Amtsgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.09.2006, Az.: 34 II 10/04
Bibliographie
- Gericht
- AG Braunschweig
- Datum
- 11.09.2006
- Aktenzeichen
- 34 II 10/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 44914
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGBRAUN:2006:0911.34II10.04.0A
Fundstellen
- NZM 2008, 172-174 (Volltext mit red. LS)
- ZMR 2007 (amtl. Leitsatz)
- ZMR 2007, 224-226 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Braunschweig am 11.09.2006 durch die Richterin am Amtsgericht beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Antragsgegner werden verpflichtet, in ihrer Eigentumswohnung jegliche von der Antragsgegnerin ... ausgehenden Lärmbelästigungen in der Zeit vor 07.00 Uhr morgens , zwischen 13.00 und 15.00 Uhr und nach 22.00 Uhr sowie jegliche Lärmbelästigungen, die über das übliche zumutbare Maß hinausgehen, zu unterlassen. Soweit sich der Antrag der Antragsteller auf die von der Tochter der Antragsgegner ausgehenden Lärmbelästigungen bezieht, wird er zurückgewiesen.
- 2.
Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis 5 000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 3 Monaten angedroht.
- 3.
Die Gerichtskosten werden gegeneinander aufgehoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
- 4.
Der Geschäftswert wird festgesetzt auf 10 000,00 EUR.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Eigentümer einer Wohnung, die sich in Braunschweig, Parterre befindet. Die Antragsgegner sind Eigentümer der Eigentumswohnung im 1. OG, welche über der Wohnung der Antragsteller liegt. Die Wohnung wird von der Antragsgegnerin und ihrer Tochter bewohnt. Eigentümer ist neben der Antragsgegnerin ihr Ehemann, welcher im Januar 2002 aus der Wohnung auszog.
Die Tochter der Antragsgegner ist 1991 geboren und geistig behindert; ihr Sprachverständnis ist stark eingeschränkt. Sie leidet u.a. an einer schweren neuromuskulären Hypotomie. Dies führt dazu, dass sie an einer erheblichen Einschränkung der Beweglichkeit leidet. Sie kann nicht hören und kaum sprechen. Freude und Schmerz werden durch laute Äußerungen kundgetan. Zur Fortbewegung benötigt sie Stützen an den Füßen, welche die Füße geradehalten. Durch die Wohnung bewegt sie sich im sogenannten "Häschensprung".
Die Antragsteller behaupten, die Tochter der Antragsgegner klopfe, schreie und hämmere, teilweise stundenlang. Die Antragsgegnerin sei offenbar mit der Kindererziehung überfordert und reagiere häufig ebenfalls mit Lärm, indem sie ihre Tochter anschreie. Die Antragsteller legen hierzu Lärmprotokolle vor, wegen deren näheren Inhalts auf die Akte verwiesen wird.
Die Antragsteller behaupten, infolge dieser ständigen Lärmbelästigungen erkrankt zu sein.
Im Laufe des Verfahrens wurden zwischen den Beteiligten Einigungsmöglichkeiten erörtert. In diesem Zusammenhang wurden das Jugendamt, das Gesundheitsamt sowie das Versorgungsamt der Stadt Braunschweig kontaktiert. Auch bei der Schule, die die Tochter der Antragsgegner besucht, wurde nachgefragt. Aus der Bescheinigung der Schule vom 16.11.04 läßt sich folgendes entnehmen:
... ist ein schwerbehindertes Kind, das sich nicht verbal mitteilen kann. Sie zeigt alle Emotionen auch die von Freude durch lautes und schrilles Schreien an. Für sie ist dies die einzige Form der Kontaktaufnahme und des sich Mitteilens.
Die Einrichtung Therapiezentrum in Braunschweig teilte mit, eine Psychotherapie sei bei einem schwerst mehrfach behinderten Kind nicht möglich.
