Landgericht Stade
Urt. v. 28.12.2020, Az.: 8 O 53/20

Gesellschafterliste; Unterlassungsanspruch; Geschäftsführer; Treu und Glauben; Vermächtnis; Gesellschaftliche Treuepflicht

Bibliographie

Gericht
LG Stade
Datum
28.12.2020
Aktenzeichen
8 O 53/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 71411
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
XXX
Kläger
Prozessbevollmächtigte: XXX
gegen
1. XXX
2. XXX
Beklagte
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2: XXX
hat die 8. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Stade auf die mündliche Verhandlung vom 12.11.2020 durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht XXX,
den Handelsrichter XXX und
den Handelsrichter XXX
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte zu 1., die Geschäftsführerin Frau XXX, wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister der Gesellschaft XXX (Handelsregister des Amtsgerichts Tostedt XXX) einzureichen, die den Kläger nicht mehr als Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil lfd. Nr. 2 zum Nennbetrag von 5.000,00 € ausweist,

  2. 2.

    die Beklagten zu 2., die XXX mit Sitz in XXX, wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an der Geschäftsführerin, zu unterlassen, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister der Gesellschaft XXX (Handelsregister des Amtsgerichts Tostedt XXX) einzureichen, die den Kläger nicht mehr als Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil lfd. Nr. 2 zum Nennbetrag von 5.000,00 € ausweist.

  3. 3.

    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten zu je 1/2..

  4. 4.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

  5. 5.

    Der Streitwert wird auf bis zu 1.000.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste der Beklagten zu 2. zum Handelsregister, die ihn nicht mehr als Gesellschafter der Beklagten zu 2. ausweist.

Der Kläger und XXX sind ausweislich der Gesellschafterliste vom 07.09.2017 Gesellschafter der Beklagte zu 2. Ausweislich der Gesellschafterliste ist der Kläger am Stammkapital zu 20 %, XXX zu 80 % beteiligt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Anlage K1 Bezug genommen. XXX ist auch die Geschäftsführerin der Beklagten zu 2.

Ursprünglich war der am 24.05.2013 verstorbene Ehemann der XXX Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten zu 2. Dieser hatte mit handschriftlichem Testament vom 04.12.2012 u.a. verfügt, dass 80 % der Anteile an der Beklagten zu 2. im Falle seines Todes an XXX, damals Carter, 20 % an den Kläger "gehen sollten". Wegen der Einzelheiten des Testaments wird auf den Inhalt der Anlage K4 Bezug genommen.

Am 14.06.2013 wurden in der Wohnung der XXX mehrere notarielle Urkunden errichtet. Gemäß UR-Nr. 252/2013 des beurkundenden Notars XXX hielt die XXX eine Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2. ab und teilte den Geschäftsanteil des Erblassers in Höhe von 25.000,00 € (lfd. Nr. 1) zum Zwecke der Abtretung in einen Geschäftsanteil in Höhe von 5.000,00 € (lfd. Nr. 2) und einen Geschäftsanteil in Höhe von 20.000,00 € (lfd. Nr. 3) auf. Sodann übertrug sie laut dieser Urkunde zur Erfüllung des in dem privatschriftlichen Testament angeordneten Vermächtnisses den Geschäftsanteil zur lfd. Nr. 2 in Höhe von 5.000,00 € unentgeltlich auf den Kläger und trat ihn an diesen ab. Die Abtretung erfolgte ausweislich der Urkunde unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung des beantragten Erbscheins, wonach Herr XXX von der XXX allein beerbt worden ist. Der Kläger nahm die Abtretung an. Wegen der Einzelheiten des Inhalts dieser Urkunde wird auf den Inhalt der Anlage K5 Bezug genommen. Ein entsprechender Erbscheinantrag wurde ebenfalls am 14.06.2013 beurkundet, jedoch von dem Bevollmächtigten der XXX mit Schreiben vom 24.09.2013 gegenüber dem Nachlassgericht zurückgenommen. Mit Schreiben vom 21.05.2014 erklärte XXX gegenüber dem Nachlassgericht, dass sie die testamentarische Verfügung des Erblassers vom 04.12.2012 zugunsten des Klägers aufgrund Irrtums des Erblassers über die gravierenden steuerlichen Folgen anfechte. Wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf den Inhalt der Anlage B 10 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 27.09.2013 wurde die Anfechtung der Vertragsurkunden Nr. 252/2013 gegenüber dem Kläger seitens der Bevollmächtigten der XXX erklärt. Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf den Inhalt der Anlage B 4 Bezug genommen.

