Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.03.1995, Az.: I 304/90
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 21.03.1995
- Aktenzeichen
- I 304/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 34213
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:0321.I304.90.0A
Fundstelle
- EFG 1995, 653-654 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
wegen Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1981 und Grundsteuermeßbetrags auf den 1. Januar 1981
hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 21. März 1995, an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
ehrenamtlicher Richter .
ehrenamtliche Richterin .
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist, ob das Grundstück . in . auf den 1. Jan. 1981 als Einfamilienhaus (EFH) oder als Zweifamilienhaus (ZFH) zu bewerten ist.
Die Kläger (Kl.) erwarben mit Vertrag vom 28. Febr. 1980 das Grundstück . das mit einem Wohnhaus -; Baujahr etwa 1937 -; bebaut war. Tag der Übergabe war der 1. Juli 1980. Das Grundstück war im Zeitpunkt des Erwerbs als ZFH mit einem Einheitswert von 14. 800 DM bewertet. Die Bewertung als ZFH war nach den Angaben in der Erklärung zur Hauptfeststellung des Einheitswerts auf den 01. Jan. 1964 erfolgt. Danach enthielt das Haus im Erd- und Obergeschoß zum Hauptfeststellungszeitpunkt jeweils eine Wohnung und wurde auch von zwei Familien bewohnt.
Im Jahre 1980 wurde das Haus umgebaut. Das Gebäude war zum 01.11.1980 wieder bezugsfertig. Die Schlußabnahme erfolgte am 01.12.1980. Die Baukosten betrugen nach den Angaben der Kl. 130. 000 DM zuzüglich 30. 000 DM für Eigenleistungen. Die Kl. gaben auf den 1. Jan. 1981 eine Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts ab. Danach enthielt das Haus wiederum im Erdgeschoß und im Dachgeschoß jeweils eine Wohnung, bestehend aus jeweils vier Zimmern, Küche und Bad. Das Finanzamt (FA) forderte noch die genehmigte Bauzeichnung, den Lageplan und die Wohnflächenberechnung an. Zusätzlich Legten die Kl. einen Mietvertrag vor, nachdem ab 01.11.1981 eine Wohnung im Dachgeschoß -; bestehend aus zwei Zimmern, Küche, Korridor und Toilette -; vermietet war.
Das FA führte danach mit Bescheid vom 25. Febr. 1982 eine wert- und Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Jan. 1981 durch. Das Grundstück wurde den Kl. zugerechnet und der Einheitswert auf 96. 700 DM festgesetzt. Im Bescheid heißt es: "Grundstücksart wie bisher Zweifamilienhaus. Eine Artfortschreibung auf den 01.01.1981 kommt nicht in Betracht".
Im Jahre 1989 wurde im Zuge einer Außenprüfung festgestellte daß das Gebäude nicht nach den genehmigten Bauzeichnungen umgebaut worden war. Am Stichtag soll nur eine Küche im Erdgeschoß vorhanden gewesen sein. Eine Wohnung im Dachgeschoß soll nicht vermietet worden sein, sondern nur Einzelräume im Erdgeschoß.
