Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 23.11.2021, Az.: 13 U 63/21

Anspruch auf Löschung von Einträgen in einer Datenbank (vorliegend verneint); Auskunft über kreditrelevante Umstände potentieller Kunden; Information über eine Restschuldbefreiung

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
23.11.2021
Aktenzeichen
13 U 63/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 58909
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Osnabrück - 16.04.2021 - AZ: 3 O 2955/20

Fundstellen

  • GRUR-Prax 2022, 16
  • InsbürO 2022, 85-86
  • ZAP 2022, 15
  • ZAP EN-Nr. 16/2022
  • ZD 2022, 103-105
  • ZInsO 2022, 1028-1032
  • ZVI 2022, 298-302

In dem Rechtsstreit
AA, Ort1,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
gegen
BB Holding AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch CC (Vorsitzende), Dr. DD, EE u.a., Ort2,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), den Richter am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Oberlandesgericht Dr. (...) auf die mündliche Verhandlung vom 2. November 2021 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 16.04.2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Löschung von zwei Einträgen aus der von ihr betriebenen Datenbank in Anspruch. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im angegriffenen Urteil, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Mit diesem Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Löschung der Einträge gemäß Art. 17 Abs. 1 DS-GVO nicht zu. Ein solcher Anspruch ergebe sich nicht aus Art. 17 Abs. 1 a) DS-GVO. Die Speicherung der Daten sei weiterhin notwendig, damit die Beklagte ihren Vertragspartnern Auskunft über die Bonität des Klägers erteilen könne. Die angekündigte Löschung der Einträge nach drei Jahren widerspreche nicht der Regelung des Art. 5 Abs. 1 e) DS-GVO. Die in dieser Vorschrift begründete Voraussetzung der Erforderlichkeit der Speicherung werde konkretisiert durch die Regeln des sog. "Code of Conduct" für Wirtschaftsauskunfteien, der zwischen deren Verband und den Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder vereinbart worden sei. Danach sei eine Speicherung für drei Jahren regelmäßig zulässig. Diese Speicherfrist stehe nicht im Widerspruch zur Regelung des § 3 Abs. 1 InsoBekV, die einen anderen Anwendungsbereich habe und nicht auf die Speicherung durch die Beklagte übertragbar sei. Ein Löschungsanspruch des Klägers könne weiter nicht auf Art. 17 Abs. 1 d) DS-GVO gestützt werden, da die Datenverarbeitung durch die Beklagte auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Klägers rechtmäßig im Sinne des Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO erfolgt sei. Schließlich ergebe sich ein Löschungsanspruch nicht aus Art. 17 Abs. 1 c) DS-GVO, da der Kläger keine besonderen in seiner Person liegenden Umstände dargetan habe, die sein Interesse an der Löschung das berechtigte Interesse der Beklagten an der weiteren Speicherung der Daten überwiegen ließen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Zur Begründung führt er aus, das Landgericht habe Ansprüche auf Löschung der Einträge gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. a), c) und d) DS-GVO rechtsfehlerhaft verneint. Die Datenverarbeitung sei unrechtmäßig im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. d) DS-GVO. Die Beklagte könne sich nicht auf Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO berufen. Das Landgericht habe hinsichtlich der Eintragung der Restschuldbefreiung lediglich eine abstrakt generelle und keine am konkreten Fall ausgerichtete Interessenabwägung vorgenommen. Dazu habe es allgemeine Erwägungen zur Funktionsweise des Systems der Beklagten und seiner Wichtigkeit angestellt. Die im Tatbestand angeführten Interessen des Klägers hätten demgegenüber keine Berücksichtigung gefunden. Diesen komme vor dem Hintergrund der im europäischen Vergleich langen Dauer des deutschen Insolvenzverfahrens besonderes Gewicht zu. Obwohl das Landgericht weiter ausdrücklich festgestellt habe, dass es keine statistischen Aussagen dazu gebe, ob nach einer Restschuldbefreiung ein erhöhtes Risiko der Neuverschuldung bestehe, habe es gleichwohl ohne Beweisaufnahme ein "latentes Risiko" unterstellt. Ohne wissenschaftliche Belege für ein erhöhtes Ausfallrisiko habe ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO jedoch nicht bejaht werden dürfen. Bezüglich der von der Kreissparkasse Ort3 übermittelten Daten habe sich das Landgericht mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung gar nicht auseinandergesetzt. Da die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für das Überwiegen ihrer Interessen an der Datenverarbeitung treffe, habe das Landgericht einen Löschungsanspruch des Klägers bejahen müssen. Ein solcher könne nicht mit der Begründung verneint werden, dass nach einer Löschung der Eintragungen eine falsche Auskunft erteilt werde.

