Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 24.04.2017, Az.: 2 A 5/17
Krankheit; Selbsteintritt
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 24.04.2017
- Aktenzeichen
- 2 A 5/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 54080
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 17 Abs 1 EUV 604/2013
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Eine nicht innerhalb von 18 Monaten heilbare psychische Erkrankung kann das dem Bundesamt eröffnete Ermessen dahin verdichten, dass es verpflichtet ist, von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III Verordnung Gebrauch zu machen.
2. Besteht ein solches langfristiges Abschiebungsverbot oder ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, ist die Behandlung des Asylantrages als unzulässig rechtswidrig.
Tatbestand:
Der Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger und verließ sein Heimatland im Jahre 2013. Am 18. Dezember 2013 stellte er in Italien einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter. Am 8. Februar 2015 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 5. August 2016 einen Asylantrag. Die Beklagte ermittelte einen EURODAC-Treffer mit der Nr. IT1KR01D07. Daraufhin richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an Italien unter dem 13. September 2016 ein Übernahmeersuchen. Auf dieses Ersuchen reagierte Italien nicht.
Angehört zu Gründen, die seiner Überstellung nach Italien entgegenstünden, legte der Kläger ein Attest der Gemeinschaftspraxis Dr. E. und Dr. F. vom 13. Dezember 2016 und einen vorläufigen Arztbrief es evangelischen Krankenhauses G. -H. gGmbH vom 5. März 2015 vor. Beide Atteste stellten beim Kläger eine Analfissur fest, wobei der Kläger im Evangelischen Krankenhaus G. -H. diesbezüglich operiert worden war. Seit dem 20. Dezember 2016 bis zum 21. März 2017 befand sich der Kläger in stationärer psychiatrischer Behandlung in der Universitätsmedizin G., Zentrum für psychosoziale Medizin.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2016 lehnte die Beklagte den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete die Beklagte auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Zur Begründung dieses Bescheides gab die Beklagte an, für die Prüfung des klägerischen Asylbegehrens sei Italien nach der Dublin-III-VO zuständig. Das italienische Asylsystem leide nicht an systemischen Mängeln und der Überstellung des Klägers nach Italien stünde auch Art. 3 EMRK nicht entgegen. Abschiebungsverbote seien vom Kläger weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.
Hiergegen hat der Kläger am 3. Januar 2017 Klage erhoben und gleichzeitig um die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, die Überstellungsfrist des Art. 21 Abs. 1 der Dublin-III-VO sei verstrichen. Das italienische Asylsystem leide an systemischen Mängeln. Im Übrigen sei er schwer traumatisiert und infolge dessen besonders schutzbedürftig. Es lägen infolge dieser Erkrankung sowohl Abschiebungsverbote vor als auch seine Reisefähigkeit nicht gegeben. Zum Beleg dieser Erkrankung legt der Kläger weitere Atteste der Universitätsmedizin G. vom 30. Dezember 2016, 9. Januar 2017 und 21. März 2017 vor.
Aus dem ärztlichen Attest vom 30. Dezember 2016 ergibt sich, dass die Universitätsmedizin G., Frau Dr. I., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie aufgrund der Schwere der Erkrankung und der aktuellen Symptomatik empfiehlt, die aktuelle Abschiebung vorerst auszusetzen, da der Kläger in diesem Zustand nicht als reisefähig einzuschätzen sei. Wie lange der Zustand andauern werde, sei bislang noch nicht absehbar. In dem ärztlichen Attest vom 9. Januar 2017 derselben Ärztin heißt es, aufgrund der Schwere der Erkrankung bei Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung mit Flashback- Symptomatik und Albträumen sei aktuell eine stationäre Behandlung auf der geschützten psychiatrischen Station der UMG aus ärztlicher Sicht erforderlich. Frau Dr. I. bittet hierin, die aktuell geplante Abschiebung vorerst auszusetzen, da der Kläger in diesem Zustand nicht als reisefähig einzuschätzen sei. Wie lange der Zustand des Klägers andauern werde, sei bislang noch nicht absehbar. Die aktuelle Behandlung bestehe aus engmaschiger psychologischer und medikamentöser Therapie. Die ärztliche Stellungnahme der Frau Dr. J., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in der Universitätsmedizin G. vom 21. März 2017 fasst den Gesundheitszustand des Klägers nach seiner stationären Unterbringung bis zum 21. März 2017 im Wesentlichen wie folgt zusammen:
