Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 12.11.2009, Az.: 1 B 353/09

Anspruch auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen einen Planfeststellungsbeschluss zur Verbesserung des Hochwasserschutzes mit einer Hochwasserentlastungsanlage; Treffen einer Gesamtentscheidung über die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen als Zweck eines Planfeststellungsverfahrens; Zulässigkeit der Schaffung von vollendeten Tatsachen bei Nichterfüllung der nach dem Gesetz vorgesehenen rechtlichen Voraussetzungen für eine Umsetzung des Vorhabens

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
12.11.2009
Aktenzeichen
1 B 353/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 25689
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2009:1112.1B353.09.0A

Redaktioneller Leitsatz

Ein Planfeststellungsbeschluss verstößt gegen das Abwägungsgebot, wenn er als nur ein Teil eines sachlich einheitlichen Gesamtkonzepts in einem weiteren Planfeststellungsverfahren zu bewältigende Probleme gänzlich unbehandelt lässt.

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer -
am 12. November 2009
beschlossen:

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 7. Januar 2009 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Antragsteller begehren die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Verbesserung des Hochwasserschutzes in der Ortschaft Horneburg mit einer Hochwasserentlastungsanlage zum Bullenbruch vom 7. Januar 2009. Sie sind Grundeigentümer im Bereich der von dem Planfeststellungsbeschluss betroffenen Flächen. Der Planfeststellungsbeschluss ist kraft Gesetzes (§ 127 Abs. 3 NWG) sofort vollziehbar. Folgender Sachverhalt liegt zugrunde:

2

Der Antragsgegner hat unter dem 7. Januar 2009 den Planfeststellungsbeschluss zur Verbesserung des Hochwasserschutzes in der Ortschaft Horneburg mit einer Hochwasserentlastungsanlage zum Bullenbruch erlassen. Antragsteller des Verfahrens sind die Beigeladenen, die den Antrag auf Planfeststellung am 24. Oktober 2005 gestellt haben. Anlass für diesen Antrag war ein gravierendes Hochwasserereignis im August 2002 im Flecken Horneburg. Nach außerordentlich starken Niederschlägen war die Aue/Lühe über die Ufer getreten und hatte mehrere Siedlungsgebiete in Horneburg überflutet. Auch der Bullenbruch wurde dabei überflutet. Im Anschluss an dieses Hochwasserereignis sind Notmaßnahmen zur Erhöhung der Deiche bis Ende 2003 im Wesentlichen abgeschlossen worden. Durch die nunmehr planfestgestellte Maßnahme soll das Hochwasserrisiko im gesamten Verlauf der Aue/Lühe von der B 73 bis zum Lühesperrwerk vermindert werden. Folgende Maßnahmen sind zu diesem Zweck planfestgestellt:

3

Verlegung der Aue/Lühe, um Platz für den neuen linksseitigen Deich vor den wasserseitigen Häusern des Marschdammes zu schaffen. Aus hydraulischen Gründen beginnt die Verlegung der Aue/Lühe bereits oberhalb des Mühlenteiches an der scharfen Linkskurve des Gewässers. Gemäß den hydraulischen Berechnungen erhält das Gewässer eine Sohle von 8 m Breite und eine Böschungsneigung von 1:3. Aufgrund der schlechten Bodenverhältnisse geht die Planung davon aus, dass die Gewässerböschung mit Steinschüttungen befestigt werden muss.

4

Vor den wasserseitigen Häusern am Marschdamm wird ein neuer ca. 370 m langer Deich gebaut. Die Deichkrone wird 4 m breit, da der Deichverteidigungsweg mit einer Breite von 3 m auf der Deichkrone angeordnet werden soll. Die Böschungen werden mit einer Neigung von 1:3 ausgebildet. Die Sicherung der Außenbermenböschung erfolgt durch Wasserbauschuttsteine.

5

Unmittelbar vor der Marschdammbrücke ist aus Platzmangel für einen Deich eine ca. 40 m lange Spundwand mit U-Holm vorgesehen. Sie verbindet die Marschdammbrücke mit dem Deichkörper.

6

Im Bereich des neuen Deiches muss der Mühlenteich und der alte Verlauf der Aue/Lühe aus Gründen der Standsicherheit mit einbaufähigem Material verfüllt werden.

7

Auf der rechten Seite der Aue/Lühe im Verbandsgebiet des Deichverbandes II. Meile Alten Landes soll der vorhandene Deich von der scharfen Linkskurve bis zum Mittelkanal an die K 36 n zurückverlegt werden. Zu diesem Zweck wird ein neuer rund 500 m langer Deich gebaut. Der Deich erhält eine Deichkrone von 3 m und Böschungsneigungen von 1:3. Der 3 m breite Deichverteidigungsweg wird auf einer Binnenberme angelegt, die 0,50 m über MThw liegt. Die Sicherung der Außenbermenböschung erfolgt durch Wasserbauschuttsteine.

