Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 28.10.2009, Az.: 2 A 361/09
Nutzung eines Verkehrsraums als Entsorgungsort bzw. Abstellort eines Fahrzeugs für eine unbestimmte Zeit und der daraus resultierenden Frage der Kostentragungspflicht einer Ersatzvornahme; Vereinbarkeit eines im Verkehrsraum abgestellten Fahrzeugs mit der öffentlichen Sicherheit; Unterschiede in der Bedeutung des Begriffs des sog. Abfallbesitzers im BGB und im Abfallgesetz
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 28.10.2009
- Aktenzeichen
- 2 A 361/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 36663
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2009:1028.2A361.09.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 44 Abs. 1 VwVfG
- § 854 ff. BGB
- § 35 InsO
- § 51 InsO
- § 80 InsO
- § 11 Abs. 1 Krw-AbfG
- § 70 Abs. 1 S. 3 NSOG
Verfahrensgegenstand
Abfallbeseitigungsrecht
- Kosten der Ersatzvornahme -
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 2. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Klinge,
den Richter am Verwaltungsgericht Lassalle,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Luth sowie
die ehrenamtliche Richterin Brandt und
den ehrenamtlichen Richter Brühl
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit eines Heranziehungsbescheides des Beklagten über die Kosten einer Ersatzvornahme.
Der Pkw Typ BMW 318i mit dem amtlichen Kennzeichen C. wurde am 16. November 2005 durch die Stadt D. stillgelegt. Die TÜV-Plakette war seit dem Monat Juli 2005 abgelaufen. Das Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt auf den Kläger zugelassen. Aufgrund einer Meldung eines Anwohners wurde die Polizeistation Langen darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Fahrzeug seit dem März 2004 vor dem Haus E. in D. im öffentlichen Verkehrsraum abgestellt war.
Am 27. Februar 2006 ist über das Vermögen des Klägers mit Beschluss des Amtsgerichts Bremen - Insolvenzgericht - vom gleichen Tage (F.) das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet worden und ein Insolvenzverwalter bestellt worden.
Am 28. März 2006 suchte ein Mitarbeiter der Unteren Abfallbehörde des Beklagten den Standort des Pkw auf und stellte fest, dass dieser noch vorhanden war. Er befestigte an der Windschutzscheibe des Pkw eine rote Plakette mit der Aufforderung, den Pkw bis zum 27. April 2006 zu entfernen (§ 15 Abs. 4 KrW-/AbfG). Mit Schreiben vom 29. März 2006 wandte sich der Beklagte auch schriftlich an den Kläger und räumte ihm eine Frist zur Stellungnahme bis zum 13. April 2006 ein. Eine Stellungnahme des Klägers erfolgte nicht.
Eine weitere Ortsbesichtigung am 4. Mai 2006 ergab, dass der Pkw noch immer an derselben Stelle abgestellt war. Der Beklagte beauftragte daraufhin eine Drittfirma mit der Beseitigung des Fahrzeugs.
Mit dem hier streitigen Bescheid vom 29. Juni 2006 setzte der Beklagte gegen den Kläger die Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 151,- EUR fest und forderte ihn zur Zahlung bis zum 14. Juli 2006 auf. Rechtsbehelfe wurden nicht eingelegt.
Parallel zu diesem Verfahren lief gegen den Kläger ein Bußgeldverfahren wegen Verstoßes gegen das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Dieses wurde schließlich gemäß § 170 StPO eingestellt.
