Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 26.04.2017, Az.: 3 B 267/17
Abschiebungsandrohung; Abschiebungsverbot; Anerkannte Schutzberechtigte; Drittstaatenbescheid; Griechenland; Vulnerable Personengruppen
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 26.04.2017
- Aktenzeichen
- 3 B 267/17
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2017, 54088
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 29 Abs 1 Nr 2 AsylVfG
- § 34 Abs 1 S 1 Nr 3 Alt 1 AsylVfG
- § 35 AsylVfG
- § 36 Abs 3 AsylVfG
- § 36 Abs 4 AsylVfG
- § 60 Abs 5 AufenthG
- Art 3 MRK
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Anerkannten Schutzberechtigten droht in Griechenland grundsätzlich keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK.
2. Anders ist dies zu beurteilen für vulnerable Personengruppen, wie etwa Familien mit kleinen Kindern, schwerwiegend oder lebensbedrohlich Erkrankten und unbegleiteten Minderjährigen (hier: Familie mit Kleinkindern), bei denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge konkret individuelle Zusicherungen der zuständigen griechischen Stellen einzuholen hat.
Gründe
Der sinngemäße Antrag der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (3 A 266/17) gegen die Androhung der Abschiebung nach Griechenland in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes vom 17.03.2017 anzuordnen,
ist gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 VwGO i. V. m. §§ 75 Abs. 1, 36 Abs. 3 AsylG zulässig und begründet.
Die Aussetzung der Abschiebung setzt gem. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG voraus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG setzen voraus, dass erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1516/93 -, juris, Rn. 99). Solche Gründe sind hier gegeben.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung können sich dabei u. a. daraus ergeben, dass das Bundesamt unzutreffend ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG verneint hat, wie sich aus § 35 AsylG i. V. m. 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 AsylG ergibt.
Die aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Aussetzungsinteresse geht zugunsten der Antragsteller aus. Denn die in Ziffer 3 des Bescheides des Bundesamtes vom 17.03.2017 verfügte Androhung der Abschiebung nach Griechenland ist im nach § 77 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Eilantrag rechtswidrig, weil erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung nicht standhält, sodass kein öffentliches Interesse an ihrem Vollzug besteht. Denn die in Ziffer 3) des Bescheides vom 17.03.2017 enthaltene Abschiebungsandrohung ist rechtswidrig, weil das Bundesamt unzutreffend ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG verneint hat.
Das Bundesamt droht dem Ausländer nach §§ 34, 35 AsylG die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.
Vorliegend hat Griechenland - ein Mitgliedstaat der Europäischen Union - dem Bundesamt mit Schreiben vom 26.02.2016 mitgeteilt, den Antragstellern zu 1. und 2. sei dort am 09.04.2014 internationaler Schutz im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt worden (Bl. 121 und 137 der Beiakte 001 zu 3 A 266/17: „[…] was granted asylum in Greece on the 09-04-2016 […]“). Dass dies auch hinsichtlich der am 28.07.2014 in Griechenland geborenen Antragstellerin zu 3. gilt, ist aus den vorgelegten Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin nicht ersichtlich. Gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Eine Abschiebung der Antragsteller zu 1. bis 3. nach Griechenland würde derzeit gegen Art. 3 EMRK verstoßen, wonach niemand einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden darf.
Grundsätzlich gilt zwar, dass ein Flüchtling in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 83/389 vom 30.03.2010), des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 (BGBl. II 1953, S. 559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 (BGBl. II 1952, S. 685, ber. S. 953, in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.10.2010 (BGBl. II S. 1198) behandelt wird. Griechenland unterliegt also als Mitgliedstaat der Europäischen Union deren Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards eines gemeinsamen Asylsystems verpflichtet und somit ein sicherer Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG und § 26a Abs. 2 AsylG. Es besteht deshalb die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber dort - wie in jedem anderen Mitgliedstaat - den Erfordernissen der EU-Grundrechtecharta sowie der Genfer Flüchtlingskonvention (GK) und der EMRK entspricht und dass das griechische Asylrecht im Allgemeinen in Einklang mit den internationalen und europäischen Standards steht und die wichtigsten Garantien enthält (sog. „Konzept normativer Vergewisserung“, vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris, Rn. 180 f.; vgl. ferner auch EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 -, juris, Rn. 79 f.). Die Bundesrepublik Deutschland hat jedoch Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art. 3 EMRK) greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird. Eine Prüfung solcher ausnahmsweise vorliegenden Hinderungsgründe kann der Ausländer nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem in dem Konzept nicht berücksichtigten Sonderfall betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, juris, Rn. 189 f.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 21.12.2011, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 - 10 B 6/14 -, juris, Rn. 9; OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.12.2016 - 8 LB 184/15 -, juris, Rn. 32 f.).
