Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 15.11.2021, Az.: 1 U 118/21
Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus; Einwand rechtsmissbräuchlichen oder widersprüchlichen Verhaltens (vorliegend nicht durchgreifend); Keine Einbeziehung von nach Vertragsschluss neu aufgetretenen Krankheiten und Krankheitserregern
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 15.11.2021
- Aktenzeichen
- 1 U 118/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 61694
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Aurich - 04.05.2021 - AZ: 3 O 971/20
Rechtsgrundlagen
- AVB-BS § 1 Nr. 1 Buchst. a) und Nr. 2
- § 242 BGB
In dem Rechtsstreit
AA OHG, vertreten durch die Geschäftsführer BB und CC, Ort1,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
DD VVaG, vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden EE, Ort2,
Beklagter und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter
am Oberlandesgericht (...), die Richterin am Oberlandesgericht (...) und die Richterin
am Oberlandesgericht (...)
am 15. November 2021
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 04.05.2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aurich wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt bis zu 80.000, -- Euro.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
Die Klägerin unterhält für das von ihr auf der Insel Ort1 betriebene Restaurant FF bei dem Beklagten eine solche Versicherung. Der Nachtrag vom 18.06.2009 zum Versicherungsschein (vgl. Anlage K 1 - GA I 15) sieht eine Tagesentschädigung von 2.342, -- € vor. Das Versicherungsverhältnis ist näher ausgestaltet durch die Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden infolge Seuchengefahr (Betriebsschließungsversicherung) (vgl. Anlage K 2 - GA I 31 ff.; nachfolgend: AVB-BS).
Nach § 1 Ziff. 1 lit. a) AVB-BS gewährt der Versicherer Versicherungsschutz für den Fall, dass von der zuständigen Behörde der versicherte Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung von Seuchen geschlossen wird. § 1 Ziff. 2 AVB-BS lautet wie folgt:
"Seuchen sind die im folgenden aufgeführten - nach dem Bundes-Seuchengesetz meldepflichtigen - Krankheiten (...)".
Es schließt sich eine Auflistung einzelner Krankheiten und Krankheitserreger an, wobei weder COVID-19 noch SARS-CoV-2 aufgeführt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf § 1 Ziff. 2 der AVB-BS Bezug genommen.
Der Landkreis Wittmund ordnete mit der sofort vollziehbaren Allgemeinverfügung Nr. 8/2020 vom 20.03.2020 die Schließung von Restaurants, Speisegaststätten und Mensen für den Publikumsverkehr an. Auch die Klägerin schloss ihren Betrieb für den Publikumsverkehr.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe einen Anspruch auf eine Versicherungsleistung über 70.260, -- € entsprechend einer Schließzeit von 30 Tagen. Die Auslegung der AVB-BS ergebe, dass auch die Betriebsschließung wegen der Krankheit COVID-19 bzw. des Krankheitserregers SARS-CoV-2 vom Versicherungsschutz umfasst sei. Ein anderes Verständnis gehe nach der Unklarheitenregel des § 305c BGB zu Lasten der Beklagten. Zudem liege ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S: 2 BGB vor, da der im Vergleich zum Infektionsschutzgesetz nur lückenhafte Versicherungsschutz für den Versicherungsnehmer nicht erkennbar sei.
Die Klägerin hat eine Haftung des Beklagten zudem daraus ableiten wollen, dass dieser bei Auftreten der Corona - Pandemie im Internet auf seiner Homepage und anlässlich eines Interviews seines Vorstandes, Herrn GG, vom 09.06.2020 die Auffassung vertreten habe, dass das Corona-Virus von der beklagtenseits angebotenen Betriebsschließungsversicherung mitversichert sei.
Sie hat beantragt,
den Beklagte zu verurteilen, an sie 70.260, -- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. April 2020 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die in § 1 Ziff. 2 AVB-BS enthaltene Auflistung von Krankheiten und Krankheitserregern sei abschließend.