8

Parallel zur K 36 n wird auf der neuen Deichtrasse ein Entlastungsbauwerk von 150 m Länge geplant. Anhand des "Hydrodynamisch-numerischen Modells der Lühe zur Berechnung von Hochwasserereignissen" wird die Überfallhöhe auf NN + 2,30 m und die Überfallbreite auf 150 m Länge festgelegt. Die Höhe derÜberfallkrone wird mittels einer Spundwand mit Betonholmen fixiert. Die Außenböschung wird in einer Neigung von 1:3 profiliert. Die Binnenneigung wird dagegen mit ca. 1:16 gewählt, so dass auf ein Tosbecken verzichtet werden kann. Der Überfall samt Böschungen wird durch Schüttsteine befestigt. Nur im Kronenbereich werden die Sohle und die Böschungen gepflastert.

9

Aufgrund der geplanten Baumaßnahmen müssen die Entwässerungsverhältnisse rechts und links der Aue/Lühe neu gestaltet werden.

10

Im Vorfeld des Erlasses des Planfeststellungsbeschluss ist den Trägern öffentlicher Belange und den anerkannten Verbänden Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Vorhaben gegeben worden. In der Zeit vom 9. Januar 2006 bis 10. Februar 2006 hat der Antrag bei der Samtgemeinde Horneburg nach vorheriger ortsüblicher Bekanntmachung ausgelegen. Bis zum 24. Februar 2006 konnten Einwendungen gegen die geplanten Deichbaumaßnahmen erhoben werden. Die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange und der anerkannten Verbände sowie die rechtzeitig erhobenen Einwendungen wurden am 10. Dezember 2007 in Horneburg nach öffentlicher und ortsüblicher Bekanntmachung des Termins erörtert.

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Die Antragsteller haben im Verfahren im Wesentlichen folgende Einwendungen vorgebracht:

Der Antragsteller zu 1. sei Eigentümer der Befestigungsanlage innerhalb des Horneburger Burggrabens sowie weiterer Flurstücke rund um den Burggraben. Ein ständiger Wasseraustausch zwischen dem jetzigen Auearm und dem Burggraben sei derzeit gegeben. Die von der Planfeststellungsbehörde favorisierte Variante 1 zeige nicht auf, wie ein gesicherter Wasseraustausch und damit die Frischwasserzufuhr zum Burggraben gewährleistet bleiben solle. Ein unzureichender Wasseraustausch zöge die Verschlickung des Burggrabens nach sich. Im Übrigen entspreche der favorisierte Entwurf nicht den Zielsetzungen der Bundesregierung zur nachhaltigen, zukunftsfähigen Verbesserung des Hochwasserschutzes nach der Prämisse, Wasserrückhaltung dort zu betreiben, wo das Wasser anfalle und erst danach technische Hochwasserschutzmaßnahmen zu treffen. Es sei deshalb zu fordern, Rückhaltemöglichkeiten im Oberlauf der Aue und der Nebenzuflüsse zu sichern und umzusetzen. Ein weiteres Problem sei der untere Abfluss der Lühe in die Elbe. Deshalb müsse die Lühe dringend ausgebaggert und das alte Stauvolumen wieder hergestellt werden. Die Funktion des Bullenbruchs als Überschwemmungsgebiet sei sicherzustellen, nicht zu verhindern oder zu erschweren. Die Notwendigkeit einer Rückhaltung vor der K 36 n und der Errichtung einer neuen Überlaufspundwand würden stark bezweifelt, ebenso die ermittelte Höhe der Schutzmaßnahmen. Vor diesem Hintergrund könne man mit der Variante "Sanierte Mauer, mobiler Hochwasserschutz, Beibehaltung des alten Überlaufdeiches" eine vernünftige und kostengünstige Lösung erhalten, ohne tidenabhängige Schlickfläche mit Geruchsbelästigung und Insektenplage. Auch die zweite und dritte vorgeschlagene Variante seien nicht ausreichend untersucht. Die Notwendigkeit einer neuen Überlaufschwelle in den Bullenbruch sei nicht nachzuvollziehen, da mit dem vorhandenen Sommerdeich bereits eine entsprechende Schwelle existiere. Das Ortsbild sei bereits durch die Zuschüttung des alten Auelaufes sowie die Zuschüttung der Doven Lühe am Marschdamm und des Burggrabens um den Burgmannshof herum nachhaltig verändert worden. Die geplante Zuschüttung des jetzigen Auearmes und die damit einhergehende Zuschüttung und Vernichtung des Horneburger Hafens wären eine inakzeptable Missachtung der Horneburger Geschichte. Deshalb seien sämtliche Varianten zu überarbeiten. Die Ziele müssten sein:

Beibehaltung des jetzigen Auelaufes Sicherung des Marschdammes durch eine Spundwand mit mobilen Elementen Verlängerung des alten Auearmes entlang des neu gebauten Deiches mit Anschluss an den Flusslauf, so dass hier ein zusätzlicher ständiger Durchfluss entsteht und eine Verschlickung verhindert wird und eine annähernd gute Be- und Entwässerung des Burggrabens gewährleistet bleibt.

