [90]; AG Leer, Urt. v. 19.01.2006, 7c C 1672/05, Seite 3). Während die kartellrechtlichen Vorschriften allein diejenigen Nachteile ausgleichen wollen, die sich aus dem fehlenden Wettbewerb ergeben, will § 315 BGB im Unterschied dazu die der einen Vertragspartei übertragene Rechtsmacht, den Inhalt des Vertrages - hier die Höhe des Gaspreises - einseitig festzusetzen, eingrenzen (so BGH, NJW-RR 1992, 183 [BGH 02.10.1991 - VIII ZR 240/90] [185]). Diese Ansicht wird durch das Urteil des Kartellsenates des BGH vom 05.03.2001 (NJW 2001, 2541) bestätigt, worin der BGH ausführte: "Eine Preiskontrolle durch den Partner des Energievertrages ist darüber hinaus auch nicht erforderlich, weil die Partner der Zweitverträge anderweitig vor missbräuchlicher Preisgestaltung seitens der Monopolisten geschützt sind. Ein Unternehmen, das ohne Wettbewerb ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist und diese Stellung dazu ausnutzt, Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen zu fordern, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamen Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeil ergeben würden, verstößt gegen das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (§ 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 3 GWB). Ein solches Verhalten kann nach § 32 GWB Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach sich ziehen... Daneben (Hervorhebung nicht im Originaltext) besteht die Möglichkeit, die faktisch von der Beklagten einseitig bestimmten Entgelte entsprechend §§ 315, 316 BGB gerichtlich darauf überprüfen zu lassen, ob sie der Billigkeit entsprechen, und diese, sofern dies nicht der Fall ist, durch Urteil festsetzen zu lassen." Hierin zeigt sich, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung nach wie vor von einem Nebeneinander von kartellrechtlicher Regelung und der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB ausgeht.
b)
Die Beklagten haben aber zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass die streitgegenständlichen Gaspreiserhöhungen der Billigkeit entsprechen, weil damit lediglich ihre gestiegenen Bezugskosten an die Kunden weitergegeben wurden.
Die Billigkeitskontrolle des § 315 Abs. 3 BGB verlangt die Prüfung, ob das Entgelt im Rahmen des Marktüblichen liegt und dem entspricht, was regelmäßig als Preis für eine vergleichbare Leistung verlangt wird, sofern nicht die umfassende Würdigung des Vertragszwecks sowie die Interessenlage der Parteien für die Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte sprechen (vgl. BGH, NJW-RR 2000, 1560 [BGH 03.11.1999 - I ZR 145/97] [1562]; BGH, NJW-RR 1992, 183 [184] [BGH 02.10.1991 - VIII ZR 240/90]; Kunth/Tüngler, NJW 2005, 1313 [1315]). Auch für Gaslieferungsverträge ist der das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grundsatz der preisgünstigen Versorgung (§ 1 EnWG) zu berücksichtigen. Hieraus lässt sich nach der Rechtsprechung des BGH ein zwingendes, auf Kostenerstattungsgesichtspunkten basierendes Sonderrecht für die Energiewirtschaft nicht ableiten (BGH, RdE 2000, 108 [BGH 16.11.1999 - KZR 12/97] [110]). Folglich bedarf die Rechtspflicht zur Offenlegung der Kostenkalkulation des Versorgers einer normativen Grundlage. Eine solche bietet § 12 Abs. 2 der Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt). Er konkretisiert für die Stromwirtschaft das Prinzip der möglichst preisgünstigen Versorgung durch einen an