Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 09.05.1996, Az.: 14 U 21/95

Anspruch auf Schadensersatz ; Verstoß gegen Ausschreibungsgrundsätze ; Abgabe von Pauschalpreisangeboten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
09.05.1996
Aktenzeichen
14 U 21/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 23692
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1996:0509.14U21.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 19.12.1994 - AZ: 20 O 124/94

Fundstellen

  • NJW-RR 1997, 662 (Volltext mit red. LS)
  • ZfBR 1997, 40-41 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)

Redaktioneller Leitsatz

Ein benachteiligter Bieter kann das positive Interesse ersetzt verlangen, wenn er bei ordnungsgemäßer Durchführung des Ausschreibungsverfahrens den Zuschlag hätte erhalten müssen.

In dem Rechtsstreitverfahren hat
der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 1996
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19. Dezember 1994 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert:

Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Zur Entscheidung über den Betrag und über die Kosten des Rechtsstreits wird die Sache an das Landgericht Hannover zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer übersteigt 60.000 DM.

Tatbestand

1

Die Klägerin beteiligte sich 1992 an einer beschränkten Ausschreibung der Beklagten hinsichtlich der Gewerke Heizung und Lüftung des Erweiterungsbaues des Verwaltungsgebäudes der Beklagten in ... und unterbreitete zwei Einheitspreisangebote. Nach dem Eröffnungstermin am 14. Mai 1992 forderte das für die Beklagte tätige Ingenieurbüro ... und ... Beratende Ingenieure GmbH die Klägerin und andere Bieter zur Abgabe von Pauschalpreisangeboten auf. Daraufhin bot die Klägerin das Gewerk Heizung zum Pauschalpreis von 2.593.500 DM (brutto), das Gewerk Raumlufttechnik zum Pauschalpreis von 1.518.480 DM (brutto) und eine Meß-, Schalt- und Regelanlage (im folgenden als "MSR" bezeichnet) zum Pauschalpreis von 698.820 DM (brutto) an und unterbreitete für den Fall der Beauftragung mit den Gewerken Heizung und Lüftung ein Gesamtpauschalpreisangebot von 3.577.000 DM (netto). Die Beklagte erteilte am 11. Juni 1992 der Fa. ... aus ... den Auftrag mit der Erwägung, daß deren Pauschalpreisangebot 150.000 DM unter dem der Klägerin lag. Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 17. Juni 1992 Widerspruch.

2

Mit der Klage hat die Klägerin nunmehr Schadensersatz in Höhe von 178.850 DM nebst Zinsen verlangt. Sie hat gemeint, die Beklagte habe durch die nachträglichen Verhandlungen mit Bietern über die Abgabe von Pauschalpreisangeboten gegen Ausschreibungsgrundsätze der maßgeblichen VOB/A verstoßen und sich daher schadenersatzpflichtig gemacht. Von den Verhandlungen der Beklagten mit anderen Bietern habe die Klägerin keine Kenntnis gehabt. Bei ordnungsgemäßer Vergabe hätte sie als günstigste Anbieterin den Zuschlag erhalten müssen. Da sie üblicherweise mit einem Nettogewinn von 5 % kalkuliere, sei ihr bei einem Auftragsvolumen von 3.577.000 DM ein Schaden von 178.500 DM entstanden.

3

Die Beklagte hat demgegenüber die Ansicht vertreten, die Geltung der VOB/A sei gar nicht vereinbart gewesen, sondern habe nur als unverbindliche Orientierung im Ausschreibungsverfahren gedient. Außerdem sei die Klägerin auch mit einer neuen Ausschreibung zu Pauschalfestpreisen unter den drei günstigsten Bietern einverstanden gewesen.

4

Durch Urteil vom 19. Dezember 1994, auf dessen Tatbestand (Bl. 67, 68 d.A.) wegen des weiteren Vorbringens der Parteien verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß zwar die VOB/A anzuwenden sei, ein Schadensersatzanspruch aber schon daran scheitere, daß bei unkorrekter Auftragsvergabe ohnehin nur das Vertrauensinteresse und nicht das Erfüllungsinteresse beansprucht werden könne. Das Vorliegen eines Vertrauensschadens habe die Klägerin jedoch nicht dargelegt. Dies gelte im übrigen aber auch für einen Erfüllungsschaden. Die Behauptung, sie kalkuliere mit 5 %, sei zu unsubstantiiert.