12

Diese Einwendungen haben die Antragsteller durch ihren Prozessbevollmächtigten ergänzt und vertieft. Durch die Maßnahme werde in geschützte Landschaftsbestandteile eingegriffen. Es werde zudem ein historisch bedeutsamer Ort mit seiner Einbindung in die Landschaft, der unter Denkmalschutz stehe oder denkmalschutzwürdig sei, zerstört und nicht zuletzt auch die Wasserwirtschaft erheblich beeinträchtigt. Der Planungsraum gehöre zu einem Kulturdenkmal, dessen Umgebung neben dem Denkmal selbst Schutz genieße. Nachteilige Veränderungen oder Beseitigungen von Anlagen auch nur in der Umgebung von Kulturdenkmälern seien grundsätzlich unzulässig. Die besondere Bedeutung der Kulturlandschaft des Alten Landes als potentielles Weltkulturerbe sei zu berücksichtigen. Dies gelte umso mehr, wenn schonende Varianten zur Verfügung stünden, selbst wenn diese deutlich teurer würden. Gemäß § 120 NWG seien Gewässer in ihrem natürlichen oder naturnahen Zustand zu erhalten. Die Voraussetzungen an einen Gewässerausbau seien zudem durch die Wasserrahmenrichtlinie (Richtlinie 2000/60/EG vom 23. Oktober 2000) noch weiter verschärft. Dadurch gelte ein uneingeschränktes Verbot der Verschlechterung der Oberflächengewässer. Auch die Grundsätze der Raumordnung erforderten, dass Gewässer in ihrer natürlichen Struktur und Funktion erhalten blieben. Grundsätzlich sei nicht ersichtlich, dass die beantragten Maßnahmen erforderlich seien. Die Instandsetzung und Verbesserung vorhandener Anlagen habe stets Vorrang vor dem Neubau oder der Verlegung.

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Die Planfeststellungsbehörde hat diese Einwendungen mit dem Planfeststellungsbeschluss vom 7. Januar 2009 zurückgewiesen.

14

Um den Wasseraustausch des Burggrabens sicherzustellen, müsse das bisherige Gewässerbett der Aue/Lühe bis zum neu zu schaffenden Verbindungsgraben mit einer ausreichenden Wassertiefe unterhalten werde. Dies werde durch die Nebenbestimmung II.1.29 gewährleistet. Ein Anhaltspunkt dafür, dass der gesamte Planungsraum ein Kulturdenkmal im Sinne des § 3 des Nieders. Denkmalschutzgesetzes sein könne, dessen Bestand durch die Planung gefährdet sei, sei nicht ersichtlich. Die Auffassung der Antragsteller, eine Verlegung des Deiches sei nur dann zulässig, wenn eine Instandsetzung nicht mehr vertretbar sei, werde von der Planfeststellungsbehörde nicht geteilt. Sie ergebe sich auch nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes. § 13 Abs. 1 NDG gebe lediglich vor, unter welchen Voraussetzungen eine Deichbehörde die Verlegung der Deichlinie von Amts wegen anordnen könne. Ein an den Träger der Deicherhaltung gerichtetes Verbot der freiwilligen Verlegung der Deichlinie ergebe sich hieraus nicht. Wegen der von den Einwendern geforderten Einhaltung der Wasserrahmenrichtlinie werde auf Punkt IV.1 Ziffer 9 verwiesen. Wegen der Kritik an einer fehlenden Wasserrückhaltung, dort wo das Wasser anfalle, werde auf Punkt IV.1.Ziffer 5 hingewiesen. Die Forderung der Einwender zur Sanierung der alten Flutschutzmauer in Kombination mit mobilem Hochwasserschutz sei gemäß Punkt IV.1 Ziffer 12 und 13 zurückzuweisen. Dies gelte auch für die Einwendung, die Aue/Lühe auszubaggern und das alte Stauvolumen wiederherzustellen. Wegen der Forderung, das Bullenbruchgebiet als Überschwemmungsgebiet sicher zu stellen, sei auf Punkt IV.1. Ziffer 6 zu verweisen. Wie die Einwender selbst ausführten, unterliege das historische Ortsbild von Horneburg fortwährender Veränderung. Insbesondere der Gewässerverlauf der Lühe sei in der Historie mehrfach verändert worden. Diese Vorgänge hätten offenbar ihre Ursache in der besonderen wasserwirtschaftlichen Situation der Aue/Lühe bei Horneburg. Daher könne in einer weiteren Veränderung des Gewässerverlaufs keine Missachtung der Geschichte Horneburgs gesehen werden. Ergänzend werde hierzu auf Punkt III.6.2.2.8 verwiesen.