Am 30.08.2016 erteilte das Amtsgericht Tostedt der XXX auf deren Antrag einen Erbschein, der sie als gewillkürte Alleinerbin nach dem Erblasser auswies. Diesbezüglich wird auf den Inhalt der Anlage K 11 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 07.09.2016 erklärte der damalige Geschäftsführer der Beklagten zu 2., dass nach Vorliegen des beantragten Erbscheins die aufschiebende Bedingung der Verträge vom 14.06.2013 eingetreten sei.

Der Notar XXX reichte auf Anregung des Nachlassverwalters und des damaligen Geschäftsführers der Beklagten zu 2. eine neue Gesellschafterliste mit Datum vom 19.09.2016 zum Handelsregister ein, die den Kläger als Inhaber eines Geschäftsanteils mit der lfd. Nr. 2 im Nennbetrag von 5.000,00 € und als einzigen weiteren Gesellschafter den verstorbenen XXX mit einem Geschäftsanteil mit der lfd.Nr. 3 im Nennbetrag von 20.000,00 € auswies. Der damalige Geschäftsführer der Beklagten zu 2. reichte im Jahr 2017 eine Gesellschafterliste ein, die statt des verstorbenen XXX die Erbin XXX auswies.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 02.01.2020 forderte der Kläger die Beklagte zu 1. auf, binnen eines Monats eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2. einzuberufen. Tagesordnungspunkt dieser Gesellschafterversammlung sollte unter anderem die Abberufung der Beklagten zu 1. als Geschäftsführerin aus wichtigem Grund wegen gravierender Pflichtverletzung sein. Mit Schreiben vom 28.01.2020 bezweifelte der Bevollmächtigte der Beklagten zu 1. die Gesellschafterstellung des Klägers und kündigte an, eine korrigierte Gesellschafterliste beim Handelsregister einzureichen, die nicht mehr den Kläger als Gesellschafter der Beklagte zu 2. ausweisen würde. Wegen der Einzelheiten des Inhalts dieses Schreibens wird auf den Inhalt der Anlage K 18 Bezug genommen.

Der Kläger meint, dass die aktuelle beim Registergericht eingereichte Gesellschafterliste nicht fehlerhaft sei und erhebt vorsorglich den Einwand "dolo agit qui petit quod statim redditurus est". Er ist der Ansicht, dass Anfechtungsgründe weder hinsichtlich des Vermächtnisses noch der Abtretung vorlägen. Die Abtretung, die in Erfüllung des Vermächtnisses erfolgt sei, sei wirksam. Der Bedingungseintritt sei durch Erteilung des Erbscheins erfolgt. Dem stehe nicht entgegen, dass in der ursprünglichen Urkunde auf "den beantragten Erbschein" Bezug genommen werde. Darüber hinaus habe die XXX den Bedingungseintritt durch Rücknahme des ersten Erbscheinantrags treuwidrig vereitelt. Das Vermächtnis hinsichtlich der XXX stelle keine verdeckte Gewinnausschüttung dar, weil der Erblasser diese Anteile persönlich gehalten habe. Die Übertragung des Gesellschaftsanteils an den Kläger scheitere auch nicht daran, dass eine gesonderte Zustimmung der Gesellschaft gemäß § 4 des Gesellschaftsvertrages fehle.