5

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch weiter. Sie vertieft ihr Vorbringen und behauptet, daß ihr ein Mitarbeiter des Planungsbüros ... und ... einige Tage nach dem Eröffnungstermin mitgeteilt habe, sie sei die günstigste Anbieterin, mit ihr solle jetzt über eine Pauschalierung der Angebotssummen verhandelt werden. Daß eine entsprechende Aufforderung auch an andere Bieter ergangen sei, sei dabei nicht einmal erwähnt worden. Tatsächlich sei ihr sogar ein Schaden von 257.897,66 DM entstanden, so daß eine Teilklage vorliege.

6

Die Klägerin beantragt daher,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 178.850 DM nebst 11 % Zinsen seit dem 28. Juni 1994 zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

8

Sie verweist darauf, daß das Ausschreibungsverfahren bis zum Eröffnungstermin im wesentlichen beanstandungsfrei abgelaufen sei. In der Folgezeit habe die Beklagte zwar entgegen § 24 Nr. 3 VOB/A vor der Zuschlagserteilung Verhandlungen über den Abschluß eines Pauschalfestpreisvertrags aufgenommen. Dem habe sich die Klägerin aber nicht widersetzt. Sie sei auch darüber unterrichtet worden, daß solche Verhandlungen ebenfalls mit anderen Bietern geführt worden seien, wie schon aus der Klageschrift hervorgehe. Im übrigen wäre der Klägerin aber auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten kein Zuschlag erteilt worden. Die Ausschreibung hätte nämlich aufgehoben und neu vorgenommen werden müssen. Dann aber wäre die Klägerin nicht mehr die günstigste Bieterin gewesen. Im übrigen sei die Klägerin auch nur beim Gewerk Lüftung die günstigste Einheitspreisanbieterin gewesen, beim Gewerk Heizung dagegen nur die Drittgünstigste, wenn die Meß-, Steuer- und Regelanlage herausgenommen werde, in der Gesamtbeurteilung Lüftung einschließlich MSR und Heizung ohne MSR hingegen wiederum die günstigste Anbieterin, wie aus einer Aufstellung der ... und ... Beratende Ingenieure GmbH von 10. Oktober 1994 (Band II, Bl. 78-80 d.A.) hervorgehe.

9

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf die zwischen ihnen gewechselten und in der Gerichtsakte befindlichen Schriftsätze.

10

Der Senat hat Beweis erhoben zur Frage, ob der Klägerin vor Abgabe ihres Pauschalfestpreisangebots mitgeteilt worden war, daß solche Angebote auch von den übrigen Bietern eingeholt würden, durch Vernehmung der Zeugen ... und ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Verhandlungsprotokoll vom 10. März 1996 (Bd. II Bl. 102-105 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

I.

Die Berufung der Klägerin ist begründet. Ihr steht gegen die Beklagte ein aus vorvertraglichem Verschulden hergeleiteter Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Auftragsvergabe zu. Da der Rechtsstreit zur ebenfalls schon im ersten Rechtszuge streitigen Höhe des Schadens noch weiterer Aufklärung bedarf, war die Klage gem. § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären und die Sache zur Entscheidung über den Betrag an das Landgericht zurückzuverweisen. Im einzelnen gilt dies aus folgenden Gründen:

12

1.

Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß bei fehlerhafter Auftragsvergabe nur Vertrauensschaden ersetzt verlangt werden kann. Vielmehr kann der benachteiligte Bieter, wenn er bei ordnungsgemäßer Durchführung des Ausschreibungsverfahrens den Zuschlag hätte erhalten müssen, das positive Interesse ersetzt verlangen (BGH Baurecht 1993, 214). Es besteht auch nicht, wie das Landgericht gemeint hat, das Erfordernis, daß der Zuschlag "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" erteilt worden wäre.

13

2.

Maßgebend für die rechtliche Beurteilung des Ausschreibungsverfahrens der Beklagten ist die VOB/A, wie jetzt unstreitig ist. Daß in den Bewerbungsunterlagen davon die Rede war, daß der Teil A nicht Vertragsbestandteil werden sollte, ist schon deshalb unerheblich, weil die Beklagte tatsächlich nach der VOB/A, die für sie als bundesunmittelbare Körperschaft galt, verfuhr.

14

Aus der Geltung der VOB/A ergeben sich zwar keine unmittelbaren Ansprüche der Klägerin. Diese Verdingungsordnung ist aber dennoch für den Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsschluß insofern von Bedeutung, als die Klägerin darauf vertrauen durfte, die Beklagte werde das Vergabeverfahren nach der VOB/A durchführen.

