Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 24.05.2012, Az.: 2 A 122/11
lückenlose Bewerbung; Bewerbung; wichtiger Grund; Parkstudium; Wunschstudium
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 24.05.2012
- Aktenzeichen
- 2 A 122/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 44440
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs 3 S 1 Nr 1 BAföG
- § 7 Abs 3 S 5 BAföG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein wichtiger Grund im Sinne von § 7 Abs. 3 BAföG setzt bei einem Wechsel von einem Park- in ein Wunschstudium nicht stets eine lückenlose Bewerbung für das Wunschstudium voraus (hier: zweimaliges Auslassen von Bewerbungsturni bei erkennbarer Aussichtslosigkeit der Bewerbung).
Tatbestand:
Der am ... geborene Kläger, der einen Abiturnotenschnitt von 2,9 hat, begann zum Wintersemester 2006/2007 an der Universität H. ein Studium der Zahnmedizin. Für dieses Studium, das er in I. fortsetze, erhielt er Ausbildungsförderungsleistungen; er studierte mit gutem Erfolg; mehrfach bewarb sich der Kläger bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) auch auf einen Studienplatz für Humanmedizin; für das Sommersemester 2007 und das Sommersemester 2008 tat er dies nicht. Zum Sommersemester 2009 erhielt er durch Beschluss der 8. Kammer des hiesigen Gerichts einen außerkapazitären Studienplatz im Studiengang Humanmedizin an der Beklagten. Mit Bescheid des Niedersächsischen Zweckverbandes zur Approbationserteilung vom 15. Dezember 2008 ihm zwei vorklinische Semester aus dem Zahnmedizinstudium auf das Studium der Humanmedizin angerechnet worden.
Am 30. September 2009 beantragte der bei dem in Ausbildungsförderungsangelegenheiten namens und im Auftrage der Beklagten handelnden Studentenwerk F. die Weiterbewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen. Gefragt nach dem Grund für seinen Studienfachwechsel gab der Kläger im Wesentlichen an, Humanmedizin sei immer sein Wunschstudium gewesen. Aufgrund seines Notenschnitts habe er jedoch auf absehbare Zeit keinen Studienplatz bekommen können; daher habe er zunächst mit dem Studium der Zahnmedizin angefangen und sich hier bemüht möglichst viele Scheine zu erlangen, die auch von Humanmedizinstudenten zu absolvieren seien. Dies sei auch der Grund für seinen Wechsel nach I. gewesen. Gleichzeitig legte er eine Bescheinigung der ZVS vom 21. Oktober 2009 vor, wonach er bei seiner Abiturnote und seiner Wartezeit im Sommersemester 2007 und im Sommersemester 2008 die Auswahlgrenzen für einen Studienplatz im Studiengang Humanmedizin nicht erreicht hätte.
Mit Bescheid vom 22. Februar 2010 versagte das Amt diese Leistungen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, ein wichtiger Grund für den Fachrichtungswechsel des Klägers könne nicht anerkannt werden. Ein solcher scheitere in Anwendung von Tz. 7.3.12 der Verwaltungsvorschriften zum Bundesausbildungsförderungsgesetz daran, dass sich der Kläger nicht lückenlos und fortwährend für einen Studienplatz im Studiengang Humanmedizin beworben habe; die Verwaltungsvorschriften, an die das Amt gebunden sei, ließen vom Grundsatz lückenloser Bewerbungen nur eine einmalige Ausnahme zu. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 10. Mai 2010 beantragte der Kläger erneut Ausbildungsförderungsleistungen für sein Studium. Das Studentenwerk F. verwies auf seinen bestandkräftigen Bescheid vom 22. Februar 2010 und lehnte es ab, Leistungen zu erbringen. Mit Schreiben vom 14. November 2010 bat der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers um Überprüfung des Bescheides vom 22. Februar 2010 und bat, ihn rechtsmittelfähig zu bescheiden. Zur Begründung für den Fachrichtungswechsel gab der Kläger einen Neigungswandel an, der sich nach Aufnahme des Humanmedizinstudiums im März 2010 bestätigt habe; er habe erkannt, dass Zahnmedizin nicht seinen Berufsvorstellungen entspreche; er wolle kein „handwerklicher Lehrer“ sein, sondern medizinischer Wissenschaftler.
