Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 18.11.2021, Az.: 8 U 79/21

Erwerb eines vom Dieselskandal betroffenen VW Golf Plus mit einem Motor der Baureihe EA 189; Sittenwidrige Herbeiführung eines Vertragsabschlusses; Auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis über die Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs vom Dieselskandal (vorliegend verneint); Hemmung der Verjährung durch Anmeldung zu einer Musterfeststellungsklage; Voraussetzungen eines Restschadensersatzanspruchs

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
18.11.2021
Aktenzeichen
8 U 79/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 59947
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2021:1118.8U79.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Oldenburg - 19.04.2021 - AZ: 5 O 3623/20

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine auf grober Fahrlässigkeit beruhende Unkenntnis (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB) über die Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs vom VW-Dieselskandal (VW mit EA189-Dieselmotor) kann nicht allein deshalb angenommen werden, weil eine Klagepartei sich nicht aus öffentlich zugänglichen Informationsquellen wie der von der Volkswagen AG zur Verfügung gestellten Online-Plattform die entsprechende Kenntnis verschafft hat. Denn potentiell betroffene Fahrzeughalter konnten sicher sein, dass sie im Falle einer Betroffenheit ihres Fahrzeugs rechtzeitig aktiv von der Volkswagen AG informiert werden.

  2. 2.

    Zur Hemmung der Verjährung durch Anmeldung zur Musterfeststellungsklage gemäß § 204 Abs. 1a BGB.

  3. 3.

    Zum Bestehen eines sogenannten Restschadensersatzanspruchs gemäß § 852 Satz 1 BGB beim Neuwagenkauf (VW mit EA189-Dieselmotor) auf Bestellung des Käufers.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels wird das am 19. April 2021 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.533,99 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. November 2021 und weiteren Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 9.757,53 € für die Zeit vom 30. Januar 2021 bis zum 29. März 2021 sowie weiteren Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 9.139,65 € für die Zeit vom 30. März 2021 bis zum 4. November 2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ....

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahren haben der Kläger zu 13 % und die Beklagte zu 87 % zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1, § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzbetrages in Höhe von 8.533,99 € aus §§ 826, 31 BGB, weil die Beklagte den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat, indem sie den im Fahrzeug des Klägers verbauten Motor der Baureihe EA189 mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung konzipiert, gebaut und in den Verkehr gebracht hat.

a) Zur grundsätzlichen Haftung der Beklagten aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB wird auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19, juris, Rn. 12 ff.) verwiesen. Die entsprechenden Grundsätze sind auch auf den hier zu beurteilenden Fall anzuwenden.

Insbesondere ist auch hier die Beklagte dem Vortrag des Klägers zu den Vorgängen im Konzern der Beklagten nicht ausreichend entgegengetreten. Deshalb ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO davon auszugehen, dass die Beklagte auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) systematisch, langjährig und in Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe EA189 in siebenstelligen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht hat, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, Rn. 16) und diese strategische Entscheidung mit Kenntnis und Billigung der für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten verantwortlichen vormaligen Vorstände der Beklagten getroffen beziehungsweise jahrelang umgesetzt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020, aaO, Rn. 29).

Der Senat ist im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass der Kläger den Kaufvertrag in Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht abgeschlossen hätte. Aus der allgemeinen Lebenserfahrung und der Art des hier zu beurteilenden Geschäfts folgt der Erfahrungssatz, nach dem auszuschließen ist, dass ein Käufer, dem es maßgeblich auf die Gebrauchsfähigkeit des Kraftfahrzeugs ankommt, ein Fahrzeug erwirbt, bei dem - wie hier - eine auch nur abstrakte Gefahr der Betriebsbeschränkung oder -untersagung besteht, wenn gleichzeitig unklar ist, ob überhaupt, wenn ja, zu welchem Zeitpunkt und wie - vor allem ohne Nachteil für den Käufer - der Mangel behoben werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020, aaO, Rn. 49 ff. mwN).

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass den für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zuständigen vormaligen Vorständen der Beklagten bewusst war, dass in Kenntnis des Risikos einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen Fahrzeuge niemand - ohne einen erheblichen, dies berücksichtigenden Abschlag vom Kaufpreis - ein damit belastetes Fahrzeug erwerben werde (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020, aaO, Rn. 63).

b) Der Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31, 249 ff. BGB richtet sich im hier vorliegenden Fall der sittenwidrigen Herbeiführung eines Vertragsabschlusses auf den Ersatz des negativen Interesses. Der Kläger kann also verlangen, so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn er das Fahrzeug nicht gekauft hätte. Das bedeutet, dass er grundsätzlich die Erstattung des von ihm gezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verlangen kann (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 80. Aufl., § 826 Rn. 15 mwN). Dabei legt der Senat lediglich den bereinigten Kaufpreis von 25.343,21 € (brutto) zugrunde. Die in der Rechnung vom 2. Mai 2012 aufgeführten Kosten für ein "Selbstabholungspaket A1" in Höhe von 325,12 € (netto) und Kosten für die Zulassungsbescheinigung Teil II in Höhe von 4,12 € (netto) sind nicht ersatzfähig, da es sich um "Sowieso-Kosten" handelt, die auch angefallen wären, wenn der Kläger ein Fahrzeug ohne unzulässige Abschalteinrichtung erworben hätte (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 31. Oktober 2019 - 13 U 178/18, juris Rn. 73 ff.), und es sich mit Blick auf die Nutzung des Fahrzeugs für einen nicht unerheblichen Zeitraum nicht um frustrierte Aufwendungen handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2021 - VI ZR 369/20, juris, Rn. 8).

Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung ist der in der Nutzung des Fahrzeugs liegende Vermögensvorteil des Klägers zu berücksichtigen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 25. Mai 2020, aaO, Rn. 64 ff. und 78 ff.). Bei der Berechnung dieses Vorteils geht der Senat von einer Gesamtfahrleistung von 300.000 km (§ 287 ZPO) und dem um die Kosten für das "Selbstabholungspaket A1" und die Zulassungsbescheinigung Teil II bereinigten Kaufpreis aus, da diese Zusatzkosten nicht den objektiven Wert des Fahrzeugs und damit auch nicht den Nutzungsvorteil je gefahrenem Kilometer erhöhen (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2021 - VI ZR 274/20, juris, Rn. 23). Daraus ergibt sich unter Berücksichtigung des unstreitigen Kilometerstands zum Zeitpunkt der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung von 198.979 km folgende Berechnung

Kaufpreis

25.343,21 €

Km-Stand bei Kauf

0

aktueller Km-Stand

198979

ergibt:

Restlaufleistung

300000

Vorteil/km

0,084477367

gefahrene km

198979

Nutzungsvorteil

16.809,22 €

zu erstattender Betrag

8.533,99 €

c) Der Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB ist auch weiterhin durchsetzbar. Dem steht die Verjährungseinrede der Beklagten nicht entgegen, weil die Zustellung der Klageschrift am 29. Januar 2021 gemäß § 204 Abs. 1 BGB den Ablauf der in diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufenen Verjährungsfrist gehemmt hat.

Die dreijährige Verjährungsfrist war in dem Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgelaufen, weil die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres 2016 begonnen hat (hierzu unter aa)) und der Zeitraum zwischen der Erhebung der Musterfeststellungsklage (1. November 2018) und dem 30. März 2020 aufgrund der Anmeldung des Klägers zur Musterfeststellungsklage nicht in die Verjährungsfrist einzuberechnen ist (§ 204 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Satz 2, § 209 BGB) (hierzu unter bb)).

aa) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die Verjährungsfrist nicht mit dem Schluss des Jahres 2015 in Gang gesetzt worden, da sich nicht feststellen lässt, dass der Kläger bis zum Ablauf des Jahres 2015 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hatte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

(1) Nach der Parteivernehmung des Klägers steht zwar zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger der Abgasskandal im Allgemeinen aufgrund der Presseberichterstattung im Herbst 2015 bekannt war. Der Senat vermochte sich aber nicht davon zu überzeugen, dass dem Kläger auch die Betroffenheit seines eigenen Fahrzeugs im Herbst 2015 beziehungsweise bis zum Ablauf des Jahres bekannt gewesen wäre.

Der Kläger hat in seiner Parteivernehmung angegeben, dass er erst durch ein Anschreiben der Firma ... erfahren habe, dass sein Fahrzeug betroffen gewesen sei. Nach dem Erhalt des Schreibens habe er die Fahrgestellnummer seines Fahrzeugs im Internet angegeben und hierdurch erfahren, dass auch sein Fahrzeug betroffen sei. Wann er das Schreiben erhalten habe, könne er nicht mehr genau sagen, jedenfalls nicht mehr in dem Jahr 2015.

Durch das Schreiben der Firma ... sei ihm mitgeteilt worden, dass man ihm ein günstiges Angebot für einen Neuwagen machen wolle. Er sei sich ziemlich sicher, dass in dem Schreiben auch gestanden habe, dass sein Fahrzeug betroffen sei, ohne dass er dies beschwören könne.

Er gehe davon aus, dass er noch ein weiteres Schreiben von der Beklagten bekommen habe, in dem es um das Update gegangen sei. Wann er dieses Schreiben bekommen habe, wisse er nicht mehr. Er wisse auch nicht mehr genau, wann das Update aufgespielt worden sei. Dies müsste aber im Jahr 2017 gewesen sein.

Auf die Frage, ob es auch sein könne, dass er das Schreiben zum Update vor dem Schreiben der Firma ... erhalten habe, hat der Kläger angegeben, dass es auch so gewesen sein könne, ohne dass er dies beschwören könne.

Auf dieser Grundlage ließ sich nicht mit der nach § 286 Abs. 1 ZPO erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Kläger bereits in dem Jahr 2015 Kenntnis von der Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs hatte, so dass die insoweit beweisbelastete Beklagte beweisfällig geblieben ist. Insbesondere ergaben sich auf der Grundlage der Parteivernehmung des Klägers keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger das Schreiben der Firma ..., bei der es sich um einen Vertragshändler der Beklagten handelt, bereits vor Ablauf des Jahres 2015 zugegangen wäre.

Dem im Anschluss an die Parteivernehmung gestellten Antrag der Beklagten, dem Kläger die Vorlage des Schreibens der Firma ... gemäß § 421 ZPO aufzuerlegen, war aus mehreren Gründen nicht zu entsprechen.

Der Beweisantritt durch Urkundenvorlage des Gegners setzt unter anderem voraus, dass dem Beweisführer ein Anspruch gegen den Gegner auf Vorlage der Urkunde zusteht (vgl. BeckOK ZPO/Krafka, 42. Ed. 1.9.2021, § 421 Rn. 3). Ein derartiger Vorlageanspruch ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine materiell-rechtliche Vorlageverpflichtung im Sinne des § 422 ZPO ist nicht erkennbar. Eine Vorlageverpflichtung gemäß § 423 ZPO scheidet aus, weil der Kläger nicht auf den Inhalt dieser Urkunde zur Beweisführung Bezug genommen hat. Dies würde voraussetzen, dass sich der Kläger auf die Urkunde als Beweismittel bezogen hätte (vgl. MüKoZPO/Schreiber, 6. Aufl., § 423 Rn. 1 mwN), wovon angesichts der bloßen Erwähnung dieses Schreibens im Rahmen der Parteivernehmung des Klägers nicht ausgegangen werden kann, zumal auch nicht ersichtlich ist, was der Kläger durch den Inhalt der Urkunde hätte unter Beweis stellen wollen.

Darüber hinaus handelt es sich bei der Behauptung der Beklagten um eine prozessual unbeachtliche Behauptung ins Blaue hinein, weil weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, worauf die Beklagte die Vermutung stützt, dass dem Kläger das Schreiben der Firma ... noch vor dem Ablauf des Jahres 2015 zugegangen sei. Entsprechende Anhaltspunkte lassen sich insbesondere nicht der Aussage des Klägers entnehmen, da der Kläger angegeben hat, das Schreiben jedenfalls nicht mehr in dem Jahr 2015 erhalten zu haben.

Schließlich ist der Beweisantritt auch ungeeignet, da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass sich aus dem Inhalt des Schreibens auch der Zugangszeitpunkt ergibt. Selbst wenn sich aus dem Schreiben ergäbe, dass es noch in dem Jahr 2015 erstellt worden wäre, ließe sich hieraus nicht schließen, dass dem Kläger das Schreiben auch noch vor dem Ablauf des Jahres 2015 zugegangen wäre und dass er dessen Inhalt noch vor dem Ablauf des Jahres 2015 zur Kenntnis genommen hätte.