Erst nachdem der Kläger unter dem 25. April 2007 wegen der ausstehenden Geldforderung vorgeladen und die Zwangsvollstreckung angedroht worden war, meldete sich sein Prozessbevollmächtigter bei dem Beklagten und legte gegen den Bescheid des Beklagten vom 29. Juni 2006 Widerspruch ein. Er machte geltend, daraus könne nicht vollstreckt werden, weil dieser Bescheid gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nichtig sei. Über das Vermögen des Klägers sei bereits am 27. Februar 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Im Zuge dessen habe die G. -Bank als Eigentümerin des Pkw "Aussonderungsrechte" (richtig: Absonderungsrechte) geltend gemacht. Diesem Begehren habe der Insolvenzverwalter entsprochen. Der Kläger sei daher im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides rechtlich nicht befugt gewesen, über den Wagen zu verfügen. Dessen Beseitigung hätte für den Kläger strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Auch der Kostenbescheid vom 29. Juni 2006 sei nichtig.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2007 teilte der Beklagte dem Kläger mit, über den Widerspruch werde nicht entschieden. Der Kläger sei mit Schreiben vom 29. März 2006 als letzter eingetragener Halter des Pkw zu dem Problem angehört worden. Da eine Rückäußerung nicht erfolgt sei und der Eindruck bestanden habe, der Kläger lebe nicht mehr unter der bekannten Adresse, sei dem Beklagten auch kein neuer Eigentümer bekannt geworden. Von einer Nichtigkeit des Bescheides könne daher keine Rede sein.
Der Kläger hat am 27. August 2007 einen selbständigen Prozesskostenhilfeantrag - unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. - für eine zu erhebende Klage, mit der die Feststellung der Nichtigkeit des Heranziehungsbescheides von 29. Juni 2006 begehrt wird, gestellt.
Die Kammer hat den selbständigen Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 11. Dezember 2008 - 2 A 1137/07 - abgelehnt. Auf die Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen.
Das Nds. Oberverwaltungsgericht hat den Beschluss der Kammer auf die Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 26. Februar 2009 - 7 PA 16/09 - geändert und dem Kläger antragsgemäß unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt. Zur Begründung hat das Nds. Oberverwaltungsgericht u.a. ausgeführt:
"Abgesehen von den Voraussetzungen einer unmittelbaren Ausführung ist weiter fraglich, ob der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entsorgung noch Abfallbesitzer war. Er gibt hierzu an, die G. -Bank habe insoweit ein Aussonderungsrecht geltend gemacht, allenfalls sei der Insolvenzverwalter verfügungsbefugt gewesen. Das ist zumindest schlüssig und hätte das Nichtbestehen einer ihn als Verpflichteten voraussetzenden Beseitigungspflicht einschließlich daraus erwachsender Kosten zur Folge gehabt. Nicht zweifelsfrei ist, ob es auch zu einer Nichtigkeit der Heranziehung nach § 44 VwVfG führen würde, weil, da Widerspruch fristgerecht nicht erhoben worden ist, nur die Nichtigkeit der Klage zum Erfolg verhelfen könnte. Hier wird das Verwaltungsgericht deshalb die Argumentation des Klägers vertieft würdigen müssen, ob eine Beseitigung des Fahrzeugs durch ihn tatsächlich einen gesetzwidrigen Verstoß gegen die Konkursbeschränkungen zur Folge gehabt hätte und dies, wofür vieles spricht, dann auch auf den Kostenbescheid durchschlüge."
Der Kläger hat am 4. März 2009 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus, dass die Nichtigkeit sich aus § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG ergebe, wonach ein Verwaltungsakt nicht die Ausführung einer rechtswidrigen Tat verlangen könne. Da über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren durch Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Bremen vom 27. Februar 2006 eröffnet worden sei, sei die Verfügungsbefugnis bezüglich des Pkw auf den vom Gericht bestellten Insolvenzverwalter gemäß §§ 80, 81 InsO übergegangen. In dem Insolvenzverfahren habe die alleinige Eigentümerin, die G. -Bank, die "Aussonderung" des Pkw begehrt. Dieser Aufforderung habe der Verwalter auch entsprochen. Der Kläger sei daher zum Zeitpunkt, als der angegriffene Bescheid erlassen wurde, weder Besitzer noch Eigentümer des Pkw gewesen. Wäre der Kläger der Aufforderung der Beklagten zur Entfernung und Beseitigung