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    der Beklagten zu 1., der Geschäftsführerin Frau XXX, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu untersagen, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister der Gesellschaft XXX (Handelsregister des Amtsgerichts Tostedt XXX) einzureichen, die Herrn XXX nicht mehr als Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil lfd. Nr. 2 zum Nennbetrag von 5000,00 € ausweist,

  2. 2.

    der Beklagten zu 2., der XXX mit Sitz in XXX, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an der Geschäftsführerin, zu untersagen, eine geänderte Gesellschafterliste zum Handelsregister der Gesellschaft XXX (Handelsregister des Amtsgerichts Tostedt XXX) einzureichen, die Herrn XXX nicht mehr als Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil lfd. Nr. 2 zum Nennbetrag von 5000,00 € ausweist.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten meinen, der Kläger sei zu Unrecht in der aktuellen Gesellschafterliste der Beklagten zu 2. als deren Gesellschafter ausgewiesen, da er den ihm dort zugeschriebenen Geschäftsanteil zum Nennbetrag von 5.000,00 € nie wirksam erworben habe. Sie behaupten, dass sich der Erblasser bei der Erstellung des Testaments über dessen steuerliche Folgen geirrt habe. Die Urkunde unter der UR-Nr. 252/2013 sei durch den Notar am Morgen des 14.06.2013 nicht vorgelesen worden. Sie meinen, die Bedingung der Erteilung des beantragten Erbscheins sei nicht eingetreten. Vielmehr sei mit der Rücknahme des Erbscheinantrags die aufschiebende Bedingung endgültig ausgefallen. Die Rücknahme des Erbscheinantrags sei nicht treuwidrig gewesen. Der Erblasser habe das Vermächtnis in dem handschriftlichen Testament mit Urkunde vom 26.03.2013 widerrufen. Sie sind der Ansicht, dass die Beklagten nicht entsprechend des Grundsatzes "dolo agit, qui petit quod statim redditurus est" gehindert seien, sich auf die Unwirksamkeit der notariellen Vereinbarung vom 14.06.2013 zu berufen, da der Vermächtnisanspruch des Klägers heute gemäß § 214 Abs. 1 BGB nicht mehr durchsetzbar wäre.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Klage ist Erfolg beschieden.

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Unterlassen der Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste aus dem Gesellschaftsverhältnis sowie aus §§ 823, 1004 Abs.1 BGB anlaog.

1.

Die Beklagten sind passivlegitimiert.

Ganz überwiegend wird in Rechtsprechung und Literatur zwar vertreten, dass dem in die Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter nur gegen die Gesellschaft, hier die Beklagte zu 2., nicht jedoch gegen den Geschäftsführer, hier die Beklagte zu 1., ein Anspruch auf Unterlassen der Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste zusteht (OLG München, Urteil vom 29.07.2010, 23 U 1997/10; Görner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl. 2017, Rn.52 m.w.N.). Hiergegen sprechen jedoch die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 17. 12. 2013, II ZR 21/12 in der es heißt: "...nicht der Betroffene im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erreicht, dass dem Geschäftsführer die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste untersagt wird." Hieraus ergibt sich, dass der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hinsichtlich eines Anspruchs auf Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste zumindest auch den Geschäftsführer als passiv legitimiert ansieht. Für eine Passivlegitimation sowohl der Gesellschaft als auch des Geschäftsführers spricht auch, dass der Geschäftsführer diesbezüglich zwar als Organ der Gesellschaft handelt, teilweise jedoch angenommen wird, dass der Geschäftsführer hinsichtlich der Einreichung der Gesellschafterliste nicht der Weisung der Gesellschafterversammlung unterworfen ist (Heidinger in Münchener Kommentar GmbHG, 3. Aufl. 2019, § 40 ,Rn. 180; anders Sachverhalt zu BGH, Beschluss vom 17.12.2013, II ZR 21/12). Darüber hinaus trifft den Geschäftsführer als Organ der Gesellschaft, die Pflicht zur Einreichung der Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 1 GmbHG und er selbst, nicht etwa die Gesellschaft, haftet dem Gesellschafter bei diesbezüglichen Versäumnissen, § 40 Abs. 3 GmbHG.

2.

Die Geschäftsführerin der Beklagten zu 2., die Beklagte zu 1., ist nicht berechtigt, eine korrigierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Zwar ist auch der Geschäftsführer einer Gesellschaft, nicht nur der Notar, nach Einreichung einer veränderten Gesellschafterliste durch den Notar gemäß § 40 Abs. 2 S.1 GmbHG dafür zuständig, eine korrigierte Liste einzureichen (vgl. BGH ZIP 2014, 216), die aktuelle Gesellschafterliste ist jedoch als richtig i.S.d. § 40 GmbHG anzusehen.