(2) Aus dem Umstand, dass der Kläger im Herbst 2015 Presseberichterstattung über den Abgasskandal zur Kenntnis genommen hat, lässt sich auch nicht herleiten, dass die Unkenntnis hinsichtlich der individuellen Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs bis zum Ablauf des Jahres 2015 auf grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beruhen würde.

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - VI ZR 1118/20, juris, Rn. 14). Den Geschädigten trifft dabei im Allgemeinen weder eine Informationspflicht noch besteht für ihn eine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, aaO, Rn. 16).

Nach diesen Grundsätzen lässt sich im Streitfall nicht feststellen, dass der Kläger grob fahrlässig gehandelt hätte, indem er weitere Nachforschungen hinsichtlich der Frage, ob auch sein Fahrzeug von dem sogenannten Abgasskandal betroffen ist, bis zum Ablauf des Jahres 2015 unterlassen hat.

Hierbei ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass einem Fahrzeughalter im Regelfall nicht bekannt ist, wie er ohne größeren Aufwand ermitteln kann, welcher Motorenfamilie der in seinem Fahrzeug verbaute Motor angehört. Dass der Kläger über entsprechendes Wissen verfügt hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit sich die Beklagte auf die Erstellung einer Internetseite beruft, auf der Fahrzeughalter ab Oktober 2015 durch die Eingabe der Fahrzeugidentifizierungs-Nummer prüfen konnten, ob das eigene Fahrzeug mit dem betroffenen Motor ausgestattet ist, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger diese Internetseite vor Ablauf des Jahres 2015 bekannt gewesen wäre. Denn dies würde voraussetzen, dass der Kläger Presseberichte zur Kenntnis genommen hätte, in denen nicht nur allgemein über den Abgasskandal, sondern darüber hinaus auch über die Bereitstellung der Internetseite berichtet worden ist. Dies hat aber weder die Beklagte behauptet, noch ergaben sich hierfür Anhaltspunkte aus den Angaben des Klägers im Rahmen seiner Parteivernehmung. Aber selbst wenn dem Kläger diese Internetseite vor Ablauf des Jahres 2015 bekannt gewesen wäre, rechtfertigte dies nicht die Annahme, dass die Unkenntnis der Betroffenheit seines Fahrzeugs auf grober Fahrlässigkeit beruhte.

Denn auch dann würde das Unterlassen entsprechender aktiver Ermittlungen unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls nicht den Schluss rechtfertigen, dass der Kläger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hätte, was jedem hätte einleuchten müssen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass aus der Sicht eines potentiell Betroffenen in dem fraglichen Zeitraum ohnehin damit zu rechnen war, dass er im Falle der Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs in Kürze beziehungsweise im Laufe des Jahres 2016 durch die Beklagte individuell informiert werden wird. Denn die Durchführung der ursprünglich für das Jahr 2016 vorgesehenen Rückrufaktion setzte ersichtlich die vorherige Information der betroffenen Halter voraus. Dementsprechend haben sowohl das KBA als auch die Beklagte in ihren öffentlichen Verlautbarungen im Herbst 2015 mitgeteilt, dass die Beklagte zu jedem betroffenen Kunden schriftlich Kontakt aufnehmen werde.

Insoweit heißt es etwa in der am 16. Oktober 2015 veröffentlichten Pressemitteilung des KBA zu der tags zuvor ergangenen Anordnung des Rückrufs (https://www.kba.de/DE/Presse/Archiv/Abgasthematik/vw_inhalt.html):

"Die betroffenen Halter werden dazu durch den Hersteller zeitlich gestaffelt angeschrieben und aufgefordert, ihr Fahrzeug in der Werkstatt vorzuführen. Dort sind die Fahrzeuge in den vorschriftsmäßigen Zustand zu versetzen.

Die Fahrzeuge sind verkehrssicher und können bis zum Austausch der Komponenten weiter gefahren werden"

Bereits zuvor, am 15. Oktober 2015, hatte die Beklagte unter Bezugnahme auf den Rückruf in einer eigenen Pressemitteilung (https://www.volkswagen-newsroom.com/de/pressemitteilungen/rueckruf-betroffener-ea189-dieselfahrzeuge-durch-das-kraftfahrtbundesamt-kba-beschlossen-2106) erklärt:

"Volkswagen wird aktiv auf seine Kunden zugehen und diese informieren. Auf der deutschen Website www.volkswagen.de/info kann beispielsweise jeder Volkswagen-Kunde zusätzlich seit dem 02. Oktober 2015 seine Fahrgestellnummer eingeben und sich sofort informieren, ob sein Fahrzeug betroffen ist. Für die Marken Audi, SEAT und ŠKODA und in den übrigen EU-Staaten sind vergleichbare Kunden-Websites aktiv.

Derzeit werden mit Hochdruck die im Maßnahmenplan festgelegten technischen Lösungen erarbeitet. Ab Januar 2016 wird mit der Nachbesserung der Fahrzeuge begonnen - und zwar kostenlos für unsere Kunden. Die technischen Lösungen können sowohl Software- als auch Hardware-Maßnahmen sein. Diese werden momentan für jede betroffene Baureihe und jedes betroffene Modelljahr entwickelt. Alle Maßnahmen werden zunächst den zuständigen Behörden vorgestellt. Danach werden die Halter dieser Fahrzeuge von Volkswagen in den nächsten Wochen und Monaten darüber informiert.

Damit herrscht für den Kunden jetzt Klarheit bezüglich der weiteren uneingeschränkten Nutzung der Fahrzeuge. Alle betroffenen Fahrzeuge sind ohnehin weiterhin technisch sicher und fahrbereit."

