Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 24.03.2006, Az.: 7 Qs 76/06
7 Monate; Ausnahmefall; Bewährungsstrafe; Bewährungswiderruf; Gesamtfreiheitsstrafe; notwendige Verteidigung; Notwendigkeit; Pflichtverteidigerbeiordnung; Pflichtverteidigerbestellung; Pflichtverteidigung; schwerwiegender Nachteil; schwierige Rechtslage; schwierige Sachlage; Schwierigkeit; Strafaussetzung zur Bewährung; Strafausspruch; Strafhöhe; Strafmaß; Strafurteil; Vollstreckungsverfahren; Widerruf der Strafaussetzung; Widerrufsverfahren; zeitige Freiheitsstrafe
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 24.03.2006
- Aktenzeichen
- 7 Qs 76/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 53274
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG - 16.02.2006 - AZ: 10 BRs 65/03
Rechtsgrundlagen
- § 56f Abs 1 StGB
- § 140 Abs 2 StPO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bestellung eines Pflichtverteidigers im Widerrufsverfahren nach § 56 f Abs. 1 StGB nur im Ausnahmefall, insbesondere bei Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage, nicht jedoch allein wegen einer voraussichtlichen Verbüßung einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten
Tenor:
Der Antrag des Verurteilten auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Widerrufsverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit seiner sofortigen Beschwerde vom 8.3.2006 wendet sich der Verurteilte gegen den Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 16.2.2006 (10 BRs 65/03), mit dem die ihm im Gesamtstrafenbeschluss vom 17.10.2003 (10 Ds 206 Js 21094/03) gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen worden ist. Dazu beantragt er Beiordnung von Rechtsanwalt ... als Pflichtverteidiger für das Widerrufsverfahren. Zur Begründung verweist er darauf, dass der Bewährungswiderruf der Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten ein schwerwiegender Nachteil im Sinne von § 140 Abs. 2 StPO sei.
II.
Der Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers gem. § 140 Abs. 2 StPO analog war zurückzuweisen, da die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Widerrufsverfahren nicht vorliegen.
Es ist zwar anerkannt, dass auch im Widerrufsverfahren in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO die Beiordnung eines Pflichtverteidigers in Betracht kommt (OLG Hamm, Beschluss vom 10.5.2002, 2 Ws 99/02, ZAP EN-Nr. 497/2002 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen, siehe auch Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 140 Rand-Nr. 33). Dabei müssen die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO aber im Licht der Besonderheiten des Vollstreckungsverfahrens gesehen werden (OLG Hamm, a.a.O., Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 14.12.2004, 2 Ws 419/04, SchlHA 2005, 259). Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Vollstreckungsverfahren ist daher grundsätzlich nicht geboten, sondern kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn die Schwierigkeit der Sach - und Rechtslage das gebietet oder erkennbar ist, dass der Verurteilte sich allein nicht angemessen verteidigen kann (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, a.a.O.).
Das ist vorliegend nicht der Fall. Ausweislich der Gründe des Urteils vom 7.7.2003 (10 Ds 206 Js 21094/03) ist der Verurteilte gelernter Bürokaufmann und dürfte daher von seinem Ausbildungsstand her grundsätzlich in der Lage sein, seine persönliche Situation und evtl. gegen den Widerruf der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe sprechende Gründe auch ohne einen Verteidiger vortragen zu können. Er ist darüber hinaus auch bereits in zehn Fällen wegen verschiedener Straftaten verurteilt worden, so dass er diesbezüglich bereits über gewisse Erfahrungen im Umgang mit Gerichten verfügt (siehe zu diesem Gesichtspunkt Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, a.a.O.). Andere Gesichtspunkte, aus denen heraus die Entscheidung über den Widerruf in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht besonders schwierig ist, sind nicht ersichtlich.
Schließlich folgt auch aus der Höhe der im Widerrufsfall zu verbüßenden Freiheitsstrafe kein Erfordernis einer Beiordnung. Es ist bereits umstritten, ob im Widerrufsverfahren die Höhe der zu widerrufenden Strafe eine Beiordnung erforderlich macht (verneinend OLG Hamm, aaO, a.A. wohl Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 12.02.2001, - 1 Ws 47/01 -, SchlHA 2002, 151). Eine Entscheidung dieser Frage ist hier aber entbehrlich, da die in Betracht kommende Gesamtfreiheitsstrafe für eine Beiordnung unter dem Gesichtspunkt Schwere der Tat nicht ausreicht. Bereits Im Erkenntnisverfahren wird überwiegend davon ausgegangen, dass eine Beiordnung wegen der Schwere der Tat erst ab einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr in Betracht kommt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.5.2000, 1 Ws 279/00, VRS 99, 124, OLG Oldenburg, Beschluss vom 26.5.2005, 1 Ws 264/05, NStZ-RR 2005, 318). Dies muss angesichts der im Vollstreckungsverfahren nur analog anzuwendenden Vorschrift des § 140, Abs. 2 StPO für das Widerrufsverfahren erst recht gelten (so auch Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 12.02.2001, SchlHA 2002, 151). Eine eventuell zu verbüßende Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten kann daher nicht zu einer Beiordnung im Widerrufsverfahren führen.