Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 09.11.1995, Az.: 18 WF 117/95

Ausgestaltung der Anwendbarkeit des im Strafrecht aufgegebenen Rechtsinstituts des Fortsetzungszusammenhanges im zivilrechtlichen Ordnungsmittelverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
09.11.1995
Aktenzeichen
18 WF 117/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 32272
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1995:1109.18WF117.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Buxtehude - AZ: 8 F 289/93
AG Buxtehude - 28.08.1995
AG Buxtehude - 18.09.1995

Fundstelle

  • NJW-RR 1996, 902-903 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Wohnungszuweisung

Festsetzung von Ordnungsgeldern

In der Familiensache
hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
die Richterin am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ... am 9. November 1995
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin werden die Beschlüsse des Amtsgerichts - Familiengericht - Buxtehude vom 28.8. und 18.9.1995 geändert. Die Antragstellerin wird zur Zahlung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 10.000 DM verurteilt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 10/19 und der Antragsgegner zu 9/19.

Beschwerdewert: 6.250 DM.

Hinweis: Verbundenes Verfahren

Verbundverfahren siehe:
BVerwG - 09.11.1995 - AZ: 18 WF 118/95

Gründe

1

1.

Die gemäß § 793 Abs. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig. Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren eine Vollmacht des Betreuungsvereins, ausgestellt auf Rechtsanwalt ... vorgelegt.

2

2.

Das Rechtsmittel ist auch teilweise begründet.

3

Soweit die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde allerdings eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, greift dieser Einwand nicht durch. Die Antragstellerin ist im Bestrafungsverfahren durch den von dem Betreuungsverein mandatierten Rechtsanwalt ... vertreten worden. Diesem sind die Bestrafungsanträge des Antragsgegners zugestellt worden, und dieser hat auch den Termin am 21.8.1995 wahrgenommen. Ob die Antragstellerin persönlich Kenntnis von den Bestrafungsanträgen, z.B. durchÜbersendung einer Abschrift seitens ihres Verfahrensbevollmächtigten, gehabt hat, ist für die Frage des rechtlichen Gehörs ohne Bedeutung, ebenso die Frage, ob die Antragstellerin es ablehnt, mit dem ordnungsgemäß bestellten Verfahrensbevollmächtigten zu sprechen. Solange nicht eine wirksame Mandatskündigung seitens des Betreuungsvereins im Hinblick auf Rechtsanwalt ... vorliegt, ist dieser ordnungsgemäß bevollmächtigt, der Grundsatz des rechtlichen Gehörs damit durch Übersendung der Anträge an ihn gewahrt. Auch daß Rechtsanwalt ... im Termin am 11.9.1995 nicht zugegen gewesen ist, das Amtsgericht aber gleichwohl Beweis erhoben und abschließend entschieden hat, begründet keinen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, solange - wie hier am 30.8.1995 geschehen - eine ordnungsgemäße Ladung zum Termin erfolgt ist.

4

Die sofortige Beschwerde ist jedoch - zumindest teilweise - deshalb begründet, weil das Amtsgericht für jede festgestellte und mit der Beschwerde insoweit nicht angegriffene Zuwiderhandlung jeweils ein Ordnungsgeld festgesetzt hat. Der Senat teilt insoweit nicht die Auffassung des Amtsgerichts, daß mit Aufgabe des im Strafrecht entwickelten Rechtsinstituts des Fortsetzungszusammenhanges (BGH NJW 1994, 663 ff. [BGH 12.10.1993 - X ZR 65/92]; 1994, 2368 f.) auch im zivilrechtlichen Ordnungsmittelverfahren nach§ 890 ZPO diese Grundsätze nicht mehr angewandt werden können. Der Bundesgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BGHZ 33, 163, 168 = NJW 1960, 2332; letztmals durch Urteil vom 10.12.1992 = BGHZ 121, 13, 18 = NJW 1993, 721 ff.) ausgeführt, daß der Fortsetzungszusammenhang nach seiner für die zivilrechtliche Vertragsstrafe anerkannten Bedeutung zu verstehen ist und daß eine Anlehnung an den strafrechtlichen Begriff nicht dem Zweck des § 890 ZPO entspricht, vielmehr auch die Einbeziehung fahrlässiger Zuwiderhandlungen statthaft ist (vgl. dazu auch OLG Zweibrücken OLGZ 1989, 360; OLG Frankfurt NJW 1995, 2567). An der Fortgeltung dieser Grundsätze hat sich durch die Abkehr der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Strafrecht nichts geändert. Die Zusammenfassung mehrerer gleichartiger Einzelakte, die eine sogenannte natürliche Handlungseinheit bilden oder bei denen der Wille eines Schuldners von vornherein auf mehrere gleichartige Einzelhandlungen gerichtet ist, beruht auf dem allgemeinen Gerechtigkeitsgebot mit dem Ziel, einer unangemessenen Bestrafung eng zusammengehörender Handlungen durch die Vervielfältigung der für Einzelverstöße vorgesehenen Sanktionen zu begegnen (BGHZ 121 a.a.O.). Nach Auffassung des Senats unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, daß die in den Beschlüssen vom 28.8. und 18.9.1995 sanktionierten Zuwiderhandlungen der Antragstellerin in Fortsetzungszusammenhang stehen. Die Vielzahl der Zuwiderhandlungen zeigt, daß die Antragstellerin offensichtlich nicht gewillt ist, die am 7.2.1994 getroffene Regelung zu akzeptieren. Der hier gegebene Fortsetzungszusammenhang ist unterbrochen worden erst durch Zustellung des Bestrafungsbeschlusses am 30.8.1995.

5

Dies bedeutet, daß vom Beschluß vom 28.8.1995 mitumfaßt sind auch die Vorfälle, die Gegenstand des Beschlusses vom 18.9.1995 gewesen sind, weil sämtliche dort festgestellten Verstöße im Zeitraum vom 30.8.1994 bis 25.8.1995 vor der Zustellung des Beschlusses vom 28.8.1995 liegen.

6

Somit ist insgesamt wegen der fortgesetzten Verstöße ein einheitliches Ordnungsgeld festzusetzen, dessen Höhe angesichts der Hartnäckigkeit und Dreistigkeit der Antragstellerin empfindlich ausfallen muß, zumal sie offensichtlich auch durch die Festsetzung vorhergehender Ordnungsgelder nicht beeindruckt worden ist. Der Senat hält unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände ein Ordnungsgeld von insgesamt 10.000 DM für angemessen.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 6.250 DM.