Eine entsprechende Ankündigung findet sich auch in der Pressemitteilung der Beklagten vom 25. November 2015 (https://www.volkswagen-newsroom.com/de/pressemitteilungen/technische-massnahmen-fuer-die-betroffenen-ea-189-dieselmotoren-dem-kraftfahrtbundesamt-kba-vorgestellt-1780), in der es unter anderem heißt:

"Auf Grundlage dieser, vom KBA akzeptierten, technischen Maßnahmen werden für die betroffenen EU28-Märkte aktuell die notwendigen Servicekonzepte erarbeitet. Ziel ist es, ab Januar 2016 die ersten Fahrzeuge im Rahmen eines Rückrufes auf den erforderlichen technischen Stand zu bringen. Nach aktueller Einschätzung werden sich sämtliche Maßnahmen im Zuge des Rückrufes für alle Motorvarianten über das Kalenderjahr 2016 erstrecken.

Volkswagen wird den erforderlichen Zeitaufwand, der durch die Umsetzung der technischen Maßnahmen entsteht, für alle Kunden so gering wie möglich halten. Darüber hinaus wird Volkswagen mit jedem Kunden Kontakt aufnehmen und sich darum bemühen, die individuellen Kundenbedürfnisse im Rahmen der Umsetzung der technischen Maßnahmen zu berücksichtigen, um etwaige Nachteile für die Kunden, wie z.B. mögliche Mobilitätseinschränkungen, zu vermeiden."

Nach alledem konnte der Kläger erwarten, im Falle der Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs individuell von der Beklagten im Laufe des Jahres 2016 informiert zu werden. Das gilt insbesondere dann, wenn er die Berichterstattung zum Dieselskandal schon im Jahr 2015 intensiv zur Kenntnis genommen und dabei auch auf die Erstinformationsquellen (Pressemitteilungen der Beklagten und des KBA) zurückgegriffen haben sollte. Demzufolge stellt es sich nicht als schwerwiegender Sorgfaltsverstoß dar, dass der Kläger davon abgesehen hat, durch eigene Ermittlungen die Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs bereits früher in Erfahrung zu bringen. Das gilt auch bei eventueller Kenntnis über die Internetseite, mit der die Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs geprüft werden konnte. Denn gerade aus der zitierten Pressemitteilung der Beklagten vom 15. Oktober 2015 ergibt sich, dass es sich dabei nur um eine zusätzliche Informationsquelle handelte, auf die die angesprochenen Fahrzeughalter gerade nicht zwingend zurückgreifen mussten, um relativ zeitnah (voraussichtlich im Laufe des Jahres 2016) Gewissheit über die Betroffenheit ihres Fahrzeugs zu erlangen. Der Kläger konnte wie alle anderen möglicherweise betroffenen Fahrzeughalter sicher sein, dass er im Falle einer Betroffenheit seines Fahrzeugs rechtzeitig aktiv von der Beklagten informiert wird. Selbst bei einer Kenntnis des Klägers von der entsprechenden Internetseite kann deshalb keine Rede davon sein, dass der Kläger durch das Unterlassen einer Recherche auf dieser Seite die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hätte. Das gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass damals (Herbst 2015) - auch nach dem Inhalt der zitierten Pressemitteilungen - die weitere Benutzbarkeit und Verkehrssicherheit der betroffenen Fahrzeuge im Vordergrund stand, nicht aber das Bestehen eventueller Schadensersatzansprüche betroffener Fahrzeughalter gegen die Beklagte.

(3) Da die Beklagte nicht bewiesen hat, dass der Kläger bereits in dem Jahr 2015 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen, ist die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres 2016 in Gang gesetzt worden.

Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig geblieben, dass der Kläger das Halteranschreiben im Februar 2016 erhalten hat und jedenfalls hierdurch über die individuelle Betroffenheit seines Fahrzeugs informiert worden ist. Da der Kläger Kenntnis von dem Abgasskandal im Allgemeinen bereits im Herbst 2015 erlangt hatte und ihm naturgemäß auch bekannt war, ob er bei dem Kauf des Fahrzeugs die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben vorausgesetzt hatte und ob er das Fahrzeug auch in Kenntnis der Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben gekauft hätte, hatte der Kläger in dem Jahr 2016 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20, juris, Rn. 21).

bb) Durch die am 29. September 2019 erfolgte Anmeldung des Klägers zur Musterfeststellungsklage ist der Ablauf der Verjährungsfrist mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Erhebung der Musterfeststellungsklage (1. November 2018) gemäß § 204 Abs. 1a BGB gehemmt worden, wobei die Hemmungswirkung gemäß § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB am 30. März 2020 sechs Monate nach der am 30. September 2019 erfolgten Rücknahme der Anmeldung endete, mit der Folge, dass dieser Zeitraum gemäß § 209 BGB nicht in die Berechnung der Verjährungsfrist einzubeziehen ist.

Die Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB tritt im Falle eines wirksam angemeldeten Anspruchs grundsätzlich bereits mit Erhebung der Musterfeststellungsklage und nicht erst mit wirksamer Anmeldung des Anspruchs zu deren Register ein, auch wenn die Anspruchsanmeldung selbst erst nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, aaO, Rn. 21 ff.).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es dem Kläger auch nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf den Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB zu berufen. Denn die Anmeldung zum Klageregister stellt sich nicht als rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB dar.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtfertigt der Umstand, dass die Anmeldung zum Klageregister der Musterfeststellungsklage von vorneherein nur deshalb erfolgt ist, um nach der Rücknahme der Anmeldung noch Individualklage erheben zu können, nicht die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben gegenüber der Beklagten. Die Verjährung ist im Fall des § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB grundsätzlich auch dann gehemmt, wenn der Gläubiger seine Anmeldung zum Klageregister im weiteren Verlauf des Musterfeststellungsverfahrens wieder zurücknimmt, um im Anschluss Individualklage zu erheben. Der Gesetzgeber hat den Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB nicht davon abhängig gemacht, dass der Gläubiger dauerhaft zum Klageregister angemeldet bleibt. Er hat dem Gläubiger vielmehr bewusst die Möglichkeit der Abmeldung vom Klageregister bis zu dem in § 608 Abs. 3 ZPO geregelten Zeitpunkt und der anschließenden Geltendmachung der Ansprüche im Wege der Individualklage eingeräumt (vgl. § 613 Abs. 1 Satz 2 ZPO und hierzu BT-Drucks. 19/2439, S. 28) und für diesen Fall eine spezifische Regelung über eine nachlaufende Verjährungshemmung von sechsmonatiger Dauer getroffen (§ 204 Abs. 2 Satz 2 BGB). Damit ist dem Gläubiger ausdrücklich die Option eröffnet worden, seine Entscheidung, in welcher Weise Rechtsschutz gesucht wird, zu ändern und gleichwohl noch für einen gewissen (weiteren) Zeitraum von der durch die Erhebung der Musterfeststellungsklage und die Anmeldung zu deren Register bewirkten Verjährungshemmung zu profitieren. Der Gesetzgeber hat den Zeitpunkt nach § 608 Abs. 3 ZPO, bis zu dem die Anmeldung wirksam zurückgenommen werden kann, zugunsten des geschädigten Verbrauchers im Lauf des Gesetzgebungsverfahren sogar noch geringfügig, aber entscheidend nach hinten geschoben (jetzt: Ablauf des Tages des Beginns der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz; demgegenüber Entwurfsfassung: Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins, BT-Drucks. 19/2439, S. 10) und darauf abgestimmt, dass zu diesem Zeitpunkt das Gericht bereits auf sachdienliche Klageanträge hinzuwirken hatte, § 610 Abs. 4 ZPO. Damit hat der Gesetzgeber dem Gläubiger gezielt ermöglicht, sich noch vor Ablauf der Rücknahmefrist über die aus Sicht des Gerichts sachdienlichen Anträge und damit über den absehbaren Gegenstand des Musterfeststellungsverfahrens zu informieren, und ihm damit die Entscheidung erleichtert, ob er an seiner Anmeldung festhalten will (BT-Drucks. 19/2741, S. 25). Nutzt der Gläubiger diese ihm vom Gesetz ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit der Anmeldungsrücknahme, handelt es sich daher grundsätzlich um einfachen Rechtsge-, nicht Rechtsmissbrauch (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, aaO, Rn. 38 ff.).

