Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.03.1995, Az.: V 540/90
Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus Goldeinkäufen; Anforderungen an die Unternehmereigenschaft; Nachhaltige Ausübung einer auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 23.03.1995
- Aktenzeichen
- V 540/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 19594
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:0323.V540.90.0A
Rechtsgrundlage
- § 2 Abs. 1 UStG
Fundstelle
- EFG 1995, 948 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Unternehmereigensch. einer Strohmann GmbH
Umsatzsteuer 1981 und 1983
In dem Rechtsstreit
hat der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 23. März 1995,
an der mitgewirkt haben:
Vizepräsidentin des Finanzgerichts ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Landgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...
ehrenamtliche Richterin ...
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten.
Der Streitwert wird auf 106.353 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug aus Goldeinkäufen.
Am 23. Februar 1981 erschien ... in der Filiale der Klägerin in O., eröffnete ein Privatkonto unter der Berufsbezeichnung "Kaufmann" und verkaufte ihr Goldbarren und Krügerrand-Münzen.Über den Verkauf rechnete er gegenüber der Klägerin in zwei Rechnungen ab, in denen er ihr 5.400 DM zuzüglich 702 DM Umsatzsteuer für den Verkauf von fünf Krügerrand-Münzen und 203.400 DM zuzüglich 26.442 DM Umsatzsteuer für die Veräußerung von sechs Goldbarren in Rechnung stellte. Als Rechnungsaussteller erschien auf den Rechnungsvordrucken "J. A. Großhandel und Industrievertretungen". Im Hinblick auf die Einzelheiten der Abrechnungsformulare wird auf die zu den Gerichtsakten gelangten Kopien der Rechnungsvordrucke verwiesen. Im Handelsregister des Amtsgerichts M. ist bis zum 13. November 1978 eine J. A. KG eingetragen gewesen, die zu diesem Datum gelöscht worden ist. Ein Einzelunternehmen des J. A. ist im Handelsregister des Amtsgerichts M. zu keinem Zeltpunkt eingetragen gewesen. Auch beim Finanzamt M. ist J. nicht als Unternehmer geführt worden.
Am 18. Mai 1983 erschien der niederländische Staatsangehörige H. M. mit seinem Bevollmächtigten J.v.d.S. in der Filiale der Klägerin in O. und bot dort Barrengold zum Verkauf an, das er zuvor bei der Firma Sch. in A. gekauft und ohne Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer in die Bundesrepublik Deutschland verbracht hatte. Er legte der Klägerin dabei einen Handelsregisterauszug der L. Edelmetall Handelsgesellschaft mbH (GmbH) in P. und eine Bescheinigung des Finanzamts P. vor, in der das Finanzamt der GmbH bescheinigt hatte, Ihre Umsätze der Regelbesteuerung zu unterwerfen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts A. in dem rechtskräftig gewordenen Urteil in der Strafsache gegen H. M. wegen Steuerhinterziehung (... hatte M.) zuvor die GmbH unter Einschaltung des geschäftlich unerfahrenen B. L. gegründet. L. hatte dabei seinen Namen für die Firma der GmbH zur Verfügung gestellt und sich als deren Geschäftsführer und Gesellschafter im Handelsregister eintragen lassen. Tatsächlich aber verwendete M. die GmbH zur Ausführung seiner Goldgeschäfte, die er in ähnlicher Weise wie mit der Klägerin auch mit anderen Kreditinstituten abwickelte.
Die Klägerin prüfte zunächst die Echtheit des Goldes und wurde am 20. Mai 1983 mit M. handelseinig. M. stellte daraufhin der Klägerin 307.800 DM zuzüglich 40.014 DM Umsatzsteuer auf einem Rechnungsvordruck der GmbH in Rechnung. Den Empfang des Geldes quittierte er mit einer unleserlichen Unterschrift.
Am 24. Juni 1983 veräußerte M. erneut in der Filiale O. Goldbarren an die Klägerin. Auch über diesen Verkauf stellte er der Klägerin auf einem Vordruck der GmbH eine Rechnung aus, in der er in Höhe von 301.500 DM zuzüglich 39.1954 DM Umsatzsteuer abrechnete.