des Pkw gefolgt, hätte er sich zwangsläufig einer Sachbeschädigung und ggf. eines Diebstahls strafbar gemacht. Deshalb sei der Bescheid nach § 44 Abs. Nr. 5 VwVfG ohne Weiteres nichtig. Zum Nachweis seines Vorbringens legte der Kläger ein Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei I. u.a. vom 4. Mai 2006 vor. Danach wurde hinsichtlich eines Fahrzeugs des Klägers ein Absonderungsrecht wegen einer Sicherheitsübereignung des Fahrzeugs geltend gemacht. Zudem reichte er ein weiteres Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei I. u.a. vom 24. Juni 2008 ein, wonach das Fahrzeug C. zur Masse freigegeben, Absonderungsrechte daran nicht weiter geltend gemacht werden.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass der von dem Beklagten erlassene Heranziehungsbescheid des vom 29. Juni 2006 nichtig ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte tritt dem entgegen. Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Heranziehungsbescheides sei unbegründet. Nichtigkeitsgründe lägen nicht vor, weil dieser nicht an einem offenkundigen schwerwiegenden Fehler leide. Mit der Forderung, die Kosten der Ersatzvornahme dem Beklagten zu erstatten, werde von dem Kläger keinesfalls ein rechtswidriges Tun verlangt. Der Kläger wende sich gegen einen bestandskräftigen Verwaltungsakt. Dieser sei auch rechtmäßig, denn der Kläger sei zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides Halter des Fahrzeugs gewesen, und dieses habe sich auch in seinem Herrschaftsbereich befunden. Es habe sich um Abfall gehandelt. Der Kläger sei als Abfallbesitzer zur Beseitigung verpflichtet gewesen (§ 5 Abs. 2 KrW-/AbfG).
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie im selbstständigen Prozesskostenhilfeverfahren - 2 A 1137/07 - sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten (Beiakte A) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 29. Juni 2006, mit dem der Kläger zu den Kosten der Ersatzvornahme für die Entsorgung des Pkw mit dem amtlichen Kennezeichen J. herangezogen wird, ist weder nach § 44 Abs. 1 (dazu unter 1.) noch nach Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (im Folgenden: VwVfG) nichtig (dazu unter 2.).
1.
Nach § 1 des Nds. Verwaltungsverfahrensgesetzes (im Folgenden. NVwVfG) i.V.m. § 44 Abs.1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Für die Kammer ist es nicht ersichtlich, dass der Bescheid vom 29. Juni 2006 an einem derartigen besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Fehler leidet.
Der die Entsorgungskosten in Höhe von 151,00 Euro in Rechnung stellende Bescheid des Beklagten vom 29. Juni 2006 ist rechtmäßig, weil die im Mai/Juni 2006 durchgeführte Ersatzvornahme vom Beklagten ebenfalls zu Recht vorgenommen worden ist.
Rechtsgrundlage für die erfolgte Ersatzvornahme sind die §§ 70 Abs. 1 des Nds. Verwaltungsvollstreckungsgesetzes i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 65 S. 1 Nr. 1, Abs. 2, 66 und § 70 S. 1 S. 3 des Nds. Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (im Folgenden: NSOG) in der Fassung vom 19. Januar 2005 (Nds. GVBl. S. 9).
Die formellen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Gemäß § 64 Abs. 1 Nds. SOG kann ein Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Ersteres ist hier der Fall. Der Beklagte forderte den Kläger am 28. März 2006 durch Befestigung einer roten Plakette an der Windschutzscheibe des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen C. auf, das Fahrzeug bis zum 25. April 2006 zu entfernen. Diese Verfügung des Beklagten ist bestandskräftig, wirksam und damit vollziehbar.
Auch bedurfte es keiner vorherigen Androhung der Ersatzvornahme i.S.d. §§ 65 S. 1 Nr. 1 und 70 Abs. 1 S. 1 Nds. SOG. Eine danach grundsätzlich erforderliche Androhung der Ersatzvornahme nach Ablauf einer Frist zur Befolgung der Anordnung war im vorliegenden Fall ausnahmsweise nach § 70 Abs. 1 S. 3 Nds. SOG entbehrlich. Nach dieser Vorschrift kann von der Androhung eines Zwangsmittels abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist. Im Sinne dieses Gesetzes ist gemäß § 2 Nr. 1 a) Nds. SOG eine Gefahr, eine konkrete Gefahr, das heißt eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Eine gegenwärtige Gefahr ist nach § 2 Nr. 1 b) Nds. SOG eine Gefahr, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht.