Es kann dahinstehen, ob die Abtretung des Geschäftsanteils wirksam war und die diesbezügliche aufschiebende Bedingung eingetreten ist, da die Beklagten aufgrund des "dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" - Grundsatzes gehindert wären, sich hierauf zu berufen.

Zwar soll grundsätzlich die Gesellschafterliste die aktuelle dingliche Rechtslage widergeben, schuldrechtliche Übertragungspflichten können jedoch in Ausnahmefällen den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen.

Soweit der Geschäftsanteil nicht ohnehin bereits wirksam übertragen worden wäre, läge ein solcher Ausnahmefall hier vor, da der Kläger in die Gesellschafterliste der Beklagten zu 2. eingetragen wurde, ohne dass die Erbin XXX entgegenstehende Rechte geltend gemacht hat. Insoweit heißt es auch in dem Schreiben vom 28. Januar 2020, dass die dort enthaltenen Erklärungen für die Geschäftsführerin der Beklagten zu 2. abgegeben werden, nicht jedoch für die Erbin XXX.

a.

Dem Kläger stände, soweit dieser Anspruch nicht bereits erfüllt worden wäre, ein Anspruch auf Übertragung eines Geschäftsanteils in Höhe von 20 % an der Beklagten zu 2. gegen die Erbin des XXX aus dem Vermächtnis vom 04.12.2012 zu.

Das Vermächtnis ist nicht gem. § 2078 BGB wirksam angefochten worden. Zwar sind im Rahmen des § 2078 Abs. 2 BGB auch Motivirrtümer erheblich (Leipold in Münchener der der Kommentar zum BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078, Rn. 26), nicht jedoch im Hinblick auf steuerliche Folgen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 21.10.54, 2 W 140/54). Ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum kann gemäß § 2078 BGB nur dann gegeben sein, wenn der Erblasser aufgrund einer fehlerhaften Vorstellung von Tatsachen die angefochtene letztwillige Verfügung getroffen hat. Dies ergibt sich aus der Formulierung des § 2078 Abs. 2 BGB, nach der der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands bestimmt worden sein muss. Eine Annahme oder Erwartung des Erblassers im Sinne des Abs. 2 ist jedenfalls dann gegeben, wenn sich der Erblasser Gedanken über bestimmte Tatsachen gemacht und die subjektive Überzeugung des Vorliegens oder Nichtvorliegens gewonnen hat (Leipold in Münchener der Kommentar zum BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078, Rn. 27). Dagegen fehlt es an dem subjektiven Erfordernis, wenn dem Erblasser selbst Zweifel blieben und er bestimmte Umstände lediglich als die wahrscheinlichere Möglichkeit einplante (Leipold in Münchener der Kommentar zum BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078, Rn. 27).

Es kann hier dahinstehen, ob der Erblasser korrekte Kenntnisse von den steuerlichen Folgen des Vermächtnisses hatte, da diesbezügliche Umstände ihn zumindest nicht zu dem Vermächtnis im Sinne des § 2078 Abs. 2 BGB bestimmt haben. Insoweit setzt eine Anfechtbarkeit eines Vermächtnisses nach § 2078 Abs. 2 BGB voraus, dass der Motivirrtum für die Verfügung ursächlich war. Eine bloße Mitursächlichkeit irriger Annahmen oder Erwartungen reicht nicht aus, da man der Anfechtung ansonsten einen zu weiten, den Willen des Erblassers letztlich aushöhlenden Anwendungsbereiche eröffnen würde (Leipold in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 2078 BGB, Rn. 45). Der Irrtum muss sich daher auf den für den Erblasser letztlich entscheidenden, ihn bewegenden Grund beziehen (BGH, Urteil vom 27.05.1987, IVa ZR 30/86). Es muss sich um einen Irrtum über besonders schwerwiegende Umstände handeln, die den Erblasser mit Sicherheit dazu gebracht hätten, anders zu testieren (BGH a.a.O.).