Das FA änderte daraufhin den Einheitswertbescheid auf den 1. Jan. 1981. Der Einheitswert wurde auf 109. 300 DM festgestellt, als Grundstücksart EFH. In den Erläuterungen zu dem Bescheid heißt es: "Anläßlich einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß es sich bei dem Grundstück um ein Einfamilienhaus (§ 75 Abs. 5 BewG) und nicht um ein Zweifamilienhaus i. S.v. § 75 Abs. 6 BewG handelt. Gem. § 181 Abs. 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 AO beträgt die Feststellungsfrist 10 Jahre". Entsprechend wurde der Grundsteuermeßbescheid auf den 1. Jan. 1981 geändert und der Grundsteuermeßbetrag von bisher 299,77 DM auf 315,05 DM festgesetzt. Gegen diese geänderten Bescheide vom 31. Okt. 1989 haben die Kl. nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben. Das beklagte FA hat während des Klageverfahrens den Einheitswertbescheid auf den 1. Jan. 1981 erneut geändert. Es hat den Bescheid mit folgendem Zusatz versehen: "wegen Eintritts der Verjährung sind die in diesem Bescheid getroffenen Feststellungen für die Grundsteuer erst ab 01.01.1985 wirksam über den Zeitpunkt der Wirksamkeit für andere einheintswertabhängige Steuern entscheiden die für die Festsetzung zuständigen Stellen". Die Kl. haben nach § 68 Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragt, den geänderten Bescheid vom 28. April 1993 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Die Kl. tragen zur Begründung der Klage vor: Eine Änderung des Einheitswertbescheides auf den 1. Jan. 1981 sei wegen Verjährung nicht möglich. Das Steuerstrafverfahren gegen den Kl. habe mit einem Bußgeld wegen Leichtfertiger Steuer Verkürzung geendet. Die fünfjährige Verjährungsfrist sei abgelaufen gewesen. Im übrigen würden beide Bescheide den tatsächlichen Verhältnissen am Stichtag nicht gerecht. Es sei fraglich, ob dem FA neue Tatsachen bekannt geworden seien; denn die Umbaupläne hätten dem FA vorgelegen. Im übrigen sei das Haus nahezu durchgängig in Teilbereichen an verschiedene Personen fremdvermietet gewesen. Das Haus sei als ZFH erworben und genutzt worden.
Die Kl. beantragen,
die Einheitswertbescheide auf den 1. Jan. 1981 vom 28. April 1993 und 31. Okt. 1989 und den Grundsteuermeßbescheid vom 31. Okt. 1989 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor: Nach den im Rahmen einer Betriebsprüfung bei den Kl. in 1989 zusammengetragenen Fakten, die durch Zeugenaussagen gegenüber dem FA für Fahndung und Strafsachen . bestätigt worden seien, beständen keine Zweifel daran, daß das Gebäude der Kl. von Anfang an baulich als EFH gestaltet und entsprechend genutzt worden sei. Diese Tatsache sei für das FA neu i. S.v. § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) gewesen. Die ursprünglich vorgelegten Baupläne und Wohnflächenberechnungen sowie der Mietvertrag hätten zwei abgeschlossene Wohnungen ausgewiesen. Der Umbau zu einem EFH sei seinerzeit nicht erkennbar gewesen. Die Kl. hätten durch die Vorlage falscher Verträge und Bauunterlagen sowie unzutreffender Angaben in der Feststellungserklärung vorsätzlich Folgesteuern verkürzt. Deshalb sei die grundsteuerliche Wirksamkeit des Änderungsbescheides vom 31.10.1989 nicht einzuschränken gewesen. Im übrigen seien die in dem Einheitswertbescheid auf den 1. Jan. 1981 getroffenen Feststellungen nach dem nochmals geänderten Bescheid vom 28. April 1993 für die Grundsteuer erst ab 1. Jan. 1985 wirksam.
Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Einheitswertakten des FA Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Das Haus war am 1. Januar 1981 ein EFH; denn es enthielt nach dem Umbau nur eine Wohnung, die von den Kl. selbst bewohnt worden ist. Zwei abgeschlossene Wohnungen mit jeweils einer Küche und sanitären Einrichtungen waren nicht vorhanden. Auf die Frage, welche Räume an Frau . vermietet waren und ob die Mieterin einen eigenen Haushalt geführt hat, kommt es nicht an; denn das Mietverhältnis begann erst am 01.11.1981.
Der Beklagte (Bekl.) hat zutreffend zum 1. Januar 1981 die Artfortschreibung zum EFH mit Bescheid vom 31. Oktober 1989 durchgeführt. Das Haus war im Jahre 1980 umgebaut worden. Nach § 22 Abs. 4 Nr. 1 Bewertungsgesetz (BewG) ist Fortschreibungszeitpunkt bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse der Beginn des Kalenderjahres, das auf die Änderung folgt.