Das Landgericht hat die Klage mit dem am 04.05.2021 verkündeten Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Betriebsschließung sei hier nicht wegen des Auftretens einer meldepflichtigen Krankheit oder eines meldepflichtigen Krankheitserregers im Sinne der Versicherungsbedingungen angeordnet worden. Dies ergebe die Auslegung der Regelungen in § 1 Ziff. 2 AVB-BS. Diese Regelungen seien auch weder überraschend noch intransparent. Nach Begründung des Vertragsverhältnisses erfolgte Äußerungen des Beklagten bzw. seiner Mitarbeiter zum Inhalt des Versicherungsschutzes seien für den Versicherungsumfang nicht relevant, weil sich die Parteien nicht auf einen von den Klauseln abweichenden Versicherungsinhalt geeinigt hätten.
Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Klageziel weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihren Vortrag aus der ersten Instanz.
Sie beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Aurich (Urteil vom 04. Mai 2021, 3 O 971/20) den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 70.270,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. April 2020 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
II.
Der Senat weist die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurück, weil sie offensichtlich unbegründet ist. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss vom 04.10.2021 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 3 ZPO).
Die Ausführungen der Klägerin in der schriftlichen Stellungnahme vom 03.11.2021 rechtfertigen eine abweichende Beurteilung nicht.
1. Die Auffassung der Klägerin, der Beklagte müsse sich mit Blick auf ihre öffentlichen Äußerungen im Frühjahr 2020 an seiner Auffassung festhalten lassen, wonach sowohl die Erkrankung Corona als auch deren Erreger Sars-CoV-2 vom Versicherungsschutz seiner Betriebsschließungsversicherung umfasst seien, trifft nicht zu. Wie schon im o. g. Hinweisbeschluss (dort S. 4) ausgeführt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes allein die rechtliche Einschätzung der Parteien bei Vertragsschluss bzw. bei einer nachträglichen Vertragsänderung maßgebend. Die insoweit anderslautende Entscheidung des LG Darmstadt vom 19.05.2021 (Az.: 28 O 256/20, Anlage K 15) hält der Senat für nicht überzeugend. Denn die Auslegung von Versicherungsbedingungen hat grundsätzlich nach einem objektiv - generalisierenden Maßstab, ausgerichtet am Willen und Interesse der beteiligten Verkehrskreise und unter Berücksichtigung des Verständnisses eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu erfolgen (vgl. Prölss/Martin - Armbrüster, VVG, 30. Auflage, Einleitung, Rn. 260, 262). Eine Einschränkung erfährt dieser Grundsatz nur dann, wenn sich Verwender und Kunde (bzw. hier Versicherter) im Einzelfall über ein von dem Ergebnis der objektiven Auslegung abweichendes Verständnis des Sinngehalts der Regelung - auch durch schlüssiges Handeln -geeinigt haben; (nur) dann geht diese übereinstimmende Vorstellung wie eine Individualvereinbarung dem Ergebnis der objektiven Auslegung vor. Dabei ist eine über den Klauselinhalt hinausgehende, rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen den jeweiligen Parteien erforderlich, durch die der Sinn der streitigen Klausel speziell im Verhältnis zwischen den Parteien für diese verbindlich festgelegt wird (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2006 - IV ZR 55/05 -, Rn. 13 und 14 (juris)). Dass eine solche bindende Vereinbarung zwischen den Parteien über den Sinngehalt des § 1 Ziff. 2 AVB-BS und den sich infolgedessen ergebenden erweiterten Versicherungsumfang getroffen worden wäre, ist jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die - nach dem Vorbringen der Klägerin lediglich einseitigen - Erklärungen des Beklagten bzw. seiner verantwortlich handelnden Mitarbeiter zum Umfang der streitgegenständlichen Betriebsschließungsversicherung reichen für ein vom objektiven Sinngehalt der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, insbesondere von § 1 Ziff. 2 AVB-BS, abweichendes Verständnis aus den dargelegten Gründen nicht aus.
2. Der Beklagte muss sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht den Einwand rechtsmissbräuchlichen bzw. widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) entgegenhalten lassen.