Im vorliegenden Fall ist ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit, zu der die gesamte Rechtsordnung gehört, bereits eingetreten, weil das Abstellen des seit dem 16. November 2005 stillgelegten Pkw im (ruhenden) Straßenverkehrsraum nicht mehr vom Gemeingebrauch im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Nds. Straßengesetzes gedeckt ist. Denn der Kläger als Halter des Fahrzeugs durfte den Verkehrsraum mit dem Pkw zumindest seit der Stilllegung des Pkw nicht zu Zwecken des Verkehrs nutzen. Vielmehr nutzte er den Verkehrsraum zu anderen Zwecken im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 NStrG, nämlich vorwiegend als Entsorgungs- bzw. Abstellort des Pkw für eine unbestimmte Zeit.
Ungeachtet dessen wäre eine vorherige Androhung der Ersatzvornahme unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger sich zumindest seit dem Juli 2005 nicht mehr um den Pkw gekümmert und auf Schreiben und Aufforderungen des Beklagten nicht reagiert hat, untunlich gewesen, weil sie keinen Erfolg versprochen hätte.
Selbst für den Fall, dass die unterbliebene Androhung der Ersatzvornahme rechtswidrig gewesen sein sollte, führt dies nicht zur Nichtigkeit des Heranziehungsbescheides vom 29. Juni 2006. Ein besonders schwerwiegender Fehler, der in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft steht (Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 10. Auflage, § 44 Rn. 8 ff.), kann die Kammer hier nicht erblicken.
Auch die materiellen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, weil die Frist bis zum 27. April 2006 das Fahrzeug zu entfernen, abgelaufen war, ohne dass der Kläger der (Beseitigungs-)Anordnung nachgekommen wäre. Insbesondere kann der Kläger seiner Kostenpflichtigkeit nicht entgegenhalten, dass er aufgrund des im Februar 2006 über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahrens unter Bestellung eines Insolvenzverwalters nicht (mehr) Abfallbesitzer des Pkw gewesen sei und eine Beseitigungspflicht in seiner eigenen Person nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz nicht mehr bestanden habe.
Der Kläger war im Zeitpunkt der Ersatzvornahme im Mai/Juni 2006 als Abfallbesitzer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen C. gemäß § 11 Abs. 1 des Kreislaufwirtschaftabfallgesetzes (im Folgenden: KrW-ABfG) zur Beseitigung des Pkw's mit dem amtlichen Kennzeichen C., welcher nach §§ 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und § 15 Abs. 4 KrW-ABfG Abfall darstellt, verpflichtet.
Abfälle sind gemäß § 3 Abs. 1 im Sinne des KrW-ABfG alle beweglichen Sachen, die unter die im Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Nach § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-ABfG ist die Wille zur Entledigung i.S.d. Absatzes 1 hinsichtlich solcher beweglicher Sachen anzunehmen, deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist für die Beurteilung der Zweckbestimmung die Auffassung des Erzeugers oder Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu Grunde zulegen (objektive Kriterien). Nach der Klarstellung des § 15 Abs. 4 KrW-ABfG gehören zum Abfallbegriff i.S.v. § 3 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KrW-ABfG auch Autowracks. Nach § 15 Abs. 4 KrW-ABfG gelten die Pflichten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nämlich auch für Kraftfahrzeuge oder Anhänger ohne gültige amtliche Kennzeichen, wenn diese auf öffentlichen Flächen oder außerhalb der in Zusammenhang bebauter Ortsteile abgestellt sind, keine Anhaltspunkte für deren Entwendung oder bestimmungsgemäße Nutzung bestehen und sie nicht innerhalb eines Monats nach einer am Fahrzeug angebrachten, deutlich sichtbaren Aufforderung entfernt worden sind. Diese Voraussetzungen sind hier unstreitig erfüllt.
