Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.07.2012, Az.: 14 K 9/12
Einsatz eines selbstfahrenden Futtermischwagens auch in der gewerblichen Tierhaltung als Sonderfahrzeug für die Landwirtschaft i.S.d. § 3 Nr. 7 S. 1 Buchst. a) KraftStG
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.07.2012
- Aktenzeichen
- 14 K 9/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 39056
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2012:0719.14K9.12.0A
Rechtsgrundlage
- § 3 Nr. 7 S. 1 Buchst. a), S. 2 KraftStG
Amtlicher Leitsatz
Ein selbstfahrender Futtermischwagen, der auch in der gewerblichen Tierhaltung eingesetzt werden kann, ist kein Sonderfahrzeug für die Landwirtschaft im Sinne des § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a KraftStG (Abgrenzung zu FG München, Urteil vom 3. Mai 2006, 4 K 1153/04, EFG 2006, 1367).
Tatbestand
Die Klägerin ist eine KG, die einen landwirtschaftlichen Betrieb mit ca. 100 Milchkühen und 120 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche unterhält. Sie schaffte im Jahr 2011 einen gebrauchten Mayer Siloking Selbstfahrer SF zu einem Miteigentumsanteil von 1/2 an. Bei diesem Fahrzeug handelt es sich um einen selbstfahrenden Futtermischwagen.
Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegenüber der Klägerin als Fahrzeughalterin mit Bescheid vom 11. August 2011 für das vorgenannte Fahrzeug Kraftfahrzeugsteuer fest.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, für das Fahrzeug sei ihr die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 7 Buchst. a des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) zu gewähren. Sie nutze das Fahrzeug ebenso wie die andere Miteigentümerin ausschließlich zur Fütterung ihrer landwirtschaftlichen Tiere. Eine weitere Verwendung des Fahrzeugs außerhalb der Landwirtschaft sei nicht möglich.
Das FA vertrat demgegenüber die Auffassung, der Futtermischwagen könne nicht als Sonderfahrzeug anerkannt werden, weil er nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet und dazu bestimmt sei, auch in einem gewerblichen Viehmastbetrieb eingesetzt zu werden. Aus diesem Grunde wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2011 als unbegründet zurück.
Die Klägerin hat am 12. Januar 2012 Klage erhoben.
Sie trägt vor, weder sie selbst noch die andere Miteigentümerin des Fahrzeugs betrieben eine gewerbliche Tierhaltung. Gemäß § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG seien Sonderfahrzeuge, die in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt würden, von der Kraftfahrzeugsteuer befreit. Da in dem landwirtschaftlichen Betrieb der Klägerin ausschließlich eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung in Betracht komme, sei die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung zu gewähren. Zwar könne auch ein Rindviehhalterbetrieb, soweit die Vieheinheitengrenze nicht eingehalten werde, eine gewerbliche Tierhaltung darstellen. Eine gewerbliche Rinderhaltung sei aber im Bereich der Klägerin regional nicht vorhanden. Gewerbliche Tierhaltung sei in dieser Region nur in der Hähnchenmast und in der Schweinemast geläufig. In beiden Betriebszweigen komme ein Futtermischwagen allerdings nicht zum Einsatz. Insoweit sei der Einsatz in einem Gewerbebetrieb, welcher einer Steuerbefreiung entgegenstehe, auch theoretisch nicht denkbar. Der gleiche Sachverhalt habe in dem Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) München 4 K 1153/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 1367) zu der Entscheidung geführt, dass die Steuerbefreiung gewährt worden sei. Die Auffassung des FA, dass auch die theoretische Nutzung in einem gewerblichen Rahmen zur Versagung der Kraftfahrzeugsteuerbefreiung ausreiche, gehe fehl. Hiernach wären alle landschaftlichen Sonderfahrzeuge als gewerblich einzustufen, da eine Verwendung in Betrieben, die zwar landwirtschaftliche Flächen bewirtschafteten, einkommensteuer- und bewertungsrechtlich aber als gewerbliche Betriebe einzustufen seien, nicht nur statistisch denkbar sei, sondern auch tatsächlich vorkäme.
Die Klägerin beantragt,
den Kraftfahrzeugsteuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin abzuändern, dass das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... von der Besteuerung befreit wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es trägt vor, gemäß § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG sei das Halten von Sonderfahrzeugen nur von der Steuer befreit, solange das betreffende Fahrzeug ausschließlich in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werde. Fahrzeuge, die auch außerhalb land- und forstwirtschaftlicher Betriebe verwendet werden könnten, d.h. hierfür tauglich bzw. brauchbar seien, seien demgegenüber nicht steuerbefreit, selbst wenn sie tatsächlich nur in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet würden. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift. Danach könne der Futtermischwagen der Klägerin nicht als begünstigtes Sonderfahrzeug anerkannt werden, weil er nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet und dazu bestimmt sei, auch in einem gewerblichen Viehmastbetrieb eingesetzt zu werden.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet(§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA hat es zu Recht abgelehnt, den Futtermischwagen der Klägerin von der Kraftfahrzeugsteuer zu befreien.