Eine Behandlung ist unmenschlich im Sinne von Art. 3 EMRK, wenn sie absichtlich und über eine gewisse Dauer hinweg erfolgt und entweder eine Körperverletzung oder intensives psychisches oder physisches Leid verursacht. Als erniedrigend ist eine Behandlung anzusehen, wenn sie eine Person erniedrigt oder entwürdigt, indem sie es an Achtung für die Menschenwürde fehlen lässt oder diese angreift oder Gefühle der Angst, des Schmerzes oder der Unterlegenheit erweckt, die geeignet sind, den moralischen oder körperlichen Widerstand der Person zu brechen (vgl. zum Vorstehenden Karpenstein/Mayer, EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 3 Rn. 8).
Ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK kann hier nicht allein daraus abgeleitet werden, dass seit 2011 Überstellungen von Asylbewerbern auf der Grundlage der Verordnung (EU) 604/2013 (im Folgenden: Dublin-III-VO) nach Griechenland wegen vom Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte angenommener systemischer Mängel im griechischen Asylsystem (bislang) nicht mehr erfolgen (vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09 -, M.S.S. ./. Bulgarien und Griechenland, NVwZ 2011, 413). Dublin-Überstellungen waren seit dem genannten Urteil von allen Mitgliedstaaten im Grundsatz ausgesetzt worden. Inzwischen schätzt die EU-Kommission die Lage in Griechenland aber so ein, dass Überstellungen in begrenztem Umfang wieder aufgenommen werden können (vgl. Empfehlung der Kommission vom 08.12.2016 an die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Überstellungen nach Griechenland gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 - im Folgenden: Kommission, Empfehlung). Die Empfehlung der EU-Kommission gilt allerdings nur für Personen, die nach dem 15.03.2017 irregulär nach Griechenland eingereist sind oder für die Griechenland aufgrund anderer Vorschriften der Dublin-Verordnung ab diesem Zeitpunkt zuständig sein wird. Außerdem soll Griechenland dem überstellenden Mitgliedstaat eine individuelle Zusicherung geben, dass die Person in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht wird, welche den Standards der Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) entspricht und ihr Antrag nach Maßgabe der Verfahrensrichtlinie (2013/32/EU) bearbeitet wird. Vulnerable Personengruppen, einschließlich unbegleiteter Minderjähriger, sollen zunächst nicht nach Griechenland überstellt werden (vgl. Kommission, Empfehlung, S. 13, 17 f.; Schreiben des Innenministers an den Vorsitzenden des Innenausschusses sowie an die Vorsitzende des Petitionsausschusses vom 30.12.2016; siehe nunmehr auch den Erlass des Bundesministeriums des Innern betreffend Dublin-Überstellungen nach Griechenland an die Präsidentin des Bundesamts vom 15.03.2017 - Az.: AG M4 - 20203/1#1 -, abrufbar unter: http://www.frnrw.de/).