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Die Antragsteller haben gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 7. Januar 2009 am 2. März 2009 Klage erhoben (1 A 352/09) und zugleich um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie machen geltend:

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Sie seien Eigentümer von durch die Maßnahme betroffenen Flächen. So sei der Antragsteller zu 1. Eigentümer der Garteninsel, allerdings nicht des Herrenhauses. Alles zusammen sei als Kulturdenkmal geschützt. Dazu gehöre auch der jetzige Verlauf der Lühe. Durch die Verfüllung des Mühlenteiches und den neuen Deich sei die Be- und Entwässerung des Gutsparks über die Aue/Lühe nicht mehr möglich. Zwar solle eine Verbindung zwischen dem Schlossgraben und dem neuen Altarm hergestellt werden. Diese sei aber noch nicht planfestgestellt. Die tidebeeinflusste Bewässerung des Schlossgrabens funktioniere damit nicht mehr. Auch sei die Unterhaltung des Stichkanals und des neuen Altarmes nicht geregelt. Eine schnellere Verlandung des Altarmes sei durch die Maßnahme zu erwarten. Zudem werde hierdurch ein wesentlicher Teil der Geschichte Horneburgs vernichtet. Die Planfeststellungsbehörde habe Alternativen nur unzureichend geprüft. Hierzu sei auf das Gutachten von D. zu verweisen, das Schwächen der Alternativenprüfung bemängele. Im Übrigen führe die Umsetzung des Planes zu einer Beeinträchtigung des Wohles der Allgemeinheit und zur Umwandlung eines naturnahen Gewässers. Zu beanstanden sei weiter, dass die Eignung des Bullenbruchs als Hochwasserpolder bisher nicht förmlich festgestellt sei. Ein Planfeststellungsverfahren hierfür sei noch gar nicht eingeleitet. Damit sei die Kernkonzeption des Vorhabens nicht förmlich festgestellt. Nur eine gemeinsame Abwägung könne eine umfassende Konfliktbewältigung bewirken. Dies gelte umso mehr, als zwischen beiden Maßnahmen ein extrem enger Sachzusammenhang bestehe, zumal das gesamte Hochwasserkonzept wesentlich auf Abführung des Hochwassers in den Bullenbruch beruhe. Zu beanstanden sei weiter, dass die Anlage einer neuen Wasserfläche anstelle des Mühlenteiches zur Größe von 1.200 m³ nicht planfestgestellt sei. Die Planfeststellungsbehörde habe die Ertüchtigung der vorhandenen Flutschutzmauer am Marschdamm sowie den Bau einer Spundwand in diesem Bereich mit dem Einsatz mobilen Hochwasserschutzes nicht hinreichend geprüft. Abwägungsdefizite gebe es auch beim Denkmalschutz. Der Schlossgraben sei Teil eines geschützten Baudenkmals. Dieser werde bei der Zuschüttung des Mühlenteiches von seinen historischen Wasserquellen abgeschnitten und aus dem gesamten Kontext herausgenommen. Entgegen stehe der Maßnahme zudem die Wasserrahmenrichtlinie der EU. Das darin enthaltene Verschlechterungsgebot werde nicht eingehalten. Es fehle zudem an einem Hochwasserschutzplan, der gemäß § 94 Abs. 3 NWG von der Wasserbehörde aufzustellen sei. Dies alles sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass tatsächlich keine Gefahr im Verzug vorhanden sei. Die Maßnahme sei damit nicht eilbedürftig. Das Wasser könne auchüber den jetzt vorhandenen Deich in den Bullenbruch laufen, bevor es den Marschdamm überfluten könne. Vor diesem Hintergrund sei die gewählte Deichhöhe von NN + 3,50 m als überzogen anzusehen. Dies gelte umso mehr, als Retentionsräume im Oberlauf des Flusses hätten genutzt werden können. Eine flusslaufbezogene Gesamtperspektive sei von der Planfeststellungsbehörde aber nicht angestellt worden. Verstoßen werde auch gegen das Naturschutzrecht, weil eine Kompensation des geplanten Eingriffes nicht sichergestellt sei. Ebenso wie der Naturschutz habe auch der Denkmalschutz nicht prinzipiell gegenüber dem Hochwasserschutz zurückzutreten. Im Übrigen sei in formeller Hinsicht zu beanstanden, dass der Antrag nicht vollständig sei. Denn der Beigeladene zu 2. habe eine Überlaufschwelle von NN + 2,30 m nicht gewollt, sondern eine höhere Schwelle für angebracht gehalten. Offenbar habe der Antragsgegner die Unterlagen für die Beigeladenen zu 2. erstellt. Ein beachtlicher Verfahrensfehler ergebe sich auch daraus, dass die Unterlagen nur in Horneburg und nicht auch in der Samtgemeinde Lühe ausgelegt worden seien.