Umstände, die im Streitfall eine andere Bewertung rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch in dem vorliegenden Fall gilt, dass die von vornherein bestehende Absicht des Klägers, die Anmeldung zum Klageregister wieder zurückzunehmen, um sodann noch Individualklage erheben zu können, als allein innere Willensbildung ohne jeden äußeren Niederschlag jederzeit von ihm selbst revidierbar gewesen wäre und einem Erfolg des Verfahrens daher nicht endgültig entgegengestand (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, aaO, Rn. 42). Der Umstand, dass der Kläger die Anmeldung bereits am Folgetag zurückgenommen hat, ändert nichts daran, dass die innere Willensbildung vor oder bei der Anmeldung keinen äußeren Niederschlag gefunden hatte.

Auch im Streitfall gilt, dass der Beklagten durch die Anmeldung zum Klageregister kein eigenständiges Verfahren aufgezwungen worden ist, da sie ohnehin Beklagte des Musterfeststellungsverfahrens war. Die Umsetzung des Entschlusses zur Rücknahme der Anmeldung bereits einen Tag nach der Anmeldung begründet keine eigenständige Belastung der Beklagten, aus dem ein treuwidriges Verhalten des Klägers hergeleitet werden könnte. Dass die Beklagte im Hinblick auf die ohnehin nur kurzzeitige Anmeldung zu dem Klageregister zu irgendeinem Zeitpunkt darauf vertraut hätte, dass der Kläger seine Anmeldung nicht zurücknehmen wird, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Übrigen gilt auch hier, dass sich die Beklagte durch die Anmeldung und insbesondere die nachfolgende Abmeldung auf die Möglichkeit einstellen konnte, dass der Kläger - innerhalb der durch die Regelung des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB gesetzten zeitlichen Grenzen - noch eine Individualklage erheben könnte (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, aaO, Rn. 43).

cc) Ist nach alledem von einem Beginn der Verjährungsfrist mit dem Ablauf des 31. Dezember 2016 und einer Hemmung des Ablaufs der Verjährungsfrist ab dem 1. November 2018 auszugehen, belief sich der in diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufene Rest der Verjährungsfrist auf 426 Tage (61 Tage des Jahres 2018 und 365 Tage des Jahres 2019). Da zwischen dem Ende der Hemmungswirkung (31. März 2020) und der Zustellung der Klageschrift (29. Januar 2021) deutlich weniger als 426 Tage liegen, ist die Verjährungsfrist nicht abgelaufen.

d) Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellen würde, dass die regelmäßige Verjährungsfrist - entgegen der vorstehenden Ausführungen - im Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift bereits abgelaufen gewesen wäre, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Denn in diesem Fall könnte der Kläger der Verjährungseinrede der Beklagten mit Erfolg entgegenhalten, dass die Beklagte trotz der Verjährung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 852 BGB zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet ist, und zwar in dem Umfang des fortbestehenden Schadens des Klägers in Höhe von 8.533,99 €.

aa) Die mit § 852 Abs. 3 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung inhaltsgleiche Vorschrift des § 852 Satz 1 BGB regelt einen "deliktischen Bereicherungsanspruch", bei dem es sich dogmatisch um einen Schadensersatzanspruch handelt, der nur in seinem Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten Erlangte beschränkt ist (BT-Drs. 14/6040, S. 270 unter Hinweis auf BGHZ 71, 86, 98 f., hier zitiert nach juris: BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 - X ZR 19/76, Rn. 61). Nach der in den Gesetzesmaterialien zur Schuldrechtsreform zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs bleibt der verjährte Deliktsanspruch als solcher bestehen und wird nur in seinem Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten Erlangte beschränkt (BGH, Urteil vom 14. Februar 1978, aaO, mwN, insbesondere unter Hinweis auf RG JW 1938, 2413 [2415]).