Mit Bescheid vom 13. April 2011 lehnte es die Beklagte ab, ihren Bescheid vom 22. Februar 2010 zu ändern. Ein wichtiger Grund für den Fachrichtungswechsel sei nach wie vor nicht gegeben. Der nunmehr vorgetragene Neigungswandel sei nicht glaubhaft; er widerspreche dem bisherigen Vorbringen und auch dem Bewerbungsverhalten des Klägers. Zudem habe er das Humanmedizinstudium schon im Sommersemester 2009 aufgenommen, so dass es auf einen Neigungswandel im März 2010 für den Fachrichtungswechsel nicht ankommen könne.
Hiergegen hat der Kläger am 17. Mai 2011 Klage erhoben.
Zu deren Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Vewaltungsverfahren.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13. April 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger unter Abänderung ihres Bescheides vom 22. Februar 2010 für die Zeit nach Aufnahme seines Studiums in F. Ausbildungsförderungsleistungen in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Die Beklagte nimmt auf den angegriffenen Bescheid Bezug und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung informatorisch zu seinen Beweggründen für den Fachrichtungswechsel angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass die Beklagte ihren Bescheid vom 22. Februar 2010 ändert und ihm ab Beginn seines Humanmedizinstudiums in F. Ausbildungsförderungsleistungen in gesetzlicher Höhe bewilligt; der entgegenstehende Bescheid der Beklagten vom 13. April 2011 ist aufzuheben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Änderung des Bescheides vom 22. Februar 2010, mit dem dem Kläger Ausbildungsförderungsleistungen für sein Humanmedizinstudium gemäß § 7 Abs. 3 BAföG versagt werden, ist § 44 Abs. 1SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit u.a. zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden ist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor, so dass der Kläger gemäß § 44 Abs. 4 SGB X Anspruch auf Ausbildungsförderungsleistungen in gesetzlicher Höhe ab Beginn seines Studiums der Humanmedizin in F. hat.
Ausbildungsförderungsleistungen sind Sozialleistungen in diesem Sinne; die Versagung dieser Leistungen an den Kläger war rechtswidrig, denn der Kläger kann sich entgegen der Annahme der Beklagten für seinen Fachrichtungswechsel vom Zahn- zum Humanmedizinstudium auf einen wichtigen Grund im Sinne von § 7 Abs. 3 BAföG berufen.
Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz BAföG gilt die Leistungspflicht im Fall des Fachrichtungswechsels bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nur bis zum Beginn des vierten Fachsemesters. Zwar stand der Kläger im Sommersemester 2009 zu Beginn seines sechsten Fachsemesters, nachdem er zum Wintersemester 2006/2007 sein Studium der Zahnmedizin in H. aufgenommen hatte. Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 5 BAföG wird jedoch bei der Bestimmung dieses Zeitraums die Zahl der Semester abgezogen, die nach Entscheidung der Ausbildungsstätte aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung auf den neuen Studiengang angerechnet werden; das sind hier zwei Semester, so dass der Kläger zu Beginn des vierten Fachsemesters das Studienfach gewechselt hat.
Da damit die Vermutungsregel des § 7 Abs. 3 Satz 4 2. Halbsatz BAföG nicht zum Tragen kommt, wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn Tatsachen vorliegen, die den Schluss zulassen, der Kläger habe die Fachrichtung aus wichtigem Grund gewechselt.
Solche Tatsachen liegen vor. Ohne dass es auf die Frage eines Neigungswandels ankommt, liegt ein wichtiger Grund für den Fachrichtungswechsel des Klägers darin, dass er von einem Parkstudium, dem Zahnmedizinstudium, in sein Wunschstudium der Humanmedizin gewechselt ist.