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Die Antragsteller beantragen,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (1 A 352/09) gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 7. Januar 2009 anzuordnen.

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Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

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Er tritt dem Vorbringen der Antragsteller entgegen und führt dazu aus:

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Das geplante Überlaufbauwerk sei erforderlich. Zurzeitüberströme das Hochwasser den rechten Lühedeich nicht einheitlich bereits ab einer Höhe von NN + 2,15 m. Wegen der uneinheitlich ausgebildeten Deichkrone beginne an verschiedenen Stellen ein langsames Überfließen des Deiches. Dieses könne zu einer Durchweichung des sanierungsbedürftigen Deiches führen. Das künftige Überlaufbauwerk bewirke, dass es ab NN + 2,30 m zu einem zügigen Überströmen des Deiches an einer dafür hergerichteten Stelle komme. Dieselbe Wassermenge wie bisher gelange so in den Bullenbruch, so dass es keine höheren Wasserstände im Bereich der Aue/Lühe geben werde. Der Bullenbruch sei ca. 800 ha groß und biete damit eine ausreichend große Retentionsfläche. Die Flutschutzmauer am Marschdamm sei nicht ausreichend hoch und würde wegen ihres baulichen Zustandes einem größeren Wasserdruck auch nicht standhalten können. Eine Sanierung wäre mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Die mögliche Verstärkung mit Spundwänden sei untersucht und verworfen worden. Durch die Veränderung des Flusslaufes werde sich ein tideabhängiges Süßwasserwatt bilden, die dadurch bedingte Gewässerausweitung sei nicht als planfestzustellender See anzusehen. Verständlich sei, dass sich die Antragsteller mit der Schlossanlage identifizierten. Das Herrenhaus sei jedoch das einzige noch stehende Gebäude. Dieses befinde sich nicht im Eigentum der Antragsteller. Denkmalpflegerische Belange würden durch die Maßnahme nicht beeinträchtigt. Insbesondere bleibe das Ensemble Schlosspark/Schlossgraben erhalten. Der jetzt vorhandene Altarm verlande zusehends, so das die Anbindung des Schlossgrabens an ein Gewässer nicht mehr erkennbar sei. Durch den geplanten Verbindungsgraben werde die Anbindung des Schlossgrabens an die Aue sichergestellt. Selbst wenn der Umgebungsbezug des Schlossensembles durch den Deichbau beeinträchtigt wäre, wäre dieser Eingriff wegen desüberwiegenden öffentlichen Interesses am Hochwasserschutz zulässig. Eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit sei nicht gegeben. Vielmehr sei die Wahrung des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten. Eine Umgestaltung eines naturnahen Gewässers finde nicht statt. Denn gemäß den dem Planfeststellungsbeschluss beigefügten Nebenbestimmungen seien die Ufer des neuen Gewässers naturnah zu gestalten. Für die Fischfauna werde sich eine Verbesserung ergeben und imÜbrigen sei die Maßnahme auch eilbedürftig. Im Jahre 2002 sowie in den Jahren 2007 und 2008 sei die Hochwassersituation nur durch Notmaßnahmen und intensiven Einsatz von Rettungskräften abgewendet worden. Es sei nicht zu verantworten, bis zur Entscheidungsreife des Planfeststellungsverfahrens für den Hochwasserpolder Bullenbruch zu warten. Dieses Verfahren könne im Übrigen nur durch den Beigeladenen zu 2. betrieben werden, weil es sich auf sein Verbandsgebiet beziehe. Der Hinweis auf § 78 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - gehe fehl, weil es ein zwingendes Erfordernis zu einer einheitlichen und zeitgleichen Entscheidung beider Vorhaben nicht gebe. Der Gesamtplanung liege ein Rahmenplan zugrunde. Dieser werde in zwei logisch trennbaren Abschnitten umgesetzt. Für die Planfeststellung des Hochwasserpolders Bullenbruch bestehe ein dringender Handlungsbedarf nicht, weil die gelegentliche Überflutung zur gebietstypischen Situation gehöre, die lediglich der Optimierung bedürfe. Aus der Umweltverträglichkeitsstudie ergebe sich, dass von der Maßnahme keine negativen Auswirkungen auf den Bullenbruch ausgingen. Alternativkonzepte habe die Planfeststellungsbehörde untersucht und im Planfeststellungsbeschluss abgehandelt. Die Prüfung habe sich auf aufdrängende bzw. naheliegende Varianten zu beschränken. Alternativen, die nach einer Grobanalyse ausschieden, müssten nicht vertiefend untersucht werden. Die Beigeladenen hätten in ihrem Antrag neben der beantragten Vorzugsvariante zwei weitere Möglichkeiten aufgeführt. § 28a NNatG sei nicht verletzt, weil ein Biotop nicht zerstört, sondern nur im Randbereich tangiert werde. Die nach§ 28a Abs. 5 NNatG erforderliche Ausnahme sei in den Planfeststellungsbeschluss eingearbeitet. Die Umweltverträglichkeitsprüfung basiere auf einer gutachterlichen Einschätzung. Denn Grundlage sei die Umweltsverträglichkeitsstudie, also ein Gutachten, das sich mit den Auswirkungen der Maßnahme auf das Landschaftsbild auseinandersetze.