Der Kläger war auch Abfallbesitzer. Gemäß § 3 Abs. 6 KrW-ABfG ist Besitzer von Abfällen im Sinne dieses Gesetzes jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Herrschaft über Abfälle hat. Dabei ist nicht entscheidend, ob der Wille zum Besitz vorhanden ist oder nicht. Unstreitig übte der Kläger vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 26. Februar 2006 die tatsächliche Sachherrschaft bzw. tatsächliche Gewalt - im Sinne des KrW-ABfG - über den Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen C. aus.
Der Kläger hat seine Eigenschaft als Abfallbesitzer auch nicht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingebüßt. Der Einwand des Klägers, dass der Pkw in die Insolvenzmasse gefallen sei und der Kläger seine Verwaltungs- und Verfügungsgewalt über den Wagen gemäß § 80 Abs. 1 InSO verloren habe, trifft aus mehreren - selbst tragenden - Gründen nicht zu.
Der Pkw ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 26. Februar 2006 nicht in die Insolvenzmasse im Sinne von § 35 der Insolvenzordnung (im Folgenden: InSO) gefallen. Aus diesem Grund vermochte auch der Insolvenzverwalter an dem Pkw durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Sachherrschaft erlangen. Denn zur Insolvenzmasse gehört nach § 35 InsO das gesamte Vermögen das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Als Vermögenswert kommt ausschließlich der Besitz am Pkw in Betracht. Dieser ist indes als Abfall zu qualifizieren und stellt keinen Vermögensgegenstand im Sinne des § 35 InSO dar. Der öffentlich-rechtliche (Abfall-)Besitz stellt nämlich keinen Vermögensgegenstand dar, der nach § 35 InsO in die Insolvenzmasse übergehen kann. Bei Vermögen i.S.v. § 35 handelt es sich grundsätzlich um Vermögen im zivilrechtlichen Sinne (VG Stuttgart, Urteil vom 14. Mai 2004 - 19 K 5404/02 -).
Ungeachtet dessen wäre Voraussetzung dafür, dass der Besitz am Pkw mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in die Insolvenzmasse fällt bzw. die Verwaltungs- und Verfügungsgewalt hätte auf den Insolvenzverwalter übergehen können, dass der Kläger im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens überhaupt selbst Besitzer des Pkw im zivilrechtlichen Sinne gewesen ist. Das ist aber gerade nicht der Fall gewesen, weil der Kläger bereits seit geraumer Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens seinen Besitz am Pkw aufgegeben hat.
Nach § 856 BGB wird der Besitz dadurch beendet, dass der Besitzer die tatsächliche Gewalt über die Sache aufgibt oder in anderer Weise verliert. Erforderlich ist dabei die nach außen erkennbare Beendigung der tatsächlichen Sachherrschaft. Der Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen J. befand sich nach Auskunft eines Anwohners bereits seit dem März 2004 vor dem Haus E. in D. im öffentlichen Verkehrsraum und wurde nicht bewegt. Jedenfalls seit dem Juli 2005 ist bei diesem Fahrzeug die TÜV-Plakette abgelaufen. Am 16. November 2005 ist das Fahrzeug schließlich stillgelegt worden. Trotz dieser Maßnahmen hat der Kläger über einen nicht unerheblichen Zeitraum von mindestens etwa einem halben Jahr bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 27. Februar 2006 ersichtlich weder Interesse gezeigt noch Bemühungen angestrengt, das Fahrzeug zu nutzen bzw. die Hauptuntersuchung durchzuführen/nachzuholen bzw. die Stilllegung abzuwenden bzw. zumindest das Fahrzeug aus dem öffentlichen Verkehrsraum zu entfernen. Aufgrund dieser Umstände liegt es auf der Hand, dass der Kläger seinen Willen zum Besitz der Sache bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben hatte.