Die Klägerin machte in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1981 und 1983 den Vorsteuerabzug aus dem Bezug des Goldes von A. und M. geltend. Im Anschluß an eine vom Finanzamt für Großbetriebsprüfung O. bei der Klägerin durchgeführte steuerliche Außenprüfung änderte der Beklagte die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre und ließ u.a. die Vorsteuern aus den Goldkäufen der Klägerin von A. und M. nicht zum Abzug zu.
Hiergegen richtet sich nach insoweit erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr stehe der Vorsteuerabzug aus den Goldkäufen von J. A. und H. M. zu.
Im Hinblick auf den Goldkauf von J. A. ist sie der Meinung, dieser sei Unternehmer gewesen, weil es sich bei dem Goldverkauf vom 23. Februar 1981 um keinen Einzelfall gehandelt habe. J. A. habe vielmehr weitere Goldgeschäfte getätigt und sei damit nachhaltig tätig geworden. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, stehe der Unternehmereigenschaft des J. A. nicht die fehlende Nachhaltigkeit seiner Tätigkeit entgegen, weil in diesem Falle zumindest von einer Wiederholungsabsicht auszugehen sei.
Im übrigen habe sie, die Klägerin, auch auf die Unternehmereigenschaft des J. A. vertrauen dürfen, weil er sich bei der Kontoeröffnung als Kaufmann bezeichnet habe. Auch die Abrechnung auf Rechnungsvordrucken des Einzelunternehmens J. A. habe sie in der Richtigkeit dieser Annahme bestärkt.
Hinsichtlich des Goldkaufs von H. M. sei die GmbH als leistende Unternehmerin anzusehen. Das entspreche dem rechtskräftigen Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 4. Juli 1989 (Az.: ...). Darin sei über einen in den wesentlichen Sachverhaltselementen gleichgelagerten Goldverkauf durch M. an ein Kreditinstitut entschieden worden. Die Beteiligten eines Leistungsaustausches ergäben sich aus den schuldrechtlichen Vertragsbeziehungen. Der Kaufvertrag über den Erwerb des Goldes sei deshalb zwischen ihr, der Klägerin, und der GmbH zustande gekommen, weil H. M. in deren Namen gehandelt habe. Dazu sei er von der GmbH bevollmächtigt gewesen. Selbst wenn aber eine solche Vollmacht seitens der GmbH nicht erteilt worden sein sollte, sei ihr das Auftreten des H. M. nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zuzurechnen gewesen. Der Geschäftsführer der GmbH habe bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt das Auftreten des H. M. im Geschäftsverkehr erkennen und verhindern können.
Die Klägerin beantragt,
für 1981 weitere Vorsteuern in Höhe von 27.144 DM und für 1983 weitere Vorsteuern in Höhe von 79.209 DM zum Abzug zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Meinung, der Klägerin stehe der Vorsteuerabzug aus den Goldkäufen von J. A. nicht zu, weil dieser nicht Unternehmer gewesen sei. Die Unternehmereigenschaft setze die Nachhaltigkeit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit voraus. Der einmalige Goldverkauf von Goldbarren und Krügerrand-Münzen am 23. Februar 1981 reiche dafür nicht aus. Sonstige Anhaltspunkte für eine unternehmerische Tätigkeit des J. A. seien nicht ersichtlich, weil er weder im Handelsregister eingetragen sei noch beim Finanzamt M. geführt werde. Es komme nicht darauf an, ob die Klägerin auf die Unternehmereigenschaft des J. A. vertraut habe, weil der gute Glaube in die Unternehmereigenschaft des Leistenden im Umsatzsteuerrecht nicht geschützt sei.