Das Vorliegen systemischer Mängel im Asylverfahren kann aber ohnehin - für sich genommen - noch nicht die Annahme einer Verletzung von Art. 3 EMRK auch in Bezug auf anerkannte Schutzberechtigte rechtfertigen (vgl. VG München, Urteil vom 24.05.2016 - M 12 K 16.30513 -, juris, Rn. 35 sowie VG Berlin, Beschluss vom 17.02.2017 - 23 L 1629.16 A -, juris, Rn. 10, jeweils m. w. N.). Denn maßgeblich ist nicht die tatsächliche Situation von Asylantragstellern in Griechenland, sondern die von Personen, die - wie die Antragsteller zu 1. und 2. - schon internationalen Schutz zuerkannt bekommen haben. Anerkannte Schutzberechtigte unterliegen anderen Regelungen und einer anderen tatsächlichen Situation als Asylsuchende, die sich noch im Anerkennungsverfahren befinden. Diese kann sich in Bezug auf ein konkretes Land als besser, aber auch als schlechter, darstellen. Der Inhalt des internationalen Flüchtlingsschutzes wird unionsrechtlich vorgegeben durch die Regelungen in Art. 20 bis 35 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Richtlinie 2011/95/EU). Es gelten einheitliche Vorgaben etwa für die Erteilung des Aufenthaltstitels (Art. 24) und der Reisedokumente (Art. 25 Abs.1). Einem anerkannten Schutzberechtigten müssen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung (Art. 26), zur Bildung (Art. 27), zum Erhalt von Sozialleistungen (Art.29) und medizinischer Versorgung (Art. 30) dieselben Rechte wie dem jeweiligen Staatsangehörigen zustehen. Entscheidend ist damit, ob in Griechenland der danach gebotene Inhalt des zuerkannten Schutzstatus hinreichend eingehalten wird oder ob für die Antragsteller als anerkannte Schutzberechtigte eine Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 17.02.2017 - 23 L 1629.16 A -, juris, Rn. 10 m. w. N.).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte können auch die staatlich zu verantwortenden allgemeinen Lebensbedingungen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen. Der EGMR hat die dabei bestehenden staatlichen Gewährleistungspflichten im Einzelnen folgendermaßen konkretisiert. Art. 3 EMRK kann nach dessen Rechtsprechung (EGMR; Große Kammer, Urteil vom 04.11.2014 - Nr. 29217/12 -, Tarakhel ./. Schweiz, NVwZ 2015, 127, 129 ff.) nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er die Mitgliedstaaten verpflichtet, jede auf ihrem Hoheitsgebiet befindliche Person mit einer Unterkunft zu versorgen. Auch enthalte Art. 3 EMRK keine generelle Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Es sei jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Verantwortlichkeit eines Staates unter Art. 3 EMRK gegeben sein könne, wenn ein völlig von staatlicher Unterstützung abhängiger Flüchtling mit Gleichgültigkeit seitens des Staates konfrontiert sei, während er sich in einer mit der Menschenwürde unvereinbaren Situation ernster Bedürftigkeit befinde (EGMR, Urteil vom 4.11.2014 - Nr. 29217/12 -, Tarakhel/Schweiz, NVwZ 2015, 127, Rn. 98; vgl. hierzu auch Meyer-Ladewig/Lehnert, in: Meyer-Ladewig, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 3 Rn. 81). Eine Verletzung von Art. 3 sei anzunehmen, wenn der Asylsuchende obdachlos sei, keinerlei Zugang zu sanitären Einrichtungen und allgemeinen sozialen Unterstützungen habe und überdies keine Möglichkeit und Perspektive bestehe, dass der Betroffene seine Grundbedürfnisse befriedigen könne (EGMR, Urteil vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09 -, M.S.S./Belgien und Griechenland, NVwZ 2011, 413, Rn. 250, 263). Des Weiteren ist bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK aber zu berücksichtigen, dass das Unionsrecht den Betroffenen lediglich Inländergleichbehandlung (vgl. nochmals etwa Art. 26, 27, 28 Abs. 1, 29, 30 der Richtlinie 2011/95/EU) oder Gleichbehandlung mit anderen sich rechtmäßig aufhaltenden Drittstaatsangehörigen (vgl. etwa Art. 32 und 33 der Richtlinie 2011/95/EU) gewährt.
Auch unter Beachtung dieser strengen Maßstäbe liegt hier ein Abschiebungsverbot gemäß Art. 3 EMRK i. V. m. § 60 Abs. 5 AufenthG vor, sodass eine Abschiebung der Antragsteller zu 1. bis 3. nach Griechenland nicht durchgeführt werden darf.