Die Aufnahme des Klägers sei notfallmäßig bei posttraumatischer Belastungsstörung auf freiwilliger Grundlage erfolgt. Aus dem durch Dolmetscher übersetzten Berichten des Klägers gehe zusammengefasst hervor, dass der Kläger misshandelt worden sei, nachdem er eine von ihm besuchte Koranschule verlassen habe und gegen seinen Willen wieder in das Camp dieser Schule zurückgebracht worden sei. Er sei mit Flüssigkeits- und Nahrungsentzug sowie sehr harter körperlicher Arbeit bestraft worden. Ihm gegenüber sei körperliche Gewalt wie Auspeitschungen, Schläge mit Baseballschlägern und weitere Folterungen angewendet worden. Mit dem Kläger sei das Diagnoseverfahren SKID I durchgeführt worden. Als Ergebnis sei eine Majordepression und eine Panikstörung festgestellt worden. Die Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung seien nicht vollständig erfüllt. Dennoch sei dies unter dem Vorbehalt zu betrachten, dass möglicherweise die Englischkenntnisse des Klägers - Anmerkung des Gerichts: die Verständigung mit dem Kläger erfolgte auf Englisch - nicht ausreichten, um die Fragen zur Vermeidung hinsichtlich Trauma bezogener Gedanken und Stimuli korrekt zu verstehen. In weiteren Gesprächen mit dem Kläger habe dieser angegeben, nicht mehr über die traumatischen Erfahrungen sprechen zu wollen. Außerdem seien während des stationären Aufenthalts Flashbacks aufgetreten, mit anschließenden Weinkrämpfen. Aktuell belaste den Kläger die bevorstehende Abschiebung nach Italien. Dort sei ihm zuletzt von Mitflüchtlingen Gewalt angetan worden. Abschließend heißt es in diesem Attest, aus ärztlicher Sicht sei ausdrücklich zu raten, von einer Abschiebung nach Italien abzusehen, um einer möglichen Retraumatisierung vorzubeugen und um langfristig wiederkehrende psychiatrische Behandlungsaufenthalte in psychiatrischen Einrichtungen zu vermeiden und auch um als ein vollwertiges Mitglied einer Gesellschaft integriert werden zu können. Es werde dringend eine Fortführung der psychotherapeutischen Behandlung im ambulanten Bereich empfohlen. Diagnostiziert werden eine Posttraumtische Belastungsstörung mit Flashback-Symptomatik und Panikattacken sowie eine depressive Störung. Wegen der weiteren Einzelheiten der dargestellten ärztlichen Atteste wird auf den Inhalt dieser Dokumente Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem klägerischen Vorbringen in der Sache entgegen und hält die ärztlichen Atteste nicht für aussagekräftig.
Mit Beschluss vom 24. Januar 2017 hat der erkennende Einzelrichter die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers angeordnet. Er sei nicht reisefähig und gehöre zum vulnerablen Personenkreis, der ohne eine verbindliche Zusage italienischer Behörden über eine ausreichende medizinische soziale und wirtschaftliche Versorgung nicht nach Italien überstellt werden dürfe. Eine solche Zusage Italiens fehle.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, über die das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2016 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Die sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO ist entgegen der nicht näher begründeten Rechtsauffassung des Klägers noch nicht abgelaufen, da die Klage durch den Beschluss der Kammer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom 24. Januar 2017 aufschiebende Wirkung bekommen hat.
Die Kammer lässt offen, ob die Ablehnung des Asylantrages des Klägers als unzulässig in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides vom 21. Dezember 2016 deshalb rechtswidrig ist, weil die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 b AsylG, in der hier gemäß § 77 Abs. 1 AsylG anzuwendenden Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016, nicht vorliegen. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO, ABl. L180 vom 29. Juni 2013, Seite 31). Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Dublin-III-VO wird der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Nach den Vorschriften der Art. 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 1 Dublin-III-VO ist für die Prüfung der Mitgliedstaat zuständig, dessen Grenze der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat bzw. - wenn sich dieser Mitgliedstaat nicht feststellen lässt - der erste Mitgliedsstaat in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde. Der zuständige Mitgliedstaat ist hier Italien.