Nach der von der Kammer geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein wichtiger Grund auch dann vor, wenn der Auszubildende durch hochschulrechtliche Zulassungsbeschränkungen gehindert war, seine Ausbildung von Anfang an in der Fachrichtung zu betreiben, die seiner Neigung am meisten entspricht, und der Wegfall dieses Hindernisses der Anlass für den Fachrichtungswechsel aus dem Parkstudium in das Wunschstudium ist. Voraussetzung für die Annahme eines Parkstudiums ist ferner der Wille des Auszubildenden, dieses Studium seiner zweiten Wahl berufsqualifizierend abzuschließen und nicht lediglich die Wartezeit bis zur Zulassung zum Wunschstudium zu überbrücken (BVerwG, Urteil vom 22.6.1989 -5 C 27/87-, BVerwGE 82, 156, m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger.
Er hat sein Zahnmedizinstudium, wie er in der mündlichen Verhandlung deutlich machen konnte, mit großem Enthusiasmus und Erfolg betrieben. Er hat nicht nur sämtliche Prüfungen bestanden, sondern auch erhebliches finanzielles Engagement gezeigt, um in diesem Studium zu einem Abschluss zu kommen. Dies erschien ihm in Anbetracht der eigentlich zu erwartenden Wartezeit bis zum Erhalt des stets gewünschten Studienplatzes im Studiengang Humanmedizin alternativlos, wenngleich auch sein eigentlicher Studienwunsch stets der Humanmedizin galt. Wenn der Kläger im Verwaltungs- und im Gerichtsverfahren für seinen Fachrichtungswechsel einen Neigungswandel vorgetragen hat, so widerspricht dies der obigen Feststellung nicht. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, was damit gemeint ist. Er hat lebensnah und deshalb nachvollziehbar vorgetragen, dass sein Wunsch, Humanmedizin zu studieren, lange Zeit für ihn nicht begründbar gewesen sei; obwohl sein Bruder, der selbst Mediziner ist, ihm vom Humanmedizinstudium abgeraten habe, habe er, der Kläger, doch immer in diese Richtung tendiert. Er habe die Chance, die sich ihm durch die außerkapazitäre Zulassung zum Wunschstudium, die er für einen Sechser im Lotto gehalten habe, sofort genutzt. Kurz nach Aufnahme des Studiums und der Erkenntnis, dass dieses seinen wissenschaftlichen Ansprüchen viel mehr genügte als das eher handwerklich ausgerichtete Studium der Zahnmedizin, habe er nunmehr seine Neigung zum Humanmedizinstudium begründen können; dies sei in dem Sinne ein Neigungswandel. Folglich geht es weniger um einen Neigungswandel, sondern vielmehr darum, durch Studienerfahrung eine schon immer vorhandene Neigung begründbar absichern zu können.
Der Förderanspruch des Klägers scheitert nicht daran, dass er sich in zwei Semestern, dem Sommersemester 2007 und dem Sommersemester 2008, nicht auf einen Humanmedizinstudienplatz beworben hat. Die Beklagte beruft sich für ihre Rechtsansicht auf die für sie verbindlichen Verwaltungsvorschriften zum Ausbildungsförderungsgesetz. Diese stehen jedoch insoweit nicht in Einklang mit der Rechtslage als sie lückenlose Bewerbungen für das Wunschstudium verlangen und hiervon lediglich für einen Bewerbungsturnus eine Ausnahme zulassen. Die Kammer schließt sich dem VG Bayreuth an, das in seinem Urteil vom 24.8.2009 –B 3 K 08.803-, zitiert nach juris ausgeführt hat:
„Das Bundesverwaltungsgericht hat es in ständiger Rechtsprechung (zusammenfassend siehe Urteil vom 22.06.1989, Az. 5 C 27/87 a. a. O., RdNr. 16 ff mit Einzelnachweisen), der sich die Kammer angeschlossen hat, grundsätzlich für notwendig erachtet, dass der Auszubildende die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, zu seinem Wunschstudium zugelassen zu werden, im Auswahlverfahren zur Vergabe der Studienplätze fortdauernd und lückenlos wahrnimmt. Für diese Forderung sind zwei Gesichtspunkte von Bedeutung: Einmal soll durch die erfolglose Bewerbung des Auszubildenden erkennbar gemacht werden, dass es ihm allein aufgrund der hochschulrechtlichen Zulassungsbeschränkungen nicht möglich war, unmittelbar mit dem Wunschstudium zu beginnen. Als zweiten Gesichtspunkt hat das Bundesverwaltungsgericht auf die Verpflichtung des Auszubildenden hingewiesen, durch Bewerbungen auch während des Parkstudiums die Dauer dieses Studiums so kurz wie möglich zu halten.