15

3.

Daß nach der Eröffnung der Einheitspreisangebote am 14. Mai 1992 mit einzelnen Bietern noch über die Vereinbarung von Pauschalfestpreisen verhandelt wurde, verstieß gegen § 24 Nr. 3 VOB/A (ebenso Ingenstau/Korbion, VOB, 12. Auflage, Rdnr. 19 zu § 24 VOB/A; andere Ansicht: Heiermann/Riedl, Rusam, VOB, Rdnr. 33, 36 zu § 24 VOB/A). Denn danach waren andere Verhandlungen, als sie in Nr. 1 aufgeführt waren, wozu aber Verhandlungen über Angebotspreise, also auch die Umstellung der Einheitspreise auf Pauschalfestpreise, gerade nicht gehörten, untersagt. Dies findet seine Rechtfertigung darin, daß es andernfalls der Auftraggeber in der Hand hätte, nach Eröffnung der Angebote und damit eingetretener Offenlegung der angebotenen Einheitspreise Manipulationen vorzunehmen, was gerade vermieden werden soll. Auch bei der Klägerin mußte ein Verdacht in dieser Richtung aufkommen, nachdem die Firma ... mit ihrem Gesamtpauschalpreisangebot günstigste Anbieterin war, während dies bei den Einheitspreisangeboten nicht der Fall war. Ob dieser Verdacht tatsächlich begründet war, kann jedoch offen bleiben.

16

Ob etwas anderes gelten würde, wenn der Klägerin bekannt gewesen sein sollte, daß die Beklagte nach dem Eröffnungstermin auch mit anderen Bietern wegen der Abgabe eines Pauschalpreisangebots verhandelte, und sie sich damit zumindest stillschweigend einverstanden erklärte, kann offen bleiben. Denn davon kann nicht ausgegangen werden, weil der insoweit beweispflichtigen Beklagten der Beweis für diese Kenntnis und ein Einverständnis der Klägerin nicht gelungen ist. Schon aus der Aussage des Zeugen ..., der die Verhandlungen mit den einzelnen Bietern für die Beklagte geführt hatte, ergibt sich nicht, daß der für die Klägerin handelnde Zeuge ... auf gleichlautende Verhandlungen mit anderen Bietern hingewiesen wurde. Der Zeuge ... will zwar erklärt haben, daß er den Auftrag habe, "mit den günstigsten Anbietern Gespräche zu führen". Aus dieser Äußerung ging aber schon nicht hervor, daß das ursprüngliche Ausschreibungsverfahren aufgehoben wurde und eine neue freihändige Vergabe an den günstigsten Pauschalpreisanbieter erfolgen sollte. Letzteres hatte der Zeuge ... vielmehr gerade nicht erklärt, wie er bekundet hat. Der Zeuge ... soll nach der Darstellung des Zeugen ... zwar auch gefragt haben, "wo die Klägerin liege". Daraus kann, muß aber nicht zwingend geschlossen werden, daß der Klägerin die Verhandlungen mit anderen Bietern bekannt waren. Letztlich ist aber entscheidend, daß der Zeuge ... ersichtlich bemüht war, das von ihm maßgeblich beeinflußte Vergabeverfahren zu rechtfertigen. Schon aus diesem Grunde ist er nicht glaubwürdiger und seine Aussage nicht glaubhafter als die Darstellung des Zeugen ... der sich an Einzelheiten infolge des Zeitablaufs zwar nicht mehr erinnern konnte, aber noch genau wußte, daß ihm nichts über Verhandlungen mit anderen Bietern mitgeteilt worden war. Zwar hat der Zeuge ... als Prokurist der Klägerin ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Dies gilt aber auch für den Zeugen ..., der sich bei der Vernehmung zudem ersichtlich darum bemühte, das Ausschreibungsverfahren als ordnungsgemäß hinzustellen.

17

Zu Unrecht verweist die Beklagte darauf, daß es in der Klageschrift hieß, die ... und ... Beratende Ingenieure GmbH sei eingeschaltet worden, um mit den Bietern über ein Pauschalangebot zu verhandeln. Denn damit wurde ersichtlich nur der nachträgliche Kenntnisstand der Klägerin mitgeteilt, wie er auch schon im Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 17. Juni 1992 (Bl. 24 f. d.A.) wiedergegeben wurde.

18

4.