Der Beklagte vertritt ferner die Auffassung, auch die Goldkäufe von H. M. berechtigten die Klägerin nicht zum Vorsteuerabzug. Es fehle insoweit an der erforderlichen Identität des Rechnungsausstellers mit dem leistenden Unternehmer. Als Rechnungsaussteller erscheine auf den verwandten Rechnungsvordrucken die GmbH. Leistender Unternehmer aber sei H. M. gewesen. Das ergebe sich aus dem Urteil des Landgerichts A., in dem festgestellt werde, daß H. M. die GmbH nur zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse benutzt habe. Die Verfügungsmacht über das Gold habe die GmbH nie inne gehabt. Davon abgesehen habe H. M. die GmbH auch nicht wirksam vertreten, weil er weder deren Geschäftsführer noch deren Gesellschafter gewesen sei. Auch eine sonstige Vollmacht des H. M. für die GmbH zu handeln, sei nicht ersichtlich.
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf die Steuerakten zu St.Nr.: ... sowie die Gerichtsakten verwiesen.
Der Senat hat Beweis erhoben zu der Frage, ob J. A. neben den Goldverkäufen an die Klägerin nach außen als Unternehmer tätig gewesen ist durch Vernehmung des G. W. und des W. K. als Zeugen. Im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 23. März 1995 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat der Beklagte der Klägerin den Vorsteuerabzug aus dem Goldkauf von J. A. versagt. Es ist nicht bewiesen, daß der Verkäufer des Goldes Unternehmer gewesen ist. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Tatsachen, die den Rechtsanspruch auf den Vorsteuerabzug begründen, trägt die Klägerin, (vgl. Beschluß des BFH vom 24. Mai 1993 V B 33/93, BFH/NV 1994, 133, 135; Urteile des BFH vom 24. April 1986 V R 110/76 BFH/NV 1987, 745, 746; vom 19. Oktober 1978 V R 39/75, BStBl 1979, 345, 347). Zu den Tatbestandsmerkmalen der Regelung des § 15 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG), aus der sich die Berechtigung zum Vorsteuerabzug ergibt, gehört die Unternehmereigenschaft des Leistenden.
Für die Unternehmereigenschaft des J. A. gibt es keine Anhaltspunkte. Er ist weder im Handelsregister des Amtsgerichts M. eingetragen noch wird er als Unternehmer beim Finanzamt M. geführt. Der Umstand, daß bis zum 13. November 1978 eine J. A. KG im Handelsregister eingetragen gewesen ist, steht dem nicht entgegen, weil es sich bei der KG um ein von J. A. zu unterscheidendes Rechtssubjekt gehandelt hat. Auch die Rechnungserteilung vom 13. Februar 1981 unter der Firma eines Einzelunternehmens beweist nicht, daß J. A. das Unternehmen der KG in Gestalt eines Einzelunternehmens fortgeführt hat. Ausdrücklich dagegen spricht vielmehr der Umstand, daß ein solches Unternehmen beim Finanzamt M. nicht geführt worden ist.
Auch der Goldverkauf vom 23. Februar 1981 vermag die Unternehmereigenschaft des J. A. nicht zu beweisen. Die Unternehmereigenschaft setzt gem. § 2 Abs. 1 UStG u.a. voraus, daß die auf Einnahmeerzielung gerichtete Tätigkeitnachhaltig ausgeübt wird. Die Veräußerung von Gold an die Klägerin am 23. Februar 1981 läßt keine Rückschlüsse auf eine nachhaltige Tätigkeit zu, weil ein einmaliges Tätigwerden grundsätzlich nicht als nachhaltig i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG gewertet werden kann (Birkenfeld, Das große Umsatzsteuerhandbuch, I Rdnr. 69). Dabei ist es unerheblich, daß J. A. sowohl Goldbarren als auch Krügerrand-Münzen verkauft und darüber getrennte Rechnungen ausgestellt hat, weil der Verkauf sich als einheitliche und damit einmalige Handlung dargestellt hat.
Zwar kann eine einmalige Tätigkeit als nachhaltig angesehen werden, wenn sich aus objektiv feststellbaren Umständen die Absicht des Leistenden ableiten läßt, die Tätigkeit zu wiederholen und sie zu einer ständigen Erwerbsquelle zu machen (Urteil des BFH vom 12. Juli 1991 III R 47/88, BStBl II 1992, 143, 146). Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte. Allein der Umstand, daß J. A. über einen Rechnungsvordruck einer Firma J. A. Großhandel und Industrievertretungen verfügt hat, läßt nicht den Schluß zu, daß er Goldverkäufe wiederholen wollte, weil der Goldhandel in keinem Zusammenhang mit der sich aus dem Firmennamen ergebenden wirtschaftlichen Tätigkeit gestanden hat.