Vorliegend liegt es auf der Hand, dass der Kläger einzig durch die hochschulrechtlichen Zulassungsbeschränkungen daran gehindert war, unmittelbar mit dem Wunschstudium der Medizin zu beginnen. Ferner hat er trotz des Auslassens von Bewerbungen um einen Medizin-Studienplatz zum Wintersemester 2004/2005 und in der Zeit vom Sommersemester 2006 bis zum Sommersemester 2007 (im Sommersemester 2005 erfolgte eine Bewerbung für den Studienwunsch Medizin nachrangig, siehe Gerichtsakte Blatt 38) die Dauer des Parkstudiums Psychologie und Molekularbiologie so kurz wie möglich gehalten, denn es steht fest, dass er in den Semestern, für die er sich in Deutschland nicht bzw. nicht erstrangig um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin beworben hat „mit Sicherheit“ keine Aussicht gehabt hätte, den begehrten Studienplatz in Deutschland zu erhalten (siehe BVerwG vom 02.07.1987 a. a. O., RdNr. 21).
Der Grundsatz der lückenlosen Bewerbung beansprucht keine ausnahmslose Geltung. Zum einen verbieten die diesen Grundsatz tragenden Zweckerwägungen unmittelbar, „Bewerbungen um einen Studienplatz im Wunschstudium auch dann zu verlangen, wenn sie sich als von vornherein aussichtslos darstellen“ (BVerwG vom 22.06.1989, Az. 5 C 27/87 a. a. O., RdNr. 18). Zum anderen wäre es mit dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar, „bei einer Parkstudienzeit von ein bis zwei Semestern allein wegen der einmaligen Nichtteilnahme am Vergabeverfahren für das Wunschstudium den wichtigen Grund für den Fachrichtungswechsel nicht zuzubilligen“ (BVerwG vom 08.03.1990, a. a. O., RdNr. 20 unter Bezugnahme auf BVerwG Urteil vom 12.03.1987, Az. 5 C 22/85, Buchholz 436.36, § 7 BAföG Nr. 60 <juris> RdNr. 16; siehe auch BVerfG Beschluss vom 03.07.1985, BVerfGE 70, 230 ff. „zur Bedeutung des Art. 3 Abs. 1 GG für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs wichtiger Grund in § 7 Abs. 3 BAföG“).
Das Bundesverwaltungsgericht war in seinem Urteil vom 02.07.1987 (5 C 17/85, NVwZ 1989, 347) mit dem BAföG-Anspruch eines Studenten befasst, der im Sommersemester 1975 mit seinem Parkstudium Physik begann, im Wintersemester 1975/1976 in das Parkstudium Architektur wechselte, dieses im Sommersemester 1976 abbrach, und sich zum Wintersemester 1979/1980 „erstmals“ und erfolgreich um eine Zulassung zum Wunschstudium Medizin bewarb. Dieses Urteil geht auf die Anzahl der ausgelassenen Bewerbungen mit keinem Wort ein und stellt im Ergebnis (a. a. O. RdNr. 21) fest, dass der Kläger „aufgrund seines Abiturnotendurchschnittes von 3,3 und der bis zum Sommersemester 1976 zurückgelegten Wartezeit von etwa drei Jahren seit Erlangung der Hochschulreife mit Sicherheit keine Aussicht gehabt habe, bis zum Abschluss des Architekturstudiums einen Studienplatz in Medizin zu erhalten“.