In Italien hat der Kläger am 18. Dezember 2013 einen Asylantrag gestellt und hat Italien sodann in Richtung Deutschland verlassen. Damit ist Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 b der zuständige Mitgliedstaat. Unter dem 13. September 2016 hat die Beklagte ein Wiederaufnahmegesuch an Italien gerichtet. Hierauf hat Italien nicht reagiert, sodass gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO davon auszugehen ist, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben worden ist, was die Verpflichtung Italiens nach sich zieht, die den Kläger wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrung für die Ankunft zu treffen.
Problematisch erscheint, ob der Kläger einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabsätze 2 und 3 Dublin-III-VO hat. Dies wäre nach der genannten Bestimmung nur dann der Fall, wenn es sich als unmöglich erwiese, den Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat Italien zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen. Bisher war die Überstellungssituation für Angehörige sogenannter vulnerabler Gruppen in Italien nicht unbedenklich. So hat der europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 04.11.2014 (Nr. 29217/12, Tarakhel gegen Schweiz, NVwZ 2015, 127) ausgeurteilt, der überstellenden Mitgliedstaat müsse sich von Italien Garantien geben lassen, dass bei diesem vulnerablen Personenkreis die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Italien nicht besteht. Zu diesem vulnerablen Personenkreis gehören gemäß Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen - Aufnahmerichtlinie - (ABl. L 180/96) u.a. Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter erlitten haben.
Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger, wie nachstehend auszuführen sein wird. Indes hat das OVG Münster in seinem Urteil vom 07.07.2016 (13 A 2132/15.A -, Juris) mit guten Argumenten ausgeführt, dass auch ein alleinstehender Mann, der wegen schwerwiegender chronischer Erkrankungen schutzbedürftig im Sinne von Art. 21 der Aufnahmerichtlinie ist und ständiger medikamentöser Versorgung sowie regelmäßiger ärztlicher Kontrollen bedürfe, jedenfalls bei sonst gutem Allgemeinzustand im Falle seiner Überstellung nach Italien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr laufe, wegen systemischer Mängel des dortigen Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechtscharta ausgesetzt zu werden.
Die Kammer kann offenlassen, ob sie sich dieser Rechtsauffassung anschließt. Denn der Ausspruch in Ziffer 1.) des angefochtenen Bescheides der Beklagten ist deshalb rechtswidrig, weil für den Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, jedenfalls aber ein langfristiges Vollstreckungshindernis festzustellen ist. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach Satz 2 der Vorschrift nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Nach § 60 a Abs. 2 c AufenthG wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.
Die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste des UMG vom 30. Dezember 2016 sowie 9. Januar und 21. März 2017 sind derart qualifizierte ärztliche Bescheinigungen. Sie stammen jeweils von Fachärztinnen für Psychiatrie und Psychotherapie und erfüllen auch die in § 60 Abs. 2 c AufenthG genannten inhaltlichen Kriterien. Danach steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger an einer schweren psychischen Erkrankung leidet, und infolge drohender Retraumatisierung aus ärztlicher Sicht ausdrücklich von einer Abschiebung nach Italien abgeraten wird. Dies, um langfristig wiederkehrende psychiatrische Behandlungsaufenthalte in psychiatrischen Einrichtungen zu vermeiden und auch, um als ein vollwertiges Mitglied einer Gesellschaft integriert werden zu können. Im Attest vom 9. Januar 2017 heißt es zudem, der Kläger sei in seinem derzeitigen Zustand nicht reisefähig und wie lange dieser Zustand andauern werde sei bislang noch nicht absehbar.
Als Ergebnis dieser Atteste lässt sich zusammenfassen, dass eine Abschiebung des Klägers nach Italien dessen Gesundheitszustand massiv verschlechtern würde und dass ein Erfolg seiner therapeutischen Behandlung in Deutschland zeitlich nicht abschätzbar ist. Insbesondere lässt sich aus den Attesten nicht ableiten, dass eine Behandlung des Kläger innerhalb von 6 Monaten erfolgreich abgeschlossen sein wird.
Sollte es sich nicht um ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG handeln, so läge in der attestierten psychischen Erkrankung zumindest ein langfristiges inländisches Vollstreckungshindernis. Auch dieses hätte die Beklagte vor Erlass der Abschiebungsanordnung gemäß § 34 a Abs. 1 AsylG zu beachten (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 02.05.2012 - 13 MC 22/12 -, Juris; ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. nur Beschluss vom 02.05.2016 - 2 B 57/16-).