Nach einer aktuellen Gesamtwürdigung der zu Griechenland vorliegenden Berichte und Stellungnahmen, vor allem von Nichtregierungsorganisationen, denen ein besonderes Gewicht zukommt (vgl. zur Prüfpflicht des Gerichts BVerfG, Beschluss vom 21. April 2016 - 2 BvR 273/16 -, juris Rn. 11), sieht das Gericht in Bezug auf anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland zwar keine Anhaltspunkte für einen generellen Verstoß gegen Art. 3 EMRK (so auch VG Saarland, Urteil vom 15.03.2017 - 3 K 1165/16 -, juris, Rn. 23; VG Berlin, Beschluss vom 17.02.2017 - 23 L 1629.16 A -, juris, Rn. 14; VG Oldenburg, Beschluss vom 02.03.2017 - 11 B 1098/17 -; vgl. auch Österreichisches Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.11.2016 - W192 2128629-2 -, S. 11 - 16, abrufbar unter http://www.ris.bka.gv.at). Jedoch ist das Gericht davon überzeugt, dass ausreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass in Bezug auf besonders schutzbedürftige anerkannte Schutzberechtigte (insbesondere Familien mit kleinen oder schulpflichtigen Kindern, schwerwiegend oder lebensbedrohlich Erkrankte und unbegleitete Minderjährige) die tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. in diese Richtung schon VG Göttingen, Beschluss vom 08.11.2016 - 2 B 387/16 sowie Beschluss vom 28.12.2016 - 2 B 524/16 -; wohl auch VG Oldenburg, Beschluss vom 02.03.2017 - 11 B 1098/17 -, wobei dort im konkreten Fall keine besondere Schutzbedürftigkeit vorlag und entsprechend vom Gericht verneint wurde). Eine Überstellung nach Griechenland ohne konkret-individuelle Zusicherung seitens der griechischen Behörden stellt im vorliegenden Fall eine menschenrechtswidrige Behandlung dar. Denn das Gericht ist nach ausführlicher Auswertung und Gesamtwürdigung aktueller Berichte und Stellungnahmen davon überzeugt, dass die Antragsteller zu 1. bis 3. im Fall einer Abschiebung nach Griechenland mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in die Gefahr der Obdachlosigkeit und in eine existenzielle Notlage geraten würden, die sie nicht aus eigener Kraft abwenden könnten. Denn als Familie mit zwei Kleinkindern sehen sich die Antragsteller zu 1. und 2. samt ihrer zweijährigen Tochter, der Antragstellerin zu 3., und ihres - in Deutschland nachgeborenen - ein halb Jahre alten Sohnes (Antragsteller im Verfahren 3 B 269/17) besonderen Herausforderungen und Schwierigkeiten bei der Befriedigung ihrer existenziellen Grundbedürfnisse ausgesetzt.
Nach der aktuellen Auskunftslage gewährt Griechenland anerkannten Schutzberechtigten grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländern Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, zum Arbeitsmarkt und zur Sozialversicherung (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Trier vom 22.12.2016, abrufbar unter abrufbar unter https://milo.bamf.de; Deutscher Bundestag, 2016: Sozialleistungen für Asylsuchende und Flüchtlinge in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten, WD 6 - 056/16, S. 9, abrufbar unter https://www.bundestag.de; European Commission, Directorate-General for Employment, Social Affairs and Inclusion European Employment Policy Observatory, Labour market integration of asylum seekers and refugees - Greece, April 2016, S. 2 ff., 13 f., abrufbar unter ec.europa.eu - im Folgenden: European Commission, Labour market integration). In der Praxis sorgt die schlechte wirtschaftliche und staatlich-administrative Situation des Landes aber für starke Einschränkungen bei der tatsächlichen Inanspruchnahme dieser Rechte (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Trier vom 22.12.2016). Das Fehlen von Integrationsmaßnahmen und die fortwährenden Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise in Griechenland führen oftmals zu einer Marginalisierung und sozioökonomischen Exklusion von anerkannten Schutzberechtigten in Griechenland (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Griechenland, 05.08.2016, S. 16, abrufbar unter https://www.asylfact.justiz.hessen.de/Asylfact/ - im Folgenden: BFA, Länderinformationsblatt; United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR), Observations on the Current Situation of Asylum in Greece, Dezember 2014, S. 31, abrufbar unter www.refworld.org/docid/54cb3af34.html - im Folgenden: UNHCR, 2014). Es gibt zwar eine nationale Integrationsstrategie und einzelne Integrationspolitiken, es fehlen aber zumeist zielgerichtete Maßnahmen zur Umsetzung dieser Integrationspolitiken sowie zur Unterstützung nach der Zuerkennung eines Schutzstatus (vgl. European Commission, Labour market integration, S. 3 ff.; BFA, Länderinformationsblatt, S. 16 m. w. N.). Existierende Integrationsmaßnahmen richten sich in erster Linie an Migranten, nicht an Schutzberechtigte (BFA, Länderinformationsblatt, S. 16 m. w. N.). Der UNHCR hat Fälle dokumentiert, in denen Personen mit Schutztitel nicht über ihre Rechte informiert wurden (UNHCR, 2014, S. 31). Hilfsorganisationen können dies teilweise ausgleichen (BFA, Länderinformationsblatt, S. 16). In Griechenland gibt es drei Schutzmöglichkeiten: Flüchtlingsstatus, subsidiärer und humanitärer Schutz. Letztere sind rechtlich gleichgestellt (BFA, Länderinformationsblatt, S. 16), wobei der Flüchtlings- und subsidiäre Schutzstatus eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis von 3 Jahren vorsehen und der humanitäre Schutz eine solche von 2 Jahren (vgl. Asylum Information Database, Country Report: Greece, Update 2016, 31.12.2016, S. 136, abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/ - im Folgenden: AIDA, 2016).