Für sein Begehren könne sich der Kläger weiter auf Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO stützen. Es fehle an der Notwendigkeit der weiteren Verarbeitung. Auch insoweit sei eine am konkreten Fall ausgerichtete Abwägung erforderlich. Statt die zahlreichen zu Gunsten des Klägers sprechenden Aspekte zu würdigen, habe sich das Landgericht auf den freiwilligen Verhaltenskodex des Verbandes der Wirtschaftsauskunfteien zurückgezogen, der eine Löschung der Eintragungen nach drei Jahren vorsehe. Derartige Verhaltensregeln hätten jedoch keine erweiternde Erlaubniswirkung. In der Wissenschaft werde demgegenüber ganz überwiegend eine Verkürzung der Speicherfrist auf ein Jahr gefordert. Zudem sehe § 3 Abs. 1 der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekV) vor, Informationen über erteilte Restschuldbefreiungen bereits nach sechs Monaten aus dem Internet zu löschen. Eine Speicherung über die Dauer von einem Jahr hinaus sei angesichts dessen nicht notwendig im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO.

Schließlich könne die Löschung der Eintragungen gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. c) DS-GVO gefordert werden, auch wenn zu den Voraussetzungen dieser Norm in erster Instanz nicht vorgetragen worden sei. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger durchweg wirtschaftlich tätig gewesen sei. Seine Insolvenz sei auch nicht auf ein typisches Schuldnerverhalten zurückzuführen. Er habe sich in der Wohlverhaltensperiode vorbildlich verhalten, weshalb beim Merkmal der Restschuldbefreiung zwischen einem klassischen Schuldner und einem Schuldner wie dem Kläger unterschieden werde, welcher sich vorbildlich bemüht habe. Durch die Eintragung des Merkmals der Restschuldbefreiung werde dessen Bonität falsch dargestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 18.06.2021 sowie den Schriftsatz der Klägervertreter vom 09.11.2021 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Osnabrück aufzuheben und wie folgt zu erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrer Datenbank enthaltenen Negativeinträge über den Kläger mit folgendem Wortlaut:

a)

Aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte stammt die Information, dass zu dem unter der Nummer (...) geführten Insolvenzverfahren die Erteilung der Restschuldbefreiung am TT.MM.2019 mitgeteilt wurde.

und b)

Kreissparkasse Ort3 hat unter der Nummer (...) darüber informiert, dass ein Verstoß gegen vertragliche Vereinbarungen vorliegt und daher ein Abwicklungsskonto existiert.

Am TT.MM.2012 wurde die Forderung über 1.238 € unter der Nummer (...) tituliert.

Am TT.MM.2014 wurde über den noch offenen Forderungsbetrag von 1.320 € unter der Nummer (...) informiert.

Am TT.MM.2016 wurde über den noch offenen Forderungsbetrag von 1.414 € unter der Nummer (...) informiert.

Am TT.MM.2018 wurde über den noch offenen Forderungsbetrag von 147 € unter der Nummer (...) informiert.