Die Beklagten haben nicht hinreichend dargetan, dass durch das streitgegenständliche Vermächtnis steuerrechtliche Folgen ausgelöst wurden, die der Erblasser nicht bedacht und nicht gewollt hat, oder in deren Kenntnis er von dem Vermächtnis abgesehen hätte. Denn die Ausführungen der Beklagten zu den steuerrechtlichen Folgen der Vermächtnisse betreffen in erster Linie das Vermächtnis hinsichtlich der XXX, nicht der Beklagten zu 2., was sich auch aus dem Inhalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2020 des Finanzamts Buchholz in der Nordheide, Anlage K 26, ergibt. Ein diesbezüglicher etwaiger Irrtum würde eine Anfechtung des Vermächtnisses bezüglich des Geschäftsanteils an der Beklagten zu 2. nicht begründen. Zudem haben die Beklagten einen Irrtum des Erblassers nicht hinreichend dargetan, da sie nicht vorgetragen haben, dass die behauptete Vorstellung des Erblassers tatsächlich unrichtig war. Insoweit ergibt sich aus der Anlage B8, dass die Erbin XXX gegen den Bescheid über die Einkommenssteuer 2013 des Finanzamts Buchholz in der Nordheide mit Schreiben vom 28.12.2015 Einspruch erhoben hat, aus der Anlage K 26, dass auch die Beklagte zu 2. Einspruch gegen einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2013 eingelegt hat. Hieraus folgt, dass die Erbin die Rechtsauffassung des Finanzamts hinsichtlich ihrer Steuerlast nicht teilt. Da insoweit die steuerliche Folge offenbar nicht eindeutig ist, muss sich der Erblasser, als er die von dem Finanzamt Buchholz in der Nordheide vertretene Rechtsauffassung möglicherweise nicht bedachte, keineswegs in einem Irrtum befunden haben. Darüber hinaus ist aus dem Einkommensteuerbescheid für 2013, Anlage B5, zwar eine hohe, nicht jedoch im Hinblick auf den Vermögenszuwachs, ruinöse Steuerlast zu erkennen.

Darüber hinaus bestehen hier Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser zumindest nach Aufsetzen des Testaments und vor der Gesellschafterversammlung der XXX im März 2013 eine möglicherweise auftretende steuerrechtliche Problematik bewusst war, ohne dass er sich veranlasst sah, sein Testament zu ändern. Denn mit Urkunde vom 26.03.2013, mithin fast vier Monate nach Abfassung des Testaments, trat er unter der aufschiebenden Bedingung seines Versterbens der XXX, deren Geschäftsführer der Kläger war, als Geschäftsführer der Beklagten zu 2. deren Geschäftsanteil zur lfd. Nr. 03 in Höhe von 12.600,00 € an der XXX unentgeltlich ab, die diese Abtretung annahm. Im Vorfeld dieser Verfügung erhielt er die E-Mail des Klägers vom 13.02.2013, Anlage B 15. Dort heißt es: "..Inhaltlich und materiell entspricht das genau deinem formulierten Willen. Ich habe die Anteile nachgerechnet - und das kommt exakt hin. Der Unterschied liegt nur darin, dass hier meine zur Sicherheit neu gegründete GmbH die Anteile im Notfall auffängt - und nicht ich privat." . Insoweit ist davon auszugehen, dass der Kläger und der Erblasser über steuerliche Folgen eine Abtretung an den Kläger gesprochen haben. Hierfür spricht auch dass dieser Entwurf offensichtlich dem Steuerberater zur Kenntnisnahme und Prüfung übermittelt wurde, Anlage B 15.

Zudem hat die Erbin in dem Schreiben vom 21.05.2014 gegenüber dem Nachlassgericht, Anlage B 10, erwähnt, dass der Erblasser offenbar durch einen Steuerberater beraten worden war, gegen den sie anscheinend Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung geltend hat. Insoweit heißt es in dem Schreiben: ".. Sein Steuerberater, XXX, verwirrte meinen Mann....... Die Haftpfl. Versicherung des Steuerberaters wird nicht in der Lage sein den Steuerschaden in der Höhe über 8 Million € zu decken...".