Es ist auch davon auszugehen, daß die Klägerin bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens, also bei Aufrechterhaltung der ursprünglichen Ausschreibung und alleiniger Berücksichtigung der Einheitspreisangebote, den Zuschlag erhalten hätte. Nur darauf kommt es an.

19

Die Beklagte hat im ersten Rechtszug zumindest stillschweigend zugestanden, daß die Klägerin für die beiden Gewerke Heizung und Lüftung das günstigste Angebot unterbreitet hatte. Die Klägerin hat dies in ihrer Klageschrift ausdrücklich behauptet. Auch die Beklagte war davon ersichtlich ausgegangen, indem auf das Vertrauen des günstigsten Bieters, den Auftrag zu erhalten, verwiesen, aber nicht etwa erklärt wurde, die Klägerin sei bei der Einheitspreisausschreibung nicht die günstigste Anbieterin gewesen (vgl. Seite 4 der Klageerwiderung vom 25. Juli 1994 - Bl. 35 d.A. -). Die gesamte Argumentation der Beklagten im ersten Rechtszug konnte nur so verstanden werden, daß die Klägerin zwar günstigste Anbieterin bei der Einheitspreisausschreibung, dies aber nicht mehr bei den nachfolgenden Pauschalfestpreisangeboten der Fall war, was die Beklagte als maßgeblich ansah. Sogar noch in der Berufungserwiderung hat die Beklagte von der Klägerin als "Günstigstbietende" gesprochen (vgl. Seite 6 des Schriftsatzes vom 13. November 1995 - Band II Bl. 73 d.A.). An dieses Geständnis bleibt die Beklagte schon deshalb gemäß §§ 532, 290 ZPO gebunden, weil sie nicht dargetan hat, daß ein Irrtum zugrunde lag. Alles, was in der erstmals im Berufungsverfahren vorgelegten Aufstellung vom 10. Oktober 1994 enthalten ist, war der Beklagten schon seit der Eröffnung der Einheitspreisangebote bekannt. Gegenteiliges hat sie jedenfalls nicht dargetan.

20

Im übrigen war die Klägerin aber auch nach dieser Aufstellung vom 10. Oktober 1994 (Band II Bl. 78-80 d.A.) die günstigste Anbieterin. Hinsichtlich der Lüftung und der Gesamtbeurteilung der Gewerke Lüftung und Heizung (ohne MSR beim Gewerk Heizung) räumt dies die Beklagte selbst ein. Zu einem anderen Ergebnis kommt sie beim Gewerk Heizung jetzt lediglich dadurch, daß die Position MSR - herausgenommen wird. Klammert man diesen Teil dagegen nicht aus, was nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Klägerin in technischer Hinsicht ebenso gut möglich gewesen wäre, war wiederum die Klägerin mit Abstand (ca. 76.000 DM zur nächstgünstigsten Anbieterin) die günstigste Anbieterin. So hat es die Beklagte auch ursprünglich in der Klageerwiderung und nachfolgend im ersten Rechtszug noch selbst gesehen. Die Aufstellung vom 10. Oktober 1994 erfolgte offensichtlich prozeßbedingt, um das Übergehen der Klägerin bei der Auftragserteilung nachträglich zu rechtfertigen. Hinzukommt, daß bei Zugrundelegung der jetzigen Ansicht der Beklagten, eine Herausnahme der MSR sei wahlweise bei der Heizung oder der Lüftung möglich, nicht erklärlich ist, daß die von der Beklagten als günstigste Bieterin bezeichnete Firma ... nach der Aufstellung vom 10. Oktober 1994 beim Gewerk Lüftung für die MSR - Anlage 683.227,94 DM (netto) kalkulierte, bei der Heizung aber 845.418 DM (netto). Nach dem Vorbringen der Beklagten hätte die in beiden Geboten enthaltene Kalkulation der MSR in etwa in derselben Höhe liegen müssen, wie es auch bei den Geboten der Klägerin und der Mitbieter ... und ... der Fall war. Es spricht danach schon alles dafür, daß die Aufstellung der ... und ... Beratende Ingenieure GmbH vom 10. Oktober 1994 nicht zutrifft. Jedenfalls aber hat die beweispflichtige Beklagte die Richtigkeit dieser Aufstellung nicht unter Beweis gestellt, so daß dieses Vorbringen schon deshalb unberücksichtigt bleiben muß.

21

Schließlich ist auch noch zu berücksichtigen, daß die Beklagte offensichtlich gar keine Einzelvergabe der Gewerke Heizung und Lüftung beabsichtigte, wie aus der Gesamtbewertung dieser Gewerke und auch der tatsächlich vorgenommenen Vergabe folgt.

