Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.11.2005, Az.: 50 StVK 735/05
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 11.11.2005
- Aktenzeichen
- 50 StVK 735/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 41964
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2005:1111.50STVK735.05.0A
In der Strafvollzugssache
g e g e n
...
w e g e n
Entscheidung nach Strafvollzugsgesetz
hat die kleine Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig am 11.11.2005 durch den unterzeichnenden Richter beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung ... wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Verurteilte zu tragen.
Der Gegenstandswert wird auf 82,50 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Verurteilte möchte verschiedene elektrische Geräte - Fernseher, Play Station, Kompaktanlage (Musik), Radio, DVD Player, Lautsprecherboxen, Bausteine, Subwoofer, Videotextsperren und Ventilator - in seinen Haftraum nehmen. Zur Zeit sind diese Geräte in der Kammer aufbewahrt.
Die Justizvollzugsanstalt macht die Herausgabe technischer Geräte an Verurteilte in den Hafträumen nach Ziffer 10 der Anstaltsverfügung 28/2005 vom 01.06.2005 - Hausordnung gemäß § 161 StVollzG - von einer Überprüfung abhängig. Die Kosten für die Überprüfung der Geräte sind vom Gefangenen zu tragen. Eine Überprüfung entfällt, wenn die Geräte auf Vermittlung der Anstalt besorgt werden. Darauf ist der Verurteilte in einem Formblatt vom 04.05.2005 hingewiesen worden, das er unterschrieben hat.
Für die Überprüfung der vom Verurteilten begehrten 10 Geräte würden insgesamt 82,50 € Überprüfungsgebühren anfallen.
Der Verurteilte hat mit Schreiben vom 09.07.2005 dargelegt, dass er Kosten einer Überprüfung nicht tragen will. Mit Bescheid vom 01.08.2005 hat die JVA ... den Verurteilten erneut auf die Hausordnung und die anfallenden Kosten hingewiesen. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Verurteilte mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 03.08.2005, der am 09.08.2005 beim Landgericht eingegangen ist.
Der Verurteilte ist der Ansicht, dass ihm als Taschengeldempfänger die Kosten für die Überprüfung nicht aufgebürdet werden dürften. Dazu beruft er sich auf einen von ihm vorgelegten Auszug aus einer Entscheidung des Landgerichts Potsdam vom 08.05.2001 - 20 Vollz 232/2000 - , in der ausgeführt sein soll, dass die Kosten für die Überprüfung von Elektrogeräten nicht von dem Verurteilten, sondern von der Anstalt zu tragen seien. Es sei im Gesetz nicht vorgesehen, dass der Verurteilte Kosten für seine Bewachung zu tragen habe.
Der Verurteilte beantragt, den Bescheid vom 01.08.2005 aufzuheben und im Sinne seines Antrages vom 09.07.2005 zu entscheiden.
Die Justizvollzugsanstalt beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.
In ihrer Stellungnahme vom 08.09.2005 weist die Justizvollzugsanstalt darauf hin, dass Elektrogeräte in der Regel baulich Versteckmöglichkeiten bieten, so dass eine Überprüfung vor Aushändigung an den Gefangenen notwendig sei, um auszuschließen, dass gefährliche und/oder verbotene Gegenstände in die Anstalt eingebracht werden.
Auf diese Regelung sei der Verurteilte auch hingewiesen worden und habe dies unterschrieben.
Eine Überprüfung sei auch nicht nötig, wenn Verurteilte Gegenstände durch Vermittlung der Anstalt beziehen würden.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, insbesondere innerhalb der 2- Wochen-Frist des § 112 Abs. 1 StVollzG gestellt worden, in der Sache aber unbegründet.
Nach § 70 Abs. 1 StVollzG haben Gefangene in angemessenem Umfang ein Recht auf den Besitz von Büchern und anderen Gegenständen zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung, während die Vorschrift des § 19 Abs. 1 StVollzG das Recht auf angemessene Ausstattung des Haftraumes regelt. Bei den vom Verurteilten beanspruchten Geräten der Unterhaltungselektronik, für die er Kosten einer Überprüfung nicht zahlen möchte, handelt es sich um Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung (s. dazu OLG Saarbrücken, Beschl. vom 06. Juli 1998, - 1 Vollz (Ws) 8/88, NStZ 1989, 143), so dass sich sein Recht auf Besitz der Geräte nach § 70 StVollzG regelt.
Der Besitz von Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung kann nach § 70 Abs. 2 StVollzG untersagt werden, wenn deren Besitz mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre oder das Ziel des Vollzuges oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde. Die Justizvollzugsanstalt hat sich für die vom Verurteilten angegriffene Regelung auf eine Gefährdung der Sicherheit der Anstalt berufen, weil elektronische Geräte generell Versteckmöglichkeiten für unerlaubte Gegenstände bieten können, soweit sie nicht zuvor kontrolliert worden sind. Die Gefährdung der Sicherheit oder Ordnung der Vollzugsanstalt als Ausschlussgrund nach § 70 Abs. 2 Ziff. 2 StVollzG stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Seine Konkretisierung durch die Vollzugsanstalt unterliegt daher im gerichtlichen Verfahren nach §109 StVollzG der uneingeschränkten Überprüfung (OLG Celle, Beschl. v. 03. März 1988 - 1 Ws 52/88 (StVollzG). Versteckmöglichkeiten in elektronischen Geräten können grundsätzlich die Sicherheit gefährden, wenn sie Versteckmöglichkeiten aufweisen. Für die Annahme eines Sicherheitsrisikos im Sinne von § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG ist aber nicht ausreichend, dass ein Gegenstand stets die Möglichkeit zur Anlage von Verstecken bietet (OLG Saarbrücken, NStZ 1989, 143), OLG Koblenz, Beschl. v. 10.02.04 - 1 Ws 681/03, ZfstrVo 2004, 311). Abzustellen ist auch auf die in der Person des Gefangenen begründete potentielle Gefährlichkeit und die Möglichkeit zur Erlangung verbotener Gegenstände, die in den Geräten versteckt werden könnten (OLG Celle, aaO).