Zwar erscheint es durchaus plausibel, dass der Erblasser mit seiner testamentarischen Verfügung seine spätere Ehefrau finanziell absichern wollte. Wie bereits ausgeführt, ist jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt worden, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde. Vielmehr ist das Testament unter dem Aspekt zu betrachten, dass der Erblasser neben der Versorgung seiner späteren Ehefrau auch den Fortbestand seiner Firmen, sichern wollte. Auf genau diese Sichtweise verweist auch die Erbin in ihrem Schreiben vom 21.05.2014 an das Nachlassgericht, Anlage B 10. Insoweit war es sinnvoll und nachvollziehbar, dass der Erblasser dem geschäftserfahrenen Kläger den streitgegenständlichen Geschäftsanteil zukommen lassen wollte, auch um diesen neben der damit verbundenen finanziellen Zuwendung an die Gesellschaft zu binden und damit der Erbin, der er ausweislich der Anlage B6 Generalvollmacht über den Tod hinaus erteilt hatte, bei der Führung der Geschäfte hilfreich zur Seite zu stehen. Sowohl die vorgenannte E-Mail vom 13.02.2013, Anlage B 15, und der Inhalt der Urkunde vom 26.03.2013 als auch die in der Urkunde vom 14.06.2013, Anlage B6, erwähnte Generalvollmacht sprechen dafür, dass der Erblasser für den Fall seines Versterbens alle aus seiner Sicht erforderlichen Vorkehrungen hinsichtlich einer störungsfreien Fortsetzung der Geschäfte geprüft und geplant hatte. Insoweit ist auch davon auszugehen, dass er mit seiner Ehefrau XXX besprochen hatte, dass diese sich nach seinem Tode zur neuen Geschäftsführerin bestellen sollte und Hilfe des Klägers benötigen könnte.

Die Beklagten haben folglich einen erheblichen Motivirrtum im Sinne des § 2078 BGB, an dessen Darlegung und Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. Schmidt in Ermann BGB, § 2078, Rn. 13 m.w. N.), nicht dargetan.

b.

Durch den Inhalt der Urkunde vom 26.03.2013 wurde die testamentarische Verfügung des Erblassers vom 04.12.2012 nicht widerrufen, da es sich hierbei nicht um ein Testament handelt, § 2258 Abs.1 BGB, und sich ein solcher Widerruf auch nicht auf das hier streitgegenständliche Vermächtnis beziehen würde. Darüber hinaus stehen die dort getroffenen Verfügungen nicht im Widerspruch zu dem Vermächtnis vom 04.12.2012.

3.

Die Beklagten sind aufgrund des "dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" -Grundsatzes gehindert, sich auf eine möglicherweise unwirksame Übertragung des Geschäftsanteils zu berufen, da die Erbin im Falle der Unwirksamkeit der Abtretung bzw. fehlenden Bedingungseintritts verpflichtet wäre, den streitgegenständlichen Geschäftsanteil aufgrund des Vermächtnisses an den Kläger abzutreten.

a.

Zwar verweisen die Beklagten zu Recht darauf, dass es sich bei dem dolo-agit- Einwand um eine unselbstständige Einwendung handelt, die mit dem Anspruch verjährt, aus dem sie abgeleitet wird (BGH, Urteil vom 28.4.2015, XI ZR 378/13). Die Beklagten sind jedoch daran gehindert, sich auf die Verjährung des Vermächtnisanspruches zu berufen, da sie die Einrede der Verjährung nicht erheben können. Insoweit sind hier die Beklagte zu 1. und die Erbin zwar personenidentisch, die Beklagte zu 1. wird hier, wie auch in dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren, jedoch lediglich als Geschäftsführerin der Beklagten zu 2., deren Organ, in Anspruch genommen. XXX als Privatperson und Erbin ist nicht Partei dieses Rechtsstreits. Zwar sind im Rahmen eines Rechtsstreits hinsichtlich der Verpflichtung oder des Unterlassens des Einreichens einer korrigierten Gesellschafterliste auch Vorfragen hinsichtlich der Übertragung von Gesellschaftsanteilen zu entscheiden, dies führt jedoch nicht dazu, dass die Parteien eines solchen Rechtsstreits an die Stelle der an der Übertragung beteiligten Parteien treten und deren prozessuale Rechte wahrnehmen können.

b.

Der Vermächtnisanspruch wäre auch nicht verjährt.