Zwischenzeitlich wurde seitens der Antragsgegner am 23./24.10.04 Teppichboden im Wohnzimmer verlegt, im Kinderzimmer wurden Teppiche, im Wohnzimmer Läufer auf die Laufwege gelegt. Nach dem Vortrag der Antragsteller verbesserte sich die Situation nicht wesentlich.
Die Antragsteller beantragen,
die Antragsgegner zu verpflichten, in ihrer Eigentumswohnung ... in Braunschweig jegliche Lärmbelästigung in der Zeit vor 07.00 h morgens und zwischen 13.00 und 15.00 h und nach 22.00 h sowie jegliche Lärmbelästigung durch Klopfen, Schreien und Hämmern, die über das übliche zumutbare Maß hinausgeht, zu unterlassen.
Die Antragsgegner beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie bestreiten die Häufigkeit und Intensität der von der Tochter der Antragsgegner und der Antragsgegnerin ausgehenden Lärmbelästigungen. Das Verhalten der Tochter sei kindgerecht und unterscheide sich nicht wesentlich vom Verhalten anderer Kinder gleichen Alters.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens insbesondere über die Frage der Therapierbarkeit der Behinderung der Tochter der Antragsgegner.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 04.10.05 (Bl. 115 ff.d.A.) verwiesen.
Das Gericht hat ferner Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Terminsprotokoll vom 07.09.06.
II.
Die Antragsteller haben einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Unterlassung jeglicher Lärmbelästigungen, die über das zumutbare Maß hinausgehen und die durch sie selber verursacht werden. Maßgebliche Anspruchsgrundlage ist § 1004, 906 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG. Eigentümer können hiernach vom Sondereigentum nur in solcher Weise Gebrauch machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer ein Nachteil erwächst, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht.
Da sich eine das unvermeidliche Maß übersteigende Beeinträchtigung auch bei übermäßigem Lärm durch Kinder und Erwachsene ergeben kann (vgl. Niedeführ/Schulze, 7. Auflage, § 14, Rn. 4), müssen die Antragsteller nur diejenigen Lärmbelästigungen hinnehmen, die sie nicht wesentlich beeinträchtigen.
Beanstandet werden von den Antragstellern Lärmeinwirkungen, die zum einen von der Tochter als auch von der Antragsgegnerin ausgehen. Da jeder Wohnungseigentümer für die Einhaltung der Verpflichtung aus § 14 Nr. 1 WEG durch die Personen zu sorgen hat, die zu seinem Hausstand gehören, haben die Antragsgegner auch grundsätzlich nicht nur für die von ihnen selbst ausgehenden Geräusche einzustehen, sondern auch die von der Tochter verursachten Laute.
Soweit die Antragsteller behaupten, von der Tochter ... gingen Lärmbeeinträchtigungen aus, die das zumutbare Maß im Sinne der §§ 14 Ziff. 1 WEG, 1004, 906 BGB überschreiten, war der Antrag zurückzuweisen.
Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob die von der Tochter der Antragsgegner ausgehenden Geräusche die öffentlich rechtlichen zulässigen Grenzwerte überschreiten und insofern als rechtswidrige Störungen anzusehen sind. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob diese Lärmbeeinträchtigungen, unabhängig davon, ob sie die öffentlich rechtlich zulässigen Grenzwerte überschreiten, nach ihrer Art die Aufmerksamkeit des unfreiwilligen Hörenden auf sich ziehen und sich so in dessen Bewußtsein drängen, obgleich er sie nicht hören will - auch dann liegt nämlich eine rechtswidrige Störung vor. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob diese - mögliche -rechtswidrige Beeinträchtigung als wesentlich im Sinne des § 906 Abs 1 BGB anzusehen ist, ob also die Lärmemission, etwa durch Überschreitung des zulässigen Richtwertes, als gefährlich anzusehen ist. Auch darauf, ob den von der Tochter der Antragsgegner ausgehenden Geräuschen der Makel der Lästigkeit anhaftet oder nicht, kommt es nicht an.