der Kosten- und Erlöslage des jeweiliger Elektrizitätsversorgungsunternehmens orientierten Preisbildungsmechanismus, weshalb in der Rechtsprechung jedenfalls vor der Liberalisierung der Strommärkte anerkannt war, dass der Nachweis der Billigkeit eines Stromtarifes grds. die Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen erfordert (vgl. BGH, NJW-RR 1992, 183 [184ff.] [BGH 02.10.1991 - VIII ZR 240/90]; OLG München, NJW-RR 1999, 421 [AG Berlin-Tempelhof 13.10.1998 - 19 C 264/98] [422]). Für die Gaswirtschaft fehlt es dagegen an einer § 12 Abs. 2 BTOElt entsprechenden Bestimmung und auch der derzeitig vorliegende Entwurf eines novellierten EnWG sieht keine speziellen Regelungen für die Kontrolle von Gaspreisen vor. Von Anfang an war der Gesetzgeber der Überzeugung, dass es mit der nach den Grundsätzen des Wettbewerbs ausgerichteten sozialen Marktwirtschaft unvereinbar ist, trotz wirksamen Substitutionswettbewerbs eine staatliche Aufsicht für Gaspreise zu installieren (vgl. Eckert, in: Tegethoff/Büdenbender/Klinger, Das Recht der Energieversorgung12, Bd. II, Kap. III C, BTOGas § 4 Rn. 2f.). Der Gaspreis war deshalb nie ein Kosten-, sondern stets ein Wettbewerbspreis. Hieraus folgt, dass der Nachweis der Billigkeit eines Gaspreises mittels einer Marktübersicht bzw. durch einen Preisvergleich mit den Konkurrenzenergien zu führen ist (LG Hannover, NJW-RR 1992, 1198 [LG Hannover 12.03.1992 - 21 O 119/91] [1199f.]; LG Karlsruhe, Urt. v. 03.02.2006, 9 S 300/05; AG Moers, Urt. v. 18.06.1991, 6 C 336/90; AG Leer, Urt. v. 19.01.2006, 7c C 1672/05; AG Oldenburg, Urt. v. 19.12.2005, E7 C 7289/05, RdE 2006, 63; AG Goslar, Urt. v. 4 C 360/05; AG Grevenbroich, Urt. v. 09.11.2005, 9 C 163/05; AG Koblenz, Urt. v. 02. 06.2005, 141 C 403/05, RdE 2005, 206 [AG Koblenz 02.06.2005 - 141 C 403/05]; AG Wittlich, Urt. v. 4 C 741/05; Kunth/Tüngler, NJW 2005, 1313 [1315]; vgl. auch Erman/Hager, § 315 Rn. 18) aber auch ausreicht. Der Gasversorger kann deshalb nicht verpflichtet werden, seine Gesamtpreiskalkulation offen zu legen, wobei die Entscheidungen des BGH (NJW 1987, 1828 [BGH 04.12.1986 - VII ZR 77/86]), des OLG Brandenburg (GWF 2001, 47) und des OLG Köln (RdE 1995, 17) dem nicht entgegen stehen, da sie die Kontrolle von Kostenpreisen (§ 9 Abs. 1 bzw. § 10 Abs. 5 AVBGasV) betrafen. Die Darlegungslast des Versorgungsunternehmens beschränkt sich in diesen Fällen darauf, dass die Preisanpassung auf einer entsprechenden Bezugskostensteigerung beruht. Dabei ist für die Tarifkundenversorgung zu beachten, dass die Tarifpreise in der Regel für einen längeren Zeitraum gelten als die Preise des Gasversorgungsunternehmens auf seiner Beschaffungsseite (vgl. Kunth/Tüngler, NJW 2005, 1313 [1315]). Die Anpassung der Tarifkundenpreise enthält daher naturgemäß Prognoseelemente, die nur auf ihre betriebswirtschaftliche Vertretbarkeit hin überprüft werden können (OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.06.2003, U (Kart) 42/01, S. 11., zit. nach Kunth/Tüngler, NJW 2005, 1313 Fn. 36). Den Nachweis der Billigkeit der Tarifanpassung kann das Versorgungsunternehmen durch das Testat eines Wirtschaftsprüfers erbringen, womit dem Umstand Rechnung getragen wird, dass die Aufdeckung von Betriebsintema grundsätzlich geeignet ist, die Erfolgsaussichten eines Unternehmens im Wettbewerb nachhaltig zu beeinträchtigen (s. BGH, WuW/E BGH 2762, 2767 - Amtsanzeiger; BGH, NJW 1954, 70).
