Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.03.1995, Az.: XIII 428/92

Ersatz von Aufwendungen für eine touristisch geprägte Reise durch einen Dritten als Arbeitslohn; Übernahme der Reisekosten als ein geldwerter Vorteil aus dem Arbeitsverhältnis; Voraussetzung für die Erfassung als Arbeitslohn; Verbesserung der Geschäftsbeziehungen als Zweck der Reise

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
29.03.1995
Aktenzeichen
XIII 428/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 17877
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1995:0329.XIII428.92.0A

Fundstelle

  • EFG 1996, 437-438 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Ersatz priv. Reisekosten als Arbeitslohn

Ersatz von Aufwendungen für eine touristisch geprägte Reise durch einen Dritten als Arbeitslohn

Einkommensteuer 1989

Amtlicher Leitsatz

Die Kosten einer Reise, die ein angestellter Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG auf Kosten eines Lieferanten der Gesellschaft durchführt, stellen einen geldwerten Vorteil aus dem Arbeitsverhältnis des Geschäftsführers dar.

(Streitjahr: 1989)

In dem Rechtsstreit
hat der XIII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 29. März 1995,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...
ehrenamtliche Richterin ...
fürRechterkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung einer Japan-Reise des Kl. im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

2

Die Kl. wurden 1989 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kl. war in diesem Jahr Geschäftsführer der Firma H.-GmbH & Co. KG in Hannover. Im Einkommensteuerbescheid 1989 vom 24.04.1991 wurden unter anderem die erklärten Einnahmen des Kl. aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 299.445 DM angesetzt.

3

Aufgrund von Feststellungen des FA M. für Körperschaften ergab sich, daß der Kl. 1989 an einer Japan-Reise teilgenommen hat. Die vorwiegend touristische Reise wurde von der Firma K. Europe GmbH organisiert und finanziert. Wegen der Einzelheiten wird auf das Reiseprogramm (Bl. 111 EStA) Bezug genommen. Die Kosten, die die Firma K. getragen hat, betrugen 12.755 DM. Die Reise diente lt. Auskunft der Firma K. dazu, die Geschäftsbeziehungen der Firma K. zu festigen. Daneben sollten die Teilnehmer davon überzeugt werden, daß die im Ausland gefertigten Produkte die Qualität von Inlandsprodukten erreichen. Der Arbeitgeber des Kl. bezog 1988 13 %, 1989 16 % und 1990 17 % auf den gesamten Wareneinsatz von der Firma K.

4

Das FA sah in der Übernahme der Reisekosten einen geldwerten Vorteil aus dem Arbeitsverhältnis des Kl. und änderte den Einkommensteuerbescheid daraufhin gem. § 173 Abs. I Nr. 1 AO. Der daraufhin ergangene Bescheid erfaßt zusätzlich die Reisekosten als steuerpflichten Arbeitslohn des Kl.

5

Dagegen legten die Kl. Einspruch ein, der erfolglos blieb. Gegen den Einspruchsbescheid vom 29. Juli 1992 wenden sich die Kl. mit ihrer Klage. Die Kl. sind der Ansicht, bei der Übernahme der Reisekosten durch die Firma K. handele es sich um ein Geschenk und nicht um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Es bestehe kein Veranlassungsverhältnis zwischen der Einnahme und dem Dienstverhältnis des Kl. Es sei zwar grundsätzlich gleichgültig, ob die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit unmittelbar vom Arbeitgeber oder von einem Dritten zuflössen. Jedoch sei bei Leistungen Dritter besonders sorgfältig zu prüfen, ob der Zusammenhang zwischen Leistung und Dienstverhältnis gewahrt sei. Für die Entscheidung, ob eine Leistung als Arbeitslohn anzusehen sei, sei in erster Linie die Betrachtung aus der Sicht des Arbeitnehmers maßgebend. Es komme darauf an, ob der Arbeitnehmer den erhaltenen Vorteil wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber betrachte. Die Kl. behaupten, der Kl. habe durch den Antritt der Reise keine Leistung erbracht. Sich vermittels der Reise auf eine bestimmte Art und Weise informieren und unterrichten zu lassen, sei keine Leistung des Arbeitnehmers. Der Kl. habe daher die Reise lediglich als Geschenk angesehen. Im übrigen hätten zwischen dem Arbeitgeber des Kl. und der Firma K. keine ins Gewicht fallenden Geschäftsbeziehungen bestanden.