Der Anspruch aus dem Vermächtnis verjährt in der Regelfrist von drei Jahren nach Abschluss des Jahres, in dem der Vermächtnisnehmer die anspruchsbegründenden Umstände und die Person des Schuldners kennt oder ohne grobe Fahrlässigkeit kennen musste, §§ 195,199 Abs. 1 BGB. Diese Umstände dürften dem Kläger zumindest kurz nach dem Tode des Erblassers bekannt gewesen sein. Die Verjährungsfrist begann jedoch am 14.06.2013 aufgrund eines Anerkenntnisses der Erbin nach § 212 Abs.1 Nr. 1 BGB erneut zu laufen, da diese an diesem Tag die Abtretung ausdrücklich zur Erfüllung des Vermächtnisses erklärte. Diesbezüglich wurde die Abtretung auch nicht angefochten. Die Verjährung des Vermächtnisanspruchs wäre damit mit Ablauf des 31.12.2016 eingetreten. Die Verjährungsfrist begann jedoch abermals nach Veröffentlichung der neuen Gesellschafterliste, die den Kläger als Gesellschafter der Beklagten zu 2. auswies, und die mit Datum vom 19.09.2016 zum Handelsregister eingereicht und veröffentlicht wurde, aufgrund Anerkenntnisses erneut zu laufen, da die Erbin keine rechtlichen Schritte gegen die Einreichung dieser Gesellschafterliste unternahm. Das Anerkenntnis wirkt auf den Verjährungslauf, da der (vermeintliche) Schuldner hierdurch von eigenen Schritten zur Verjährungshemmung abgehalten wird, weil er sie für entbehrlich halten darf (Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 212, Rn. 6, Beck online). Hierfür wird eine positive Handlung nicht vorausgesetzt, sondern es kann schon ein bloßes Stillschweigen oder Untätigbleiben genügen, soweit die Umstände des Einzelfalls an der Bedeutung dieses Verhaltens keinen Zweifel lassen (Grothe a.a.O.). Die Untätigkeit der Erbin in Kenntnis der Eintragung des Klägers als Gesellschafter der Beklagten zu 2. ist als Anerkenntnis auszulegen, da sie bereits im Jahr 2014 die Anfechtung des Vermächtnisses und der Abtretung gegenüber dem Kläger erklärt hatte. Insoweit hätte die Erbin angesichts der Eintragung des Klägers als Gesellschafter von einem erheblichen Eingriff in ihre Rechtsposition ausgehen müssen, sodass zu erwarten gewesen wäre, dass sie ihre Ansprüche gerichtlich geltend macht oder zumindest dem Kläger gegenüber ihr mangelndes Einverständnis hiermit erklärt und diesen zur Zustimmung zur Listenkorrektur auffordert. Aus diesem Grund musste der Kläger, als keine Reaktion der Erbin erfolgte, davon ausgehen, dass diese entweder von der Unwirksamkeit ihre Anfechtung ausging oder ihre Rechte nicht mehr geltend machen wollte. Hierfür sprach aus Sicht des Klägers auch, dass die Erbin im Jahr 2016 den Bedingungseintritt hinsichtlich der Abtretung herbeiführte, als sie einen Erbschein beantragte, der sie als Alleinerben auswies. Insoweit sollte die Abtretung nicht nur dann wirksam werden, wenn der am 14.06.2013 beurkundete Erbscheinsantrag positiv beschieden werden würde. Vielmehr ergibt sich aus der Urkunde eindeutig, dass die Abtretung lediglich an die aufschiebende Bedingung der Erteilung eines Erbscheins geknüpft wurde, der XXX als Alleinerbin auswies, da diese nur in diesem Fall die Vermächtnisse erfüllen sollte. Dieses Verständnis der Bedingung ergibt sich aus dem Umstand, dass sich das Testament vom 04.12.2012 nicht eindeutig hinsichtlich einer Alleinerbenstellung der XXX verhielt. Dies folgt sowohl aus dem Testament selbst als auch aus den Ausführungen zur Auslegung des Testaments in dem Erbscheinantrag, derer es bei Eindeutigkeit des Testamentes nicht bedurft hätte. Die Untätigkeit der Erbin nach Eintragung des Klägers in die Gesellschafterliste ist auch als Anerkenntnis auszulegen, da diese, obwohl sie die Vermächtnisse angefochten hatte, deren Wirksamkeit gegenüber dem Finanzamt Buchholz nicht in Frage gestellt hat. Dies ergibt sich sowohl aus dem Anschreiben des Finanzamtes vom 11.12.2018 an den Kläger, Anlage B 8, als auch aus der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2020, Anlage K 26.