Das Vorliegen dieses langfristigen Abschiebungsverbotes bzw. Abschiebungshindernisses führt dazu, dass die Beklagte gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen hat.
Nach dieser Vorschrift kann abweichend von Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Das der Beklagten hiernach zustehende Ermessen reduziert sich im vorliegenden Fall auf Null dahingehend, dass die Beklagte von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen hat. Die Durchsetzung einer Zuständigkeit, die nach der Dublin-III-VO feststeht kann im Einzelfall zu einer Verletzung der EMRK führen. In diesem Fall wird das Zuständigkeitssystem der Dublin-III-VO ausgesetzt. In von der Verordnung nicht von vorneherein vorsehbaren besonderen Fällen garantiert Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO die EMRK-Konformität. In diesen Fällen ist das Selbsteintrittsrecht zwingend wahrzunehmen. Es handelt sich um ein subjektives Recht des Drittstaatsangehörigen auf Durchsetzung der Ausübung. Insbesondere bei dem realen Risiko einer Verletzung des Art. 3 EMRK ist das Recht des Drittstaatsangehörigen auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts jedenfalls dann erfüllt, wenn es sich um ein langfristiges Abschiebungshindernis bzw. -verbot handelt (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin-III-Verordnung, Stand: 01.02.2014, Art. 17 Anmerkung K2 bis K6; Marx, AsylG, 9. Auflage, § 29 RN 61 bis 63). Ob dies auch für kurzfristig beheb- oder behandelbare Abschiebungsverbote oder -hindernisse gilt kann offen bleiben, da die psychische Krankheit des Klägers nicht kurzfristig behandelbar ist.
Wie dargelegt bestünde im Fall der Abschiebung des Klägers nach Italien das reale Risiko, dass seine Gesundheit massiv gefährdet wird, worin ein Abschiebungsverbot bzw. -hindernis im Sinne von Art. 3 EMRK, entsprechend Art. 4 Grundrechtecharta, zu sehen ist.
Nach den vorliegenden ärztlichen Attesten, ist mit einer kurzfristigen Besserung der Gesundheit des Klägers nicht zu rechnen. Was als langfristiges Abschiebungshindernis/-verbot anzusehen ist, ist am Maßstab der europarechtlichen Vorgaben zu prüfen. Nach Art. 31 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/EU Des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Vorschriften für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes - Asylverfahrensrichtlinie - (ABl. L 180/60) stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass das Prüfungsverfahren innerhalb von 6 Monaten nach förmlicher Antragstellung zum Abschluss gebracht wird. Satz 2 des Absatzes besagt, dass die 6 Monatsfrist im Falle eines Antrags gemäß dem Verfahren nach Maßgabe der Dublin-III-VO zu behandeln ist, sobald der für die Prüfung zuständige Mitgliedstaat gemäß jener Verordnung bestimmt ist, sich der Antragsteller im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedsstaates befindet und er von der zuständigen Behörde betreut wird. Satz 3 der Vorschrift eröffnet die Möglichkeit der Verlängerung der 6-Monatsfrist um höchstens weitere 9 Monate, Satz 4 um längstens weitere 3 Monate, insgesamt also maximal 18 Monate. Selbst wenn man nicht vom Zeitpunkt der Asylantragstellung, sondern in Anlehnung an § 77 Abs. 1 AsylG von der Maßgeblichkeit des Datums der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) ausginge, wäre nach den vorliegenden ärztlichen Attesten nicht absehbar, dass die psychische Erkrankung des Klägers, die eine Überstellung nach Italien derzeit ausschließt, innerhalb einer Frist von 18 Monaten ausbehandelt sein wird. Da es sich bei der Erkrankung des Klägers somit um ein langfristiges Abschiebungsverbot bzw. -hindernis handelt, strahlt dieses über Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags aus.
Liegen damit Abschiebungsverbote vor und ist der Antrag nicht unzulässig, darf auch die Abschiebung nach Italien nicht gemäß § 34 a Abs. 1 AsylG angeordnet werden und darf das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG nicht befristet werden. Infolgedessen sind auch die Ziffern 3 und 4 des angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 21. Dezember 2016 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.