Die Beklagte hat vorliegend prozessual hinreichend bewiesen, dass die drei Gaspreiserhöhungen auf eine Bezugskostenerhöhung zurückzuführen sind. Durch Vorlage des Gutachtens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young AG vom hinsichtlich der Preiserhöhungen zum 01.08.2005 und zum 01.09.2004 sowie des Gutachtens vom 13.06.2006 hinsichtlich der Preiserhöhung zum konnte sich das Gericht davon überzeugen, dass die Erhöhung der Gaspreistarife im Wesentlichen lediglich auf Bezugskostensteigerungen gegenüber den Vorlieferanten zurückzuführen ist. Dies wird auch durch die Schreiben der Vorlieferanten vom 18.04.2006 bzw. 10.04.2006 (Anl. B 17, Bl. 86ff. d.A.) bestätigt. Für alle drei Fälle der Erhöhungen des Gaspreistarifes haben die Beklagten dargelegt, dass diese nicht größer ist, als die jeweilige Bezugskostensteigerung. Vielmehr ergibt sich daraus, dass die Beklagte eine Unterdeckung hingenommen hat. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young AG hat danach bezüglich der Preisanhebung zum 01.09.2004 festgestellt, dass der Bezugskostensteigerung im Zeitraum vom 01.09.2004 bis 31.07.2005 0,609 Cent/kWh einer Verkaufspreissteigerung für Haushaltskunden im Tarif S I von nur 0,4 Cent/kWh gegenübersteht. Bezogen auf die Preiserhebung zum 01.08.2005 betrug die Bezugskostensteigerung 0,552 Cent/kWh, wohingegen die Verkaufspreissteigerung nur 0,480 Cent/kWh betrug, also ebenfalls eine geringfügige Unterdeckung vorlag. Die maßgebliche Bezugspreissteigerung im Zeitraum vom 01.08.2005 bis 30.04.2006 betrug 0,942 Cent/kWh gegenüber einer Verkaufspreissteigerung von 0,86 Cent/kWh. Hieraus ergibt sich, dass an die Gruppe der Haushaltskunden insgesamt im Rahmen der drei vorgenommenen Preiserhöhungen weniger als die tatsächliche Bezugskostenerhöhung weiter gegeben wurde.
Zumindest indizielle Bedeutung (vgl. LG Heilbronn, RdE 2006, 88 [LG Heilbronn 19.01.2006 - 6 S 16/05] [93]) für die Richtigkeit des vom Gericht gewonnenen Ergebnisses hat insoweit auch die Stellungnahme des Bundeskartellamtes vom 17.12.2004 hinsichtlich der ersten Gaspreiserhöhung, wonach keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Erhöhung der Erdgaspreise durch die Beklagte vorliegen. Denn nach Ansicht der Rechtsprechung führen die Prüfungen nach dem Kartellrecht und nach § 315 BGB ungeachtet ihrer unterschiedlichen Zielrichtung dennoch oft zum gleichen Ergebnis (vgl. schon BGHZ 41, 271), was die von der Beklagten zitierte Literaturmeinung (Kühne, NJW 2006, 654 [655]) bestätigt, wonach ein kartellrechtlich beanstandungsfreies Entgelt nicht "unbillig" im Sinne des § 315 BGB und umgekehrt ein kartellrechtlich zu beanstandendes Entgelt nicht "billig" sein kann.
Schließlich wird das Ergebnis der Billigkeit der Gaspreiserhöhungen auch dadurch bestätigt, dass die Beklagte selbst nach der letzten Preiserhöhung nach wie vor unter den deutschen Gasversorgern zu den günstigsten Anbietern überhaupt gehört, wie sich aus dem Gaspreisvergleich des NRW-Wirtschaftsmagazins mit Stand vom 05.04.2006 ergibt (Anl. B 8, Bl. 66 d.A.). Dies wird bestätigt durch den Gaspreisspiegel zum Zeitpunkt 01.01.2006 der WirtschaftsberatungsAG WIBERA (Anl. B 9, Bl. 68 d.A.), wo die Beklagte ebenfalls zu den günstigsten Anbietern zählt. Dieser Darlegung durch die Beklagte ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.
Soweit der Kläger die Richtigkeit der Wirtschaftstestate und Bestätigungsschrieben der Vorlieferanten mit Nichtwissen bestritten hat, ist dieses Bestreiten aufgrund der substantiierten Darlegungen der Beklagten prozessual nicht erheblich.
2.
Hinsichtlich des Klageantrags zu 2.) ist die Klage wie sich bereits aus den Gründen zu 1. ergibt ebenfalls unbegründet. Hinzu kommt, dass es sich bei dem Antrag zu 2. um ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB des Klägers handelt, so dass der Kläger nach der in einem Rückforderungsprozess geltenden Beweislastregel (vgl. RGZ 135, 275; BGH, NJW 1983, 626 [BGH 21.10.1982 - VII ZR 369/80]; BGH, NJW-RR 1991, 574 [BGH 06.12.1990 - VII ZR 98/89]), die Zahlung auf eine Nichtschuld und damit die - diese begründende - Unbilligkeit der Leistungsbestimmung darzulegen und zu beweisen hat. Allein die aufgestellte Behauptung, die Preiserhöhung sei unbillig ersetzt mangels Anknüpfungstatsachen aber keinen substantiierten Vortrag dazu, worin die Unbilligkeit liegen soll.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf bis zu 900,00 EUR festgesetzt.