Das Gericht stellt in diesem Zusammenhang klar, dass diese Voraussetzungen durchaus vorliegen könnten. Wenngleich sich die im Termin vom 07.09.2006 durchgeführte Beweisaufnahme nicht auf die von der Tochter der Antragsgegner, sondern ausschließlich auf die von der Antragsgegnerin selbst ausgehenden Geräusche bezog, nahmen die vernommenen Zeugen wegen des zeitlichen und ursächlichen Zusammenhangs der Lärmquellen auch zu denen von der Tochter der Antragsgegner verursachten Lauten Stellung. Es wurde deutlich, dass sich die Situation innerhalb der Liegenschaft als für die Eigentümer äußerst belastend darstellt. Das Gericht hat den Eindruck gewonnen, dass in der Tat ein unbeschwertes Wohnen innerhalb der Liegenschaft nicht möglich ist. Es ist wohl kaum noch möglich, in der Wohnung der Antragsteller während der Anwesenheit der Tochter der Antragsgegner zu Ruhe und Erholung zu kommen.
Selbst wenn aber die von der Tochter der Antragsgegner ausgehenden Geräusche die Antragsteller rechtswidrig beeinträchtigen und diese Beeinträchtigungen auch wesentlich im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB sind, können die Antragsteller einen Anspruch nach § 1004, 906 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG gegenüber den Antragsgegnern nicht durchsetzen. Wie der jeweilige Wohnungseigentümer seine Pflicht aus § 14 Nr. 1 WEG erfüllt, ist gesetzlich zwar nicht geregelt. Gemäß § 1004 BGB müssten die Antragsgegner als mittelbare Störer - soweit von ihrer Tochter ausgehende Geräusche betroffen sind - gegenüber ihrer Tochter als unmittelbare Störerin alle ihnen rechtlich, wirtschaftlich und tatsächlich gegebenen Möglichkeiten ausschöpfen, um Beeinträchtigungen auszuschöpfen. Die Grenze findet diese Verpflichtung jedoch dort, wo diese rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Maßnahmen im Verhältnis zur drohenden Beeinträchtigung unzumutbar sind (vgl. BGHZ 106, 229 ).
Selbst wenn den Antragstellern die durch Tochter der Antragsgegner selbst hervorgerufenen Geräuschbeeinträchtigungen billigerweise nicht mehr zuzumuten sind und unterstellt wird, sämtliches Vorbringen der Antragsteller hierzu sei wahr, so steht den Antragsgegnern kein im Verhältnis zumutbarer Weg zur Verfügung, den von Christina ausgehenden Geräuschbeeinträchtigungen entgegenzuwirken.
Im Rahmen der Abwägung, wann das nach § 14 WEG maßgeblich "unvermeidliche Maß" überschritten ist, müssen - da es sich bei diesem Terminus um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt - Grundrechte der Betroffenen beachtet und der Terminus unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Betroffenheit ausgelegt werden ("Lichttheorie").
Zwar ist auf beiden Seiten ein grundrechtlich sensibler Bereich betroffen. So ist auf Seiten der Antragsteller Art. 14 GG betroffen, da die Wohnung mit großer Wahrscheinlichkeit aufgrund der Wohnsituation an Wert verliert. Möglicherweise ist darüberhinaus auch Art. 2 Abs. 2 GG betroffen, sofern die Behauptung der Antragsteller zutrifft, durch den von der Tochter der Antragsgegner ausgehenden Lärm und der damit einhergehenden dauernden Belastung sei es bereits zu Erkrankungen psychischer und physischer Art gekommen - was durchaus möglich erscheint.
Andererseits jedoch bleiben den Antragsgegnern lediglich Möglichkeiten, die Lärmbelastungen zu verhindern oder weitgehend zu vermeiden, die in die Menschenwürde ihrer Tochter, also das unantastbare Grundrecht nach Art. 1 GG eingreifen oder in erheblichem Maße andere Grundrechte der Antragsgegner bzw. ihrer Tochter verletzen.