Anerkannte Schutzberechtigte haben seit Februar 2016 einen gesetzlichen Anspruch auf unentgeltliche medizinische Behandlung (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Trier vom 22.12.2016). Nicht Krankenversicherte erhalten im Rahmen des öffentlichen Gesundheitswesens dieselben Rechte wie die Versicherten. Sämtliche ärztliche Untersuchungen und Eingriffe sind kostenfrei. Bei Operationen in den öffentlichen Krankenhäusern fallen keine Zuzahlungen an, die zahnmedizinische Versorgung ist ebenso kostenfrei wie die Betreuung Schwangerer durch Hebammen. Dasselbe gilt für die Versorgung mit Arzneimitteln aus öffentlichen und privaten Apotheken (vgl. hierzu Ärzteblatt, 21.07.2016, Griechenland: Nicht Krankenversicherte erhalten Zugang zur Gesundheitsversorgung, abrufbar unter https://www.aerzteblatt.de; Griechenland Zeitung, 12.04.2016, Kostenlose medizinische Versorgung für alle Bürger, abrufbar unter https://www.griechenland.net; AIDA, 2016, S. 111 f.). Faktisch sind die staatlichen Kliniken und Gesundheitsträger aber aufgrund der Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise überlastet (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Trier vom 22.12.2016; Asylum Information Database, Country Report: Greece, Fourth Update, 30.09.2015, S. 87, abrufbar unter http://www.asylumineurope.org/ - im Folgenden: AIDA, 2015; AIDA, 2016, S. 112, 143). Die Realisierung der genannten Rechte ist in der Praxis nicht stets gewährleistet (vgl. More than Six Months Stranded – What Now? - A Joint Policy Brief on the Situation for Displaced Persons in Greece, Oktober 2016, S. 5, abrufbar unter https://www.oxfam.org/en/research/more-six-months-stranded-what-now; AIDA, 2016, S. 112, 143). Kostenfreie Notfallversorgung im Krankenhaus ist aber gewährleistet (AIDA, 2015, S. 88).
Spätestens seit dem Erlass des Gesetzes 4375/2106 im April 2016 haben alle international Schutzberechtigten in Griechenland unter denselben Voraussetzungen Zugang zum Arbeitsmarkt wie Griechen und Angehörige eines EU-Mitgliedstaates, wenn sie eine gültige Aufenthaltserlaubnis besitzen (vgl. European Commission, Labour market integration, S. 2; AIDA, 2016, S. 142). Im Gegensatz zu Asylantragstellern wurden anerkannte Schutzberechtigte - auch schon vor Erlass des genannten Gesetzes - bei der Vergabe von Arbeitserlaubnissen - in rechtlicher Hinsicht - (zumeist) nicht gegenüber griechischen und EU-Bürgern diskriminiert (vgl. European Commission, Labour market integration, S. 3). Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird allerdings durch (tatsächliche) allgemeine Diskriminierung gegenüber Migranten und Verzögerungen bei der Ausstellung oder Verlängerung von notwendigen Dokumenten praktisch erschwert (vgl. BFA, Länderinformationsblatt, S. 16 f.; UNHCR, 2014, S. 31 f.; United Nations Human Rights Council (UNHRC), Report of the Special Rapporteur on contemporary forms of racism, racial discrimination, xenophobia and related intolerance on his mission to Greece, 04.05.2016, S. 15, abrufbar unter www.refworld.org/docid/575fad124.html - im Folgenden: UNHRC, 2016).