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Der Beigeladene zu 1. hat sich zum Verfahren nicht geäußert und insbesondere keinen eigenen Antrag gestellt.

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Der Beigeladene zu 2. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

23

Er schließt sich den Ausführungen des Antragsgegners an und versichert, dass mit einer Umsetzung der Maßnahmen bis zur Entscheidung des Gerichts über den Eilantrag gewartet werde.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag hat Erfolg.

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Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 7. Januar 2009 war anzuordnen. Denn die im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzustellende Interessenabwägung ergibt ein Überwiegen des privaten Interesses der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Dies ergibt sich aus Folgendem:

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Der Antrag ist statthaft. Gemäß § 127 Abs. 3 NWG hat die Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss für Maßnahmen, die dem Hochwasserschutz dienen, keine aufschiebende Wirkung. Die Absätze 2 und 3 des § 127 NWG sind mit Gesetz vom 26. April 2007 in die Vorschrift eingefügt worden.

28

Die Antragsteller sind entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Denn sie werden als Grundeigentümer durch die planfestgestellte Maßnahme mit enteignender Vorwirkung betroffen.

29

Der Antrag ist in der Sache begründet. Denn die im Hauptsacheverfahren erhobene Anfechtungsklage der Antragsteller (1 A 352/09) wird nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand voraussichtlich Erfolg haben. Dazu im Einzelnen:

30

Die Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss hat Erfolg, wenn der angefochtene Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist, der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist und wenn ein eventueller Mangel des Anfechtungsbeschlusses nicht durch eine Planergänzung behoben werden kann. Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage geht die Kammer davon aus, dass diese Voraussetzungen vorliegen.

31

Der Zweck eines Planfeststellungsverfahrens liegt darin, eine Gesamtentscheidung über die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen zu treffen. Dabei hat eine umfassende Problembewältigung zu erfolgen, da die Planfeststellungsbehörde abschließend über die Zulassung des Vorhabens zu entscheiden hat. Aus dem planungsrechtlichen Abwägungsgebot folgt, das der Planungsträger grundsätzlich die durch die Planungsentscheidungen geschaffenen oder ihr sonst zurechenbaren Konflikte zu bewältigen hat und einer Lösung zuführen muss. Dabei kann die Problembewältigung allerdings auch darin bestehen, dass die Planfeststellungsbehörde die endgültige Problemlösung einem nachfolgenden Verwaltungsverfahren überlässt, wenn dort die Durchführung der erforderlichen Problemlösungsmaßnahmen sichergestellt ist. Insgesamt gilt, dass Sachfragen, die sachgerecht nur einheitlich gelöst werden können, auch verfahrensrechtlich nur einheitlich geplant und entschieden werden dürfen (BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1992, DBVl. 1992, 1435 f.).

32

Im vorliegenden Fall soll das planfestgestellte Vorhaben der Verbesserung des Hochwasserschutzes in der Ortschaft Horneburg mit einer Hochwasserentlastungsanlage zum Bullenbruch dienen. Dieses Ziel soll dadurch erreicht werden, dass die Aue/Lühe in einem Teilbereich verlegt wird, dass neue Deiche gebaut werden und dass der Mühlenteich und der alte Verlauf der Aue/Lühe verfüllt werden. Darüber hinaus soll auf der neuen rechtsseitigen Deichtrasse ein Entlastungsbauwerk von 150 m Länge errichtet werden, dass dazu dienen soll, in diesem Bereich auflaufendes Hochwasser gezielt in den Bullenbruch abzuführen. Dabei sind sich sowohl die Vorhabenträger als auch die Planfeststellungsbehörde darüber im Klaren, dass die Einbeziehung des Bullenbruchs als Überschwemmungsgebiet der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens bedarf. Dieses ist jedoch bisher nicht erfolgt und die in diesem Verfahren zu bewältigenden Probleme sind in dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss nicht behandelt.