Es kommt auch nicht darauf an, ob die Klägerin auf die Unternehmereigenschaft des J. A. vertraut hat oder darauf aufgrund des äußeren Geschehensablaufs hat vertrauen dürfen. Der gute Glaube an die Unternehmereigenschaft des Leistenden ist umsatzsteuerrechtlich nicht geschützt (Urteile des BFH vom 8. Dezember 1988 V R 28/84, BStBl II 1989, 250, 252; vom 24. April 1986 V R 110/76, BFH/NV 1987, 745, 746; vom 19. Oktober 1978 V R 39/75, BStBl II 1979, 345, 347). Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug läßt sich deshalb aus dem guten Glauben an die Unternehmereigenschaft eines Nichtunternehmers nicht herleiten.
Der Klägerin steht auch kein Vorsteuerabzug aus den Goldkäufen von H. M. am 20. Mai 1983 und 24. Juni 1983 zu. Es fehlt Insoweit an der für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug erforderlichen Identität von Rechnungsaussteller und Leistendem. Als Rechnungsaussteller der beiden Rechnungen vom 20. Mai 1983 und 24. Juni 1983 erscheint die GmbH. Leistender Unternehmer ist aber nicht die GmbH, sondern H. M. gewesen. Der GmbH hat es an der für die Unternehmereigenschaft unentbehrlichen Selbständigkeit gefehlt. Das Landgericht A. hat in seinem Urteil gegen H. M. vom 24. Mai 1985 (Az.: ...) rechtskräftig festgestellt, daß die mit Hilfe des B. L. gegründete GmbH lediglich von H. M. als Strohmann vorgeschoben worden ist, um seine Goldgeschäfte nicht im eigenen Namen, sondern unter der Firma einer Edelmetallhandelsgesellschaft durchführen zu können. Wirtschaftlich und tatsächlich beherrscht worden ist die GmbH nicht von deren geschäftlich unerfahrenen Gesellschafter und Geschäftsführer B. L. sondern von H. M. Der Senat schließt sich dieser Sachverhaltswürdigung durch das Landgericht A. an. Da die Beteiligten gegen die Verwertung der Beweisergebnisse des Landgerichts A. keine substantiierten Einwände erhoben haben, hat der Senat dessen Beweisergebnisse bei seiner Entscheidung heranziehen können (Beschluß des BFH vom 22. März 1988 VII B 193/87, BFH/NV 1988, 722, 723).
Eine nur als Strohmann vorgeschobene GmbH ist im Rahmen eines Leistungsaustauschverhältnisses mit Dritten nicht der leistende Unternehmer (vgl. Urteile des BFH vom 13. Juli 1994 XI R 97/92, UR 1995, 96; vom 15.9.1994 XI R 56/93 n.v.). Soweit der erkennende Senat im Urteil vom 4. Juli 1989 (V 281/88, EFG 1989, 655) eine andere Auffassung vertreten hat, hält er hieran nicht mehr fest. Es fehlt der GmbH an der für die Unternehmereigenschaft erforderlichen Selbständigkeit. Grundsätzlich enthält § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine spezielle Regelung der Unselbständigkeit juristischer Personen. Danach ist von der Unselbständigkeit auszugehen, wenn die juristische Person im Rahmen einer Organschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein anderes Unternehmen eingegliedert ist. Darüber hinaus fehlt es bei verdeckten Treuhandverhältnissen (sog. Strohmanngeschäften) dem nach außen in Erscheinung tretenden Strohmann an der Selbständigkeit, weil er im Innenverhältnis zum Hintermann weisungsgebunden ist. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob es sich bei dem Strohmann um eine natürliche oder um eine juristische Person handelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revision ist nicht zugelassen worden.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 106.353 DM festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 25 Abs. 2, 13 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).