In diesem Zusammenhang erlaubt sich Kammer zur Klarstellung darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kein Besitzer im zivilrechtlichen Sinne war, keinen Widerspruch zu der Feststellung des Gerichts darstellt, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt die Eigenschaft des Abfallbesitzers i.S.d. Gesetzes inne hatte. Der Begriff des Abfallbesitzers i. S. von § 3 Abs. 6 KrW-AbfG ist nicht völlig deckungsgleich mit dem des zivilrechtlichen Besitzes nach § 854 ff. BGB. Beide Begriffe setzen zwar übereinstimmend die tatsächliche Sachherschaft (bzw. tatsächliche Gewalt laut 854 BGB) über eine Sache voraus. In Literatur und Rechtsprechung besteht jedoch weitgehende Übereinstimmung darüber, dass im Gegensatz zum Besitz i.S.d. BGB für den Abfallbesitz i.S.v. § 3 Abs. 6 KrW-AbfG kein nach außen erkennbarer "Besitzgründungswille" hinzutreten muss (Kunik/Paetow/Versteyl, Kommentar zum KrW-AbfG, 2. Aufl., § 3 Rdnr. 57 m.w.Nachw.; VG Stuttgart, Urt. v. 14. Mai 2004 - 19 K 5404/02 -). Deshalb war der Kläger zum Zeitpunkt der Ersatzmaßnahme im Mai/Juni 2006 auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch Abfallbesitzer hinsichtlich des Pkw.
2.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Bescheid des Beklagten vom 29. Juni 2006 insbesondere auch nicht gemäß § 1 NVwVfG i.V.m. § 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nichtig. Danach ist ein Verwaltungsakt ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 nichtig, der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht. Durch die Fassung der Vorschrift ist klargestellt, dass es allein auf die objektive Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit der in Frage stehenden Handlung ankommt. Soweit im Einzelfall Rechtfertigungsgründe gegeben sind, ist auch der Verwaltungsakt wirksam. Keine Nichtigkeit ist gegeben, wenn das verlangte Verhalten durch den Verwaltungsakt selbst gerechtfertigt wird, so genannte Legalisierungswirkung (Kopp, Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 10. Auflage, § 44 Rn. 43).
Der Beklagte hat mit Erlass des Bescheides vom 29. Juni 2006 keine Kosten für eine im Wege der Ersatzvornahme durchgeführte Maßnahme erhoben, wegen dessen (Selbst- ) Vornahme der Kläger sich strafrechtlich schuldig gemacht hätte bzw. dessen (Selbst- ) Vornahme bußgeldbewährt gewesen wäre.
Aus den unter 1. angeführten Gründen ist die in der Person des Klägers bestehende Eigenschaft des Abfallbesitzers und die daraus folgende Beseitigungspflicht im vorliegenden Fall mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Bestellung des Insolvenzverwalters nicht auf diesen übergegangen. Daher kann der Kläger gegen die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme bzw. Kostenpflichtigkeit nicht mit Erfolg geltend machen, dass er bei eigenhändiger Beseitigung des Pkw aufgrund des eröffneten Insolvenzverfahrens einen Bußgeld- bzw. Straftatbestand erfüllt hätte.
Darüber hinaus hätte sich der Kläger bei Befolgung der Beseitigungsanordnung nicht gegenüber der G. -Bank, der aufgrund einer Sicherheitsübereignung gemäß §§ 929, 930 BGB ein Recht am Pkw zustand, wegen §§ 242 Abs. 1, 303 StGB strafbar gemacht. Denn Voraussetzung für die Nichtigkeit ist in jedem Fall, dass die von dem Beklagten verlangte Tat rechtswidrig gewesen wäre. Eine Rechtswidrigkeit der Tat hätte indes nicht vorgelegen, weil der Kläger - wie oben dargelegt - gemäߧ 11 KrW-AbfG zur Beseitigung des Pkw öffentlich-rechtlich verpflichtet war. Damit war er zugleich öffentlich-rechtlich zur Beseitung/Entfernung des Pkw befugt gewesen. Diese Verpflichtung/Befugnis des Klägers stellt ebenso wie die öffentlich-rechtliche Pflicht der Behörde zur Abfallbeseitigung gemäß § 15 KrW-AbfG eine die Rechtswidrigkeit der Tat ausschließende öffentlich-rechtliche Befugnis dar (vgl. dazu bspw. Thomas Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch und Nebengesetz, 56. Aufl., § 303 Rdnr. 16).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
...
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 151,00 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.
...
Lassalle
Dr. Luth