Aufgrund dieser vom (Reform-)Gesetzgeber in BT-Drs. 14/6040 (aaO) ausdrücklich bestätigten Sicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann aus der Formulierung "auf Kosten ... erlangt" nicht hergeleitet werden, dass die Voraussetzungen einer Verpflichtung aus § 852 BGB dem Grunde nach den §§ 812 ff. BGB zu entnehmen wären (weniger eindeutig noch Mot. II 743; Prot. II 609 ff.). Nach dem mit § 852 BGB verfolgten Zweck soll derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung einen anderen geschädigt und dadurch sein eigenes Vermögen vermehrt hat, nicht im Genuss dieses unrechtmäßig erlangten Vorteils bleiben. Anders als bei den in §§ 812 ff. BGB geregelten Ansprüchen muss sich die Vermögensverschiebung nicht zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten vollziehen, da die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 852 BGB auf unmittelbare Vermögensverschiebungen im Sinne der §§ 812 ff. BGB dazu führen würde, dass der Geschädigte in vielen Fällen den Vermögensausgleich nicht mehr erlangen könnte. Es wäre daher nicht mit dem Wesensgehalt des § 852 BGB vereinbar, dass sämtliche Merkmale eines Bereicherungsanspruchs im Sinne der §§ 812 ff. BGB vorliegen müssen, die jeweils eine unmittelbare Vermögensverschiebung voraussetzen. Mit dem Begriff "auf Kosten ...erlangt" stellt die Regelung auf die unerlaubte Handlung ab, durch die die Vermögensverschiebung bewirkt worden ist, wobei es nicht darauf ankommt, auf welchem Wege sich die dadurch veranlasste Vermögensverschiebung vollzogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 1978, aaO, Rn. 62). Maßgebend ist danach für die Vermögensverschiebung eine wirtschaftliche Betrachtung. Wenn der Vermögensverlust beim Geschädigten einen entsprechenden Vermögenszuwachs beim Schädiger zur Folge gehabt hat, so ist der Vermögenszuwachs nach § 852 BGB, soweit auch die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs vorliegen, auch dann herauszugeben, wenn diese Vermögensverschiebung dem Schädiger durch seine Vertragspartner vermittelt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 1978, aaO, Rn. 63).

Während ein solcher Zusammenhang im Falle des Erwerbs eines mit einem Motor der Baureihe EA 189 ausgestatteten Gebrauchtwagens nach der Rechtsprechung des Senats sowie - soweit ersichtlich - nach der einhelligen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte abzulehnen ist (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 15. Juni 2021 - 3 U 183/21, juris Rn. 45 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Mai 2021 - 5 U 57/20, juris Rn. 58 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. Mai 2021 - 26 U 71/20, juris Rn. 66 ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 31. März 2021 - 13 U 678/20, juris Rn. 35 f.; OLG Stuttgart, Urteil vom 2. Februar 2021 - 10 U 229/20, BeckRS 2021, 5076, beck-online Rn. 49 ff.), da die Beklagte in der Konstellation in der Regel nichts "auf Kosten" des Geschädigten im Sinne des § 852 BGB erlangt hat, hat beim Erwerb eines Neufahrzeuges, das der Geschädigte bei einem Vertragshändler bestellt und dann bei der Beklagten abholt, der Vermögensverlust beim Geschädigten einen entsprechenden Vermögenszuwachs bei der Beklagten zur Folge.

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger das Neufahrzeug von einem Vertragshändler erworben hat. Denn insoweit ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine wirtschaftliche Betrachtung maßgebend, wobei die Vermittlung der Vermögensverschiebung durch einen Vertragspartner voraussetzt, dass - wie bereits ausgeführt - der Vermögensverlust beim Geschädigten einen entsprechenden Vermögenszuwachs beim Schädiger zur Folge gehabt hat (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 1978 - X ZR 19/76 -, BGHZ 71, 86 -, juris Rn. 63; BGH, Urteil vom 26. März 2019 - X ZR 109/16 -, BGHZ 221, 342, juris Rn. 16). Es kommt mithin nicht darauf an, ob die Vermögensverschiebung dem Schädiger durch einen oder mehrere Vertragspartner vermittelt worden ist (vgl. jurisPK-BGB Band 2/Rüßmann, 9. Auflage, § 852 Rn. 5).

Nach diesen Grundsätzen ist davon auszugehen, dass die Beklagte beim Verkauf eines bestellten Neufahrzeugs über einen (Vertrags-) Händler den (um die Händlermarge gekürzten) Kaufpreis zwar unmittelbar von dem Vertragshändler erhält, diesen Betrag aber bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht auf dessen Kosten, sondern mittelbar auf Kosten des Endkunden erlangt. Hierfür spricht zunächst der Gesichtspunkt, dass der Vertragshändler in diesen Fällen kein Absatzrisiko übernimmt (vgl. u.a. OLG Stuttgart, Urteil vom 9. März 2021 - 10 U 339/20, juris Rn. 45; OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2021 - 13 U 168/21, juris Rn. 75; OLG Oldenburg, Urteil vom 22. April 2021 - 14 U 225/20, juris Rn. 42 ff.). Auch unter Berücksichtigung des Vermögensflusses ist es gerechtfertigt, den Vermögenszuwachs auf Seiten der Beklagten bei wirtschaftlicher Betrachtung der Vermögensverfügung des Klägers zuzuordnen. Denn bei einer Neufahrzeugbestellung durch den Endkunden fungiert der Vertragshändler insoweit nur als Zahlstelle, die dem Endkunden den Kaufpreis in Rechnung stellt und dann den Kaufpreis, gekürzt um die Händlermarge, an die Beklagte weiterleitet.

Dies lässt sich in dem vorliegenden Fall auch exemplarisch anhand der Rechnung des Vertragshändlers vom 2. Mai 2012 (Anlage K1, GA I 32R f.) nachvollziehen, in der als "Annahmetag" der 20. Februar 2012 und als Zulassungs- und Übergabetag der 2. Mai 2012 sowie ein gesonderter Betrag für ein "Selbstabholungspaket A1" ausgewiesen werden. Dem lässt sich entnehmen, dass der Kläger das Fahrzeug bereits im Februar 2012 über den Vertragshändler bestellt hatte und die Rechnungsstellung erst erfolgte, nachdem der Kläger das Neufahrzeug bereits bei der Beklagten abgeholt hatte.

Damit ist der Vermögenszuwachs der Beklagten auf den Vermögensverlust des Klägers durch die Kaufpreiszahlung nach dem Erwerb des Fahrzeugs und damit auf die im Inverkehrbringen des Fahrzeugs liegende unerlaubte Handlung der Beklagten zum Nachteil des Klägers zurückführen.

bb) Soweit die Beklagte meint, der Anwendungsbereich des § 852 Satz 1 BGB sei teleologisch zu reduzieren, weil dem Kläger die risikolose Beteiligung an der Musterfeststellungsklage offen gestanden hätte, kann ihr nicht gefolgt werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten erfordert § 852 Satz 1 BGB kein besonderes Prozessrisiko. Eine solche einschränkende Auslegung lässt sich weder dem Wortlaut der Vorschrift noch dem Gesetzgebungsverfahren entnehmen. Eine planwidrige Regelungslücke besteht nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber (Bundestagsdrucksache 19/2439) im Zusammenhang mit der Einführung der Musterfeststellungsklage am 4. Juni 2018 zu dem Problem und Ziel der Musterfeststellungsklage ausgeführt:

"In einem durch standardisierte Massengeschäfte geprägten Wirtschaftsleben hinterlassen unrechtmäßige Verhaltensweisen von Anbietern häufig eine Vielzahl gleichartig geschädigter Verbraucher. Gerade wenn der erlittene Nachteil im Einzelfall gering ist, werden Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche oft nicht individuell verfolgt, da der erforderliche Aufwand aus Sicht des Geschädigten unverhältnismäßig erscheint ("rationales Desinteresse"). Kommt eine Einigung der Parteien - etwa im Rahmen der außergerichtlichen Streitschlichtung - nicht zustande und sehen die Betroffenen von einer Klage ab, verbleibt der unrechtmäßig erlangte Gewinn bei dem Anbieter, der hierdurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber rechtstreuen Wettbewerbern erzielt".

Ziel der Musterfeststellungsklage war es mithin, die Rechtsdurchsetzung für Verbraucher zu verbessern und zu verhindern, dass eine etwaige Klageunwilligkeit dazu führt, dass ein unrechtmäßig erlangter Gewinn bei dem Anspruchsgegner verbleibt und so zu einem ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern führt (vgl. BT-Drucksache 19/2507, S. 1). Legte man § 852 BGB einschränkend dahingehend aus, dass er keine Anwendung findet, wenn der Verbraucher die Möglichkeit hat, sich an einer Musterfeststellungsklage zu beteiligen, würde das vom Gesetzgeber ausdrücklich benannte Ziel, dass der rechtswidrig erlangte Vorteil nicht beim Schädiger verbleibt, in den Verjährungsfällen ins Gegenteil verkehrt (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2021, aaO, juris Rn. 77; OLG Oldenburg, Urteil vom 22. April 2021, aaO, juris Rn. 49).

cc) Der Anspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Herausgabe des Erlangten im Sinne des § 852 BGB ist der Höhe nach auf den fortbestehenden Schaden des Klägers in Höhe von 8.533,99 € beschränkt, da andernfalls unberücksichtigt bliebe, dass der Kläger im Wege der Vorteilsausgleichung auszugleichende Vermögensvorteile durch die Fahrzeugnutzung und die Weiterveräußerung des Fahrzeugs erlangt hat.

dd) Hinsichtlich der Höhe des erlangten Etwas im Sinne des § 852 BGB ist auf den durch den Kläger aufgewendeten Kaufpreis abzüglich einer Händlermarge abzustellen, da der Kläger unbestritten vorgetragen hat, dass die Beklagte einen Vermögenszufluss in Höhe des Kaufpreises abzüglich einer Händlermarge erlangt hat (GA I 144).

Dem ist die Beklagte in der ersten Instanz überhaupt nicht und in der zweiten Instanz nicht in tatsächlicher Hinsicht, sondern lediglich in rechtlicher Hinsicht entgegengetreten, soweit sie die Auffassung vertritt, dass das erlangte Etwas nach ihrem Nettogewinn zu bemessen wäre (GA II 24). Die Beklagte meint unter Bezugnahme auf einen im Juni 2018 verhängten Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Braunschweig, dass sie pro Fahrzeug Aufwendungen in Höhe der Kosten für das jeweilige Software-Update (93,00 €) erspart hätte und dass diese Ersparnis den Gewinnanteil widerspiegele (GA II 26).

Der Rechtsauffassung der Beklagten ist nicht zuzustimmen. Wie bereits unter Ziffer II. 1. lit. d) aa) ausgeführt, ist bei der Frage des erlangten Etwas eine wirtschaftliche Betrachtung geboten. Mit der Regelung des § 852 BGB verfolgt der Gesetzgeber nicht Zwecke der Gewinnabschöpfung oder der Sanktionierung des Schädigers. Vielmehr soll derjenige, der durch eine unerlaubte Handlung einen anderen geschädigt und dadurch sein eigenes Vermögen vermehrt hat, nicht im Genuss dieses unrechtmäßig erlangten Vorteils verbleiben (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 1978, aaO, Rn. 62). Insoweit steht ein Schädiger nach § 852 BGB nicht besser als der bösgläubige Bereicherungsschuldner nach §§ 819, 818 Abs. 4 BGB. Denn § 852 Satz 1 BGB regelt die Haftung nach den Grundsätzen der Haftung eines bösgläubigen Bereicherungsschuldners (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 9. Juli 2021, aaO, juris Rn. 83). Etwaige Aufwendungen der Beklagten - die sie ohnehin nicht konkret dargelegt hat -, reduzieren den Anspruch wegen ihrer Bösgläubigkeit mithin nicht (vgl. insoweit auch: OLG Stuttgart, Urteil vom 9. März 2021, aaO, juris Rn. 63 ff.). Gegen entsprechende Abzüge spricht im Übrigen aus Sicht des Senats auch schon die hier gebotene wirtschaftliche Betrachtung. Denn wenn man zugunsten der Beklagten Herstellungskosten und sonstige Kosten abzöge (dafür zB Riehm, NJW 2021, 1625 Rn. 16 f., 24; dagegen zB Bruns, NJW 2021, 1121 Rn. 7 ff.), würde die Beklagte - im wirtschaftlichen Endergebnis - unbillig entlastet. Da der Kläger, wie bereits ausgeführt, so gestellt werden muss, wie er stehen würde, wenn er das Fahrzeug nicht gekauft hätte, muss er das Fahrzeug herausgeben und der Beklagten übereignen sowie sich für die gefahrenen Kilometer Nutzungsvorteile anrechnen lassen. Die von der Beklagten für die Herstellung des Fahrzeugs aufgewendeten Kosten finden ihren Gegenwert in der Verpflichtung des Geschädigten, das Fahrzeug herauszugeben und zu übereignen sowie sich die Nutzungsvorteile anrechnen zu lassen. Zöge man auch noch die Herstellungskosten ab, würde dieser Aufwand bei wirtschaftlicher Betrachtung zugunsten der Beklagten doppelt berücksichtigt und damit die Beklagte unbillig entlastet.

Daher hat die Beklagte auf Kosten des Klägers jedenfalls den Betrag erlangt, der ihr unter Abzug einer etwaigen Händlermarge zugeflossen ist. Dabei kann die konkrete Höhe der Händlermarge dahinstehen, da auszuschließen ist, dass sie sich im Streitfall auf die Höhe des gemäß § 852 BGB herauszugebenden Erlangten auswirken würde. Da der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten - wie bereits dargelegt - durch die Höhe des fortbestehenden Schadens begrenzt, hätte die konkrete Höhe der Händlermarge nur dann Einfluss auf die Höhe der zuzuerkennenden Forderung, wenn sie den Nutzungsvorteil übersteigen würde. Denn nur in diesem Fall wäre das erlangte Etwas im Sinne des § 852 BGB geringer als der fortbestehende Schaden des Klägers. Dies haben aber weder die Beklagte noch der Kläger behauptet, zumal es zur Überzeugung des Senats mit Blick auf die Höhe des (bereinigten) Kaufpreises (25.343,21 €) auch ausgeschlossen ist, dass die Händlermarge höher ist als die im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnenden Nutzungsvorteile (16.809,22 €).

2. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 291 BGB. Der Verzinsung der Schadensersatzforderung steht nicht entgegen, dass diese lediglich Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu erfüllen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2004 - III ZR 323/03, zitiert nach juris, Rn. 7).

Bei der Berechnung der zu verzinsenden Forderung war zu berücksichtigen, dass der Kläger die auf den Kaufpreiserstattungsanspruch anzurechnenden Nutzungsvorteile zum Teil erst zwischen dem Eintritt der Rechtshängigkeit und dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erlangt hat. Der zu verzinsende Betrag lag deshalb bei Eintritt der Rechtshängigkeit höher als der schließlich zuzusprechende Betrag und hat sich dann sukzessive auf diesen Betrag ermäßigt. Dem und der Regelung des § 528 Satz 2 ZPO hat der Senat durch einen gestaffelten Zinsanspruch für die Zeiträume ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit bis zu der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung, ab der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung bis zur zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung und ab der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung Rechnung getragen.

Hinsichtlich des Zinsanspruchs für den Zeitraum ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit bis zur erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung hat der Senat in Anwendung der Regelung des § 287 ZPO zunächst die Annahme zugrunde gelegt, dass der Kläger seine Fahrleistung mit dem erworbenen Fahrzeug im maßgeblichen Zeitraum bis zur erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung gleichmäßig erbracht hat (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 397/19, Rn. 38). Soweit der Senat in vergleichbaren Fällen auf dieser Grundlage die Höhe der Schadensersatzforderung bei Eintritt der Rechtshängigkeit schätzt und sodann dem Zinsanspruch den Mittelwert (9.888,41 €) aus der Schadensersatzforderung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (9.745,31 €) und deren geschätzter Höhe bei Eintritt der Rechtshängigkeit (10.031,51 €) zugrunde legt (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 12. März 2020 - 14 U 302/19, BeckRS 2020, 3450 Rn. 59-61), hätte diese Berechnung zur Folge, dass dem Kläger - entgegen § 528 Satz 2 ZPO - ein höherer Zinsanspruch für den Zeitraum bis zur erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung zuzusprechen wäre. Der Senat hat den Zinsanspruch vor diesem Hintergrund auf den erstinstanzlich zuerkannten Zinsanspruch (Zinsen auf einen Betrag in Höhe von 9.757,53 €) begrenzt.

Hinsichtlich des Zinsanspruchs für den Zeitraum vom 30. März 2021 bis zum 4. November 2021 hat der Senat in der Annahme einer gleichmäßigen Fahrzeugnutzung den Mittelwert (9.139,65 €) aus der Schadensersatzforderung im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz (9.745,31 €) und im Zeitpunkt der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung (8.533,99 €) zu Grunde gelegt.

3. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten auf § 92 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Trotz des Teilerfolgs der Berufung der Beklagten war die erstinstanzliche Kostenentscheidung von Amts wegen zu ihren Lasten abzuändern, da die erstinstanzliche Kostenentscheidung das wechselseitige Obsiegen und Unterliegen nicht zutreffend abgebildet hat. Setzt man den von dem Kläger in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung beanspruchten Betrag in Höhe von 16.825,54 € (= 25.735 € - (75 % von 25.735 € x 184.640 km / 400.000 km)) ins Verhältnis zu der nunmehr zugesprochenen Gesamtforderung in Höhe von 8.533,99 € ergibt sich ein Verlustanteil der Beklagten von 50,7 %, was die Aufhebung der erstinstanzlichen Kosten rechtfertigt.

4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711, § 713, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

5. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Soweit der Senat die Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs hilfsweise mit der Anwendung der Regelung des § 852 BGB begründet hat, während andere Oberlandesgerichte die Anwendung der Regelung auf Fälle der vorliegenden Art ablehnen oder den Wert des Erlangten auf andere Weise bestimmen, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision. Denn die Zulassung der Revision wäre nur geboten, wenn auch hinsichtlich der Hauptbegründung ein Zulassungsgrund im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO gegeben wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2009 - II ZR 133/08, juris; BGH, Beschluss vom 30. März 2006 - VII ZR 179/05, juris; BeckOK ZPO/Kessal-Wulf, 42. Ed. 1.9.2021, § 543 Rn. 17 mwN; MüKoZPO/Krüger, 6. Aufl., § 543 Rn. 16). Hieran fehlt es. Durch die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2020 (VI ZR 739/20) und vom 29. Juli 2021 (VI ZR 1118/20) ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen von einer Kenntnis oder einer grob fahrlässigen Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Satz 2 BGB auszugehen ist, zumal die hier entscheidungserhebliche Frage der Obliegenheit zu aktiven Ermittlungen - wie bereits dargelegt - von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Durch die letztgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind zudem die Reichweite der Verjährungshemmung im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB und die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Kläger sich gemäß § 242 BGB nicht auf die Hemmungswirkung berufen kann, geklärt.