In den höchstrichterlichen Entscheidungen, die darauf abstellen, dass „die einmalige Nichtteilnahme des NC-Studienplatzbewerbers am Vergabeverfahren“ förderungsunschädlich ist (etwa BVerwG vom 12.03.1987 a. a. O., RdNr. 15, Beschluss vom 04.06.1987 Az. 5 B 134/86, Buchholz 436.36, § 7 BAföG Nr. 62, Beschluss vom 29.09.1987, Az. 5 B 3/86 <juris> RdNr. 3, Urteil vom 22.06.1989, Az. 5 C 27/87 a. a. O., RdNr. 20 und Urteil vom 08.03.1990 a. a. O., RdNr. 20) gab es keinen Anlass, „die Bedeutung der fortlaufenden Bewerbung um eine Zulassung zum Wunschstudium weiterhin rechtsgrundsätzlich zu klären“ (BVerwG vom 29.09.1987 a. a. O., RdNr. 3). Es ging stets darum, einen wichtigen Grund für den Fachrichtungswechsel anzuerkennen, obwohl der jeweilige Student „ein einziges Mal“ die Möglichkeit nicht wahrgenommen hatte, sich für eine Zulassung (in der Regel zum Medizinstudium) zu bewerben. Die genannten Entscheidungen sind im Übrigen stark davon geprägt, dass die Relation eines etwaigen einmaligen „Pflichtverstoßes“ (der Nichtbewerbung) im Verhältnis zur Länge des Parkstudiums gewürdigt wird, denn erst ab 01.08.1996 wurde in § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG die – vom Kläger vorliegend problemlos eingehaltene – Zeitschranke für einen Fachrichtungswechsel aus wichtigem Grund nur bis zum Beginn des dritten und ab Mai 1999 des vierten Fachsemesters eingeführt. Hinzu kommt, dass das Bundesverwaltungsgericht wiederholt das lediglich einmalige Auslassen der Bewerbungsmöglichkeit zum Wunschstudium aus Gründen der Verhältnismäßigkeit „unabhängig von der hypothetischen Feststellung, ob eine Bewerbung zum Wunschstudium Erfolg gehabt hätte oder nicht“, als förderungsunschädlich ansieht, auch wenn dieses Verhalten für sich genommen als „Pflichtverstoß“ gewertet würde (BVerwG vom 12.03.1987 a. a. O., RdNr. 15, vom 22.06.1989, Az. 5 C 29/87 a. a. O., RdNr. 20 und vom 08.03.1990 a. a. O., RdNr. 20).
Folglich steht dem wichtigen Grund des Klägers für den Fachrichtungswechsel in das Studium der Humanmedizin nicht entgegen, dass er mehrfach im deutschen Auswahlverfahren keine Bewerbung um einen solchen Studienplatz abgegeben hat.
Im Hinblick auf das nicht nur einmalige Auslassen der Bewerbung und das Erfordernis, das Parkstudium zur Schonung von Ausbildungsressourcen so kurz wie möglich zu halten, bedarf es allerdings der Feststellung, dass die ausgelassenen Bewerbungen „mit Sicherheit“ keine Aussicht auf Erlangung des begehrten Studienplatzes gehabt hätten (BVerwG vom 02.07.1987 a. a. O., RdNr. 21). Stellt sich eine Bewerbung als „von vorneherein aussichtslos“ dar, kann sie nicht zur Voraussetzung der Gewährung von Ausbildungsförderung nach einem Studienfachwechsel gemacht werden (siehe BVerwG vom 22.06.1989, Az. 5 C 27/87 a. a. O., RdNr. 18). Eine solche Bewerbung führt mit Sicherheit zu zusätzlichem Verwaltungsaufwand bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS), nicht aber zu einer Entlastung der Studiengänge, die als Parkstudium studiert werden.