Im Laufe des Verfahrens wurden vielfältige Möglichkeiten erörtert, wie dem von der Tochter der Antragsgegner ausgehende Lärm begegnet werden könnte. Auch medizinisch - therapeutische Maßnahmen wurden ausgelotet. Hierzu wurde schließlich auch ein Sachverständigengutachten eingeholt.
Die Sachverständige stellte im Gutachten vom 04.10.05 fest, bei der Tochter der Antragsgegner liege eine ursächlich nicht geklärte schwerwiegende motorische und vor allem geistige Behinderung vor, deren Besserung nicht zu erwarten sei. Insbesondere Primitivreaktionen als impulsartige Augenblickshandlungen könnten plötzlich durch Erlebnisreize ausgelöst werden und seien daher nicht von der die Tochter der Antragsgegner betreuenden Person abzumildern oder gar zu verhindern. Es sei der Tochter der Antragsgegner nicht vermittelbar, dass Ruhezeiten einzuhalten seien. Therapiemaßnahmen seien nicht erkennbar.
Das Gericht folgt den Angaben der Sachverständigen vollumfänglich. Ihre Ausführungen sind widerspruchsfrei und in sich schlüssig und werden auch von den Antragstellern nicht näher angezweifelt.
Die Sachverständige stellte ferner fest, eine medikamentöse Behandlung sei lediglich insofern möglich, als Neuroleptika, Stimulanzien oder Sedativa gegeben werden können. Die Gabe dieser Medikamente bedeutete jedoch zugleich die dauerhafte Veränderung der Wesensart der Tochter der Antragsgegner. Denn der von der Tochter der Antragsgegner ausgehende Lärm ist zeitlich kaum einzuschränken. Um eine Lärmentfaltung während der Anwesenheit der Tochter der Antragsgegner in der Wohnung völlig auszuschließen, müssten die Antragsgegner ihre Tochter daher rund um die Uhr sedieren. Die damit zwangsläufig einhergehende Veränderung der Wesensart des Kindes bedeutet aber zugleich einen Eingriff in ihre Menschenwürde und ist daher nicht abzuwägen mit den Beeinträchtigungen, die die Antragsteller erdulden müssen. Im übrigen wäre Art. 2 Abs. 2 GG, der unter Gesetzesvorbehalt steht, verletzt.
Der andere zunächst für möglich gehaltene Weg der Begegnung der von der Tochter der Antragsgegner ausgehenden Lärmbelästigungen durch bauliche Maßnahmen kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Die von den Antragstellern behaupteten Lärmbelästigungen durch die Tochter der Antragsgegner werden nicht nur hervorgerufen durch Klopfen und Hämmern, sondern auch durch Schreien. Um diesen vielfältigen Lärmeinwirkungen zu begegnen, wäre es schon erforderlich, die Wände der Wohnung mit Styroporplatten zur Schalldämmung zu verkleiden. Resultat wären zumindest nahezu schalldichte Räumlichkeiten, in die auch äußere akustische Einflüsse nicht dringen können. Es ist gerichtsbekannt, dass der dauerhafte Aufenthalt in schalldichten Räumen äußerst beklemmend ist, da sämtliche Geräusche sofort "verschluckt" werden. Entsprechend werden schalldichte Räume auch als "tote Räume" bezeichnet und sind mit einer Art Isolationszelle vergleichbar. Mit einer annähernd normalen Wohnsituation hat dies nichts mehr zu tun und bedeutete für die Antragsgegner die faktische Unbewohnbarkeit ihrer Wohnung. Wenngleich die von der Tochter der Antragsgegner ausgehenden Geräusche und Laute für die Antragsteller nahezu unerträglich sind, gibt es doch gelegentlich Zeiten der Ruhe, so etwa in den Morgenstunden, während sich Christina in der Schule befindet, in den Nachmittagsstunden und an einigen Wochenenden. Die Verkleidung der Wohnung der Antragsgegner als schalldichte Zelle hingegen führte zu einem dauerhaften, ununterbrochenen Zustand der Isolation, weshalb hier gleichermaßen ein Eingriff in Art. 14 GG vorliegt und eine Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit einen Vorrang der Interessen der Antragsgegner ergibt.