22

Sonstige Gründe, die einer Vergabe an die Klägerin entgegengestanden haben könnten, sind nicht ersichtlich. Daß irgendein nach § 25 Nr. 2 VOB/A die Zurückweisung des Angebots der Klägerin rechtfertigender Grund vorlag, hat die Beklagte nicht einmal behauptet. Wie sie jetzt einräumt, war die Tatsache, daß die Klägerin ihren Sitz nicht in ... hatte, für ihre Überlegungen unerheblich. Auch nach 1.7 des für öffentliche Auftraggeber maßgeblichen Vergabehandbuchs ist der Preis ausschlaggebend, wenn alle sonstigen Kriterien keine unterschiedliche Bewertung der Angebote rechtfertigen. Schließlich hat die Klägerin auch zu Recht auf Nr. 6 Abs. 3 der Bewerbungsbedingungen hingewiesen, wonach möglichst beitragspflichtige Mitglieder beschäftigt werden sollten, und dazu unbestritten angegeben, in welcher Höhe sie Beiträge an die Beklagte abgeführt hatte.

23

Demgegenüber ist die Erklärung der Beklagten in ihrem Aufforderungsschreiben, daß sie nicht verpflichtet sei, dem Mindestfordernden den Auftrag zu erteilen, aus den bereits genannten Gründen unerheblich. Denn wenn die Beklagte eine Ausschreibung nach der VOB/A vornahm, durfte die Klägerin darauf vertrauen, daß danach auch verfahren wurde und der genannte Hinweis allenfalls bedeuten sollte und konnte, daß eine Prüfung nach § 25 Nr. 2 VOB/A vorgenommen wurde, die dann zum Ergebnis kommen konnte, daß ein Mindestangebot auszuschließen war.

24

5.

Auch das Vorbringen der Beklagten zum Ergebnis eines rechtmäßigen Alternativverhaltens (Aufhebung des ursprünglichen Vergabeverfahrens; neue ordnungsgemäße Ausschreibung zu Pauschalfestpreisen; Zuschlagserteilung an die dann günstigste Bieterin) ist unerheblich. Denn auch die Aufhebung wäre nicht rechtmäßig gewesen. Sie hätte gemäß § 26 Nr. 1 c VOB/A nur bei Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes erfolgen können, der aber erst nach Beginn der Ausschreibung eingetreten sein durfte (BGH a.a.O.). Daß diese Voraussetzung hier gegeben war, hat die insoweit ebenfalls darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht einmal darzulegen vermocht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Zu Unrecht meint die Beklagte, "ihr sei erst durch die Angebote die Erkenntnis vermittelt worden, daß die Leistung auf dem Weg der Pauschalfestpreisvereinbarung ganz oder teilweise sachgerechter und kostengünstiger ausgeführt werden könnte". Denn daß dies der Fall sein würde, wußte und weiß jeder auf dem Bausektor Tätige, wußte mit Sicherheit auch die Beklagte, jedenfalls aber die mit der Vergabe beauftragte ... und ... Beratende Ingenieure GmbH, deren Kenntnis sich die Beklagte zurechnen lassen muß. Außerdem war auch schon in Nr. 2.5 der Bewerbungsbedingungen von einem "Pauschalpreis" die Rede. Würde der Ansicht der Beklagten gefolgt, könnte jede Einheitspreisausschreibung aufgehoben werden. Schließlich ist auch noch zu berücksichtigen, daß § 26 VOB/A eine "Kann-Bestimmung" enthält, wonach der Auftraggeber zur Aufhebung berechtigt, aber nicht verpflichtet ist. Die Beklagte hätte also dartun müssen, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, daß sie tatsächlich so verfahren wäre. Auch dazu fehlt aber jeder Vortrag.

25

6.

Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung nunmehr dargetan, wie sie kalkuliert hatte. In welcher Höhe ihr danach ein Schaden entstanden ist, bedarf noch weiterer Aufklärung. Andererseits liegt auf der Hand, daß die Klageforderung in irgendeiner Höhe besteht, so daß ein Grundurteil erlassen werden konnte.

26

II.

Eine Kostenentscheidung war noch nicht möglich. Sie wird vom Landgericht mit der abschließenden Entscheidung zu treffen sein.

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Die bereits getroffenen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Die Beschwer übersteigt 60.000 DM.