6

Die Kl. beantragen,

den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 1. April 1992 in der Gestalt des Einspruchsbescheids vom 29. Juli 1992 ersatzlos aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Das FA ist der Ansicht, bei dem durch die Reise erlangten Vorteil handele es sich um eine wirtschaftliche Frucht der Dienstleistung des Kl. für seinen Arbeitgeber. Es genüge bereits ein loser Zusammenhang zwischen der Zuwendung und dem Arbeitsverhältnis. Entscheidend sei nicht die persönliche Sicht des Kl., sondern ein objektiver Zusammenhang und damit eine Betrachtung, zu der ein unabhängiger Dritter unter Würdigung der Gesamtumstände des Sachverhaltes gelangt. Der Kl. habe die Reise nur aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer und der engen wirtschaftlichen Geschäftsbeziehungen zwischen seinem Arbeitgeber und der Firma K. erlangt. Es liege daher Arbeitslohn i.S.d. § 2 Abs. I LStDV vor.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Klage ist unbegründet.

10

Eine Aufhebung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides in der Fassung des Einspruchsbescheides gem. § 100 Abs. O Satz 1 FGO kommt nicht in Betracht, da die Berücksichtigung der Kosten der Japan-Reise als Einkünfte des Kl. aus nichtselbständiger Arbeit zu Recht erfolgt ist.

11

Bei der vom Kl. durchgeführten Japan-Reise handelt es sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zu diesen Einkünften gehört gem. § 19 Abs. I Nr. 1 EStG der Lohn. Arbeitslohn sind alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen (§ 2 Abs. I Satz 1 LStDV).

12

Reisen der vom Kl. durchgeführten Art, die von Dritten kostenlos überlassen werden und touristisch geprägt sind, sind dadurch gekennzeichnet, daß sie sich eine Privatperson in der Regel wegen ihrer Kostspieligkeit weder leisten würde noch mangels Angebotes auf dem freien Markt leisten könnte (vgl. Albert, FR 1990, 413). Die Beteiligten gehen auch übereinstimmend davon aus, daß ein steuerpflichtiger Arbeitslohn auf Seiten des Kl. vorläge, wenn die Reise durch den Arbeitgeber des Kl. organisiert bzw. finanziert worden wäre (siehe BFH-Urteil vom 9. März 1990 VI R 48/87, BStBl II 1990, 711, 713, BFHE 160, 447). Das ist hier aber nicht der Fall. Die Reise wurde vielmehr von der Firma K. Europe GmbH organisiert und finanziert.

13

Grundsätzlich ist es gleichgültig, ob die Einnahmen dem Empfänger unmittelbar vom Arbeitgeber oder von einem Dritten zufließen (Abschn. 70 I Satz 4 LStR). Voraussetzung für die Erfassung als Arbeitslohn ist, daß die Einnahmen durch ein individuelles Dienstverhältnis veranlaßt sind. Der Veranlassungszusammenhang ist gegeben, wenn die Einnahme nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließt und sich als Ertrag aus nichtselbständiger Arbeit darstellt. Ein Ertrag liegt vor, sofern sich die Einnahme im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft erweist (BFH in BStBl II 1990, 711, BFHE 160, 447 [BFH 09.03.1990 - VI R 48/87]). Allerdings muß bei Leistungen Dritter besonders sorgfältig geprüft werden, ob die Grundlage für die Zuwendung in dem Dienstverhältnis oder in anderen Erwägungen oder Umständen zu sehen ist (BFH-Urteil vom 19. Juli 1974 VI R 14/71, BStBl II 1975, 181, 182, BFHE 114, 28 [BFH 19.07.1974 - VI R 114/71]).