Bis zum Erlaß des Einheitswertbescheides vom 31. Oktober 1989 hatte das FA auch noch nicht über eine Artfortschreibung auf den 01.01.1981 entschieden. Dem steht nicht entgegen, daß mit Einheitswertbescheid vom 25. Februar 1982 bereits eine wert- und Zurechnungsfortschreibung auf den 01.01.1981 durchgeführt worden war und nach diesem Bescheid eine Artfortschreibung nicht in Betracht kam. Die in einem Einheitswertbescheid über ein bebautes Grundstück getroffenen Feststellungen zum wert, zur Zurechnung und zur Art. sind selbständige Feststellungen, die gesondert angefochten und bestandskräftig werden können -; BFH vom 13. November 1981 III R 116/78, BStBl. II 1983, 88. Wenn ein Wertfortschreibungsbescheid -; wie es üblicherweise geschieht -; die zur Art. getroffene Feststellung mit einem entsprechenden Zusatz wiederholt, so wird diese dadurch nicht zum Regelungsgehalt des Wertfortschreibungsbescheides -; BFH vom 28. November 1990 II R 36/87, BStBl II 1991, 209.
Beide Beteiligte gehen nach dem im Klageverfahren geänderten Bescheid vom 28. April 1993 davon aus, daß im Jahre 1989 die Feststellungsfrist bereits abgelaufen war. Der Senat läßt die Frage, ob im Streitfall die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre beträgt, dahingestellt. Auch wenn die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war, war die Fortschreibung zulässig, und zwar aus folgenden Gründen:
Nach § 22 Abs. 4 Nr. 1 BewG ist § 21 Abs. 3 BewG entsprechend anzuwenden. Danach kann in diesen Fällen die Hauptfeststellung (hier analog die Fortschreibung) mit Wirkung für einen späteren Feststellungszeitpunkt vorgenommen werden, für den diese FA ist noch nicht abgelaufen ist. Die entsprechende Anwendung des § 21 Abs. 3 BewG bei Fortschreibungen bedeutet, daß diese auf den ersten Stichtag nach Änderung der tatsächlichen Verhältnisse durchgeführt wird, aber ihre Wirkung zeitlich auf den Stichtag hinausgeschoben wird, für den die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist -; Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 9. Aufl. § 22 BewG, Rdnr. 153, Lieferung 69, September 1992, § 181 Abs. 5 AO bleibt unberührt. Ruch nach dieser Vorschrift kann eine gesonderte Feststellung nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung (hier der Einheitswert) für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Hierauf ist im Feststellungsbescheid hinzuweisen.
Der Bekl. hat den Hinweis mit dem Bescheid vom 28. April 1993 nachgeholt. Der Senat hält dies nach § 132 i.V.m. § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO für zulässig und den Hinweis in der Sache für ausreichend. Der Hinweis soll dem für den Erlaß des Folgebescheides zuständigen FA und dem Steuerpflichtigen deutlich machen, daß es sich um einen Einheitswertbescheid handelt, der nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen und deshalb nur noch für solche Steuerfestsetzungen bedeutsam ist, bei denen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist -; BFH vom 17. August 1989 IX R 76/88, BStBl II 1990, 411. Dem genügt der Hinweis. Der Senat hält es insbesondere nicht für erforderlich, daß mit dem Hinweis die Steuern im einzelnen nach Art und Veranlagungszeitraum bezeichnet werden, für die der Einheitswert gelten soll; denn Feststellungen zum Ablauf der Festsetzungsfrist für Folgesteuern im einzelnen können nur die für diese Folgesteuern zuständigen Veranlagungsstellen treffen.
Die Artfortschreibung hatte zur Folge, daß wegen der unterschiedlichen Vervielfältiger für EFH und ZFH auch die Höhe des Einheitswerts zu ändern war und als weitere Folge der Grundsteuermeßbetrag nach § 13 Abs. 1 Satz 2 Grundsteuergesetz.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen -; § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.