Das Gericht hält es für die Antragsgegner auch nicht für zumutbar, lediglich das von ihrer Tochter bewohnte Kinderzimmer mit Styroporplatten zu verkleiden und dieses schalldicht herzurichten.
Denn von den Antragsgegnern wurde unwidersprochen und für das Gericht nachvollziehbar vorgetragen, dass sich ihre Tochter im wesentlichen im gleichen Raum aufhält wie ihre Mutter und nicht vorwiegend in ihrem Kinderzimmer. Von den Antragsgegnern kann aber nicht verlangt werden, dass sie ihre Tochter in ihrem Zimmer einsperren, auch nicht zu bestimmten Zeiten. Eine solche Verpflichtung bedeutet für die Antragsgegner eine Verpflichtung zu einer strafbaren Handlung, nämlich einer Freiheitsberaubung und verletzt die Tochter in ihrem Freiheitsgrundrecht nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG.
Die vorliegende Situation entscheidet sich auch von der Situation, die das OLG Köln mit Urteil vom 01.08.98 ( NZM 1998, 122 ff.) zu beurteilen hatte.
Diesem Urteil lag der Aufenthalt geistig behinderter Personen im Außenbereich des Grundstücks des dortigen Beklagten zugrunde. Das OLG Köln hat entschieden, der dortige Beklagte sei gehalten, durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, dass von diesen geistig behinderten Personen Lärmeinwirkungen wie Schreien, Stöhnen, Kreischen und sonstige unartikulierte Laute zu bestimmten Tageszeiten auf das Grundstück des Klägers dringen. In diesem Zusammenhang hat das OLG Köln auch erörtert, dass dem dortigen Beklagten keine Unterlassungspflicht in Bezug auf die Nutzung des Gartens auferlegt wird.
Entsprechendes wäre jedoch der Fall, verpflichtete man die Antragsgegner zur Unterlassung jeglicher unzumutbarer Geräuscheinwirkungen, wie vorliegend beantragt. Wie dargelegt, sind medizinische Maßnahmen nicht möglich, um dem Lärm zu begegnen, bauliche Maßnahmen würden aber einer Nutzungsuntersagung wegen Unbewohnbarkeit der Wohnung gleichen.
Eine andere Beurteilung ergibt sich jedoch, soweit der Antrag auch die von der Antragsgegnerin selbst ausgehenden Lärmbelästigungen erfasst.
Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht für das Gericht fest, dass die Antragsgegnerin in Reaktion auf Schreie und Geräusche, die durch ihre Tochter hervorgerufen werden und in dem Bemühen, sie zur Ruhe zu bewegen, ihre Tochter des öfteren anschreit. Entsprechendes ergibt sich aus den Bekundungen der Zeugen ... im Termin zur Beweisaufnahme vom 07.09.06. Die Zeugen bekundeten übereinstimmend, die von Frau ... ausgehenden Schreie seien deutlich in der Wohnung der Antragsteller zu vernehmen. Die Zeugen und ... konnten die Zeugen die Äußerungen von Frau ... sogar wortgetreu wiedergegeben.
Das Gericht ist der Überzeugung, dass diese Beeinträchtigungen die öffentlich rechtlichen Grenzwerte überschreiten, als wesentlich im Sinne des § 906 Abs. 1 BGB anzusehen sind und die Grenze des unvermeidlichen Maßes nach § 14 Nr. 1 WEG überschreiten. Denn sie erreichen nach den Bekundungen der Zeugen eine erhebliche Lautstärke. Wenngleich die Zeugen und als Sohn bzw. Schwiegersohn familiär mit den Antragstellern verbunden sind, so schenkt das Gericht ihren Aussagen Glauben. Es mag sein, dass sich die Situation zwischen den Parteien im Laufe der Zeit erheblich zugespitzt hat - umso mehr wird in der Familie das Thema diskutiert und ist im übrigen ohnehin in der Wohnung nahezu allgegenwärtig. Die Aussagen der Zeugen waren durchweg glaubhaft und irrtumsfrei. Sie waren von Originalität geprägt und detailliert.