14

Der geldwerte Vorteil in Form der kostenlosen Teilnahme an der Reise floß dem Kl. aus dem Dienstverhältnis zu seinem Arbeitgeber zu. Der Kl. wurde nur deshalb durch die Firma K. zur Reiseteilnahme eingeladen, weil er als Gechäftsführer maßgeblichen Einfluß auf die Gestaltung der Geschäftsbeziehungen hatte. Die dahinterstehenden Motive der Verbesserung der Geschäftsbeziehungen sind ebenso unerheblich wie die von vornherein erklärte Ablehnung des Kl., sich dadurch in seiner Geschäftspolitik beeinflussen zu lassen. Ändere Erwägungen als die Ausnutzung der Geschäftsposition sind nicht ersichtlich, zumal zwischen der Firma K. und der des Kl. nicht nur völlig geringfügige Geschäftsbeziehung vorhanden war.

15

Dem steht nicht entgegen, daß der Kl. die Zuwendung nicht wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistungen für den Arbeitgeber betrachtet. Zwar ist nach der Rechtsprechung bei der Frage, ob ein Ertrag aus einer Dienstleistung für den Arbeitgeber vorliegt, auf die Sicht des Arbeitnehmers abzustellen (BFH in BStBl II 1975, 181, 182, BFHE 114, 28 [BFH 19.07.1974 - VI R 114/71]). Eine Abkehr davon ist entgegen der Auffassung des FA nicht ersichtlich. Der BFH geht im Urteil VI R 48/87 davon aus, das vorinstanzliche Finanzgericht habe zu Recht darauf hingewiesen, "wonach Zuwendungen als Ertrag der Arbeit im weitesten Sinne zu beurteilen und von den betroffenen Arbeitnehmern auch so gewertet werden" (BStBl II 1990, 711, 713, BFHE 160, 447 [BFH 09.03.1990 - VI R 48/87]). Jedoch kann darin, entgegen den Kl., nicht die persönliche Sichtweise des Betroffenen als ausschlaggebendes Kriterium erblickt werden. Bereits aus dem Wortlaut "gewertet werden" anstelle von "gewertet wurden" ergibt sich, daß eine objektive Betrachtung aus der Sicht der Arbeitnehmer vorgenommen wird. Nur so kann dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entsprochen werden. Die Besteuerung kann nicht von der Wertungsweise eines einzelnen abhängig sein.

16

Die Zuwendung erbrachte eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Kl., da entsprechende Ausgaben erspart wurden. Durch die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistungen kommt es nicht darauf an, ob der Kl. eine solche Reise Überhaupt selber unternommen hätte. Das Urteil ist entgegen der Ansicht der Kl. auch einschlägig, da die Frage der Betrachtung als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit nicht davon abhängig ist, von wessen Seite der Ertrag zugewendet wird.

17

Das weiter von den Kl. aufgeführte Urteil des BFH vom 23.06.1993 I R 14/93, BStBl II 1993, 806, BFHE 171, 521, ergibt nichts anderes. Dort wird nur die Frage behandelt, ob auf der Seite des Zuwendenden abzugsfähige Betriebsausgaben vorliegen (a.a.O., 808). Die Beurteilung dieser Frage ist aber unabhängig von der Einstufung von Einnahmen als Arbeitslohn. Es wird auch nicht gefordert, daß eine wirtschaftliche Frucht als Ertrag der Dienstleistung des Arbeitnehmers nur dann vorliege, wenn eine konkrete Gegenleistung erbracht wird. Ausschlaggebend ist vielmehr das Dienstverhältnis und dessen oben ausgeführte Veranlassung für die Zuwendung.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. I FGO.