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Noch im Erörterungstermin am 10. Dezember 2007 hat der Verhandlungsleiter Folgendes erklärt:

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"Ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass es noch ein weiteres Genehmigungsverfahren zur Feststellung des Polders "Bullenbruch" geben wird. Beide Maßnahmen hängen voneinander ab und können nicht unabhängig voneinander verwirklicht werden. Erst wenn beide Verfahren rechtskräftig abgeschlossen sind, kann gebaut werden." Damit hat die Planfeststellungsbehörde deutlich zu erkennen gegeben, dass es sich bei der Neutrassierung der Aue/Lühe und der dazu gehörigen Deiche sowie bei der Schaffung des Entlastungsbauwerkes und der Abführung des Hochwassers in den Bullenbruch um eine einheitliche Maßnahmen handelt, die im Regelfall die Durchführung eines einheitlichen Planfeststellungsverfahrens erforderlich macht. Zwar kann ein Gesamtvorhaben grundsätzlich auch abschnittsweise abschließend planfestgestellt werden. Dabei ist jeder Abschnitt zwar rechtlich selbstständig, aber zugleich darauf angelegt, mit weiteren Abschnitten ein übergreifendes Plankonzept zu vervollständigen. Bei einer solchen abschnittweisen Planfeststellung eines Vorhabens muss aber eine gesicherte Prognose vorliegen, dass der Verwirklichung des Gesamtvorhabens in den nachfolgenden Abschnitten keine von vornherein unüberwindbaren Hindernisse entgegenstehen (Stellkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 73 Anm. 23). Denn Sachfragen, die sachgerecht nur einheitlich gelöst werden können, dürfen auch verfahrensrechtlich nur einheitlich geplant und entschieden werden. Dem gemäß kommt es auf die Lage des Bullenbruchs außerhalb des Verbandsgebietes des Beigeladenen zu 1. nicht entscheidend an.

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Im vorliegenden Fall vermag die Kammer jedenfalls im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nicht festzustellen, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss diesen Erfordernissen gerecht wird. Das planfestgestellte Vorhaben setzt sich aus verschiedenen Einzelmaßnahmen zusammen, die insgesamt zu einer Verbesserung des Hochwasserschutzes der Lühe/Aue führen sollen. Dabei ist die Verlegung des Laufes in einem Teilbereich ebenso wie die Schaffung neuer Deiche, die rechtsseitig weiter entfernt vom Uferbereich verlaufen, nur ein Teil der Problemlösung. Maßgeblich soll die Hochwasserentlastung dadurch erreicht werden, dass im Bereich des rechtsseitig neu geschaffenen Deiches auf einer Länge von 150 m ein gezieltes Überströmen des Deichkörpers herbeigeführt werden soll, wenn eine entsprechende Hochwasserlage gegeben ist. Hierdurch soll erreicht werden, dass die vorhandenen bzw. neu geschaffenen Deiche mit den vorgesehenen Dimensionierungen ausreichen, um bei einer Hochwasserlage den Anwohnern Schutz zu bieten. Wenn das planfestgestellte Entlastungsbauwerk nicht vorhanden wäre, hätte es anderer Maßnahmen bedurft, etwa einer Erhöhung der vorhandenen bzw. neu zu schaffenden Deichkörper. Dabei gehen die Beigeladenen in ihrem Antrag auf Planfeststellung davon aus, dass der Hochwasserentlastungspolder im Bullenbruch ein Gesamtvolumen von über 4,06 Mill. Kubikmeter bereit stellt. Daraus wird deutlich, dass die beabsichtigte Einbindung des Bullenbruchs als Hochwasserpolder in die planfestgestellte Maßnahme einen erheblichen Faktor für die Gesamtbewertung des Vorhabens darstellt. Daraus folgt, dass auch diese Maßnahme planfestgestellt sein muss, bevor eine Umsetzung des Gesamtvorhabens erfolgen kann, weil vorher nicht feststehen kann, ob das beantragte Konzept in dieser Form umsetzbar ist.

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Diese Einschätzung wird im Übrigen nach den vorgelegten Verwaltungsakten auch von der Unteren Wasserbehörde geteilt. Denn diese hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Bullenbruch rechtlich gesehen nicht als Überschwemmungsgebiet anzusehen sei, da es hierfür bisher keine rechtliche Grundlage gebe. Ohne eine rechtliche Grundlage dürfe das Wasser aber nicht über den 2,30 m hohen Überflutungsdeich in den Bullenbruch laufen. Dazu müsse erst ein Verfahren ordnungsgemäß abgewickelt werden, das gegenwärtig aber nicht einmal eingeleitet ist.