Die maßgebende hypothetische Feststellung, ob eine Bewerbung zum Wunschstudium Erfolg gehabt hätte oder nicht, ist nicht an den Nachweis durch (ablehnende) ZVS-Bescheide gebunden, sondern unterliegt freier richterlicher Überzeugungsbildung (siehe BVerwG vom 02.07.1987 a. a. O. <juris>, RdNrn. 19 ff). Insbesondere kann im Nachhinein eine entsprechende Auskunft der ZVS eingeholt werden (vgl. BVerwG vom 12.03.1987 a. a. O., <juris>, RdNr. 14 und vom 22.06.1989, Az. 5 C 29/87 a. a. O., <juris>, RdNr. 20), auch wenn diese naturgemäß die ex ante Sicht des Auszubildenden, der sich einmal oder mehrfach gegen die Teilnahme am Auswahlverfahren für sein Wunschstudium entschieden hat, naturgemäß nicht vollständig abbildet.
….Auch wenn das mehrfache Auslassen der Bewerbung um einen Studienplatz im bundesdeutschen Auswahlverfahren als Pflichtverstoß gewertet wird – was das Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 12.03.1987 a. a. O. <juris> RdNr. 15 und vom 22.06.1989, Az. 5 C 27/87 a. a. O., <juris> RdNr. 20 offen lässt – „wäre dieser nicht von solcher Art und solchem Gewicht“, dass er den Ausschluss des Klägers „von jeder Förderung des Wunschstudiums“ nach zwei Semestern Parkstudium „rechtfertigen könnte“ (BVerwG vom 22.06.1989, Az. 5 C 27/87 a. a. O., <juris> RdNr. 22).“
Aus der Bescheinigung der ZVS vom 21. Oktober 2009 ergibt sich, dass der Kläger weder im Sommersemester 2007 noch im Sommersemester 2008, den beiden Semestern, in denen er sich nicht um einen Humanmedizinstudienplatz beworben hat, zum Studium zugelassen worden wäre. Bewerbungen – und das betrifft auch Direktbewerbungen -wären daher von vornherein aussichtslos gewesen. Da nichts verlangt werden darf, was von vornherein ohne Erfolg sein wird, kann dem Kläger nicht angelastet werden, sich zweimal nicht für sein Wunschstudium beworben zu haben; er wäre hieran in jedem Fall durch bestehende Kapazitätsbeschränkungen gehindert gewesen. Ergänzend ist anzumerken, dass es hier um Bewerbungen innerhalb der festgesetzten Kapazitäten geht. Aus dem Umstand, dass es dem Kläger schließlich gelungen ist, sich im außerkapazitären Hochschulzulassungsverfahren einen Studienplatz zu sichern, kann nicht die Obliegenheit abgeleitet werden, dass sich der Auszubildende auch fortlaufend in außerkapazitären Verfahren um einen Studienplatz bewirbt.
Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit, unter dem das Bundesverwaltungsgericht eine Einschränkung vom Grundsatz lückenloser Bewerbungen um das Wunschstudium zulässt, kommt im Fall des Klägers ein weiterer Aspekt hinzu. Er hat unwidersprochen und nachvollziehbar dargelegt, dass er in diesen Semestern im Rahmen seines Zahnmedizinstudiums Scheine erworben hat, die letztlich zu einer Anrechnung von zwei Semestern aus diesem Studium auf das Humanmedizinstudium geführt haben. Hätte er sich erfolgreich um einen Studienplatz für Humanmedizin beworben, wäre ihm dies nicht möglich gewesen und die Dauer des Humanmedizinstudiums hätte sich verlängert. Dies hätte der gesetzlichen Absicht des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, den Auszubildenden zu einem zügigen Studium zu veranlassen widersprochen; dass sich der Kläger im Sinne des Gesetzgebers verhielt, muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Berücksichtigung finden.
Die vor den zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ergangene Entscheidung des OVG Lüneburg (Beschluss vom 29.8.1986 -14 B 75/86-, zitiert nach juris), die ohne Ausnahme eine lückenlose und erfolglose Bewerbung zum Wunschstudium zu verlangen scheint, hatte offenkundig keinen Anlass sich mit den vom Bundesverwaltungsgericht herausgearbeiteten Einschränkungen dieses Grundsatzes zu befassen.
Über die Höhe der dem Kläger konkret zustehenden Leistungen wird von der Beklagten in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden sein.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.