Wegen der wirtschaftlich angespannten Lage werden geringe Löhne gezahlt, es besteht hoher Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt und eine hohe Arbeitslosigkeit (vgl. European Commission, Labour market integration, S. 3, 10 f.; AIDA, 2016, S. 142). Diese soll bei (offiziell registrierten) Drittstaatenangehörigen in 2013 bei 40,5% (UNHRC, 2016, S. 16) und im 3. Quartal 2015 bei 29,6 % (vgl. AIDA, 2015, S. 86) gelegen haben. Die wirtschaftliche Krise und fehlende Integrationsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt führen oftmals zu der beschriebenen Marginalisierung und sozioökonomischen Exklusion von Schutzberechtigten in Griechenland. Es gibt zwar auch in Bezug auf die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt eine nationale Integrationsstrategie und Integrationspolitiken, aber es fehlen auch hier zielgerichtete Maßnahmen, die die Vorgaben umgesetzt hätten (vgl. European Commission, Labour market integration, S. 4 ff., 15; BFA, Länderinformationsblatt, S. 16). Staatliche Angebote kostenloser Sprachkurse für Erwachsene zur Integration gibt es bislang keine (vgl. AIDA, 2016, S. 143, wonach nur wenige Nichtregierungsorganisationen kostenlose Sprachkurse anbieten). Der Zugang zu beruflichen Fortbildungsmaßnahmen ist eingeschränkt, solange die Flüchtlinge nicht über Nachweise ihres Bildungsniveaus verfügen (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Trier vom 22.12.2016; AIDA, 2016, S. 142). Das Verfahren zur Anerkennung von Bildungsabschlüssen ist uneinheitlich und unsicher (vgl. European Commission, Labour market integration, S. 6). Es ist daher auch für anerkannte Schutzberechtigte oft schwer, das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt in der Praxis zu realisieren (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Trier vom 22.12.2016).
Bislang existieren weder für Einheimische noch für Schutzberechtigte Unterstützungsleistungen im Sinne eines allgemeinen Sozialhilfesystems (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Trier vom 22.12.2016; Greek Council for Refugees, REPORT OF THE GREEK COUNCIL FOR REFUGEES TO THE UN COMMITTEE ON ECONOMIC, SOCIAL AND CULTURAL RIGHTS IN VIEW OF IST 55th SESSION, 08.01.2015, S. 7, abrufbar unter tbinternet.ohchr.org/Treaties/CESCR/.../GRC/INT_CESCR_ICO_GRC_19295_E.pdf). Dies dürfte insbesondere auf das traditionelle Rollenverständnis der Solidarität innerhalb der griechischen (Groß-) Familie zurückzuführen sein (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Trier vom 22.12.2016). Nach Angabe des Auswärtigen Amts sollen anerkannte Flüchtlinge ab Januar 2017 unter den gleichen Voraussetzungen wie griechische Staatsbürger Zugang zu dem dann neu einzuführenden System der Sozialhilfe erhalten. Soweit ersichtlich ist es jedoch bis jetzt nicht zu einer Einführung des anvisierten Sozialhilfesystems gekommen.
Darüber hinaus ist die Wohnungs- und Unterbringungssituation für anerkannte Schutzberechtigte sehr prekär. Sobald Asylbewerber einen Schutzstatus erhalten haben, müssen sie die Unterbringungseinrichtungen für Asylbewerber verlassen (BFA, Länderinformationsblatt, S. 16). Darüber hinaus existieren weder für anerkannte Schutzberechtigte noch für Einheimische wohnungsbezogene Sozialleistungen, wie z.B. Mietzuschüsse (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Trier vom 22.12.2016). Es gibt keine speziellen Unterbringungsmöglichkeiten für Schutzberechtigte. Ein soziales Wohnungswesen existiert nicht (vgl. AIDA, 2016, S. 142; BFA, Länderinformationsblatt, S. 16; US Department of State, Country Report on Human Rights Practices for 2015 - Greece, 13. April 2016, S. 17, abrufbar unter https://www.state.gov/documents/organization/253065.pdf). Eine geeignete private Unterkunft zu finden ist sehr teuer, was zu Obdachlosigkeit führen kann (BFA, Länderinformationsblatt, S. 16). Zudem ist eine private Anmietung von Wohnungen durch Flüchtlinge auch deswegen schwierig, weil Vermietungen in der griechischen Gesellschaft traditionell vorzugsweise innerhalb des Familien- und Bekanntenkreises erfolgen (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Trier vom 22.12.2016). Im Falle von Obdachlosigkeit müssen die Flüchtlinge mit bedürftigen Griechen um die geringen Hilfsmöglichkeiten lokaler Behörden konkurrieren, wobei sie oftmals Diskriminierungen ausgesetzt sind (vgl. BFA, Länderinformationsblatt, S. 16; AIDA, 2016, S. 142; UNHRC, 2016, S. 15; UNHCR, 2014, S. 32). In Athen gibt es beispielsweise nur vier Obdachlosenunterkünfte. Bei diesen können sich anerkannte Schutzberechtigte bewerben. Einen Platz zu bekommen ist äußerst schwierig, da die Unterkünfte dauerhaft überfüllt sind und ständig neue Bewerbungen erhalten (vgl. AIDA, 2016, S. 142). Anerkannte Schutzberechtigte, die nicht die notwendigen finanziellen Mittel für eine Unterkunft haben, bleiben obdachlos oder kommen in verlassenen Häusern oder überfüllten (untervermieteten) Wohnungen unter (vgl. AIDA, 2016, S. 142).
Außerdem berichten UNHCR und UNHRC fortlaufend von rassistischen und fremdenfeindlichen Gewalttaten gegenüber Migranten in Griechenland, welche sich unter dem Eindruck der ökonomischen Krise verstärkt haben, und die eine fortwährende Bedrohung für Migranten darstellen (vgl. UNHCR, 2014, S. 35 ff.; UNHRC, 2016, S. 13 f.). Der UN-Sonderberichterstatter wurde über 65 Vorfälle in den ersten neun Monaten des Jahres 2014, 166 Vorfälle in 2013, 154 in 2012 und 63 in 2011 unterrichtet. 60 % der Opfer waren anerkannte Schutzberechtigte, Asylbewerber oder (noch) undokumentierte Migranten (vgl. UNHRC, 2016, S. 13). Viele dieser Taten wurden in organisierter Form durch selbsternannte „Bürgerwehren“ durchgeführt (vgl. UNHRC, 2016, S. 13; UNHCR, 2014, S. 36). Viele Übergriffe werden nicht dokumentiert und nicht angezeigt (UNHRC, 2016, S. 13). Auf solche, die gegenüber der Polizei angezeigt wurden, ist vielfach unangemessen und wenn nur mit mäßigem Erfolg reagiert worden (UNHRC, 2016, S. 13; Amnesty International Report 2014/2015, 22.02.2015, S. 3, abrufbar unter https://milo.bamf.de). Ein Verstoß Griechenlands gegen seine Pflicht, Schutz vor Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit zu gewähren, lässt sich jedoch nicht feststellen (so auch VG Berlin, Beschluss vom 17.02.2017 - 23 L 1629.16 A -, juris, Rn. 15 m. w. N.). Der griechische Staat hat auf die steigende Zahl von rassistischen und fremdenfeindlichen Gewalttaten gegenüber Migranten u. a. mit der Verschärfung von Strafgesetzen und verschiedenen Maßnahmen zur besseren Strafverfolgung reagiert (vgl. ausführlich UNHRC, National report submitted in accordance with paragraph 5 of the annex to Human Rights Council resolution 16/21, 22.02.2016, S. 10 ff., abrufbar unter http://ap.ohchr.org/documents/alldocs.aspx?doc_id=26260).
Nach einer Gesamtwürdigung der vorstehenden Erkenntnisse ist festzuhalten, dass anerkannte Schutzberechtigte in Griechenland im Grundsatz die gleichen (eingeschränkten) Rechte wie die einheimische Bevölkerung haben, von der ebenfalls erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgt. Dies ist unionsrechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden (vgl. VG Saarland, Urteil vom 15.03.2017 - 3 K 1165/16 -, juris, Rn. 23; VG Berlin, Beschluss vom 17.02.2017 - 23 L 1629.16 A -, juris, Rn. 14; VG Oldenburg, Beschluss vom 02.03.2017 - 11 B 1098/17 -, jeweils zu Griechenland; vgl. ferner OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 24.08.2016 - 13 A 63/16.A -, juris, Rn. 53 ff. und vom 19.05.2016 - 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 89 ff.; VG Saarland, Beschluss vom 29.12.2016 - 3 L 2669/16 -, juris, Rn. 12, jeweils zu Italien). In Bezug auf die Gruppe besonders Schutzbedürftiger, wie im vorliegenden Fall die Antragsteller zu 1. bis 3., ist das Gericht hingegen - nach umfassender Gesamtwürdigung der Erkenntnisse - davon überzeugt, dass diese - ohne besondere Zusicherung der zuständigen griechischen Stellen - mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in die Gefahr der Obdachlosigkeit und in eine existenzielle Notlage geraten würden, die sie nicht aus eigener Kraft abwenden könnten. Insoweit ist auch der Umstand zu berücksichtigen, dass anerkannte Schutzberechtigte, anders als die griechische Bevölkerung, nicht über ein familiäres Netzwerk verfügen, welches in Griechenland bei der sozialen Absicherung eine besondere Rolle spielt (vgl. nochmals Auskunft des Auswärtigen Amts an das Verwaltungsgericht Trier vom 22.12.2016). Bei der aktuellen Lage in Griechenland kann aus Sicht des Gerichts nur mit konkret-individuellen Zusicherungen den Vorgaben des EGMR zu vulnerablen Personengruppen, insbesondere zu Familien mit Kleinkindern, entsprochen werden.
Zur Gruppe der besonders verletzlichen Personen gehören nach der Rechtsprechung des EGMR insbesondere auch Familien mit minderjährigen Kindern, mithin auch die Antragsteller zu 1. und 2., ihre zweijährige Tochter, die Antragstellerin zu 3., und ihr ein halb Jahre alter Sohn (Antragsteller im Verfahren 3 B 269/17), ohne die die Antragsteller zu 1. bis 2. zur Wahrung der Familieneinheit nicht abgeschoben werden dürfen. Der EGMR hat in seiner „Tarakhel“-Entscheidung insoweit ausgeführt, dass insbesondere minderjährige Asylbewerber eines besonderen Schutzes bedürften, weil sie besondere Bedürfnisse hätten und extrem verwundbar seien. Das gelte auch, wenn die Kinder von ihren Eltern begleitet würden. Die Aufnahmeeinrichtungen für minderjährige Asylbewerber müssten an ihr Alter angepasst sein, um sicherzustellen, dass keine Situation von Anspannung und Angst mit besonders traumatisierenden Wirkungen für die Psyche der Kinder entstehe. Eine Überstellung nach Griechenland verstößt darum nur dann nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn die griechischen Behörden eine individuelle Garantieerklärung abgeben, wonach die Betroffenen eine Unterkunft erhalten und ihre elementaren Bedürfnisse abgedeckt sind (vgl. dazu EGMR, Große Kammer, Urteil vom 04.11.2014 - Nr. 29217/12 -, Tarakhel ./. Schweiz, NVwZ 2015, 127, 131, Rn. 118 f.). Dies ist hier nicht deshalb entbehrlich, weil die Antragsteller zu 1. und 2. nach Auskunft der griechischen Behörden als international Schutzberechtigte anerkannt sind. Vielmehr sind die vom EGMR in der „Tarakhel“-Entscheidung dargelegten Grundsätze auch auf Personen anzuwenden, die mit einem Schutzstatus (Flüchtlingsanerkennung oder subsidiärer Schutzstatus) in den diesen gewährenden Drittstaat rücküberstellt werden sollen (vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 29.03.2017 - 3 B 168/17 -; VG Trier, Beschluss vom 16.03.2017 - 5 L 1846/17.TR -, juris, Rn. 12; VG Lüneburg, Urteil vom 13.12.2016 - 8 A 175/16 -, juris, Rn. 47 m. w. N., jeweils zu Italien).
Eine danach notwendige konkret-individuelle Zusicherung der griechischen Behörden bezüglich des Familienverbandes der Antragsteller hat die Antragsgegnerin nicht vorgelegt. Demzufolge ist davon auszugehen, dass die Abschiebungsandrohung nach Griechenland hier aus Rechtsgründen (§§ 35, 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 AsylG) nicht hätte erlassen werden dürfen.