Es wurde mitgeteilt, dass der vorbezeichnete Vorgang amTT.MM.2019 seine Erledigung gefunden hat. Im Falle eines positiven Vertragsverlaufs wurden die vertraglichen Vereinbarungen vollständig erfüllt und das Vertragsverhältnis daher ordnungsgemäß beendet. Im Falle nicht vertragsgemäßen Verhaltens (Abwicklungsskonto) wurde die offene Forderung zum angegebenen Datum durch Zahlung ausgeglichen.

zur Löschung zu bringen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von wenigstens 5,00 Euro und höchstens 250.000,00 € oder für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken gegen eines der Mitglieder der Geschäftsführung, es zu unterlassen, die im Antrag zu 1. genannten Einträge erneut zu veranlassen und zu speichern.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den verbleibenden Rest der entstandenen Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 Nummer 2300 VV RVG in Höhe von 890,30 € nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Löschung der Einträge zum jetzigen Zeitpunkt zu Recht verneint.

1.

Die Beklagte ist nicht gemäß Artikel 17 Abs. 1 lit. d) DS-GVO zur Löschung der Information über die Erteilung der Restschuldbefreiung des Klägers und die Erledigung seiner Verbindlichkeit gegenüber der Kreissparkasse Ort3 verpflichtet. Die Datenverarbeitung war rechtmäßig, weil sie gemäß Artikel 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO zulässig war. Es besteht ein berechtigtes Interesse der Beklagten und ihrer Vertragspartner an der Datenverarbeitung, das die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten des Klägers überwiegt.

Bei der Erhebung, Speicherung und Weitergabe der genannten Informationen über den Kläger handelt es sich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Beklagte gemäß Art. 4 DS-GVO. Sie ist Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO. Ihr Handeln ist nur rechtmäßig im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. d), Art. 6 DS-GVO, wenn der Betroffene eingewilligt hat - was nicht der Fall ist - oder hierfür eine gesetzliche Grundlage besteht. Diese ist in Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO zu sehen.

Nach dieser Vorschrift ist eine Datenverarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Als berechtigtes Interesse kommt dabei jedes rechtliche, tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interesse in Betracht (OLG Schleswig, Urteil vom 02.07.2021, Az. 17 U 15/21, S.10 m.w.N.). Ein solches Interesse hat die Beklagte dargelegt.

Die Beklagte erteilt ihren Vertragspartnern Auskunft über kreditrelevante Umstände potentieller Kunden. Diese Auskünfte sind erforderlich, um die Informationsdisparität zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern auszugleichen. Andernfalls wären die Kreditgeber ausschließlich auf die Eigenangaben potentieller Kreditnehmer angewiesen. Die Verarbeitung der Daten dient dazu, Kreditgebern eine zutreffende und objektive Einschätzung der Bonität eines potentiellen Vertragspartners zu ermöglichen. Damit bestehen berechtigte Interessen Dritter und der Beklagten gleichermaßen.

Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung des 17. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts, wonach die Belange der Vertragspartner der Beklagten eine Datenverarbeitung nicht zu rechtfertigen vermögen. Zur Begründung führt das Gericht aus, die Prüfung eines berechtigten Interesses Dritter sei nicht möglich, solange nicht feststehe, ob und gegebenenfalls wer konkrete vertragliche oder vorvertragliche Beziehungen zum Kläger eingehe (OLG Schleswig, Urteil v. 02.07.2021, Az. 17 U 15/21, S. 14/15). Allein die abstrakte Möglichkeit, dass die Information der Restschuldbefreiung zukünftig für jemanden von Interesse sei, begründe ein aktuelles berechtigtes Interesse nicht (a.a.O., S. 15).

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts handelt es sich bei der dargelegten Interessenlage allerdings um eine typische, im Fall der Kreditgewährung regelmäßig auftretende. Auch ohne dass ein zukünftiger Vertragspartner des Klägers namentlich feststünde und der Inhalt eines konkret abzuschließenden Vertrages bekannt wäre, ist daher das berechtigte Interesse eines Kreditgebers an der Erteilung der Informationen bereits derzeit hinreichend sicher feststellbar. Ob dieses bei Anbahnung eines konkreten Geschäfts im Einzelfall vorliegt, wäre sodann bei der Frage zu prüfen, ob die Weitergabe der Daten durch die Beklagte zu Recht erfolgt. Da die Beklagte die Daten nach ihrer unbestrittenen Darstellung ausschließlich einem fest definierten Kreis von Vertragspartnern auf konkrete Nachfrage und nach Geltendmachung eines solchen berechtigten Interesses zur Verfügung stellt, rechtfertigt das typische Interesse eines bestimmbaren Personenkreises in der Situation einer Kreditgewährung das Vorhalten der Informationen, auch wenn das konkrete Interesse eines namentlich bekannten Geschäftspartners der Beklagten noch nicht absehbar ist.