1. Nach § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst a KraftStG ist das Halten von Sonderfahrzeugen von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, solange diese Fahrzeuge ausschließlich in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden. Gem. § 3 Nr. 7 Satz 2 KraftStG gelten als Sonderfahrzeuge Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit ihnen fest verbundenen Einrichtungen nur für einen der in § 3 Nr. 7 KraftStG bezeichneten Verwendungszwecke geeignet und bestimmt sind. Mit dieser gesetzlichen Voraussetzung einer ausschließlichen Verwendung der Fahrzeuge in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben und der strikten Bindung an die bezeichneten Verwendungszwecke sind dem Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift vom Gesetzgeber gewollte enge Grenzen gesetzt (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Juni 2008 II B 83/07, BFH/NV 2008, 1706, m. w. N., st. Rspr). Danach sind Fahrzeuge, die auch in Betrieben eingesetzt werden können, die keine landwirtschaftlichen Betriebe sind, wie z.B. Betriebe der gewerblichen Viehwirtschaft, keine Sonderfahrzeuge für die Landwirtschaft im Sinne des § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a KraftStG (BFH-Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 26/02, BFHE 204, 320, BStBl II 2004, 525).
Als Sonderfahrzeuge gelten hiernach solche Fahrzeuge, die sich objektiv nur für den begünstigten Zweck eignen, ohne dass bei ihnen eine anderweitige "sinnvoll-praktische" Verwendung tatsächlich in Betracht kommen müsste, es sei denn, diese erschiene angesichts der Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs entgegen seiner vorgegebenen Bestimmung und eigentlichen Eignung "völlig zweckfremd" (BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1706).
2. Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Futtermischwagen der Klägerin nicht um ein Sonderfahrzeug im Sinne des § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a KraftStG, da der Futtermischwagen nach seiner Bauart und Einrichtung auch in einem Betrieb gewerblicher Rinderhaltung verwandt werden kann. Dies stellt auch die Klägerin nicht in Abrede. Die Betriebsabläufe bei der eigentlichen Mast oder Zucht gleichen bei einer gewerblichen Rinderhaltung weitgehend denen in einem landwirtschaftlichen Betrieb, in dem das für das Vieh benötigte Futter typischerweise selbst produziert wird. Bei der Verwendungsmöglichkeit im Rahmen der gewerblichen Rinderhaltung handelt es sich auch nicht um einen nur unter rein theoretischen Gesichtspunkt denkbaren Einsatz, sondern um einen konkret sinnvollen.
Das FG München ist in dem Urteil in EFG 2006, 1367 unter Auswertung des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens zwar zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Steuerfreiheit für das dort zu beurteilende Fahrzeug gegeben sei, weil nach dem eingeholten Sachverständigengutachten ein Einsatz nur in rinderhaltenden Betrieben in Betracht komme, eine gewerbliche Rinderhaltung in der Bundesrepublik Deutschland jedoch nicht stattfinde bzw. nur in äußerst eingeschränktem Umfang in auslaufenden Betrieben und damit nicht im Rahmen eines gewöhnlichen Betriebsablaufs. Auf die Frage, ob es Betriebe mit gewerblicher Rinderhaltung tatsächlich gibt, kommt es nach Auffassung des Senats für die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung jedoch nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, ob Futtermischwagen in Betrieben mit gewerblicher Rinderhaltung sinnvoll zum Einsatz kommen können. Daran, dass eine solche Einsatzmöglichkeit gegeben ist, bestehen zur Überzeugung des Senats keine Zweifel.
Der Hinweis des BFH, dass bei der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Würdigung nicht die theoretischen, sondern nur übliche oder doch jedenfalls nicht aus der Sicht der Bestimmung und eigentlichen Eignung des Fahrzeuges völlig zweckfremde Nutzungsmöglichkeiten zu berücksichtigen seien (vgl. BFH-Urteil in BFHE 204, 320, BStBl II 2004, 525, und BFH-Beschluss vom 19. November 1998 VII B 127/98, BFH/NV 1999, 673), bezieht sich nach Auffassung des Senats nicht --wovon offenbar das FG München ausgeht-- darauf, ob es Betriebe mit gewerblicher Rinderhaltung zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Steuerfreiheit gibt, sondern darauf, ob das zu beurteilende Fahrzeug in einem gewerblichen Betrieb nur funktionsfremd theoretisch denkbar ohne praktischen-sinnvollen Nutzen einsetzbar ist oder ob es in einem solchen Betrieb zu einem seiner Zweckbestimmung sinnvollen Einsatz geeignet ist.
Im Übrigen wäre ein gleichmäßiger Gesetzesvollzug kaum zu gewährleisten, wenn die Steuerbefreiung davon abhängen würde, ob und ggf. in welchem Umfang es gewerbliche Rinderhaltung zum Zeitpunkt der (jeweiligen) Entscheidung über die Steuerbefreiung (in der Bundesrepublik Deutschland) tatsächlich gibt. Die Finanzbehörden müssten bei einer solchen Auslegung des Gesetzes die Rindviehhaltung in der Bundesrepublik Deutschland ständig beobachten, zumal bei Auftreten oder Wegfall gewerblicher Rindviehhaltung dann auch jeweils eine Änderung der Steuerfestsetzungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG erfolgen müsste.
3. Sonstige Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Kraftfahrzeugsteuerbescheids hat die Klägerin nicht erhoben; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) sind nach Auffassung des erkennenden Senats nicht gegeben; die Rechtslage ist durch die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt.