Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 25.04.2017, Az.: 2 A 152/16

Abzugsbetrag für Steuern; Missbräuchliche Inanspruchnahme; Rechtsmissbrauch

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
25.04.2017
Aktenzeichen
2 A 152/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53899
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Verzichtet ein Wohngeldberechtigter auf einen Teil des ihm zustehenden Sparerfreibetrages, nur um in den Genuss des Abzugsbetrages nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 WoGG zu gelangen, handelt er rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 21 Nr. 3 WoGG.

Tatbestand:

Der Kläger ist Miteigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Anwesens in F.. Hierfür beantragte er mit Wiederholungsantrag vom 23. Februar 2016 beim Beklagten Wohngeld in Form des Lastenzuschusses.

Als Einkünfte gab er hierbei neben seiner Erwerbsminderungsrente in Höhe von 835,28 € monatlich, Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 438,73 € sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer landwirtschaftlich genutzten Ackerfläche in Höhe von 127,82 € jährlich an. Auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen zahlte der Kläger im Kalenderjahr 2015 dadurch, dass er den ihm zustehenden steuerlichen Freistellungsbetrag nicht in voller Höhe in Anspruch nahm Kapitalertragsteuer in Höhe von 69,60 €. Im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung wies der Kläger im Laufe des gerichtlichen Verfahrens Werbungskosten in mindestens derselben Höhe wie der Einnahmen nach.

Mit Bescheid vom15. April 2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger ein monatliches Wohngeld für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2016 in Höhe von 51,- €.

Dabei berücksichtigte er bei der Berechnung des Gesamteinkommens die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung ohne die von ihm im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nachgewiesenen Werbungskosten. Ferner stellte er die vom Kläger angegebenen Einkünfte aus Kapitalvermögen abzüglich eines Sparerfreibetrages in Höhe von 100,- € mit 28,23 € monatlich in die Berechnung ein. Den Abzugsbetrag nach § 16 Abs. 1 WoGG berücksichtigte der Beklagte bei seiner Berechnung in Höhe von 10 vom Hundert.

Hiergegen hat der Kläger am 10. Mai 2016 Klage erhoben.

Mit seiner Klage macht der Kläger einerseits geltend, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien deshalb nicht zu berücksichtigen, weil er mindestens in derselben Höhe Werbungskosten gehabt habe.

Zum anderen ist er der Auffassung, ihm stünde ein zusätzlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 WoGG in Höhe von weiteren 10 vom Hundert zu. Dies deshalb, weil er Steuern auf das Einkommen, nämlich Kapitalertragsteuer, gezahlt habe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 15. April 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm Wohngeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, Werbungskosten seien bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht in Abzug zu bringen. Er ist ferner der Rechtsauffassung, dem Kläger stünde ein weiterer Freibetrag wegen der Zahlung von Steuern auf das Einkommen in Höhe von weiteren 10 vom Hundert nicht zu. Der Kläger habe seinen Sparerfreibetrag willkürlich so verringert, dass Kapitalertragsteuer in Höhe von 67,16 € angefallen seien. Hätte er den vollen Sparerfreibetrag in Anspruch genommen, wären, wie im Vorjahr, Steuern vom Einkommen nicht angefallen. Das Verhalten des Klägers sei rechtsmissbräuchlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur im tenorierten Umfang begründet. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind entgegen der Auffassung des Beklagten bei der Berechnung des klägerischen Gesamteinkommens nicht zu berücksichtigen. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers, hat der Beklagte jedoch zutreffend nur einen Abzugsbetrag nach § 16 Abs. 1 WoGG in Höhe von 10 vom Hundert in Abzug gebracht.

Gemäß § 14 Abs. 1 WoGG ist das Jahreseinkommens eines zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieds vorbehaltlich des Absatzes 3 die Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - zuzüglich der Einnahmen nach Abs. 2, abzüglich der Abzugsbeträge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (§ 16). Zu den steuerlichen Einkünften gehören gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6 EStG die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG sind Einkünfte bei dieser Einkunftsart der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8 bis 9 a EStG). Somit ergibt sich die Summe der positiven Einkünfte aus der Summe der Einnahmen nach § 8 EStG abzüglich der Summe der Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Werbungskosten sind dabei Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind gemäß Satz 2 der Vorschrift bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Die Aufwendungen für die Berufsgenossenschaft, den Landwirtschaftskammerbeitrag sowie die für die Fläche zu zahlende Grundsteuer sind als Werbungskosten im Zusammenhang mit der Verpachtung der landwirtschaftlich genutzten Fläche anzusehen und vom Kläger auch in der Höhe nachgewiesen. Die Werbungskosten übersteigen die Einnahmen, so dass sich positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht - mehr - ergeben. Auf den Nachweis der Werbungskosten durch den Kläger im Laufe des gerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte nicht reagiert. Die Berücksichtigung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von monatlich 10,65 € ist somit rechtswidrig. Unter Berücksichtigung dieser Einkommenskürzung ergibt sich ein monatlicher Wohngeldanspruch in Höhe von 56,00 Euro.

Zutreffend hat der Beklagte indes einen Abzugsbetrag nach § 16 Abs. 1 von 10 vom Hundert nur für die vom Kläger geleisteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 WoGG berücksichtigt. Ein zusätzlicher Abzug nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 WoGG für die Entrichtung von Steuern vom Einkommen in Höhe von weiteren 10 vom Hundert ist entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht vorzunehmen. Zwar hat der Kläger Einkommensteuer in Form der Kapitalertragsteuer entrichtet. Die Berücksichtigung eines solchen Freibetrages scheitert indes an § 21 Nr. 3 WoGG. Danach besteht ein Wohngeldanspruch nicht, soweit die Inanspruchnahme missbräuchlich wäre, insbesondere wegen erheblichen Vermögens.

Mit dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber erreichen, dass Wohngeld nicht gewährt wird, wenn besonders vorteilhafte, nach den Regeln über die Einkommensermittlung noch nicht erfasste vermögenswerte Rechtspositionen oder sonst zu missbilligende Verhaltensweisen vorliegen (BT-Drs. 8/3903, S. 83). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass staatliche Leistungen dann nicht gewährt werden sollen, wenn der Antragsteller aus objektiver Sicht seine finanziellen Verhältnisse von der Einnahmen- und der Ausgabenseite her so gestalten kann, dass er aus eigenen Mitteln die Belastung aufzubringen vermag, und wenn es - objektiv betrachtet - keine unbillige Härte darstellt, ihn darauf zu verweisen. Auch unter Geltung des Sozialstaatsprinzips muss vom Einzelnen gefordert werden, dass er zur Befriedigung seines Bedarfs nicht sofort Hilfe durch die Allgemeinheit in Anspruch nimmt (BayVGH, Beschluss vom 04.10.2005 - 9 ZB 05.1654 -, juris, zur Vorgängervorschrift in § 18 Nr. 6 WoGG a.F.; Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, Stand: März 2015, § 21 Rn. 23). Die Erfüllung des Missbrauchstatbestands setzt nicht voraus, dass dem Antragsteller ein sittenwidriges, anderweitig vorwerfbares oder gar auf einen versuchten Betrug hinauslaufendes Verhalten vorzuwerfen ist. Vielmehr hängt sie davon ab, ob die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls den Schluss gebieten, die Gewährung von Wohngeld widerspreche der Intention des Gesetzes. Das wiederum ist der Fall, wenn sich der Antragsteller im Zusammenhang mit der isolierten oder doch isolierbaren Verfolgung wohngeldrechtlicher Zwecke in einer Weise verhält, die qualitativ oder in gesteigertem Ausmaß quantitativ ungewöhnlich ist, und sich dieser Ungewöhnlichkeit wegen die Annahme aufdrängt, die Grundlage des Wohngeldanspruchs sei (ggf. insoweit) gleichsam "künstlich" oder "konstruiert" (BVerwG, Urteil vom 25.09.1992 - 8 C 68 und 70/90 -, BVerwGE 91, 82; Urteil der erkennenden Kammer vom 12.05.2016 -2 A 385/14-, juris).

Das Gebot einer sparsamen und effektiven Verwendung staatlicher Mittel und der Charakter des Wohngeldes als Sozialleistung gebieten es, dessen Inanspruchnahme als missbräuchlich anzusehen, wenn seine Gewährung zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens tatsächlich nicht notwendig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.04.2013 - 5 C 21/12 -, juris). Die Kammer hat in der Vergangenheit ein derart missbräuchliches Verhalten u.a. für den Fall angenommen, dass einem Wohngeldberechtigten ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, ein höheres Einkommen zu erzielen als tatsächlich geschehen. Verzichtet ein Wohngeldberechtigter bewusst und ohne nachvollziehbaren Grund auf die Erzielung von Einnahmen, handelt er rechtsmissbräuchlich; sein ungewöhnliches Verhalten lässt sich nur aus dem Ziel des Wohngeldbezuges erklären (vgl. Urteil der erkennenden Kammer vom 05.08.2010 - 2 A 159/10 -, juris; Urteil vom 12.05.2016 , a.a.O.).

Gemessen an diesen Vorgaben ist das Verhalten des Klägers in Bezug auf die Inanspruchnahme des ihm gesetzlich zustehenden Sparerfreibetrages rechtsmissbräuchlich. Es lässt sich allein dadurch erklären, dass der Kläger durch dieses Verhalten in den Genuss eines höheren Abzugsbetrages nach § 16 Abs. 1 WoGG gelangen wollte. Das von ihm erstrebte Wohngeld beliefe sich, folgte man seiner Rechtsauffassung auf monatlich 98,- €. Die Differenz zu dem ihm nach Auffassung des Gerichts zustehenden Wohngeldbetrag in Höhe von 56,- € monatlich beträgt 42,- € monatlich. Über das Jahr ergäbe sich ein Anspruch in Höhe von 504,- € Wohngeld mehr. Dem stehen gezahlte Kapitalertragsteuern in Höhe von rund 70,- € im Jahr gegenüber. Gäbe es den wohngeldrechtlichen Nutzen nicht, würde die Verhaltensweise des Klägers keinerlei Sinn machen; denn niemand zahlt Steuern, wenn er nicht muss. Der Kläger hätte die Kapitalertragsteuer nicht zahlen müssen, wenn er seine Gestaltungsfreiheit beim Sparerfreibetrag so genutzt hätte, dass er ihn in voller Höhe in Anspruch nimmt. Bezüglich der Zahlung der Kapitalertragsteuer hätte sich der Kläger mithin selbst helfen können, sodass eine wohngeldrechtliche Berücksichtigung der von ihm gezahlten Kapitalertragsteuer nach § 16 Satz 1 Nr. 1 WoGG nicht geboten ist, um den Kläger von einer Einkommensteuerlast zu entlasten. Sein Verhalten ist rechtsmissbräuchlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Wäre der Klage in vollem Umfang stattgegeben worden, hätte der Kläger einen monatlichen Wohngeldanspruch in Höhe von 98,- € gehabt. Tatsächlich werden ihm mit diesem Urteil 56,- € statt 51,- € monatlich zuerkannt. Der Kläger obsiegt mithin in Höhe von 5,- €, unterliegt jedoch in Höhe von 42,- €. Bei einem Unterliegen in Höhe von etwa 9/10 der Streitsumme geht das Gericht davon aus, dass der Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist, sodass dem Kläger die Kosten ganz auferlegt werden können.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.