Nicht jeder Widerspruch zwischen zwei Verhaltensweisen ist als unzulässige Rechtsausübung zu bewerten. Grundsätzlich ist die Änderung einer Rechtsansicht, insbesondere während eines Prozesses, daher nicht treuwidrig (vgl. MüKo/BGB - Schubert, 8. Auflage 2019, § 242, Rn. 356 mwN). Etwas anderes gilt dann, wenn hinsichtlich einer zuvor vertretenen Rechtsauffassung für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 23.09.2015 - 9 U 48/15 -, Rn. 51 (juris)). Auf einen solchen Vertrauenstatbestand kann sich die Klägerin hier indes nicht berufen, da dies voraussetzte, dass schon zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der letzten Vertragsänderung der Beklagte die Rechtsauffassung vertreten hätte, dass sowohl die Corona-Erkrankung als auch der Erreger Sars-CoV-2 vom Versicherungsschutz umfasst seien, was schon deshalb ausgeschlossen ist, weil sowohl Corona als auch Sars-CoV-2 bei Vertragsschluss noch nicht bekannt waren. Einen irgendwie gearteten Vertrauenstatbestand im Hinblick auf diese neuartige Erkrankung konnte der Beklagte daher bei Abschluss des Vertrags nicht schaffen. In diesem Punkt unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von den von der Klägerin zitierten Entscheidungen des OLG Stuttgart (Az. 9 U 48/15 bzw. 9 U 31/15), wo sich ein entsprechendes Vertrauen des Kunden darauf gründete, dass die gegnerische Vertragspartei seit Jahren AGB mit für den Kunden günstigem Inhalt verwendete, die im konkreten Einzelfall jedoch nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden waren. So liegt der Fall hier indes nicht - vielmehr war zum Zeitpunkt des Abschlusses des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags die weitere konkrete Entwicklung hinsichtlich neu auftretender Krankheiten und Krankheitserreger nicht abzusehen. Weitere Umstände, die die Änderung der vorgerichtlich vertretenen Rechtsauffassung durch den Beklagten als treuwidrig erscheinen lassen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
3. Die weiteren Ausführungen der Klägerin auf S. 4 - 7 der Stellungnahme von 03.11.2021 gehen an der vorliegenden Sachverhaltskonstellation vorbei, weil sie sich auf Klauseln beziehen, die auf das IfSG Bezug nehmen unter Verwendung des Wortes "namentlich" - beides trifft auf die hier streitentscheidende Fassung der AVB-BS indes nicht zu.
4. Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass nach dem Verständnis des Versicherungsnehmers Versicherungsschutz nach § 1 Ziff. 1 lit. a) AVB-BS dann gegeben sei, wenn eine Schließung des Betriebs zur Verhinderung der Verbreitung von "Seuchen" erfolge und dies hier mit der Schließung aufgrund des Corona-Virus gegeben sei, verkennt sie, dass in § 1 Ziff. 2 AVB-BS der Begriff der Seuchen näher definiert sowie durch die Aufzählung konkreter Krankheiten der Versicherungsumfang insoweit abschließend bestimmt ist und damit keine Grundlage für eine entsprechende Annahme umfassenden (im Sinne von die Schließung aufgrund jedweder Seuche absichernden) Versicherungsschutzes besteht. Dass und warum die von der Klägerin (nochmals) zitierte Entscheidung des OLG Karlsruhe nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar ist, hatte der Senat schon im Hinweisbeschluss (dort S. 11) ausgeführt. Auch das weitere, als Anlage K 8 vorgelegte Urteil des OLG Karlsruhe ist zu einer hier nicht einschlägigen Klauselfassung ergangen, die konkret auf §§ 6, 7 IfSG unter Verwendung der Formulierung "namentlich" verweist. Es kann daher für die Bewertung dieses Falles mangels Vergleichbarkeit der zu beurteilenden Versicherungsbedingungen nicht herangezogen werden.