Wenngleich die Zeugin ... lediglich Angaben zur Geräuschentwicklung bis etwa Anfang April 2006 machen konnte, so bestätigte sie die Aussagen der Zeugen ... und ..., obwohl die Zeugin als ehemalige Freundin des Zeugen ... keine enge persönliche Beziehung (mehr) zu den Antragstellern pflegen dürfte und sie - zumal persönlich nicht (mehr) betroffen - eine neutralere Position einnehmen dürfte als die Zeugen ... und .... Auch ihre Aussage war detailliert, originell und glaubhaft.
Hiernach ist das Gericht davon überzeugt, dass die Antragsgegnerin mehrmals die Woche ihre Stimme deutlich erhebt und ihre Tochter - nahezu schreiend - zur Ruhe ermahnt. Das Gericht verkennt nicht, dass die Antragsgegnerin letztlich hiermit das gleiche Ziel verfolgt wie die Antragsteller, nämlich ihre Tochter ruhig zu stellen. Da die Tochter der Antragsgegner jedoch nahezu taub ist und durch die Schreie der Mutter nicht beeinflussbar, ist dieses Unterfangen stets erfolglos und trägt - im Gegenteil - zusätzlich zur Störung der häuslichen Ruhe bei. Das Gericht ist auch der Überzeugung, dass diese Schreie in einer Lautstärke geäußert werden, die das unvermeidliche Maß übersteigt. Wenngleich die Liegenschaft hellhörig sein mag, so haben die Zeugen glaubhaft bekundet, üblicherweise würden zwar Rufe, teilweise auch Gespräche aus anderen Wohnungen wahrgenommen werden können, jedoch nicht die Inhalte. Anders bei der Antragsgegnerin ..., die von den Zeugen ... und ... wörtlich zitiert werden konnten, ohne dass das Gericht den Eindruck gewonnen hätte, die Zeugen hätten sich abgesprochen.
Eine Verpflichtung der Antragsgegner in der tenorierten Form ist nicht zu unbestimmt. Nach ständiger Rechtssprechung des BGH (vgl. BGHZ 121, 248 ) entspricht es den Besonderheiten der emissionsrechtlichen Unterlassungsklage, dass ein Teil der Entscheidung des Rechtsstreits in das Vollstreckungsverfahren verlagert wird. Gerade weil es insbesondere bei Lärmemission vielfach kaum möglich ist, das Maß unzulässiger Einwirkungen mit Worten so zu beschreiben, dass der Beeinträchtigte hinreichend geschützt ist, andererseits aber auch die Rechtsposition des Störers wegen der Vorgabe starrer Richtwerte nicht unzumutbar beeinträchtigt wird, muss im Einzelfall anhand aller Umstände beurteilt werden, ob eine Emission wesentlich oder unwesentlich ist. Dies kann dann nur im jeweiligen Vollstreckungsverfahren geschehen.
Da die Antragsteller mit ihrem Antrag obsiegten, soweit dieser die von der Antragsgegnerin verursachten Lärmbeeinträchtigungen umfasst, im übrigen aber, soweit die Lärmbeeinträchtigungen von der Tochter der Antragsgegner ausgehen, unterlagen, waren die Gerichtskosten gegeneinander aufzuheben, § 47 S. 1 WEG.
Das Gericht hat keinen Anlass von der Grundkosten-Regel in WEG-Verfahren, wonach jeder Beteiligte seine eigenen außergerichtlichen Kosten selbst trägt, abzuweichen, § 47 S. 2WEG.
Streitwertbeschluss:
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 3 WEG und bemisst sich nach dem erheblichen Interesse der Antragsteller an der Unterlassungsverpflichtung, zumal auch die weitere Antragsgegnerin (34 II 17/04) betroffen ist.