Landgericht Braunschweig
Urt. v. 26.07.2005, Az.: 8 KLs 44/04

Verurteilung wegen schweren Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei und wegen Zuhälterei

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
26.07.2005
Aktenzeichen
8 KLs 44/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 28287
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2005:0726.8KLS44.04.0A

Verfahrensgegenstand

Schwerer Menschenhandel pp.

In der Strafsache
hat die 8. große Strafkammer des Landgerichts in Braunschweig
in den Sitzungen vom 28.12.2004, 17.01., 24.01., 31.01., 07.02., 18.02., 01.03., 21.03., 04.04., 05.04., 11.04., 15.04., 22.04., 10.05., 01.06., 10.06., 30.06. und 26.07.2005,
an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Landgericht als Vorsitzender
Richterin am Landgericht als beisitzende Richterin
Staatsanwalt Oberstaatsanwalt Staatsanwalt als Beamte der Staatsanwaltschaft
Rechtsanwalt Rechtsanwalt als Verteidiger
Rechtsanwältin als Nebenklägervertreterin
Justizangestellte Justizangestellte als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle
am 26. Juli 2005
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Angeklagte wird wegen schweren Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei und wegen Zuhälterei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 9 Monaten verurteilt.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die der Nebenklägerin erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe

1

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StP0)

2

I.

Der Angeklagte wuchs bis zu seinem 16. Lebensjahr in M. auf, wo er etwa 6 Jahre lang die Hauptschule und anschließend 2 Jahre lang den naturwissenschaftlichen Zweig eines Gymnasiums besuchte.

3

Ein Bruder seines Vaters nahm ihn mit nach Deutschland, wo er die 9. Klasse der Hauptschule und anschließend Berufsgrundbildungsjahr absolvierte. 1993 begann der Angeklagte eine Ausbildung zum Karosseriebauer, die er erfolgreich abschloss.

4

Anschließend besuchte er die Fachoberschule in Braunschweig. Sein Traum, ein Studium zu beginnen, zerschlug sich. Nachdem er 1998 einige Monate bei der Firma ... gearbeitet hatte, machte er sich mit einem italienischen Partner in Braunschweig mit einem Bistro selbstständig. Daneben versah er Sicherheitsdienste in Diskotheken, u.a. in der Diskothek " ". Dadurch bekam er Kontakte zum Rotlichtmilieu. Er lernte eine Frau kennen, die in der Bruchstraße in Braunschweig als Prostituierte arbeitete. Mit ihr lebte er etwa 1 Jahr zusammen. Im Jahre 2000 pachtete er das Haus Nr. 19 in der Bruchstraße, das er in der Folgezeit "bewirtschaftete". Daneben betrieb er von Anfang 2002 bis Mitte 2003 die Diskothek " " in Braunschweig. Von September 2003 bis März 2004 arbeitete er mit einem befristeten Vertrag bei VW in Braunschweig. Am 1.6.2004 pachtete er zusätzlich zu dem Haus Nr. 19 das Haus Nr. 20 in der Bruchstraße. Zu dieser Zeit war er mit der Zeugin T., die als Prostituierte arbeitet, zusammen.

5

Der Angeklagte ist 1999 wegen Beleidigung und 2000 wegen Betruges jeweils mit Geldstrafen belegt worden; darüber hinaus weist der Bundeszentralregisterauszug keine Eintragungen auf.

6

Im vorliegenden Verfahren wurde der Angeklagte auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts Braunschweig vom 25.6.2004 am 2.7.2004 vorläufig festgenommen und hat sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft befunden.

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II.

1.)

Anfang Mai 2002 arbeitete die Geschädigte R. als Prostituierte in dem vom Angeklagten betriebenen Haus Nr. 19 in der Bruchstraße. Wie die Zeugin aus ihrem Heimatland, der Ukraine, nach Deutschland gekommen war und unter welchen Umständen sie hier die Prostitution aufgenommen hatte, konnte letztlich nicht geklärt werden. Der Angeklagte bestimmte die Arbeitszeiten der Zeugin R. und den Dirnenlohn, den sie von ihren Freiern zu verlangen hatte. Er behielt, um sich eine nicht unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen, den gesamten Dirnenlohn für sich, bis die Zeugin R. im Sommer 2002 unter nicht geklärten Umständen von der Bruchstraße in ein Bordell in G. verbracht wurde. Bis dahin überwachte er die Tätigkeit der Geschädigten regelmäßig.

8

2.)

In der Zeit vom 4. bis zum 22.6.2004 arbeitete die zwischenzeitlich verstorbene R. für den Angeklagten als Prostituierte in der Bruchstraße. Hierzu hatte der Angeklagte sie mit der Drohung, sie anderenfalls zu töten, und durch Schläge gezwungen. Er bestimmte, dass sie sich täglich mit nur kurzen Schlafunterbrechungen zu prostituieren hatte, überwachte ihre Tätigkeit und kassierte ihren gesamten Dirnenlohn, um sich eine weitere Einnahmequelle zu verschaffen.

9

III.

Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf dem glaubhaften Geständnis des An-geklagten, das durch das Ergebnis der Beweisaufnahme im Übrigen bestätigt wird.

10

Der Angeklagte ist danach der Zuhälterei gem. § 181 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB zum Nachteil der Geschädigten R. schuldig. Ihm war durch die Anklage darüber hinaus angelastet worden, durch dieselbe Handlung die Geschädigte R. durch Schläge und Todesdrohungen gezwungen zu haben, sich auf der Bruchstraße zu prostituieren und diese, um sie weiterhin gefügig zu machen, in einem Fall mit der Faust ins Gesicht geschlagen, ihr Haar fest gehalten und mit ihr gegen ihren Willen von hinten den Geschlechtsverkehr durchgeführt zu haben. Diese Vorwürfe konnten durch die Beweisaufnahme nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.

11

Im Fall II. 2.) ist der Angeklagte des schweren Menschenhandels gem. § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit Zuhälterei gem. § 181 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB schuldig.

12

IV.

Die zu verhängenden Einzelstrafen waren im Fall 1) dem Strafrahmen des § 181 a Abs. 1 StGB, im Fall 2) dem Strafrahmen des § 181 StGB zu entnehmen. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne des § 181 Abs. 2 StGB sind nicht hervorgetreten.

13

Bei der Bemessung der konkreten Strafen hat die Kammer alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände nach den Grundsätzen des § 46 StGB umfassend berücksichtigt.

14

Für den Angeklagten spricht insbesondere, dass er sich in beiden Fällen schließlich zu einem Geständnis durchgerungen hat. Insbesondere der Nebenklägerin R. sind auf diese Weise weitere quälende Vernehmungen erspart geblieben. Zu Gunsten des Angeklagten hat die Kammer ferner berücksichtigt, dass die Taten geraume Zeit zurückliegen, dass der Angeklagte bislang nur geringfügig bestraft ist, dass er sich über einen ungewöhnlich langen Zeitraum in Untersuchungshaft befunden hat und dass er erstmals Strafhaft verbüßen wird.

15

Zu seinen Lasten ist insbesondere berücksichtigt worden, dass beide Opfer sehr lange arbeiten mussten, gleichwohl überhaupt kein Geld für sich behalten durften.

16

Nach dem Vorstehenden erschien im Fall 1) eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren, im Fall 2) eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren tat- und schuldangemessen.

17

Unter nochmaliger zusammenfassender Würdigung der Taten und der Täterpersönlichkeit hat die Kammer unter Erhöhung der Einsatzstrafe von 3 Jahren hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 9 Monaten gebildet.

18

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StP0, die Auslagenentscheidung beruht auf § 472 StP0.