37

Daraus folgt im Übrigen, dass unabhängig von der verfahrensrechtlichen Frage, ob die gezielte Ableitung von Wasser aus der Aue/Lühe bei Hochwasserlagen die Planfeststellung dieser Maßnahme erfordert, auch die förmliche Festsetzung einesÜberschwemmungsgebietes für den Bullenbruch geboten ist. Hierzu schreibt § 92a NWG vor, dass zunächst das Fachministerium durch Verordnung die Gewässer oder Gewässerabschnitte bestimmt, bei denen durch Hochwasser nicht nur geringfügige Schäden entstanden oder zu erwarten sind, § 92a Abs. 2 Satz 1 NWG. Für die insoweit bestimmten Gewässer setzen die Wasserbehörden auf der Grundlage der vom gewässerkundlichen Landesdienst erstellten Arbeitskarten durch Verordnung als Überschwemmungsgebiete die Gebiete fest, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100 Jahren (Bemessungshochwasser) zu erwarten ist. Die Festsetzung hat bis zum 10. Mai 2012 zu erfolgen. Für die Überschwemmungsgebiete, in denen ein hohes Schadenspotential bei Überschwemmungen besteht, insbesondere wenn Siedlungsgebiete betroffen sind, endet die Frist am 10. Mai 2010.

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Die Aue/Lühe ist in der Verordnung des Nds. Umweltministeriums vom 26. November 2007 (GVBl. 2007, 669 ff) als Gewässer, bei dem durch Hochwasser nicht nur geringe Schäden entstanden oder zu erwarten sind, aufgeführt. Dem gemäß ist nach Maßgabe von § 92a Abs. 3 NWG durch Verordnung für den Bullenbruch oder Teile desselben ein Überschwemmungsgebiet festzusetzen. Dies gilt umso mehr, als die Vertreter des Antragsgegners im Termin zur mündlichen Verhandlung am 4. August 2009 ausdrücklich darauf hingewiesen haben, für die an den Bullenbruch angrenzenden Wohngebiete - etwa die Ortschaft Dammhausen - seien im Zuge der Durchführung der Gesamtmaßnahme Sicherungsvorkehrungen zu treffen. Tatsächlich ist bisher aber keine Festsetzung einesÜberschwemmungsgebietes für diesen Bereich erfolgt und ein solches Verfahren ist nach einer Stellungnahme der Unteren Wasserbehörde vom 12. August 2009 bisher auch nicht eingeleitet. Allein der Umstand, dass es auch bisher schon Überflutungen im Bereich des Bullenbruches gegeben hat, kann dieses Vorgehen nicht rechtfertigen. Denn diese Überflutungen durchÜberströmen der vorhandenen Deiche sind zwar faktisch vorgekommen, nunmehr sollen diese Ereignisse aber gezielt und auf der Grundlage eines Verwaltungsakts erfolgen. Zumindest die Einleitung eines entsprechenden wasserbehördlichen Verfahrens - parallel zu dem durchgeführten Planfeststellungsbeschlussverfahren - hätte damit insbesondere im Hinblick auf die in § 92a Abs. 3 NWG bestimmten Fristen nahegelegen.

39

Die Kammer verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass das planfestgesetzte Vorhaben die Schwelle für ein Überströmen der Deiche heraufsetzt und damit - wahrscheinlich - derartige Ereignisse weniger häufig zulassen wird. Gleichwohl sind vor einer derartigen Veränderung der gegebenen Verhältnisse die Auswirkungen auf die Umgebung in dem hierfür vorgesehenen Verfahren abzuklären. Dieses ist bislang nicht geschehen. Damit steht der Vollziehung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses gegenwärtig ein rechtliches Hindernis entgegen, weil die Antragsteller bei dieser Sachlage als von den Vorhaben mit enteignender Vorwirkung Betroffene nicht hinzunehmen haben, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor die nach dem Gesetz vorgesehenen rechtlichen Voraussetzungen für eine Umsetzung des Vorhabens im erforderlichen Umfang erfüllt sind.

40

Zusammenfassend bleibt damit festzuhalten, dass Überwiegendes dafür spricht, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss unter Verletzung des Abwägungsgebotes zustande gekommen ist. Die Planfeststellungsbehörde hat wesentliche Bestandteile des festzustellenden Gesamtplanes in ihrer Entscheidung nicht einbezogen. Für die Kammer ist nicht absehbar, dass dieser Mangel durch eine nachträgliche ergänzende Planfeststellung ohne Weiteres zu beheben wäre. Insbesondere ist damit nicht hinreichend geklärt, dass die bisher verfolgte Konzeption des Hochwasserschutzes sich in der festgestellten Form verwirklichen lässt. Dazu bedarf es weiterer Ermittlungen, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens durchzuführen sind. Erst dann wird sich abschließend beurteilen lassen, ob die Planung, den Bullenbruch als Hochwasserstauraum und damit als Teil der geplanten Verbesserung des Hochwasserschutzes in der Ortschaft Horneburg einzubinden, durchführbar ist und ob insbesondere die bereits planfestgestellten Maßnahmen mit dem Gesamtkonzept zu vereinbaren sind.

41

Bei dieser Sach- und Rechtslage war dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu entsprechen.

42

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 52, 53 GKG.

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Rechtsmittelbelehrung

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Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft.

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Lang
Steffen
Fahs