5. Dass die hier verwendete Klausel deswegen besonders irreführend und daher intransparent sei, weil sie auf das seit zwanzig Jahren nicht mehr existente BSeuchG verweist und infolgedessen einem Versicherungsnehmer keinen aktuellen Versicherungsschutz bieten könne, führt zu keiner anderen Bewertung. Insoweit hätte, wie schon im Hinweisbeschluss (dort S. 7 ff.) ausgeführt, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, die Möglichkeit bestanden, den Versicherungsschutz entsprechend den erfolgten Änderungen im BSeuchG bzw. IfSG anzupassen.
6. Die Annahme einer dynamischen Versicherungsklausel mit nicht abschließendem Charakter ist auch nicht durch den Hinweis der Klägerin auf die an anderer Stelle, nämlich in § 4 AVB-BS erfolgten Versicherungsausschlüsse gerechtfertigt. Diese Auffassung mag für solche Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die in den Ausschlüssen einzelne Krankheiten vom Versicherungsschutz wieder ausnehmen, weswegen bei der Annahme eines abschließenden Versicherungsumfangs durch die enumerative Aufzählung von Krankheiten der Ausschluss faktisch leerlaufen würde, vertretbar sein (wenn sie auch vom Senat nicht geteilt wird). Für die vorliegende Fassung der AVB-BS lässt sich dieses Argument indes nicht anführen, da § 4 AVB-BS, anders als manche dem Senat bekannte Klauseln anderer Versicherungsunternehmen, gerade nicht einzelne Krankheiten oder Krankheitserreger von den abschließend in § 1 Ziff. 2 AVB-BS aufgezählten, den Versicherungsumfang bestimmenden Krankheiten ausnimmt. Vielmehr enthält § 4 AVB-BS allgemeine, nicht auf bestimmte Krankheiten bzw. Krankheitserreger bezogene Ausschlusstatbestände - ein inhaltlicher Widerspruch zu der in § 1 Ziff. 2 AVB-BS erfolgten Aufzählung ergibt sich daher nicht. Die insoweit von der Klägerin beispielhaft zitierten Urteile des LG Hamburg (Az. 412 HKO 91/29) und des LG München (Az. 12 O 5895/20, jeweils veröffentlicht bei juris) lassen sich schon deshalb argumentativ nicht heranziehen, weil sie - anders als hier - Ausschlüsse im Hinblick auf einzelne Erkrankungen, insbesondere Prionenerkrankungen, enthielten; zudem betraf das Urteil des LG München einen Fall, in dem sich die Parteien über Einbeziehung von Corona in den Versicherungsschutz geeinigt hatten.
7. Dass die Klägerin - abweichend von der Auffassung des Senats (vgl. Hinweisbeschluss vom 04.10.2021, S. 8) - einen Abgleich zwischen dem in § 1 Ziff. 2 AVB-BS enthaltenen Katalog mit dem BSeuchG für nicht zumutbar hält, nimmt der Senat zur Kenntnis. Er bleibt unter Verweis auf die entsprechenden Ausführungen im Hinweisbeschluss auf S. 6 und 7 aber bei seiner Bewertung, dass sich hieraus keine Auslegung der Klausel nach dem Verständnis der Klägerin ableiten lässt. Hinzu kommt, dass dem Verweis auf das BSeuchG nach dem Wortlaut und der Fassung der Klausel ein Informationsgehalt vor allem dahingehend zukommt, dass mitgeteilt wird, dass für die nachfolgend genannten Krankheiten eine Meldepflicht nach dem BSeuchG besteht - für die Bestimmung des Versicherungsumfangs ist dieser Verweis demnach überflüssig. Aus diesem Grund ist auch nicht nachvollziehbar, wieso mit dem Außerkrafttreten des BSeuchG eine Überleitung (und dementsprechender Verweis) auf das IfSG von den Parteien gewollt gewesen sein soll, zumal eine Anpassung / Erweiterung des Versicherungsschutzes um neu aufgetretene Krankheiten und Krankheitserreger im Wege einer Vertragsänderung ohne weiteres möglich gewesen wäre. Selbst bei einem nach dem Außerkrafttreten des BSeuchG unterstellten Verweis auf das IfSG wäre die von der Klägerin favorisierte Auslegung der Klausel im Sinne eines dynamischen Versicherungsschutzes aus den ergänzend in Bezug genommenen Gründen des Hinweisbeschlusses nicht gegeben.