Vorliegend wird dem Verurteilten jedoch die Überlassung der Geräte nicht grundsätzlich verweigert, sondern lediglich von der Überprüfung dieser Geräte bei eigener Kostentragung abhängig gemacht. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine generelle Versagung nicht in Betracht kommt, wenn es gegenüber der Versagung ein milderes Mittel gibt, das in ausreichender Weise geeignet ist, der Gefährdung zu begegnen (s.
dazu OLG Celle, Beschl. vom 12.01.1999, - 1 Ws 288/98 - , NStZ 2000, 466, BVG, Beschl. v. 31.03.2003 - 2 BVR 1848/02, NJW 2003, 2447). Mit der Regelung über die Überprüfung von elektronischen Geräten wendet die Justizvollzugsanstalt nach den genannten Grundsätzen ein Mittel an, das gegenüber der generellen Versagung milder ist, so dass sich daraus keine Verletzung von Rechten des Verurteilten ergibt.
Auch soweit die Justizvollzugsanstalt die technischen Geräte nicht selbst überprüft, sondern überprüfen lässt und dafür Kosten verlangt, ist dies nicht zu beanstanden. Erwartet werden kann von der Justizvollzugsanstalt nur ein zumutbarer Aufwand. Angesichts der Vielzahl von Verurteilten, die elektronische Geräte in ihrem Haftraum benut4 zen wollen, wäre eine durch Mittel der Justizvollzugsanstalt zu leistende Überprüfung der Geräte unverhältnismäßig. Dies zeigt sich schon im vorliegenden Fall, in dem der Verurteilte insgesamt 10 elektronische Geräte für seinen Haftraum beansprucht. Die Kontrolle wird i.d.R. auch voraussetzen, dass die Geräte - z.B. durch Aufschrauben - auf Versteckmöglichkeiten überprüft und ggf. im Anschluss durch Plomben versiegelt werden müssen (s. dazu z. B. OLG Saarbrücken, NStZ 1989, 143). Bei eigener Kontrolle durch Öffnen der Geräte könnte sich die Justizvollzugsanstalt bei eventuellen Beschädigungen Haftungsansprüchen des Verurteilten aussetzen.
Eine Unzulässigkeit der Verpflichtung zur Kostentragung ergibt sich - entgegen der vom Verurteilten selbst zitierten Entscheidung des LG Potsdam vom 08.05.2001 - 20 Vollz 232/00 - (der genaue Inhalt der Entscheidung konnte nicht recherchiert werden) auch nicht aus § 50 StVollzG. Die Vorschrift des § 50 Abs. 1 StVollzG bestimmt zwar, dass von Verurteilten, die nach dem StVollzG Bezüge erhalten, Haftkosten nicht erhoben werden. Nach der Grundkonzeption des StVollzG sollte der Gefangene zu den Kosten seiner Haft bis zu der Höhe beitragen, die in etwa den Aufwendungen für seinen Lebensaufwand entspricht (BT-Dr. 7/918, 70, Callies/Müller Dietz, StVollzG, 9.Auflg, § 50 Rn 1). Daraus folgt, dass Verurteilte - ursprünglich - zu den Gesamtkosten der Haft beitragen sollten. Da dies aber angesichts der Höhe der Bezüge nach dem StVollzG nicht möglich ist, wurde die Regelung des § 50 Abs. 1 StVollzG eingefügt (Callies/Müller Dietz, aaO, § 50 Rn 1, § 43 Rn 4-5). Aus diesem Regelungszusammenhang wird deutlich, dass es sich bei diesen Haftkosten um allgemeine Kosten der Haft - Unterbringung, Verpflegung, Bewachung - geht. Bei den Kosten der Überprüfung elektrischer Geräte handelt es sich aber nicht um derartige allgemeine Haftkosten.
Die Überprüfung dient vielmehr dazu, im Interesse des Verurteilten eine Versagung der Überlassung technischer Geräte zu vermeiden. Insoweit handelt es sich bei den dafür anfallenden Kosten nicht um allgemeine Bewachungskosten, sondern um Kosten, die für die Befriedigung individueller Wünsche anfallen. Die Vorschrift des § 50 Abs. 1 StVollzG findet daher auf diese Kosten keine Anwendung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 StVollzG.
Streitwertbeschluss:
Der Gegenstandswert ist nach dem Wert errechnet, den der Verurteilte für die Überprüfung der von ihm begehrten Geräte zahlen muss.