Zugleich hat die Beklagte ein eigenes Interesse an der Speicherung der personenbezogenen Daten des Klägers. Bei der Information über die Restschuldbefreiung wie bei den Angaben über die Verbindlichkeit bei der Kreissparkasse Ort3 handelt es sich um Daten, die die Beklagte nach ihrem Geschäftszweck verarbeitet. Dieser besteht darin, bonitätsrelevante Informationen über Personen zu sammeln, zu speichern und zu verarbeiten. Die Datenverarbeitung dient sodann dazu, ihren Kunden die Informationen im Vorfeld von Vertragsverhandlungen oder bei Abschluss von Verträgen zur Verfügung zu stellen, damit diese einschätzen können, ob es bei den Vertragspartnern möglicherweise zu Zahlungsschwierigkeiten kommt. Die Verarbeitung der Informationen hat mithin einen wirtschaftlichen Wert für die Beklagte (vergl. OLG Schleswig, Urteil vom 02.07.2021, Az. 17 U 15/21, Seite 11).

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das berechtigte Interesse an der Datenverarbeitung nicht deshalb zu verneinen, weil den gespeicherten Informationen keine Aussagekraft für seine Bonität zukomme. Zur Begründung führt er aus, es fehle an belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen, die belegten, dass Schuldner nach einer Restschuldbefreiung häufiger erneut in die Überschuldung gerieten als andere Schuldner. Da die Informationen folglich nicht geeignet seien, Aussagen zur Kreditwürdigkeit zu treffen, sei ihre Speicherung zu diesem Zweck auch nicht erforderlich. Dem hat die Beklagte allerdings zutreffend entgegengehalten, dass die Restschuldbefreiung schon deshalb ein relevantes Datum darstelle, weil der Schuldner zu diesem Zeitpunkt vermögenslos sei. Das Fehlen weiteren einsetzbaren Vermögens stellt einen für die Kreditwürdigkeit maßgeblichen Gesichtspunkt dar. Durch die Restschuldbefreiung wird zudem belegt, dass der Schuldner fällige Forderungen in einem Zeitraum von 6 Jahren nicht begleichen konnte, obwohl er verpflichtet war, alles Mögliche zu unternehmen, um seine Schulden in der Wohlverhaltensphase gemäß §§ 287b, 295 InsO abzuzahlen. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger über Jahre trotz aller Bemühungen nicht in der Lage war, die Forderung der Kreissparkasse auszugleichen und diese erst durch die Restschuldbefreiung ihre Erledigung gefunden hat. Unabhängig von den Ausführungen der Beklagten zu einem erhöhten Ausfallrisiko nach einer erteilten Restschuldbefreiung mit Schriftsatz vom 25.10.2021 besteht daher ein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung der fraglichen Daten, um den Kunden der Beklagten eine zuverlässige Beurteilung der Kapitaldienstfähigkeit potentieller Kreditnehmer zu ermöglichen (so auch OLG Schleswig, Urt. v. 02.07.2021, Az. 17 U 15/21, S. 11).

Dass es sich hierbei um schutzwürdige Belange handelt, wird im Übrigen zur Überzeugung des Senats belegt durch den gemäß Artikel 40 DS-GVO erstellten Verhaltenskodex des Verbandes der Wirtschaftsauskunfteien e.V., der durch die zuständige Landesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit des Landes Nordrhein-Westfalen genehmigt worden ist. Zwar kann ein Rückgriff auf diesen Verhaltenskodex die Interessenabwägung gemäß § 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO nicht ersetzen. Er stellt allerdings einen für den Regelfall beachtlichen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten für eine datenschutzkonforme, weil erforderlichkeitsorientierte Speicherung von Informationen her. Ausdrücklich erkennt der Verhaltenskodex Informationen über den Ausgleich von Forderungen wie über eine Restschuldbefreiung als für die Kreditwirtschaft relevantes Datum an. Letztlich belegt das vom Kläger selbst wiederholt herangezogene Gesetzgebungsverfahren, dass auch der Gesetzgeber das Interesse der Kreditwirtschaft an diesen Informationen anerkennt.

Das Interesse der Beklagten und ihrer Geschäftspartner an der Datenverarbeitung wird auch nicht unberechtigt, weil diese einer grundsätzlichen gesetzgeberischen Wertung zuwiderliefe. Eine solche Wertung ist namentlich nicht § 3 Abs. 1 InsoBekV zu entnehmen, wonach Eintragungen über die Erteilung der Restschuldbefreiung nach sechs Monaten aus dem Internet zu löschen sind.

Die Regelung des § 3 InsoBekV ist auf die Eintragungen in der Datenbank der Beklagten nicht unmittelbar anwendbar. Die in der Vorschrift angeordnete Speicherfrist betrifft zunächst allein öffentliche Bekanntmachungen im Insolvenzverfahren. Es fehlt darüber hinaus auch an den Voraussetzungen für eine analoge Anwendung der Vorschrift, noch kommt in ihr eine grundsätzliche gesetzgeberische Wertung zum Ausdruck.

Die Erstreckung der Speicherfrist des § 3 InsoBekV auf die Tätigkeit der Beklagten im Wege der Analogie setzt eine vergleichbare Interessenlage (vergl. BGH, Urt. v. 29.04.2010, Az. I ZR3/09, Rn. 32, zitiert nach juris) und eine planwidrige Regelungslücke voraus (vergl. BSG, Urteil vom 13.11.2012, Az. B 2 U 26/11, Rn. 25). Beides vermag der Senat nicht festzustellen.

Bei der Veröffentlichung von Daten auf dem Portal für Insolvenzbekanntmachungen handelt es sich um einen staatlichen Eingriff. Die Angaben sind ohne Zugangshürden für jedermann und ohne Nachweis eines anerkennenswerten Interesses über das Portal www.insolvenzbekanntmachungen.de einsehbar. Demgegenüber stellt die Beklagte die von ihr vorgehaltenen Informationen Dritten nur nach Darlegung eines berechtigten Interesses und gegen Entgelt zur Verfügung. Auch wenn diese Auskunftserteilung für die Betroffenen weitreichende wirtschaftliche Folgen haben kann, fehlt es gleichwohl bereits an einer vergleichbaren Interessenlage. Den wesentlichen Unterschied sieht das Gericht darin, dass in einem Fall ein Abruf der Daten allein zur Befriedigung der Neugier möglich ist, während im anderen Fall ein anerkennenswertes Interesse in jedem Einzelfall dargelegt werden muss. Die unterschiedlichen Interessenlagen gebieten daher keine Gleichbehandlung, sondern legen nach Auffassung des Senats eher eine differenzierte Behandlung nahe.

Darüber hinaus fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden müsste. Der Kläger selbst hat wiederholt auf Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren zur Verkürzung der Speicherfrist bezüglich der Restschuldbefreiung auf ein Jahr hingewiesen. Diese Diskussion zeigt nach Auffassung des Senats, dass der Gesetzgeber eine Regelungsbedürftigkeit erwogen hat. Wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 09.07.2021 angemerkt hat, hat er gleichwohl von einer Regelung abgesehen und stattdessen eine Evaluierungsklausel in Art. 107a EG-InsO aufgenommen. Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs ist namentlich eine Begrenzung der Speicherung von insolvenzbezogenen Informationen durch Auskunfteien bewusst nicht angeordnet worden.

Aus den gleichen Erwägungen vermag der Senat in der Speicherfrist des § 3 InsoBekV auch keine verallgemeinerungsfähige gesetzgeberische Wertung zu erkennen, die die Speicherung der hier fraglichen Daten über einen Zeitraum von 6 Monaten hinaus grundsätzlich verbietet.

Die dargelegten Interessen der Beklagten und ihrer Kunden werden weiter nicht durch die Interessen, Grundrechte oder Grundfreiheiten des Klägers überwogen, Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO.

Insoweit greift der Senat im Ausgangspunkt auf die für den Regelfall anwendbare Abwägung, wie sie im Verhaltenskodex der Wirtschaftsauskunfteien Niederschlag gefunden hat, zurück. Umstände, die im konkreten Einzelfall eine andere Bewertung erfordern, sind nicht ersichtlich.

Insoweit nimmt der Kläger für sich in Anspruch er müsse hinsichtlich des Merkmals der Restschuldbefreiung anders behandelt werden, als ein klassischer Schuldner. Seine Insolvenz sei nicht auf ein typisches Schuldnerverhalten zurückzuführen. In der Wohlverhaltensperiode habe er sich zudem rechtstreu und vorbildlich verhalten. Er habe dadurch gezeigt, dass er sich einschränken könne. Auch verfüge er über ein ausreichendes Gehalt, so dass er tatsächlich kreditwürdig sei. Durch die Speicherung der Restschuldbefreiung durch die Beklagte werde er demgegenüber unzutreffend mit Personen gleichgestellt, die sich in den letzten Jahren nicht rechtstreu verhalten hätten. Dies führe zu einer unrichtigen Bonitätsbewertung durch mögliche Kreditgeber.

Dieser Vortrag gebietet keine abweichende Bewertung. Er ist zum einen unbestimmt. So bleibt offen, was der Kläger mit einem typischen Schuldnerverhalten meint und warum die Insolvenz in seinem Fall schon hinsichtlich ihres Eintritts anders zu bewerten sein soll. Auch was mit einem vorbildlichen Verhalten während des laufenden Insolvenzverfahrens gemeint ist, erläutert der Kläger nicht näher. Dass er sich nach Kräften um einen Ausgleich der offenen Verbindlichkeiten bemüht hat, ist dabei kein Umstand, der ihn von anderen Insolvenzschuldnern abhebt, denen die Restschuldbefreiung erteilt wird, sondern gemäß § 290 InsO Voraussetzung für diese. Darüber hinaus wird die Bonität des Klägers durch die Eintragungen in der Datenbank der Beklagten auch nicht unzutreffend dargestellt. Der Eintrag beschränkt sich auf die Erteilung der Restschuldbefreiung nach Ablauf der Wohlverhaltensphase und den Umstand, dass die Forderung der Kreissparkasse dadurch ihre endgültige Erledigung gefunden hat. Diese Darstellung ist zutreffend. Eine darüber hinaus gehende negative Bewertung der Kreditwürdigkeit des Klägers enthalten die Eintragungen nicht.

Das Interesse des Klägers an der Löschung der Einträge überwiegt die Belange der Beklagten und ihrer Kunden an der weiteren Datenverarbeitung auch nicht deshalb, weil dem Kläger die berufliche Existenzgrundlage entzogen würde oder er keine angemessene Wohnung zu finden vermöchte (dazu sogleich).

Die Beklagte hat die Daten weiter entsprechend den Verarbeitungsmaximen des Art. 5 DS-GVO verarbeitet. Die Daten sind zutreffend, und die Datenverarbeitung ist transparent erfolgt. Der Kläger kann alle zu ihm gespeicherten Daten im Rahmen einer Datenauskunft einsehen und es werden nur die erforderlichen Kerndaten zur Restschuldbefreiung und über die bei der Kreissparkasse bestehende Verbindlichkeit gespeichert. Es verbleibt mithin bei dem Ergebnis, dass die Datenverarbeitung rechtmäßig im Sinne von Art. 6 Abs. 1 lit f), 17 Abs. 1 lit d) DS-GVO erfolgt.

2.

Ein Anspruch auf Löschung der Eintragungen ergibt sich weiter nicht aus Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO, weil die Speicherung jedenfalls jetzt nicht mehr notwendig wäre.