Die Verjährungsfrist begann sodann im Jahr 2017 erneut zu laufen, als der damalige Geschäftsführer der Beklagten zu 2. am 12.09.2017 eine aktualisierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichte, die als Gesellschafter den Kläger und die Erbin XXX als Rechtsnachfolgerin des XXX mit einem Geschäftsanteil von 80 %, Anlage K1, auswies. Auch diesbezüglich ist das Untätigbleiben der Erbin, die einen Anspruch auf Korrektur der Gesellschafterliste nicht geltend machte, als Anerkenntnis des Verfügungsanspruchs des Klägers auszulegen. Die Verjährung würde folglich, soweit der Anspruch nicht bestand und bereits erfüllt wurde, frühestens nach Ablauf des 31.12.2020 eintreten, soweit man nicht sogar ein weiteres Anerkenntnis der Erbin darin sehen würde, dass sie als Geschäftsführerin der Beklagten zu 2. im Jahr 2018 weiterhin hinsichtlich einer Listenkorrektur untätig blieb.

c.

Darüber hinaus wäre der Erbin die Berufung auf die Einrede der Verjährung bezüglich des Vermächtnisanspruches aufgrund von Treuwidrigkeit verwehrt. Insoweit weisen die Beklagten zutreffend darauf hin, dass eine Verjährungseinrede treuwidrig erfolgt, soweit der Schuldner den Gläubiger absichtlich von der Erhebung der Klage abgehalten hat bzw. durch sein Verhalten objektiv, sei es auch unabsichtlich, bewirkt hat, dass die Klage nicht rechtzeitig erhoben wird, und die spätere Verjährungseinrede unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar wäre (BGH, Urteil vom 14.11.2013, IX ZR 215/12). Ein solches Verhalten liegt hier vor, da die Erbin untätig blieb, als der Kläger als Gesellschafter in die Gesellschafterliste der Beklagten zu 2. eingetragen wurde, obwohl sie sowohl das Vermächtnis als auch die Abtretungserklärung im Mai 2014 angefochten hatte. Aufgrund des Umstandes, dass der Kläger in die Gesellschafterliste eingetragen war und die Erbin ihm gegenüber keine Ansprüche, auch nicht auf Feststellung, geltend machte, hatte er keinerlei Veranlassung, seine Ansprüche aus dem Vermächtnis gegen diese geltend zu machen. Da die Gesellschafterstellung des Klägers zu keinem Zeitpunkt in Abrede genommen worden war, wäre auch eine Feststellungsklage mangels Rechtsschutzinteresses voraussichtlich unzulässig gewesen. Dies gilt umso mehr, weil die Erbin zumindest seit dem 16.01.2018 auch Geschäftsführerin der Beklagten zu 2. war und insoweit bereits zu diesem Zeitpunkt die Gelegenheit gehabt hätte, selbst eine korrigierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Dennoch hat sie hiervon zwei Jahre lang abgesehen. Insoweit ist auch unerheblich, ob durch den Brand des Wohnhauses der Erbin Unterlagen vernichtet worden sind, da sie seit der Erklärung der Anfechtung wissen musste, ob sie bereit war, das Vermächtnis zu erfüllen. Darüber hinaus ist aus der Anlage B4 ersichtlich, dass die Rechtsanwälte Schneider, Stein und Partner die Anfechtung am 27.09.2013 erklärt hatten, sodass davon auszugehen ist, dass diesen auch die maßgeblichen Verträge vorlagen. Auch in diesem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass nach Auffassung der Erbin die Bedingung für die Abtretung nicht mehr eintreten könne.

II.

Die Androhung des Ordnungsgeldes beruht auf § 890 ZPO.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 ZPO.