8. Die weiteren Ausführungen der Klägerin zu dem überraschenden, mehrdeutigen und intransparenten Regelungsgehalt von § 1 Ziff. 2 AVB-BS veranlassen den Senat nach nochmaliger Prüfung nicht zur Änderung seiner auf S. 8 ff. des Hinweisbeschlusses dargelegten Rechtsauffassung. Da der Verweis der hier einschlägigen Klausel auf das BSeuchG ohne Verwendung des Wortes "namentlich" erfolgt, aus der bei Zugrundelegung der Wortbedeutung "insbesondere, beispielhaft" zusammen mit dem Verweis auf das IfSG ein erweiterter Leistungsinhalt abgeleitet werden soll, ist die Annahme einer Irreführung des Verbrauchers hinsichtlich des Inhalts des Versicherungsschutzes nach Meinung des Senats hier im Vergleich zu den entsprechenden Klauseln, wie sie auch den Entscheidungen des OLG Karlsruhe zugrunde lagen, umso weniger gerechtfertigt.
9. Eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin wegen der Gefahr eines sich mit weiterem Zeitablauf stetig verringernden Versicherungsschutzes ist zu verneinen. Der Einbeziehung von nach dem Vertragsschluss neu aufgetretenen Krankheiten und Krankheitserregern kann, wie bereits ausgeführt, nur durch eine vertragliche Anpassung des Versicherungsschutzes oder, für den Fall von deren Ablehnung, durch den Wechsel des Versicherungsunternehmens Rechnung getragen werden. Etwas anderes folgt auch nicht aus der - hier nicht passenden (s.o.) - Entscheidung des OLG Karlsruhe (Anlage K 7); eine wiederholte Bezugnahme der einschlägigen Klausel auf das BSeuchG oder das IfSG liegt hier, anders als in dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall, gerade nicht vor (vgl. S. 11 Hinweisbeschluss).
10. Auch hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB iVm § 1a Abs. 3 VVG bleibt es bei der mit dem Hinweisbeschluss (dort S. 12) mitgeteilten Bewertung. Nach wie vor ist nicht erkennbar, inwieweit der Klägerin durch die - deutlich nach Vertragsschluss erfolgte und noch später geänderte - rechtliche Bewertung des Beklagten hinsichtlich der Einbeziehung von Corona und Sars-CoV-2 in den Versicherungsschutz ein Schaden entstanden ist.
11. Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
12. Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
13. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, insbesondere nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Für die Annahme einer allgemeinen Bedeutung der Rechtssache ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass die zu klärende Rechtsfrage eine unbestimmte Vielzahl von Fällen berührt oder der Entscheidung Leitbildcharakter zukommen kann (vgl. MüKo/ZPO - Krüger, 6. Auflage 2020, § 543, Rn. 8).
Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die vorliegend verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen mit dem BSeuchG auf ein Gesetz verweisen, das seit über 20 Jahren außer Kraft getreten ist, steht indes nicht zu erwarten, dass die hier erörterten Auslegungsfragen in einer Vielzahl von Fällen entscheidungserheblich werden. Diese Erwartung wird gestützt durch den Umstand, dass dem Senat - abgesehen von diesem Verfahren - bislang nur Betriebsschließungsversicherungen zur Entscheidung vorgelegen haben, deren Versicherungsbedingungen auf das IfSG unter Verwendung der "namentlich" - Formulierung verwiesen haben.
Divergierende Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte konkret zur hier streitgegenständlichen Klauselfassung liegen, soweit ersichtlich, bislang nicht vor, so dass eine Zulassung der Revision auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Auch die von der Klägerin zitierten obergerichtlichen Entscheidungen betrafen sämtlich Klauseln mit einer Verweisung auf das IfSG. Etwaige von der hiesigen Rechtsauffassung abweichende landgerichtliche Urteile sind mit Blick auf das Erfordernis einer Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht maßgeblich (vgl. MüKo/ZPO - Krüger, aaO, § 543, Rn. 13).