Soweit der Kläger insoweit eine Parallele zur Regelung des § 3 Abs. 1 InsoBekV zieht, wonach Eintragungen über die Erteilung der Restschuldbefreiung nach sechs Monaten aus dem Internet zu löschen sind, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Die Vorschrift ist auf die Speicherung von Daten durch die Beklagte nicht anwendbar.

Weiter verweist der Kläger auf Stimmen in Wissenschaft und Literatur, die insbesondere angesichts der im europäischen Vergleich ohnehin langen Dauer eines Insolvenzverfahrens in Deutschland von einem Löschungsanspruch spätestens ein Jahr nach der Restschuldbefreiung ausgehen. Der Verhaltenskodex der Wirtschaftsauskunfteien könne demgegenüber die Kompetenzen der Beklagten nicht über den von der DS-GVO gesteckten Rahmen hinaus erweitern.

Auch dieser Argumentation schließt sich der Senat nicht an.

Die vom Kläger angeführten Stimmen aus der Wissenschaft, die für eine Beschränkung der Speicherfrist auf ein Jahr plädieren, geben keine Veranlassung, die weitere Notwendigkeit der Datenverarbeitung - pauschal - zu verneinen. Insoweit ist zum einen zu beachten, dass der Gesetzgeber entsprechenden Forderungen in Kenntnis der regelmäßig dreijährigen Löschungsfrist, wie sie sich aus dem Verhaltenskodex der Wirtschaftsauskunfteien ergibt, nicht gefolgt ist (s.o.). Darüber hinaus erscheint es nicht überzeugend, wenn angeführt wird, die Eintragung der Restschuldbefreiung enthalte lediglich mittelbar die für die Kreditwirtschaft relevante Information, dass der Schuldner vor vielen Jahren insolvent gewesen sei und ein Insolvenzverfahren beantragt habe. Die dreijährige Höchstspeicherfrist für diese Information sei allerdings bei Erteilung der Restschuldbefreiung längst abgelaufen. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass die Restschuldbefreiung zugleich Auskunft darüber gibt, dass der Schuldner trotz gehöriger Anstrengungen nicht in der Lage war, seine Verbindlichkeiten vollständig zurückzuführen. Dies ist eine aktuelle, für die Kunden der Beklagten relevante Information.

Das Gericht folgt der Beklagten zudem darin, dass die Informationen über eine Dauer von einem Jahr hinaus notwendig im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit a) DS-GVO sind. Der Zustand der Vermögenslosigkeit wird sich innerhalb eines Jahres regelmäßig nicht nachhaltig verändern. Die im Verhaltenskodex der Auskunfteien vorgesehene Frist von drei Jahren erscheint demgegenüber angemessen, da bei einer Speicherung darüber hinaus die Aussagekraft der Restschuldbefreiung über die Kreditwürdigkeit eines Schuldners zunehmend geringer wird.

3.

Ein Löschungsanspruch des Klägers folgt schließlich nicht aus Art. 17 Abs. 1 lit. c) DS-GVO. Es fehlt an der Darlegung einer besonderen persönlichen Situation des Klägers als auch eines Überwiegens seines Interesses an einer Löschung unter Berücksichtigung dieser besonderen persönlichen Situation. Die vom Kläger behaupteten Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche sind schon nach seiner Darstellung theoretischer Natur, da er in dem im Eigentum seiner Frau stehenden Haus wohnt. Dass er tatsächlich auf der Suche nach einer Wohnung ist, hat er dementsprechend nicht behauptet. Auch der Umstand, dass eine Ausweitung seiner selbständigen gewerblichen Tätigkeit bis zur Löschung der Einträge erschwert ist, vermag eine besondere persönliche Situation im Sinne des Art. 21 Abs. 1 DS-GVO nicht zu begründen, da er aufgrund einer langjährigen Anstellung als Dachdeckermeister hierauf nicht zwingend angewiesen ist (vergl. LG Frankfurt, Urt. v. 20.12.20218, Az. 1-05 O 151/18, Rn. 38, zitiert nach juris).

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Wegen der abweichenden Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 02.07.2021 war die Revision zuzulassen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache.